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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 14.1916

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Heft 10
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Scheffler, Karl: Deutsche Museen moderner Kunst: Halle a. d. S.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4751#0521

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CARL GUSSOW, BILDNIS DURA LÜTTS. 1873

Selbsthilfe der Bürger bringt hervor, was der Staat
in diesem Umfange und in der wünschenswerten
Mannigfaltigkeit unmöglich schaffen könnte. Da-
durch kommt in diese Museen neuerer Kunst ein
Zug von Grossbürgerlichkeit und Lebendigkeit, der
sehr wohlthuend wirkt. Die Lebendigkeit wird
zum guten Teil erreicht, weil die Stadtverwaltungen
bei der Wahl eines Museumsleiters ganz frei sind,
im Gegensatz zum Staat, der mancherlei Rücksich-
ten zu nehmen hat. Auch können die Gemeinde-
verwaltungen den einmal gewählten Museumsleiter
nicht in demMaasse hemmen wie die Staatsregierung,
weil ihnen dazu die Autorität fehlt. Die letzten
Jahrzehnte sind nun reich gewesen an Kunstorgani-
satoren von Talent und Willenskraft; und da den
Stadtverwaltungen daran liegen musste, Museums-
leiter zu verpflichten, die im Stande sind, aus dem
Nichts das Wesentliche zu schaffen und die fehlen-

den Traditionen vergessen zu machen, so ist
die Kraft dieser Organisatoren, die im deutschen
Kunstleben einen neuen Typ darstellen, von
vielen Seiten in Anspruch genommen worden.
Nachdem sie aber einmal gewählt waren,
musste ihnen viel Freiheit gewährt werden;
und man konnte es thun, weil neben den städ-
tischen Museen kaum jemals eine misstrauisch
kritisierende Akademie steht. Überall konnte
das Wünschenswerte mit einer gewissen Kom-
promisslosigkeit gethan werden. Dadurch ist
dann in die Sammlungen ein gewisser persön-
licher Charakter gekommen, je nach der Eigen-
art des Leiters — des Schöpfers der Sammlung,
muss man in vielen Fällen sagen. Museen mo-
derner Kunst wie die in Hamburg, Bremen,
Mannheim, Köln, Magdeburg, Frankfurt a. M.,
Stuttgart, Halle a. d. S. oder in mehreren In-
dustriestädten desWestens weisen Züge von gross
angelegten Privatsammlungen auf. Es treten in
solchen Sammlungen die Willensimpulse von
Organisatoren wie Lichtwarck, Pauli, Wiehert,
Hagelstange, Swarzenski, Waldmann, Sauerlandt
und anderen Persönlichkeiten deutlich her-
vor, trotzdem eigentlich überall dieselben
Künstler gekauft werden. Entscheidend ist es,
wie diese Männer ihre Aufgabe angreifen, ob
sie mehr Sammler sind oder mehr Erzieher.
Ein Element des Erzieherischen ist ja in allen
Museen moderner Kunst nachweisbar; doch
tritt es in verschiedenen Graden hervor. Wie
sehr es dominieren kann, weiss man aus Licht-
wareks Thätigkeit in Hamburg. Diese päda-
gogische Tendenz wirkt nun aber sehr verschieden-
artig. Denn man darf es sich ja nicht so vorstellen,
dass die Museumsleiter vollkommene Menschen
sind, die mit souveräner Einsicht auf die Produktion
der Zeit herabsehen und mit unerschütterlicher
Richtigkeit das Beste auswählen. Vielmehr sind
auch sie, zugleich mit den Zeitgenossen, Lernende.
Sie erziehen die Bürger der Stadt zu Kunstfreunden,
indem sie sich selbst erziehen; sie zahlen immer
wieder Lehrgeld und lassen sich von den Künstlern
belehren. Eben dieses aber bringt in ihre Samm-
lungen das Lebendige. Freilich bringt es auch Irr-
tum, Hast und Tendenz hinein; zieht man aber
die Summe, so zeigt es sich doch, dass diese Ent-
stehung einer Galerie parallel mit der Entwicklung
einer Persönlichkeit das Erstrebenswerte ist. Nur
so kann offenbar Musterhaftes entstehen.

Diese allgemeinen Bemerkungen gelten auch

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