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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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Heft 9
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Eberstadt, Rudolf: Zur Geschichte des Städtebaues, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0459

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sind auf die sechs Plätze des Mittelrings verteilt und haben
paarweise, das heisst an je zwei sich gegenüberliegenden Platzen,
symmetrische Stellung. Diese sechs Seitenplätze sind ferner
nicht an den durchlaufenden Strassenzügen angelegt, sondern
vom Verkehr abgerückt, uiid werden nur von toten Strassen
berührt.

Die perspektivische Wirkung [ist vielfach angewendet.
Hervorzuheben ist der (neuerdings:[wicder beliebte) Effekt der
Staffelung der Strasse vermittelst der Einbuchtung der an dem
äussersten Ring gelegenen Gebäudereihen. Die durch die Innen-
plätze geführten sechs Strassen setzen ohne jeden Übergang bei
der äussersten Ringstrasse ein; hier bot die Einfügung des
Platzes genügende Abwechselung für die Strassenführung; die
übrigen zwölf Strassen dagegen beginnen mit einer Staffelung
oder F.inrückuug der Strassenwand.

Eine grosse Anzahl der Baustellen, namentlich die Eckbau-
stelle an den zahlreichen Vereinigungen der Strahl- und der
Ringstrassen, ist schief geschnitten. Der Vorschlag von di Giorgio
(Abb. i) vermeidet diesen Fehler, indem er die Hausreihen selber in
stumpfem Winkel bricht, so dass nur eine unter den Baustellen
unregelmässigen Schnitt hat. Die Berücksichtigung einzelner
Bevölkerungsklassen ist aus der Grundstückseinteilung des Plans
Abbildung 5 in gewissem Umfang ersichtlich; eine Reihe von
Baublöcken ist mit reichlichen Fnnengärten ausgestattet; bei einer
Anzahl von Baublöcken dagegen ist die Gartenflächc schmäler
gehalten, während bei anderen schliesslich nur eine kleine
Hoffläche vorhanden ist. Es hat also hier bereits — wie wir
dies später im einzelnen nachweisen können — eine Einteilung
der Baustellen und Grundstücke nach drei Grössenklassen statt-
gefunden. Der Unterkunft der Soldaten dürften in üblicher
Weise die zunächst dem Festungswall belegenen Häuserreihen
gedient haben.

Die städtebaulichen Wirkungen des Strahlen-
systems treten nicht minder bedeutsam hervor, wenn

die Normalfigur halbiert wird, eine Anordnung,
die sowohl für die völlige Neuanlage einer Stadt,
wie auch für die Angliederung einer Stadterweite-
rung erhebliche Vorteile bietet. Der seit dem sech-
zehnten Jahrhundert in den neuen Anschauungen
vorschreitende Städtebau in den Niederlanden bringt
das Strahlensystem zur Anwendung bei der um das
Jahr 1600 erfolgten Neuanlegung der Stadt und
Festung Coevorden, deren Grundplan aus der Hal-
bierung der von di Giorgio aufgestellten Normal-
figur besteht. Zu grösster Wirkung aber gelangte
das System der Strahlstrasse und der stumpf-
winkelig gebrochenen Ringstrasse in der kurz nach
1600 begonnenen Stadterweiterung von Amster-
dam, einem der herrlichsten Werke der Städtebau-
kunst. Der Grundplan des dreifachen Grachtenrings
ist nichts anderes als die Halbierung der obigen
Abbildung r. Die Wirkung der vielbewunderten
„Buchten" beruht auf der von di Giorgio angegebenen
Brechung der Baublockfiguren. Die Amsterdamer
Stadtanlage empfängt indes durch Anwendung
niederländischerEinrichtungen undBauformen einen
durchaus selbständigen nationalen Charakter.

(Scbluss folgt.)

ABB. 5. BEBAUUNGSPLAN PALMA NOVA

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