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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0283

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268

IV. Die verfassungsrechtliche Stellung

nem Erbvergleich zugesagt bekommen hatte." Auffallend wird in der betreffenden Ur-
kunde Kaiser Ludwigs betont, daß Ottos und Barnims Lande schon früher zum Reich
gehört hätten, weswegen sie nun als Reichsfürsten nur dem Reich unterworfen sein soll-
ten. Von einer förmlichen Erhebung zu Reichsfürsten ist nicht die Rede; vielmehr wurde
ihr Reichsfürstenstand als bestehend vorausgesetzt. Die zeitgleich aus der Vormund-
schaft Ottos I. und Barnims III. entlassenen Söhne Wartislaws IV. von Pommern-Wolgast
namens Bogislaw V., Barnim IV. und Wartislaw V. wurden demgegenüber ausdrücklich
aufgefordert, um ihre Belehnung durch die brandenburgischen Markgrafen nachzusu-
chen.^
Die Lrankfurter Verträge, die die Interessen der Gesamtdynastie eklatant zu miß-
achten schienen, verschafften den Stettiner Herzogen genau deswegen nur formal-
rechtlich einen größeren Handlungsspielraum, vor allem gegenüber dem Nachbarn
Brandenburg. Laktisch brach sich nun im Innern des Landes eine breite ständische Op-
position dagegen Bahn, welche Barnims Handlungsfreiheit in den Lolgejahren auf das
schwerste ein schränkte.' Diese negativen Erfahrungen werden ihren Teil dazu beige-
tragen haben, daß zehn Jahre später unter bewußter Ausnutzung des luxemburg-wit-
telsbachischen Gegensatzes eine für ganz Pommern vorteilhaftere Lösung gefunden
wurde. 1348 nämlich trat Barnim III. - wohl wegen der Nachbarschaft des wittelsbachi-
schen Brandenburg vergleichsweise spät - in Karls IV. Lager über und begab sich zu
ihm nach Prag, wofür der Luxemburger sich nun ohne Rücksicht auf bestehende bran-
denburgische oder auch dänische Lehnsansprüche zu einer Gesamtbelehnung der Her-
zoge von Pommern-Stettin und Pommern-Wolgast mit Pommern sowie dem Pürsten-
tum Rügen bereitfand, ihnen zusätzlich das Reichsjägermeisteramt verlieh und jeder
Linie die Eventualsukzession im Palle des Aussterbens der anderen zusicherte. ° Durch
die flexible Reaktion auf die plötzliche Verschiebung der Machtkonstellationen und
durch die geschickte Ausnutzung von Interessensgegensätzen und Konkurrenzen über-
geordneter Mächte hatte Barnim III., für Gesamtpommern erstmalig, den staatsrechtli-
chen Status eines vollberechtigten Pürstentums des Hl. Römischen Reiches erlangt. *

67 PUB X, Nr. 5650-5660 = CDB 11.2, Nr. 744-751; HsiNEMANN 1899a, S. 162, Nr. 1; DÄHNERTI, S. 39ff.,
Nr. 1; DERS. Suppl. I, S. 7ff., Nr. 2 u. S. 9f., Nr. 3. - BENL 1999, S. 109; ScHLiNKER 1999, S. 200f.; Ps-
TERSOHN 1983, S. 111; CONRAD 1978, S. 3936; WEHRMANN 1900; ZiCKERMANN 1891. - Der Eini-
gung war im übrigen zeitlich ein sicher als Druckmittel wirkendes Bündnis vorausgegangen,
das der in Distanz zum Kaiser stehende böhmische König Johann im Jahr zuvor mit Otto I. und
Barnim III. in Posen abgeschlossen hatte: LAG, Rep. 2 Ducalia, Nr. 67 = PUB X, Nr. 5480. - PETER-
SOHN 1962/63, S. 24f. Das Bündnis nahm gewissermaßen Barnims III. Annäherung an Johanns
Sohn Karl vorweg, die dann zehn Jahre später erfolgte. - Zu fragen bliebe, inwieweit die genau
damals erfolgende Freilassung des von Barnim gefangengehaltenen dänischen Königs Walde-
mar IV. (PUB X, Nr. 5657) mit der Anerkennung der Reichsunmittelbarkeit Pommern-Stettins
zusammenhing, die das Herzogtum auch gegen etwaige dänische Lehnsansprüche absicherte.
68 PUB X, Nr. 5662. Gleichzeitig wurde der Älteste Bogislaw V. an den kaiserlichen Hof berufen.
69 CoNRAD 1995. Siehe dazu die Ausführungen in Abschnitt 1.3.5.3.2.
70 Siehe dazu die Angaben in Anm. 98. - Im übrigen hatte sich Barnim III. bei seinem Wechsel in
das luxemburgische Lager, der die in der brandenburgischen Nachbarschaft sitzenden Wittels-
bacher auf den Plan rufen mußte, nicht allein auf Karl IV. verlassen, sondern bereits im März
1348 auch ein Bündnis mit Kasimir d. J. von Polen geschlossen (LAG, Rep. 2 Ducalia, Nr. 92), so
daß Brandenburg damals im Dreieck zwischen Böhmen, Polen und Pommern-Stettin gewisser-
maßen neutralisiert war.
71 Zurecht verweist PETERSOHN 1983, S. 111 darauf, daß die Eigenstaatlichkeit Pommerns ange-
sichts seiner vergleichsweise schwachen Machtmittel durch den Status eines unmittelbaren Kö-
nigslehens wohl besser gewährleistet war als durch den eines päpstlichen Lehnsstaates, der
über kurz oder lang zum Spielball seiner Nachbarmächte Brandenburg, Polen oder Dänemark
geworden wäre.
 
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