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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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Heft 2
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Fechheimer, Hedwig: Das ägyptische Tierbild, [2]: Reliefs
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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0104

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TIERFRIES AIS DEM TOTENTEMPEL DES SAHURE. KALKSTEIN
BERLIN



formalen Ausgleich zwischen der vorgestellten Kör-
perlichkeit und dem thatsächlichen Reliefvolumen
der Figuren zu finden.

Der Ägypter, der in Kunstsachen elementar
empfindet und infolgedessen auf unvermischte
Typen hinarbeitet, setzt ein minimales Reliefvolumen
voraus: er sieht in der Flächenbindung der Figur
das ausschlaggebende Stilmoment im Relief.

Das Widerspruchsvolle einer an die Fläche ge-
bundenen Plastik, das der Grieche in seinem Hoch-
relief zu verschleiern sucht, ist sein formales Thema.
Hoch- und Flachrelief unterscheiden sich am we-
nigsten durch den Grad der Reliefhöhe; es sind
gänzlich verschiedene plastische Konzeptionen. Im
Hochrelief ist die Grundebene als Raum interpoliert,
aus dem die Figuren herauswachsen, vor dem sie
entlang schreiten. Der Grieche — und jede grie-
chisch orientierte Kunst — beobachtet keine
Grenze zwischen Relief und Rundskulptur. Seine
Friesfiguren gleichen rhythmisch in Bewegung ge-
setzten Statuen. Seine Statuen (Diskobol) und
Gruppen (Laokoon) verlangen die abschliessende
Wand. Sie beziehen sich irgendwie auf eine vor-
gestellte Fläche: mit ihrer flächigen Aufteilung und
ausgleichenden Modellierung: mit einem Aufbau,
der die Richtungskonstraste der Figur, die den
plastischen Raum schaffen, mildert und die bild-

mässig zusammenfassende Silhouette unterstreicht.
Am wenigsten flächig sind die sogenannten archai-
schen Figuren empfunden: dem betonten Parallelis-
mus ihrer Vertikalen und Horizontalen ist immer
eine in den Raum vorstossende Form entgegen ge-
setzt — ein ausgestreckter Arm, der das Weih-
geschenk oder Attribut trägt —, und die Einzel-
formen sind mit derselben plastischen Bestimmt-
heit ausgeprägt.

Die klassischen „Bild"werke sind so reliefmässig,
dass Hildebrand, von griechischer Plastik inspiriert,
im „Problem der Form" die Bild- oder Gesichts-
vorstellung als notwendige Grundlage für die ku-
bische Vorstellung annehmen konnte. In den
Giebelfiguren, die wegen der Bindung an die
Giebelwand als Reliefs gelten müssen, ist der
Unterschied der Kunstweisen gänzlich aufgehoben.
Der besondere Reliefcharakter, in den Figuren der
Parthenongiebel kaum noch angedeutet, wird erst
durch den Abstand des Betrachters wie zufällig
und von aussen her erzeugt.

Der ägyptische Reliefstil mit seiner gerade
noch tastbaren Reliefhöhe war von vornherein
ziemlich genau umschrieben. Da es sich um Plastik,
das ist reale Körpergestaltung handelt, war jede
perspektivische Suggestion des Dreidimensionalen
von vorn herein logisch unhaltbar. Sie wurde

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