V.3 Rangbewußtsein und Repräsentation im Nordosten um 1500
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Ein anschauliches Beispiel für das Zusammenspiel derartiger Motivationen bietet
das Zisterzienserkloster in Doberan, das ohnehin einen Dreh- und Angelpunkt des
fürstlichen Rangbewußtseins der Mecklenburger darstellt.'" 1171 von Pribislav und sei-
ner Gemahlin Woizlava zunächst in Althof gegründet"' und 1186 nach Doberan verlegt,
beherbergte die Klosterkirche seit 1219, als Pribislavs Leichnam von Lüneburg hierher
überführt wurde, nicht nur das Gründergrab, sondern bis zur Herzogserhebung 1348
die zentrale Grablege des Gesamthauses und ab 1348 diejenige der in Schwerin sitzen-
den Herzoge. Während des gesamten Mittelalters begegnen hier fürstliche Stiftungen
im Interesse des Lamiliengedenkens." Noch 1583 stiftete so Herzog Ulrich von Meck-
lenburg-Güstrow stu's [...] uawonüc ein gemeinsames Epitaph, auf welchem
die hervorragenden Verstorbenen ihrer Tapferkeit, ihres Rechtsverstandes und ihrer
Liebe zur Religion wegen gerühmt wurden!" Mit dem von den Zisterziensermönchen
garantierten kultischen Gedenken verband sich so in eigentümlicher Lorm der Nach-
weis eines legitimen Herrschaftsanspruchs der Mecklenburger.
Soweit die in diesem Punkt nicht immer befriedigende Quellenlage Aussagen er-
laubt, war bei den Pürsten des südlichen Ostseeraums der Gedanke einer christlichen
Herrschaft vergleichsweise stark ausgeprägt*", was sich als Kompensation für ihre späte
Missionierung und den so wirkenden Legimationsdruck verstehen läßt: Rangbewußt-
sein und Repräsentation als Antwort auf eine Herausforderung und zugleich Ausgangs-
punkt einer Suche nach Handlungsspielraum also auch in diesem Pall. Der Gedanke
besonderer Pietät findet sich so formuliert etwa bei Albert Krantz, der als Wegbereiter
des Humanismus im deutschen Norden gilt**" und dem wir in seiner panegyrischen Lei-
chenrede auf Herzog Magnus II. von Mecklenburg den ersten Versuch verdanken, die
Ursprünge der mecklenburgischen Pürstendynastie zeitlich weit über Ernst von Kirch-
berg hinausgehend in der Antike zu suchen.*" Krantz begründet den Widerstand gegen
/erox donuü dH dme Jncoäe, / SnHgMÜM CM?H proprio conoHicos sfofMOHS. / Qnod pepnii oerpos,
Ciirisfi äono socroHMHfo / SfeiUnuH ?H0HÜs secfo crgHMHdo /erif. / Hoec piefos (!) [...], nach KÜHNE
1896, S. 39. Den Text liefert auch LiscH 1874.
111 Vgl. dazu und zum Folgenden MiNNEKER/PoECK 1999.
112 Vgl. dazu (insbesondere zur Rolle Woizlavas) auch LiscH 1854.
113 Vgl. nur die Rolle Heinrichs I. und Heinrichs II. als Stifter: MUBII, Nr. 993 (6. Juli 1263); II, Nr. 1123
(14. Juni 1267): Heinrich I. erkauft dem Kloster Doberan eine Rente in der Sahne zu Lüneburg, wo-
für an den Gräbern seiner Familie eine ewige Wachskerze unterhalten und der Gedächtnistag sei-
nes Vaters begangen werden soll; V Nr. 2779 (18. Januar 1302): Heinrich schenkt dem Kloster Dobe-
ran Hebungen von der Insel Poel zu einer ewigen Wachskerze auf seinem Grabe, zu zwei Spenden
an den Klosterkonvent und zur Erbauung eines Meßaltars und anständiger Fenster in der Begräb-
niskapelle seiner Vorfahren. In seinem wörtlich nicht überlieferten Testament wollte Heinrich II.
anscheinend ausdrücklich in Doberan bestattet sein: MUB VIII, Nr. 5019, nach MRC: Dornocii goä
gepn DoäeroH, / & iier spne äpgro/f woMe (MH, / epn ciepnode, woz non goidde [...]. - Zur Rolle von Hein-
richs II. Stiftungen zugunsten des von ihm auch gegründeten Clarissenklosters in Ribnitz siehe
Abschnitt I.3.5.2.7 und ULPTS 1995, S. 222f., ebenso HuscHNER 2008.
114 Siehe den Text bei KÜHNE 1896, S. 32f. (deutsch) u. 41f. (lateinisch). - Zum Hintergrund PECAR
2006 sowie MiNNEKER 2007 S. 204ff.
115 Siehe dazu auch MiNNEKER 2007 S. 164-167.
116 Vgl. zu Leben und Werk PosTEL 2004; ANDERMANN 2002, 2001, 1999 u. 1998; STOOB 1982; GRO-
BECKER 1980 u. 1965; TELLENBACH 1977 S. 308f.; HOFMEISTER 1902; BERTHEAu 1883. - Zur Nach-
wirkung im Hanseraum auch EiCKHÖLTER 1998. - Zur Verortung im humanistischen Kontext
siehe HELMRATH 2005, S. 375f. und jetzt auch BoLLBUCK 2006, S. 65ff. - Vgl. zum Umfeld HAYE
2000; zum historiographischen Hintergrund innerhalb der Hanse WRiEDT 1987; KoppMANN
1872.
117 Selbständig veröffentlicht als Krantz 1504 und als rhetorisch krönender Abschluß seines Werkes
Wandalia in Ders. 1600, XIV, S. 512-519. - Vgl. dazu NoRDMAN 1934, S. 74.
