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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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193

Nekrolog

194

die Lustfcchrten auch der heitersten Gesellschaft kreuzen,
jeden Lacher verstummen machen. Das einzige Farbigc
war die deutsche Flagge, welche auf einer der Gondeln
aufgehißt war. Es galt einein nlten ehrenwerthen
dcntschen Künstler die letzte Ehre zu erweisen und ihn
unter denselben Cyprcssen zn begraben, welche so
manches düstere Grab beschattcn. Der „deutsche
Verein" bestattete seinen Ehrenpräsidenten, den allbe-
kannten und geschätzten Maler Friedrich von Nerly.

Christian Fricdrich Nehrlich, der in Folge
seines 40jährigen Aufenthaltes in Jtalien, gemäß der ita-
lienischen Aussprache, seinen Familiennamen in Nerly
änderte, ward in Erfnrt am 24. Nov. 1807 als Svhn
eines Postbeamten geboren. Die Knabenjahre verlebte
er bei Verwandten in Hamburg und Hvlstein in den
bescheidensten Verhältnissen; nichts destoweniger brach
sich sein Talent frühzeitig Bahn. Er war durch
fleißiges Zeichnen nach der Natur sehr bald zum Thier-
nialer geworden und Freund des bekannten Fabel-
Speckter in Hamburg.

Der berühnite Kunstkenner und Kunstschriftsteller
Freiherr v. Rmnohr ward auf den jungen Maler auf-
merksam und nahm sich seiner in der Folge in groß-
artiger Gönnerschaft an, was Nerly zeitlebens mit
größter Dankbarkeit rühmte. Durch Rumohr ward
Nerly nach Weimar gebracht, wo derselbe ihn auch
Goethe vorstellte. Der edle Gönner ermöglichte dem
jungen Künstler eine Reise nach Jtalien, verfolgte seine
Studien daselbst mit dem größten Jnteresse und nahm
auf seine Entwickelung nachhaltigen Einfluß. Als
Nerly das ersehnte Ziel so vieler Künstler, das ewige
Rom, erreichte, waren dort noch die Heroen der
neuen deutschen Kunst in rüstigem Wirken und Schaffen
dem Cultus des Höchsten, was die Kunst kennt, in
leidenschaftlicher Liebe ergeben; Cornelius, Overbeck,
Koch, Reinhart, Thorwaldsen u. A. schufen ihre ge-
reiftesten Werke. Jhre jüngeren Nachfolger, Riepen-
hausen, Preller, Rahl u. A. weilten dort.

Mit allen diescn bedeutenden Menschen trat Nerly
in mehr oder minder nähere Beziehungen, mit vielen
in ein nahes Freundschaftsverhältniß. Andere. hervor-
ragende Persönlichkeiten, wie der Dichter Graf Platen,
Marschall Marmont u. A. zählten zu seinen nächstcn
Bekannten.

Eine längere Reise im südlichen Jtalien und
Sicilien vollendete den Bildungsgang des Künstlers,
der sich von nnn an ausschließlich der Landschaftsmalerei
zuwandte. Jn Neapel überstand er glücklich die
fürchterliche Blatternkrankheit.

Seine damaligen Landschaften sind natürlich im
Stile jener Periode gehalten, wns ihncn jedoch bei ge-
rechter Beurtheilung keinen Eintrag thut. Claude Lorrain
scheint sein Vorbild gewesen zu sein. Er suchte in Linien
und Farben nach dem Schönsten und schmückte seine Bil-
der mit den vortrefflichsten Staffagen, msist der Thier-
welt angehörend. Unter diesen Gemälden ist eines
der bekanntesten: „Büffel ziehen einen großen, für
Thorwaldsen bestimmten Marmorblock durch die Cam-
Pagna". Dieses öfter wiederholte Bild verschaffte Nerly
eine rasche Berühmtheit und Thorwaldsen's ganz be-
sonderes Wohlwollen. Nerly's erste große künstlerische
Erfolge fielen in eine glückliche Zeit, in welcher das
vom Künstler naiv Erfaßte von dem romantischen

