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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 12
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Hansen, Margret: Die singende Kugel
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Schmidt, Hans: Architektonische Reise-Eindrücke in England, 3: moderne Häuser und Gartenstädte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0461

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Architoktonische Neise-Eindnicko in England.

Weil er so schön und gut war, waren es der König und
die Königin zufrieden. Und der König, der schon alt
war, sprach zu dem Fischer: Jetzt sollst du die Krone
tragen, und setzte sie ihm auf. Es wurde ein Fest gefeiert
und alles freute sich. Und als sie beim Mahle saßen,
kam im Abendschein der Vogel in den Saal geflogen,
setzte sich der Prinzessin auf die Schulter und sang so
süß, daß alle, die an der Tafel saßen, schwiegen, und die
Stille sich aus dem Schlosse über den Wald breitete, wo
alle Vögel verstummend horchten.

Aber der schönen Prinzessin konnte das Leben nicht
mehr taugen. Alle Liebe des jungen Königs und alle
Lieder des Vogels halfen ihr nicht. Sie wurde immer
bleicher, so weiß wurde sie, weiß wie Schnee, und eines
Tages konnte sie nicht mehr leben. Sie küßte den jungen
König und sagte: Versprich mir, daß du mich zurück-
bringst in den roten Berg an der Kugel, in der du mich
gefunden hast. Der junge König weinte laut und ver-
sprach es ihr und küßte sie auf den Mund. Da starb sie.
Der Vogel flog heran und deckte ihre Brust mit seinen
Schwingen und legte seincn Schnabel an ihre Lippen.
Dann hob er sich auf, und flog aus dem Fenster in den
Wald.

Der Fischer nahm die Prinzessin in seine Arme und
trug sie durch die Wälder und über die Heide, bis sie ans
Meer kamen. Da legte er sie in einen Kahn und fuhr
mit ihr über das weite Wasser, bis zu dem roten Berge.
Die Fische folgten ihm und leuchteten bei Nacht mit ihren
Lichtlein.

Jn dem Berge schwamm die leuchtende Blume auf
dem See, und in ihrem Kelche lag die singende Kugel,
wie der Fischer und die Prinzessin sie verlassen hatten.
Da hob er mit seinen Handen die tote Prinzessin aus
dem Kahn, die Kugel öffnete sich von selber und er
bettete die Prinzessin hinein. Die Fische aber standen
im Kreise herum und schauten zu. Da hob sich die Kugel
empor und slog aus dem Berge und über das Meer
fort, niemand weiß wohin. Die große Blume schloß
ihren Kelch und versank in den See.

rchitektonische

Reise-Eindrücke in England.

Z. Moderne Häuser und Gartenstädte.

Nun bleibt noch von neuer englischer Außenarchi-
tektur zu reden. Ein besonderes Kapitel müßte ich
eigentlich auch den vielen Parks widmen, die in und
um London zerstreut sind und die den unkundigen Frem-
den wegen ihrer großen Schönheit in großes Erstaunen
setzen. Jndejsen, wenn ich wirklich vollkommen sein
wollte, müßte ich auch von den Museen sprechen, vor
allem vom Britischen Museum, das, eine kleine Welt für
sich, kostbarste architektonische Schätze aus ältester Aeit
in sich birgt. Müßte erzählen von dem hochbedeutenden
South-Kensington-Museum,von denMöbeln derWallace-
Kollektion, müßte berichten von den aroßen Privat-
palästen, wie dem des Duke of Westminster von schlichtem
vornehmem Außeren und schönen reichen ernsten Empire-
räumen; von dem Palast des Earl of Ellesmere, dem

Bridge Water House in Renaissanceformen mit seiner
berühmten Gemäldesammlung; oder ich könnte schildern,
wie schlicht ein Gelehrter wie Carlyle einst in London
gewohnt und gelebt hat. Jch muß mir versagen, von
den Gesellschaftsräumen der großen Hotels zu erzählen,
wie denen des reichen, französisch gehaltenen Ritz, des
eleganten Savoy, oder des Carlton mit seinem reizenden
Empirelichthof als Teeraum und — wie man mir ge-
sagt hat — daß auch für den künstlerischen Charakter
dieser Hotels die neuesten Anregungen aus Amerika
kämen; könnte noch die solide und schöne Einrichtung
mancher anderen Restaurants oder Bar-Räume rühmen.
Oder ich möchte an die Eisenbahnbrücken der Themss
hinabsteigen, die mit den rauschenden Aügen, dem Dampf
der darunter wegfahrenden Schiffe, den Glashallen der
Bahnhöfe im Hintergrund ein bedeutendes Bild modernen
Lebens darstellen. Oder zu den Straßentunnels unter
der Themse, in denen bequem zwei große Lastwagen
aneinander vorbeifahren können, deren starke akustische
Wirkung verblüffend ist. Dies alles sind auch archi-
tektonische Eindrücke. Aber die ausführliche Behandlung
all dieser Dinge verbietet mir der knappe Rahmen dieser
Darstellung. Darum will ich übergehen zu modernen
Stadt- und Landhäuschen und zu Gartenstädten.

Wer in London, der großen Geschästsstadt, den gut
und logisch entwickelten Typus des modernen Waren-
und Kontorhauses vermutet, ist sehr im Jrrtum. Jm
großen Gesamtbild der Stadt ist nichts zu entdecken
davon. Außer den schon erwähnten kistenähnlichen
Häusern neben vielen Aeugen der klassizistischen Aeit
beherrschen Fassaden das Stadtbild, die, mit dem ganzen
Apparat von Renaissance-Formensprache in der billigen
und geistlosen Aufnrachung der Unternehmerhauser aus-
gestattet, mit unseren entsprechenden Erzeugnissen aus
dem Kontinent bequem konkurrieren können oder sie
überbieten. Die guten Ausnahmen, die vorhanden sind,
gehen in der großen Masse verloren. Die ganz wenigen,
in unserem Sinn „modernen" Bauten sind nicht be-
sonders gelungen, scheinen auch keine Kinder einer
englischen Tradition zu sein, sondern ihre Herkunft
aus Berlin abzuleiten. Und doch ist das erste im eigent-
lichen Sinne moderne Geschäftshaus schon vor Jahr-
zehnten in London errichtet worden. Es ist das Hauö
Leadenhallstreet 34, das der Architekt R. N. Shaw im
Jahre 1872 erbaut hat. Die freie unstilgemäße Lösung
dieser Fassade mit den vier großen schweren Pfeilern
und den langen Glaserkern dazwischen, die trotz Straßen-
enge eine Fülle von Licht in das Jnnere lassen, ist äußerst
bemerkenswert und überraschend für jene Ieit, in der
das übrige Europa seine ganze Beachtung der einzelnen
Stilform geschenkt hatte. Obwohl hier das Schema des
modernen Geschäftshauses im Prinzip schon vollständig
vorhanden war, ist doch nicht in London seine eigent-
liche Lösung und Ausbildung erfolgt, sondern in Berlin.
So lehrt wenigstens der reine Augenschein. Wer London
und Berlin miteinander verglichen hat, kann nicht
darüber im Aweifel sein, daß hier dieser Typus ent-
wickelt wurde und nocb wird. Dies ist eine Tat, auf
die wir doch recht stolz sein dürfen, zumal da in
Deutschland das Ausländische so viel mehr als das
Eigene gilt.
 
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