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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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Heft6
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0333

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unschöpferisch. Sie steht, durch die Bevorzugung des
dekorativen Elements, dem Kunstgewerbe nie sehr fern;
sie erscheint wie eine Vergeistigung der Wiener Lebens-
eleganz, sie behält immer einen Zug von mondäner
Lust am Toilettenhaften. Die Wiener Malerei ist nicht
nur weiblich, sie ist vielmehr damenhaft; sie lebt vom
Überflüssigen. Daher kommt es denn, dass sie nicht
eigentlichlebendig bildend ist. Diegeistigen Impulse sind
künstlich hineingetragen. Und das um so tendenzvoller,
je peinlicher derMangel empfunden wird. Der Schmuck-
instinkt spielt, um sich selbst zu tauschen, mit halb
literarischen Ideen, mit scheinbar tiefsinnigen, sexuell
oft gewürzten Beziehungen, mit einer künstlerisch nicht
erlebten Lebensmystik. Alles was von Weltanschauungs-
kämpfen und -krämpfen sichtbar wird, alles Impressio-
nistische und Expressionistische, ist in Wahrheit nur
Abglanz. Es ist ohne viel Nötigung da, als eine artistisch
geistreich zurechtgemachte Zeitmode. Diese ganze
Malerei ist nicht natürlich aufgewachsen in der Freiheit,
im Plein-air des Kampfes ums Dasein; sie hat den ge-
schmückten, wohl temperierten Innenraum niemals recht
verlassen. In jedem Wiener Maler ist ein Tropfen vom
Blute Makarts, in jedem zuckt der Geist des Karnevals.
Der Romantik des Ausstattungshaften erliegen sie alle,
ob sie nun im Sinne Klimts, Kokoschkas oder Faistauers
malen. Irgendwie bringen sie alle dem Kostümhaften,
dem Rausch der Oberflächenreize ihren Tribut dar.
Man merkt es dieser zarten und oft zärtlichen Kunst
an, dass sie in einem Punkte schon den Orient berührt.
Sie hat, in allen ihren Teilen, etwas von dem Flächen-
haften, von der Farbenornamentik des orientalischen
Teppichs.

Das alles lässt diese Malerei dem Norddeutschen, der
seine harte Eigenart zum Europäischen erweitern möchte,
nicht eben sehr wesentlich erscheinen. In der grossen
Diskussion über mo-
derne Malerei hat der
Wiener nichts Ent-
scheidendes zu sagen.
Es liegt ihm einmal
nicht, seine Eigenart
glänzt auf anderenGe-
bieten. Darum konnte
die „Wiener Kunst-
schau" auch jetzt
ein besonderes In-
teresse nicht er-
wecken. Klimt, der ein
sympathischer öster-
reichischer Larsson
sein könnte, über-
zeugt auch jetzt nicht
mit einer Stilartistik,
die frühchristlich tief-
sinnig sein möchte
und die immer doch

in der Nähe der „Wiener Werkstätten" bleibt. Und die
auf seinen Spuren gehen, vor allem Egon Schiele mit seiner
gewaltsam mystischen Formen- und Farbenlyrik, mühen
sich um eine „Monumentalität", die wie ein jüngferlich
lispelndes Hodlertum anmutet. Da ist einem die nicht
kachierte Hodlernote Koloman Mosers schon lieber.
Kokoschka zeigte sich wieder, in ewiger Wandlung be-
griffen, im vollen Glanz seines Talents. Doch wird man
auch jetzt der Begabtheit nicht froh. Er hat starke Ein-
drücke, ihm schwebt etwas Wesentliches vor; aber er
kann nur von ferne daran rühren. Ohne ins Zentrum zu
gelangen. AntonFaistauer hat auch starkeEmpfindungen,
aber so, wie die Frauen an die Wahrheit rühren. Er
äussert sie etwa wie ein Schuch, dem die Leibische
Zucht fehlt. Wie denn überhaupt keiner dieser Maler
die Kultur der Ölfarbentechnik recht hat. Carl Moll, der
sich im Sinne der Impressionisten darum bemüht hat,
und der unter den Jüngeren wie aus einer anderen
Generation stammend wirkt, ist über den guten Willen
nicht weit hinausgekommen. Etwas mehr sagen die
Zeichnungen. Vor allem die im Sinne Rodins zart um-
schriebenen, eine etwas peinliche Erotik zur Schau
tragenden Aktzeichnungen Klimts.

Am Ende verlässt man diese Ausstellung österreich-
ischer Kunst, wieviel deutsch-böhmische Virtuosität dort
auch blenden mag, nicht mit dem Gefühl nahrhafte
Speise genossen zu haben. In allen ihren Teilen hat
diese Malerei vielmehr etwas von geistigem Konfekt.
Ein innigeres Verhältnis zu ihr findet wohl nur der
moderne Kunstgewerbler. Er kann mit ihrer Hilfe sich
selber beweisen, das Kunstgewerbe sei gleichen Ranges
mit der freien Kunst.

■SS-

Karl Scheffler

FRANKFURT
AM MAIN

Im Kunstverein ist
zu Ehren des sieben-
zigsten Geburtstags
WilhelmSteinhausens
eine Ausstellung von
Werken dieses stillen
und in einigen Zügen
sehr feinen Künstlers
veranstaltet worden.
Der Katalog wird ein-
geleitet durch einige
Worte Steinhausens,
die eine vornehme
Menschlichkeit ahnen
lassen.

HS-

HANS GRISEBACH, SOMMERHAUS GRISEBACH AM TIMMENDORFER STRAND

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