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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0220

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111.1 Hausdenken und dynastische Räson

205

111.1.1 Landesteilungen als Krisen dynastischer Einheit
Das Bemühen um Herstellung eines Hausdenkens bzw. um Einhaltung einer dynasti-
schen Räson scheint immer wieder im Umfeld der mecklenburgischen, werleschen oder
pommerschen Landesteilungen auf. Landesteilungen erscheinen zunächst für die Frage
nach einer Hausobservanz um so relevanter, als sie faktisch oft eine gewisse Krise für
die dynastische Einheit bedeuteten bzw. eine Gefahr für diese Einheit in sich bargen.^
Dabei freilich zeigt die Geschichte der Landesteilungen nicht immer die Geradlinigkeit
und Konsequenz, die man zunächst einmal vielleicht erwarten würde. Vor allem aber
bedeutete Teilung im Verständnis der zeitgenössischen Fürsten und ihrer Räte nicht un-
bedingt per se einen Widerspruch zur Einheit, weswegen ihre Beurteilung damals kei-
neswegs nur so negativ ausfiel, wie sie die spätere Historiographie dann nahezu einhel-
lig als Wurzel von Schwächung, Spaltung und Zersplitterung abstempelte. Vielmehr
konnten die Fürsten der Zeit das Mittel der Teilung dem sturen Festhalten an der Ein-
heit zur Vermeidung innerfamiliärer bzw. innerdynastischer Auseinandersetzungen
durchaus vorziehen. »Nicht Eintracht trotz Teilung, sondern Eintracht durch Teilung
war die Devise.«^ Und zur Relativierung der Wirksamkeit des Hausdenkens gerade in
der Frage der Landesteilungen sei vorab noch daran erinnert, daß der genealogische
Zufall bei den Fürsten des südlichen Ostseeraums im Sinne dynastischer Einheit jedes-
mal einen durchschlagenderen Erfolg zeitigte als ein mehr oder minder abstrakter
Hausgedanke. Denn allein das Aussterben der Nebenlinien und die Reduzierung auf je
nur einen Restzweig der Dynastie sorgte sowohl im Falle Werles (1426) oder Mecklen-
burgs (1471) als auch im Falle Pommerns (1478) für die Aufhebung jahrhundertelanger
Herrschafts- und Landesteilungen. Und wie es der genealogische Zufall so an sich hat:
Von Dauer war die damit erreichte Einheit jeweils nicht, denn im 16. Jahrhundert teilten
die Mecklenburger (1534 bzw. 1554/55) und Pommern (ab 1532) erneut, sobald mehrere
regierungsfähige Söhne vorhanden waren, im ersteren Falle übrigens ausdrücklich ge-
gen den Willen des Einheit gebietenden Vaters bzw. gegen die erklärte Hausräson/"
Zuerst zur Ausnahme, die ein Hausdenken in der bekannten Form offenbar ver-
missen läßt: Um den in deutschen Territorien eher seltenen Fall einer Tot- bzw. Realtei-
lung handelte es sich bei der ersten sog. Hauptlandesteilung des mecklenburgischen
Herrschaftsbereichs von 1229. Zumindest finden sich keine Anzeichen gemeinsam ge-
nutzter Herrschaftsrechte. Es entstanden damals zunächst vier, bald nur drei, zu guter
Letzt und auf Dauer zwei voneinander unabhängige Herrschaftskomplexe: Parchim
(bis 1256), Rostock (bis 1319), Werle (bis 1436) und Mecklenburg/* Daß es sich tatsächlich
um eine Totteilung gehandelt haben wird, legt die Tatsache nahe, daß die Mecklenbur-
ger und Werler beim Aussterben der Rostocker Linie keine wirksamen Erbrechte gegen-
über König Erich Menved, der selbst auf die Herrschaft über Rostock abzielte, gelten zu
machen vermochten/' Lediglich günstige machtpolitische Verhältnisse erlaubten es

28 Vgl. nur die Charakterisierung bei RuDLorr 1786, S. 552: »Zwischen beiden Mecklenburgischen
Häusern herrschte noch immer einige Kälte, welche in der Idee von der ungleichen Landestei-
lung ihren Grund hatte.«
29 Zitat aus NoLTE 2005, S. 91 (siehe auch ebda., S. 83) am Beispiel des brandenburgischen Markgra-
fen Albrecht Achilles, von welchem die Sentenz: in äesser eynig/seif gefeilt, denn versendet überlie-
fert ist.
30 Siehe VÖGE 1994, S. 156ff. bzw. LiNKE 1935, S. 2ff.
31 Vgl. zu ihr VÖGE 1994, S. 29ff. (mit dem Ergebnis eigentlich zweier Teilungen 1229/33 und 1238);
LiscH 1845.
32 VÖGE 1994, S. 38f.
 
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