Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Scheffler, Karl: Berliner Sezession 1915
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0167

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
■■■■■■■■■■■■■

r

WOLF RÖHRICHT, LANDSCHAFT

man nichts von dem schädlichen Streit, der aus einer
Sezession zwei gemacht hat, so könnte man sich
vorstellen, der Krieg habe die stolze Künstlerver-
einigung zu einem Diminutiv zusammenschrumpfen
lassen. Ausserlich ist vieles noch so, wie es früher
war. Die Räume — kleinere Kabinette und ein
Saal in guten Verhältnissen — und ihre Ausstattung
erinnern an das alte Haus; es ist, wie so oft in
früheren Jahren, eine retrospektive Abteilung da,
die Form des Katalogs und das Plakat sind dieselben
geblieben, es findet sich, nach wie vor, die revolu-
tionäre Note, und ein rühriger Kunsthändler besorgt
wieder die Geschäftsführung. Bei längerem Ver-
weilen freilich merkt man bald einen entscheidenden
Unterschied: mansieht,dass es indiesergutgemachten
Ausstellung recht eigentlich an einer genügend
grossen Anzahl von guten Kunstwerken, von talent-
vollen Künstlern fehlt. Es ist alles da: die rechte
Einsicht, der gute Geschmack, der Mut etwas zu
wagen, (der durch einen schönen äusseren Erfolg
belohnt worden ist), die Liberalität der Jugend,

dem Talent gegenüber; nur in der
Hauptsache hapert es: es fehlt an
guten Bildern und Plastiken. Die
Ausstellung interessiert darum mehr
im Ganzen als im Einzelnen. Diese
Künstlervereinigung ist in der selt-
samen Lage, dass sie, wenn sie Muster-
ausstellungen machen will, auf die
eigenen Mitglieder nicht allzuviel
Rücksicht nehmen darf. Sie muss
nach Talenten ausserhalb der eigenen
Reihen Umschau halten, sie muss über
die eigenen Fähigkeiten hinausdenken.
Es ist aber sehr zweifelhaft, ob ein
Verein von Künstlern dieses entsagen-
den Heldenmuts, dieser der künstle-
rischen Persönlichkeit unnatürlichen
Objektivität dauernd fähig ist.

Bei der Organisation dieser ersten
Ausstellung hat dem Vorstand etwas
durchaus Solides vorgeschwebt. Bald
aber hat es sich gezeigt, dass die Ver-
führung, sich mit weniger zu be-
gnügen, in dieser schwierigen Zeit
besonders gross ist. In der „Retro-
spektiven Abteilung" soll eine Kol-
lektion von Bildern Menzels auf dessen
hundertsten Geburtstag hinweisen. Der
Gedanke war gut. Menzel hätte der
ganzen Ausstellung ein bedeutendes
Gewicht geben können. Es ist aber bei der Vor-
führung einiger, zumteil schon am Lehrter Bahn-
hof gezeigter Frühbilder Menzels aus dem Besitz
Professor Krigar-Menzels geblieben. Eine

andere Absicht: Werke Leibls und seines Kreises
zu zeigen, ist auch im ersten Anlauf stecken ge-
blieben. Immerhin sind die beiden Bilder Fritz
Schiders für Berlin neu und, in ihrer kultivierten
malerischen Bravour, für eine Ausstellung gut ge-
eignet. Lehrreich ist es besonders, wie Schiders
Malweise, die von Leibl entscheidend beeinflusst
worden ist, zu der Art des beigischen Modemeisters
Stevens hinüberweist und sich andererseits eng mit
dem feinen Atelierstil Theodor Alts und des frühen
A. v. Keller berührt. — Manches von dem, was in
der retrospektiven Abteilung gezeigt wird, stammt
aus dem Kestnermuseum in Hannover, zum Beispiel
der eine Schider, ein Spitzweg, und ein ,,Mädchen
mit totem Vogel" von Feuerbach. Nach dem was
hier neulich von dem Museum in Hannover mit-
geteilt worden ist, leuchtet es ein, dass dieses

152


 
Annotationen