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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0238

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111.2 Aufgaben und Rollen von Verwandten

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mundschaff, welche eine Generation früher wegen der Gefangennahme Fürst Hein-
richs I. in Ägypten über seine Kinder eingerichtet werden mußte, waren die Werter Ver-
wandten noch gemeinsam mit der Gemahlin des Fürsten, Anastasia, zu Vormündern
bestellt worden - unter Ausschluß der fürstlichen Brüder."' Doch hatte diese Regelung
zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Dynastie geführt, die erst nach eini-
ger Zeit beigelegt werden konnten."" Als Vormund der letzten Werler Fürstentochter
Katharina fungierte ihre Mutter Sophia von Pommern gemeinsam mit deren Bruder
Herzog Barnim VIII., Katharinas Onkel also. Mutter und Tochter lebten am Hof des letz-
teren.^ Ebenso erhielten die Vormundschaft über den letzten Abkömmling der Stetti-
ner Linie des pommerschen Greifenhauses, den noch unmündigen Otto III., im Jahre
1451 nicht seine agnatischen Verwandten aus Wolgast, sondern der brandenburgische
Kurfürst Friedrich II. übertragen. Friedrich war über die Ehe von Ottos Vater Joachim
mit der Tochter Johanns des Alchimisten, Elisabeth von Brandenburg, Ottos Großon-
kel.^" Die landesgeschichtliche Forschung sah und sieht in seiner Vormundschaft den
Ausfluß des damals schlechten Verhältnisses zwischen der Wolgaster und der Stettiner
Herzogslinie des pommerschen Greifenhauses."' Das mag sicherlich seine Richtigkeit
haben, doch war eine solche Regelung, wie wir gerade feststellten, im allgemeinen keine
Seltenheit.
Allerdings finden sich durchaus auch Agnaten in der Rolle von Vormündern, selbst
wenn es hinreichend viele Kognaten und Heiratsverwandte gab, die diese Rolle genauso
hätten übernehmen können. So beanspruchten die Stettiner Herzoge Otto I. und Bar-
nim III. seit Oktober 1326 - freilich unter Zuhilfenahme eines Regentschaftsrates - die
Vormundschaft über die drei noch unmündigen Söhne von Ottos Bruder Wartislaw IV.,
die sie dann bis zu ihrer offiziellen Beendigung durch Kaiser Ludwig den Bayern im
August 1338 innehaben sollten."" Albrecht II. von Mecklenburg sicherte sich 1355 nach
einer Einigung mit dem pommerschen Herzog Barnim III. die Vormundschaft über die
Witwe und die Kinder Nikolaus' IV. von Werle inklusive der Eventualsukzession in ih-
ren Landen." Freilich übernahm dann der nähere Agnat Nikolaus von Werle-Güstrow

mundschaft über die Nachkommen Heinrichs II. von Mecklenburg im Eventualfall zugesichert,
doch wieviel diese Zusicherung im Bedarfsfall wert war, zeigte genau die Bestellung der Vor-
mundschaftsregierung nach Heinrichs Tod.
147 HAMANN 1968, S. 110. Vgl. BURMEISTER 1838.
148 In der Erbverbrüderung vom 27. Januar 1302 zwischen Nikolaus II. von Werle und Heinrich II.
von Mecklenburg ist ausdrücklich gesagt: [...] sed s;' prejnf Ms ;Müuus noster hyüünos iiere&s gewM-
en'f et, ipsiun pn'MS no&;'s ?non cowfigen'f, ireredrun SMoriun f Mfor en'niMS [...]: MUB V, Nr. 2780
= SACHSSE 1900, Nr. 11.
149 Siehe z.B. LAS, Bestand 11.11, Nr. 6827f. zum 15. März 1441. Vgl. die Ausführungen in Abschnitt
I.3.5.3.3.
150 ScHWENNiCKE 1984, I, Tf. 153. - Siehe zur Eheschließung die Findbuchvermerke zu den heute
fehlenden Archivalien in GStAPK Berlin, BP HA, Bestand Urkunden, Rep. VII, Nr. 23, 28, 44,45,
47 und Bestand Akten, Rep. 25, Nr. VIII.d.1.
151 Vgl. etwa CoNRAD 1999, S. 181; GÄHTGENS 1890, S. 43f.; RACHFAHL 1890, S. 63; auch BÖCKER 1991,
S. 71f.
152 PUB VII, Nr. 4232, 4243. Doch sie vermochten diesen Anspruch erst im Laufe des Jahres 1327
wirksam durchzusetzen. - Zum Ende: PUB X, Nr. 5662.
153 LAG, Rep. 2 Ducalia, Nr. 107 = MUB XIII, Nr. 8125A u. B. Barnim erhielt dafür Stadt und Land
Stavenhagen als Lehen. Uber Malchin sollte gegebenenfalls eine eigene Einigung erfolgen. -
Am gleichen Tag schlossen Albrecht und Nikolaus' Witwe Agnes von Lindow-Ruppin einen
Vertrag wegen Verheiratung seines jüngsten Sohnes Magnus mit ihrer Tochter Mechthild und
nach deren etwaigem Ableben mit ihrer zweiten Tochter Agnes (MUB XIII, Nr. 8126). 3.000 Mark
feines Silber sollte der Brautschatz betragen. Die Ehe kam freilich später nicht zustande. Vgl.
auch RuDLOFF 1785, S. 324 u. zum Hintergrund auch HEINRICH 1961, S. 131.
 
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