Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein
— 22.1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0013
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Heft 1
DOI Artikel:Schäfer, Wilhelm: Ottilie W. Roederstein
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O. W. Noederstein.
Landschaftsstudie.
Ottilie W. Roederstein.
H^nter den deulschen Malerinnen der Gegenwart macht unstreitig die in Frankfurt ansässige Schwcizerin
4-4 O. W. Roederstein die originellfte Figur, schon durch den eigentümlichen Wechsel ihrer Tcchnik,
der — wie wir sehen werdcn — zugleich cine Art Schicksal war. AlS Schülerin von Henncr und
CaroluS Duran kam sic in Frankfurt durch die Anregung PidollS zu ihrer altmeifterlichcn Tempera-
malerei, mit der sie einen internationalen Rus erreichte. WaS wir dagegen moderne Malerei nennen,
ist gewiffermaßen eine Art Handschrift, die Farbe wird mit dem Pinsel in mehr oder weniger breiten
Strichen aufgetragen, die den gewünschten Farbton an der Stelle direkt ergeben; daö Jdeal ist hier
die Primamalerei, bei der Strich gegen Strich hingesetzt, wie man sagt: naß in naß das ganze
Bild oder ein Teil davon in einem Austrag heruntergemalt wird. So malte der große Malmeifter
Leibl und eS ist bekannt, daß es für ihn fast ein moralisches Verbrechen war, zu lasieren, d. h.
mit mehrmaligem dünnen Farbauftrag übereinander den Übergang der Töne zu erreichen. Nun
haben aber alle altcn Meifter in ihrer Tafelmalerei lasiert, Dürer wie Holbein, und die sogenannte
Erfindung der Olmalerei durch die Brüder van Eyck war nichtS als die Entdeckung eineö Binde-
mittels, daö die Lasur d. h. den vielmaligen Farbcnauftrag an einer Stelle erlaubte.
Dieser Unterschied im Handwerk wäre gleichgültiger und die Bemühungen im 19. Iahrundert,
den Alten technisch auf die Spur zu kommen, nur eine Spielart der allgemeinen Rückwärtserei,
an der im 19. Iahrhundert unsere Kunst litt: wenn nicht die farbige Wirkung eine ganz anderc
wäre. Niemals läßt sich mit der modernen Olmalerei die heitere farbige Pracht der alten Bilder
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Landschaftsstudie.
Ottilie W. Roederstein.
H^nter den deulschen Malerinnen der Gegenwart macht unstreitig die in Frankfurt ansässige Schwcizerin
4-4 O. W. Roederstein die originellfte Figur, schon durch den eigentümlichen Wechsel ihrer Tcchnik,
der — wie wir sehen werdcn — zugleich cine Art Schicksal war. AlS Schülerin von Henncr und
CaroluS Duran kam sic in Frankfurt durch die Anregung PidollS zu ihrer altmeifterlichcn Tempera-
malerei, mit der sie einen internationalen Rus erreichte. WaS wir dagegen moderne Malerei nennen,
ist gewiffermaßen eine Art Handschrift, die Farbe wird mit dem Pinsel in mehr oder weniger breiten
Strichen aufgetragen, die den gewünschten Farbton an der Stelle direkt ergeben; daö Jdeal ist hier
die Primamalerei, bei der Strich gegen Strich hingesetzt, wie man sagt: naß in naß das ganze
Bild oder ein Teil davon in einem Austrag heruntergemalt wird. So malte der große Malmeifter
Leibl und eS ist bekannt, daß es für ihn fast ein moralisches Verbrechen war, zu lasieren, d. h.
mit mehrmaligem dünnen Farbauftrag übereinander den Übergang der Töne zu erreichen. Nun
haben aber alle altcn Meifter in ihrer Tafelmalerei lasiert, Dürer wie Holbein, und die sogenannte
Erfindung der Olmalerei durch die Brüder van Eyck war nichtS als die Entdeckung eineö Binde-
mittels, daö die Lasur d. h. den vielmaligen Farbcnauftrag an einer Stelle erlaubte.
Dieser Unterschied im Handwerk wäre gleichgültiger und die Bemühungen im 19. Iahrundert,
den Alten technisch auf die Spur zu kommen, nur eine Spielart der allgemeinen Rückwärtserei,
an der im 19. Iahrhundert unsere Kunst litt: wenn nicht die farbige Wirkung eine ganz anderc
wäre. Niemals läßt sich mit der modernen Olmalerei die heitere farbige Pracht der alten Bilder
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