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Ein anschauliches Beispiel für das Zusammenspiel derartiger Motivationen bietet
das Zisterzienserkloster in Doberan, das ohnehin einen Dreh- und Angelpunkt des
fürstlichen Rangbewußtseins der Mecklenburger darstellt.'" 1171 von Pribislav und sei-
ner Gemahlin Woizlava zunächst in Althof gegründet"' und 1186 nach Doberan verlegt,
beherbergte die Klosterkirche seit 1219, als Pribislavs Leichnam von Lüneburg hierher
überführt wurde, nicht nur das Gründergrab, sondern bis zur Herzogserhebung 1348
die zentrale Grablege des Gesamthauses und ab 1348 diejenige der in Schwerin sitzen-
den Herzoge. Während des gesamten Mittelalters begegnen hier fürstliche Stiftungen
im Interesse des Lamiliengedenkens." Noch 1583 stiftete so Herzog Ulrich von Meck-
lenburg-Güstrow stu's [...] uawonüc ein gemeinsames Epitaph, auf welchem
die hervorragenden Verstorbenen ihrer Tapferkeit, ihres Rechtsverstandes und ihrer
Liebe zur Religion wegen gerühmt wurden!" Mit dem von den Zisterziensermönchen
garantierten kultischen Gedenken verband sich so in eigentümlicher Lorm der Nach-
weis eines legitimen Herrschaftsanspruchs der Mecklenburger.
Soweit die in diesem Punkt nicht immer befriedigende Quellenlage Aussagen er-
laubt, war bei den Pürsten des südlichen Ostseeraums der Gedanke einer christlichen
Herrschaft vergleichsweise stark ausgeprägt*", was sich als Kompensation für ihre späte
Missionierung und den so wirkenden Legimationsdruck verstehen läßt: Rangbewußt-
sein und Repräsentation als Antwort auf eine Herausforderung und zugleich Ausgangs-
punkt einer Suche nach Handlungsspielraum also auch in diesem Pall. Der Gedanke
besonderer Pietät findet sich so formuliert etwa bei Albert Krantz, der als Wegbereiter
des Humanismus im deutschen Norden gilt**" und dem wir in seiner panegyrischen Lei-
chenrede auf Herzog Magnus II. von Mecklenburg den ersten Versuch verdanken, die
Ursprünge der mecklenburgischen Pürstendynastie zeitlich weit über Ernst von Kirch-
berg hinausgehend in der Antike zu suchen.*" Krantz begründet den Widerstand gegen
/erox donuü dH dme Jncoäe, / SnHgMÜM CM?H proprio conoHicos sfofMOHS. / Qnod pepnii oerpos,
Ciirisfi äono socroHMHfo / SfeiUnuH ?H0HÜs secfo crgHMHdo /erif. / Hoec piefos (!) [...], nach KÜHNE
1896, S. 39. Den Text liefert auch LiscH 1874.
111 Vgl. dazu und zum Folgenden MiNNEKER/PoECK 1999.
112 Vgl. dazu (insbesondere zur Rolle Woizlavas) auch LiscH 1854.
113 Vgl. nur die Rolle Heinrichs I. und Heinrichs II. als Stifter: MUBII, Nr. 993 (6. Juli 1263); II, Nr. 1123
(14. Juni 1267): Heinrich I. erkauft dem Kloster Doberan eine Rente in der Sahne zu Lüneburg, wo-
für an den Gräbern seiner Familie eine ewige Wachskerze unterhalten und der Gedächtnistag sei-
nes Vaters begangen werden soll; V Nr. 2779 (18. Januar 1302): Heinrich schenkt dem Kloster Dobe-
ran Hebungen von der Insel Poel zu einer ewigen Wachskerze auf seinem Grabe, zu zwei Spenden
an den Klosterkonvent und zur Erbauung eines Meßaltars und anständiger Fenster in der Begräb-
niskapelle seiner Vorfahren. In seinem wörtlich nicht überlieferten Testament wollte Heinrich II.
anscheinend ausdrücklich in Doberan bestattet sein: MUB VIII, Nr. 5019, nach MRC: Dornocii goä
gepn DoäeroH, / & iier spne äpgro/f woMe (MH, / epn ciepnode, woz non goidde [...]. - Zur Rolle von Hein-
richs II. Stiftungen zugunsten des von ihm auch gegründeten Clarissenklosters in Ribnitz siehe
Abschnitt I.3.5.2.7 und ULPTS 1995, S. 222f., ebenso HuscHNER 2008.
114 Siehe den Text bei KÜHNE 1896, S. 32f. (deutsch) u. 41f. (lateinisch). - Zum Hintergrund PECAR
2006 sowie MiNNEKER 2007 S. 204ff.
115 Siehe dazu auch MiNNEKER 2007 S. 164-167.
116 Vgl. zu Leben und Werk PosTEL 2004; ANDERMANN 2002, 2001, 1999 u. 1998; STOOB 1982; GRO-
BECKER 1980 u. 1965; TELLENBACH 1977 S. 308f.; HOFMEISTER 1902; BERTHEAu 1883. - Zur Nach-
wirkung im Hanseraum auch EiCKHÖLTER 1998. - Zur Verortung im humanistischen Kontext
siehe HELMRATH 2005, S. 375f. und jetzt auch BoLLBUCK 2006, S. 65ff. - Vgl. zum Umfeld HAYE
2000; zum historiographischen Hintergrund innerhalb der Hanse WRiEDT 1987; KoppMANN
1872.
117 Selbständig veröffentlicht als Krantz 1504 und als rhetorisch krönender Abschluß seines Werkes
Wandalia in Ders. 1600, XIV, S. 512-519. - Vgl. dazu NoRDMAN 1934, S. 74.