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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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Heft 9
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Eberstadt, Rudolf: Zur Geschichte des Städtebaues, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0447

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sind. Auch unsere Gegenwart kann dieses Rück-
griffs auf die Vergangenheit nicht entbehren. Doch
gilt es hier eine scharfe Scheidelinie im historischen
Studium zu ziehen. Die Kunst muss die äussere
Gestaltung der Dinge betrachten. Die Gefahr liegt
hierbei nahe, dass vor allem die Formen der älteren
Kunstperioden beachtet werden und nur die Kunst-
schüpfungen an sich, ihr Kunstwert und ihre Bedeu-
tung erklärt werden. Gewiss bedürfen wir der
beschreibenden und erklärenden Schilderung der
älteren Kunstformen; doch ergiebt sich hieraus leicht
eine äusserliche Nachahmung und eine Übernahme
der Vorlagen vergangener Zeitabschnitte. Wir haben
es zur Genüge erfahren, wie die unbedingte Emp-
fehlung älterer Kunstformen zu Moderichtungen
und Dekorationskünsten führt. Im Städtebau nament-
lich kann ein solcher Historismus schädlich wirken.
Hier wird die Geschichtsforschung erst nutzbringend,
wenn sie die Voraussetzungen erklärt, aus denen
eine Kunstperiode hervorgegangen ist und die sich
nicht oder nicht in gleichartigem Zusammentreffen
wiederholen. Die Vorbedingungen und die Grund-
lagen für die Entwicklung eines bestimmten Zeit-
abschnitts zu ermitteln, istim Städtebau von grösserem
Wert, als die Darstellung der äusserlich wahrnehm-
baren Erscheinungen.

Doch eine zweite Fragestellung möchte ich
unserer Erörterung voraufschicken. Bisher wurde
in städtebaulichen Untersuchungen nur die Frage
gestellt: durch wen wurden die Städte gebaut? Die
von mir vertretene Auffassung wirft dagegen die
Frage auf: für wen werden unsere Städte gebaut?
Hiermit wird der Gegenstand der Betrachtung
wesentlich verändert. Durch die zweite Frage soll

nie

ht etwa die erste ausgeschaltet werden. Vielmehr
ist es in der Gegenwart wie in der Vergangenheit
stets von grosser Bedeutung, den Urheber und die
bewegenden Kräfte im Städtebau zu kennen und fest-
zustellen, wer die Veranstalter der Stadtanlage und die
Träger der städtebaulichen Entwicklung sind. Aber
nicht minder bedeutsam als die Frage nach dem Sub-
jekt ist die nach dem Objekt des Städtebaues. Vom
Standpunkt der Gesamtbevölkerung haben wir das
System der städtischen Bodenentwicklung und der
Stadtanlage zu betrachten und zu beurteilen. Die
Fürsorge für die Gesamtinteressen und die Eingliede-
rung der Bevölkerung in das Gemeinwesen bildet
einen der Grundzüge, durch die der Städtebau der
einzelnen Zeitabschnitte sein Gepräge empfängt.

Die geschichtliche Entwickelung, die zu dem
Städtebau unserer eigenen Zeit geführt hat, ist nach
den von mir aufgestellten Scheidungen in drei Ab-
schnitte zu teilen. Die erste Periode ist die des
mittelalterlich-kommunalen Städtebaues, die im
zwölften und dreizehnten Jahrhundert beginnt. Als
zweite Periode bezeichne ich die der landesfürst-
lichen Bauthätigkeit, die in den romanischen Ländern
während des sechzehnten Jahrhunderts, in Deutsch-
land namentlich seit dem siebzehnten Jahrhundert
einsetzt und im achtzehnten Jahrhundert ihren Höhe-
punkt erreicht; die dritte ist die der Gegenwart seit
Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Jede dieser
drei Perioden hat einen scharf ausgesprochenen
Charakter; unter sich sind die Abschnitte jeweils
durch Übergangsstufen verbunden. Unsere vor-
liegende Erörterung behandelt lediglich den Zeit-
abschnitt der landesfürstlichen Bauthätigkeit; nur ein-
leitend und zur Klarlegung des Gegensatzes haben

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ALTER PLAN VON LÜBECK
ZIELGERECHTE FÜHRUNG DER STRASSENZÜGE, JEDOGH SCHWEIFUNG DER STRASSE UND BLICKVVECHSEL

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