Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Kunstausstellungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0227

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
sich, einige Sätze aus der Versenkung heraufzuholen:
„In Makart verkörpert sich jener sinnliche Zug unserer
Zeit, der seine Befriedigung in äusserem Prunk . . .
sucht, jene künstlerische Richtung, die man . . . den
Gründerstil genannt hat. Böcklin ist der Repräsentant
jener genialen Zerrissenheit und Zerfahrenheit, jener
in Kontrasten schwelgenden Bizarrerie, die ebenso sehr
ein Zeichen unserer Zeit ist; und der dritte im Bunde,
Gabriel Max, ist der Apostel einer unklaren Gefühls-
schwärmerei, einer interessanten Schwächlichkeit, die
mit ihren Gebrechen kokettiert, einer unbefriedigten
Sehnsucht . . . Eine krankhafte Sentimentalität paart
sich mit einer unglaublich raffinierten Spekulation auf
die Nerven des grossen Publikums, auf seine Lust am
Abenteuerlichen . . . Böcklins Bizarrerien verlacht man
als ungefährlich, Makarts Farbenzauber und seine Fri-
volität blenden vorübergehend das Auge . . .; die Art
eines Gabriel Max, der durch grauenhafte Bilder die
abgestumpften Nerven eines blasierten Publikums zu
reizen sucht, der, um seinen Zweck zu erreichen, selbst
vor Jahrmarktskniffen nicht zurückschreckt, vergiftet
dagegen das gesunde Gemüt des unbefangenen Be-
schauers, von diesem unbemerkt, mit dem Mehltau des
Pessimismus." Der gefährliche Narr, das war nicht
Böcklin, nicht Gabriel Max, nicht Makart, sondern allein
Herr Adolf Rosenberg, dieser übelwollende Anwalt der
Majoritäten, der das Bedenklichste verbricht, was ein
Kritiker thun kann: Moralfragen ins Gebiet der Kunst
hinüber zu spielen . . . Im Handwerk kam Gabriel
Max aus dem Atelier Pilotys, zu dessen berühmtesten
Schülern er gehörte. Im Grunde aber stammte er von
Cornelius und Führich her, die die Leitsterne seiner
Wunderknabenzeit waren; von ihnen hatte er das au-
delä, die transzendentale Empfindlichkeit, das Unirdische
der Menschendarstellung. Hatte es und behielt es, bei
all seinem Realismus. Er betrieb das Studium der Na-
tur, so grüblerisch und krampfhaft, dass er zeitweilig
mehr Forscher und Gelehrter als Maler war. Ja, diesem
Forscherfanatismus hatte er eigentlich seinen künstleri-
schen Niedergang zu verdanken; allmählich überwucherte
die unzählbare Marktware, die er, von den Händlern
verlockt, in die Welt setzte, seine gute Produktion, weil
er für seine Idee, eine musterhafte naturwissenschaft-
liche und ethnographische Sammlung zu schaffen, sehr
beträchtliche Summen Geldes brauchte. Für seine dar-

winistischen Studien hatte er sich eine Art sehr kost-
spieligen Affenparks angeschafft, worin ich ihn noch
wandeln sehe. Damals stand er in dem Ruf, etwas wie
ein Magier und Okkultist zu sein, der die Kunst zur
Sklavin seiner Besessenheit herabwürdige. Er suchte
meine Bekanntschaft, um sich kritischer Unbefangenheit
gegenüber auszusprechen. Er überzeugte mich, dass er
sich für Höhlenbären und Mammutknochen weit mehr
interessiere denn für den Spiritismus, als dessen blöden
Anhänger man ihn hinzustellen beliebte. Niemals hat
er sich damit tiefer und eingehender beschäftigt; viel-
mehr hat er dieser Erscheinung, da sie auftrat, wie jeder
andere gebildete Mensch, nur so viel Teilnahme ent-
gegengebracht, als er gelegentlich einer Sitzung bei-
zuwohnen wünschte, um den Schwindel als Schwindel
zu erkennen. Ein englischer Spiritist reiste durch Mün-
chen und konnte für seine Experimente kein geeignetes
Lokal auftreiben: Max bot sein Atelier für einen Abend
an und lud eine grössere Gesellschaft zum Schauspiel
ein: der Geisterbeschwörer wurde als Betrüger entlarvt.
Für die Welt aber war fortan der immer schon ver-
dächtige Einsiedler Max ein ausgemachter Spiritisten-
vater, während andere Maler, wie Albert Keller, der
einer ähnlichen okkultistischen Neugierde frönte, ganz
unbehelligt blieben. Max hat den wissenschaftlichen
Mediumismus in die Münchener Malerei eingeführt; er
war ihm ein Mittel, um in seiner Menschendarstellung
die seelische Ausdrucksfähigkeit künstlerisch aufs
Höchste zu steigern. Typus: seine „Seherin von Pre-
vorst", die stille schöne Märtyrerin ihrer inneren Ge-
sichte. In Max gipfelt die Synthese von Erforscher
und Erträumer; das Unsichtbare im Menschen soll durch
gestaltende Kunst, die freilich hier mehr zeichnerisch
als malerisch ist, sichtbar gemacht werden. Auch diese
Künstlernatur, die so genial begann, ist schliesslich an
einem Zwiespalt zerbrochen. Die Jahrhundertausstel-
lung hat angedeutet, was für eine Malernatur Max in
seiner Jugend und in seinen Mannesjahren gewesen ist
(die wundervollen „Schwestern" und das im koloristi-
schenGeschmack so ausdrucksreine „Frühlingsmärchen").
Versammelt man eines Tages seine besten Arbeiten, so
muss sich zeigen, dass Gabriel Max, trotz aller Schwan-
kungen, Trübungen, Trivialitäten, dennoch als eigen-
artiger Künstler seinen Platz und Vorrang in der deut-
schen Kunstgeschichte haben wird. Julius Elias.

2 10
 
Annotationen