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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0237

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222

III. Fürst, Familie und Dynastie

777.2.3.2 Verwandte Vormünder
Im nichtfürstlichen Hochadel des Spätmittelalters scheinen die Kognaten und Heirats-
verwandten bei Vormundschaften eine ähnlich tragende Rolle gespielt zu haben, wie es
bei den Heiratsvermittlungen der Fall war. Die Agnaten waren demgegenüber in einer
offensichtlich benachteiligten Situation, was in persönlichen Beziehungen, aber auch in
einem grundsätzlichen Mißtrauen gegenüber den Agnaten, »denen man vielleicht ei-
gensüchtiges Verhalten unterstellte, begründet gewesen sein mochte. Das agnatische
Denken war demnach nicht stark genug entfaltet, um das Stammgut auch dann in den
Händen der Stammesverwandten zu halten, wenn ein funktionsfähiger Regent für eine
bestimmte Zeit fehlte.«*^ Treffen diese Beobachtungen auch für Vormundschaften bei
den Fürsten und Herren des südlichen Ostseeraums zu?
Tatsächlich stoßen wir mehrfach auf den eben angesprochenen Fall einer Bevorzu-
gung der Kognaten und Heiratsverwandten, wenn es Vormünder zu bestellen galt. Jaro-
mar I. von Rügen war Ende des 12. Jahrhunderts vom dänischen König Knud die Vor-
mundschaft über die noch unmündigen pommerschen Herzogssöhne Bogislaw II. und
Kasimir II. unter Ausschaltung ihres ursprünglichen Vormundes Wartislaw Swantibo-
riz übertragen worden. Es hat zumindest einiges für sich, in ihm einen Kognaten zu se-
hen.^ In dem am 15. März 1325 geschlossenen Heiratsvertrag sprach Fürst Wizlaw III.
von Rügen Heinrich II. von Mecklenburg für den Eventualfall auch die Vormundschaft
und volle Schutzgewalt über seinen einzigen Sohn zuT' Für den noch nicht volljährigen
Albrecht (II.) und seinen jüngeren Bruder Johann von Mecklenburg übernahm ein noch
vom Vater eingesetzter Vormundschaftsrat aus 16 Rittern und Ratmannen von Wismar
und Rostock sowie unter Beteiligung des Grafen Heinrich III. von Schwerin und des
Herzogs Rudolf I. von Sachsen-Wittenberg die Regierung.^ Während die Grafen von
Schwerin im dritten Grade mit den Mündeln verschwägert waren, war Rudolf von de-
ren Mutterseite her ihr Onkel ersten Grades.'^ Ausdrücklich wird es übrigens als eine
hervorragende Leistung dieser Vormundschaftsregierung gewürdigt, daß ihr bald eine
Einigung mit Johann II. und Johann III. von Werle gelang, die sich als kognatische Ver-
wandte bei der Vormundschaft übergangen gefühlt hatten, da ihnen eine solche laut
Vertrag von 1302 eigentlich zustand. Diese Einigung ließen sich die Werler freilich mit
der Bezahlung von insgesamt 1.000 Mark Silber schmackhaft machen.^" Bei der Vor-

141 So SriEss 1993, S. 513f.
142 LANGEBECK, SS rer.Dan. III, S. 261 = Ann.Dan. S. 92 zu 1189: UrMMmsJnHus esf itdorfdiortn?; Buyiz-
Ui. - Vgl. dazu ScHEiL 1962, S. 9; ScHOEBEL 1999, S. 179; WEHRMANN 1982, S. 91; DERS. 1923,1,
S. 37; UsiNGER 1863, S. 278. - Uber die genaue Verwandtschaft Jaromars zu den Pommernherzö-
gen besteht freilich nach wie vor Unklarheit. So nennt Bogislaw I. nach Saxos Bericht im Jahr
1182 Jaromar I. zwar MUMncnins: SAxo I, lib. XVI, c. IV.l, S. 540 (ARNOLD 111.7 spricht von Jaromar
als propin^nns Bogislaws I.). Doch ob die so angesprochene Verwandtschaft in weiblicher Linie
zu suchen ist und ob eine Schwester des genannten Bogislaw die Mutter Jaromars I. war, wie
schon behauptet wurde (CoHN 1871, Tf. 1), wissen wir nicht genau.
143 PUB VI, Nr. 3832 = CDB 1.4, Nr. 9 = MUB VII, Nr. 4602 = CDA III, Nr. 488 (Auszug). Freilich gab es
in diesem Fall gar keinen anderen kognatischen Verwandten Wizlaws mehr.
144 Zur Vormundschaftsregierung siehe auch HuscHNER 1995a u. LiscH 1842a.
145 ScHWENNiCKE 1984,1, Tf. 82.
146 MUB VIII, Nr. 5145 = SACHSSE 1900, Nr. 21 (20. Mai 1330): [...] Wie sdioien Musen ceAieren yenen der
dnsenf ??MÜr Miip'es sdners Coiwerscirer wicirf uor, dnf se nnse uonnnndere nicirf wesen sciroien, nnde uor
nde sfMC& nnde scirnMe, de sn no nnsen under nnde nns fo uorderende irndden. Mit anderen Forderun-
gen kamen insgesamt 3.000 Mark zusammen: RuDLOFF 1785, S. 270. Derselbe betont (S. 358f.) den
Vorrang der Agnaten bei der Bestellung der Vormünder für die Zeit bis etwa 1360. Dem kann so
nicht zugestimmt werden. Zwar hatte der Vertrag von 1302 dem Herren von Werle die Vor-
 
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