Dingen leicht zugänglichen Publikum ebenso erfaßt und
dankbar genossen wurde. Nicht Jeder glaubte sich be-
rufen über Gemälde abzuurtheilen, da der Geschmack
im Ganzen weniger entwickelt war. Die großen
AuSstellungen andcrerseits, welche einen Jeden zwingen,
seine Kräfte auf's Aeußerste anzuspornen, um sich über
Wasser zu halten, waren noch nicht erfunden. Die
rasfinirte Technik vvn heute, zu der alle Maler ge-
zwungen werden durch die äußersten Konscguenzen des
Realismus, kannte man noch nicht. Man beurtheilte
mehr das, was geboten wurde, als das wie. So
gelang es Nerly, dessen Geschmack und Empfindnng
stets sehr geläutert waren, der es verstnnd, in seinen
Gemälden stets die poetisch-rvmantische Seite anklingen
zu lassen, leicht, sich die aufrichtigsten Bewunderer zu
verschaffen. Es kamen hinzu ein gefälliges Auftreten,
liebenswürvige elegante Manieren und vor Alleni ein
heiteres, fröhliches Temperament. So stand Nerly
bald an der Spitze der deutschen Künstlerkolonie Roms,
der Carrara-Feste, des Bajvk-Ordens, mit welchem
selbst König Ludwig I. sich dekoriren ließ. Ernste künst-
lerische Thätigkeit wechselte mit heiteren Erholungs-
stunden, der Jagd in der römischen Campagna, oder
mit musikalischen Vergnügungen in Olevano u. s. w.

1837 gedachtc Nerly eine Reise in die deutsche
Heimath anzutreten und kam dabei nach Venedig. Hin-
gerissen von dem Zauber dieser herrlichen Stadt ver-
weilte er, um die Piazzetta bei Mondschein zu
malen, ein Bild tiefer Poesie, welches so gefiel, daß
der Künstler im Laufe des Jahres genöthigt war, es
sechs und dreißig Mal zu wiederholen, der unberechtigten
Vervielfältigung durch Lithographie und Tondrnck in
unzähligen Exemplaren gar nicht zu gedenken.

Der große Erfolg des genannten Bildes ent-
schied sür'S ganze Leben. Nerly blieb in Venedig,
um die Schönheit der merkwürdigen Lagunenstadt,
wenn auch nicht zu erschöpfen, sv doch in langer,
emsiger Thätigkeit auf unzähligen Gemälden zu ver-
herrlichen. Er fuhr fort, eine bedeutende Stellung
untsr den deutschen Künstlern in Jtalien einzunehmen
und wurde für vie in Venedig lebenden vder dahin-
reisenden Landsleute Halt- und Mittelpunkt. Vierzig
Jahre hindurch wußte er diese Stellung zu be-
haupten. Eine bestimmte Arkade vor dem Cafs
Florian auf dem Marcusplatze war der Ort, wo er
allabendlich seine Freunde nnd Verehrer um sich sah.
Wer ihn sprechen wollte, wußte, daß er dort zu sinden
sei. Den Tag war cr fleißig an der Arbeit und malte
immer neue Ansichten von Venedig, sowohl die all-
gemein bckannten Canal- und Straßcnprospekte als
auch die versteckten malerischen Höfe im Jnnern der
Stadt berücksichtigend. Bei den Veduten von der Jnsel
der Armenier Pflegte er gern die Figur Lord Byrons
anznbringen. Den von ihm öfter gemalten Palast
Contarini taufte er „Haus der Desdemona", was
auch geglaubt ward, ja svgar als historische Wahr-
heit in die Fremdenführer überging. Der jetzt gänzlich
umgebaute Palazzo Guvro, das sog. Haus des Othello,
wurde auch vft von ihm verewigt.

Es konnte nicht fehkn, daß bei so häufiger Wieder-
holung derselben Gegenstände oder dem Kopiren der
eigcnen Arbeiten cin ge?visser Convenzionalismus sich
einstellte. Statt Nerly darob zu richten, sollte
man vielmehr bewundern, daß er sich trotzdem nicht
 
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