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Auge, Oliver; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter: der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit — Mittelalter-Forschungen, Band 28: Ostfildern, 2009

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https://doi.org/10.11588/diglit.34741#0295

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IV. Die verfassungsrechtliche Stellung

Die Belehnungen als verfassungsrechtlicher Vorgang konnten also für die fürstli-
chen Handlungsspielräume sehr nützlich sein. Allerdings stellte der Belehnungsakt
und der dadurch hergestellte Kontakt zum Reichsoberhaupt wohlgemerkt immer nur
eine Facette im politisch-verfassungsrechtlichen Beziehungsgeflecht dar, das insgesamt
über die Handlungsspielräume der Fürsten entschied. 1417 etwa waren sowohl die Stet-
tiner als auch die Wolgaster Herzoge auf dem Konzil von Konstanz vor König Sigis-
mund erschienen und suchten um ihre Belehnung nach. Ihnen stand dabei offensicht-
lich eine Lösung vor Augen, wie sie Barnim III. 1348 von Sigismunds Vater Karl IV.
erlangt hatte. Während nun die Wolgaster Herzoge am 31. Mai tatsächlich eine Beleh-
nung ohne Einschränkung erhielten, stellte Sigismund den Stettinern einen Lehnsbrief
vorbehaltlich der Rechte des brandenburgischen Kurfürsten aus."' Den Wolgastern
nützte die Begegnung mit dem König diesmal also, den Stettinern aber blieb zeitgleich
der erwünschte Erfolg versagt, weil dem noch andere Faktoren entgegenstanden.
Belehnungen hatten noch einen weiteren grundsätzlichen Haken: Denn sie bedurf-
ten nicht allein der Herstellung des persönlichen Kontakts, sondern zugleich auch des
Wohlverhaltens des Reichsoberhaupts, das dieses Wohlwollen nach dem Prinzip des
»Do, ut des« an die Erfüllung bestimmter Bedingungen knüpfen konnte. Das zeigt sehr
schön das Beispiel von Heinrichs IV. Söhnen Albrecht VI. und Magnus II., die sich nach
dem Tode ihres Vaters um eine Belehnung bemühten und daher den brandenburgischen
Kurfürsten Albrecht Achilles, ihren Onkel mütterlicherseits, um Vermittlung beim Kai-
ser baten. Der Kaiser antwortete am 12. April 1479, daß er die Belehnung gern vorneh-
men wolle, doch hätten die Herzoge bislang weder die erwünschte Hilfe gegen Burgund
geleistet noch den 1471 zugesagten vierten Teil der Zölle in Ribnitz und Grevesmühlen
an ihn abgeführt. Erst wenn die Verpflichtungen bezüglich des Zolls erfüllt seien, werde
er die Regalien verleihen."" Zehn (!) Jahre sollten nun ins Land gehen, bis 1487 in Nürn-
berg tatsächlich eine Belehnung erfolgte. Wegen damaliger Auseinandersetzungen mit
der Stadt Rostock, vielleicht aber eben auch wegen ihres Disputs mit dem Kaiser"^
erschien auf dem Nürnberger Reichstag nun freilich nicht der in der Regierung feder-
führende Magnus II., sondern sein mitregierender jüngerer Bruder Balthasar, um die
kaiserliche Belehnung entgegenzunehmen.'" Die am 2. Mai 1487 vorausgegangene Be-
lehnung der brandenburgischen Markgrafen unter ausdrücklicher Bestätigung der 1442
vereinbarten Anwartschaft auf das Herzogtum Mecklenburg"" sowie der Wunsch nach
einer kaiserlicher Rückendeckung im Streit mit ihrer Stadt Rostock werden den Hinter-

152 LAG, Rep. 2 Ducalia, Nr. 232, 234f.; RI XI, Nr. 2364-2366 u. 2487; CDBC I, Nr. 53; HsiNEMANN
1899a, S. 178-181. - RACHFAHL 1890, S. 61f. So sehr das zunächst verwundert, da sich die lehns-
rechtlichen Ansprüche Brandenburgs nunmehr nicht wie fortwährend im 14. Jahrhundert ge-
gen das Wolgaster Teilherzogtum, sondern gegen das, wie erwähnt, im 14. Jahrhundert mehr-
fach für reichsunmittelbar erklärte Teilherzogtum Stettin richteten, so klar wird dieser
»lehnsrechtliche Umschwung« durch die Beziehungen beider Herzogtümer zur Mark Branden-
burg, dessen Inhaber Kurfürst Friedrich I. zu diesem Zeitpunkt noch einen guten Draht zum
König besaß: Während nämlich die Stettiner mit Friedrich im bewaffneten Streit lagen, der 1415
sogar auf Betreiben des Kurfürsten zur Verhängung der Reichsacht gegen sie geführt hatte, ver-
hielten sich die Wolgaster gegenüber Brandenburg spürbar zurückhaltend und freundlich. Kurz
gefaßt dazu BENL 1999, S. 164. - Siehe auch RI XI, Nr. 1668.
153 PRiEBATSCH II, Nr. 537.
154 Im März 1482 schon hatte der Kaiser Magnus II. und Balthasar vor sein Gericht geladen, weil sie
nicht die zu Nürnberg beschlossene Hilfe gegen König Matthias von Ungarn in Höhe von 100
Mann zu Roß und 100 Mann zu Fuß geleistet hatten: RKFrlll XX, Nr. 277. - Vgl. LAS, Bestand
11.11, Nr. 18263.
155 LAS, 1.1-1 Urkunden, Kaiserliche Lehnbriefe, Nr. 11; 11.11, Nr. 19994; RKFrlll XX, Nr. 295.
156 RKFrlll XX, Nr. 292 = CDB 11.5, Nr. 2140.
 
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