er deutsche Homer.
Übersetzen, ein sprachliches Werk also aus der
Sprache, in der es entstand, in eine andere
Sprache verpflanzen, wäre eine sehr einfache Aufgabe,
wenn Volk für Volk und Rasse für Rasse alle Menschen
gleicher Sinne, gleicher Seele und gleichen Geistes
wären und darum auch gleicherweise empfänden, fühlten
und dächten. Denn wenn es dann überhaupt noch ver-
schiedene Sprachen gäbe, könnte deren Verschiedenheit
doch nur noch sehr oberflächlicher Art sein, eine Ver-
schiedenheit der Laute einfach, und übersetzen hieße,
mühelos Wort für Wort des Urtertes durch das ent-
sprechende der anderen Sprache ersetzen, wie es in
dem Wörterbuch als das Parallelwort restlos gleicher
Bedeutung verzeichnet stände: Jn Wahrheit ist trotz
aller Völker- und Rassenmischungen, wie sie die fried-
lichen und kriegerischen Fahrten Einzelner und ganzer
Völker stets und ständig bcwirkt haben, die Welt nach
wie vor unter Völker und Rassen verteilt, die sich in
der Art zu sehen, zu fühlen und zu denken sehr merk--
bar von einander unterscheiden, und da die großen unter
ihnen in der Sehnsucht nach bleibenden Manifesta-
tionen der ihnen innewohnenden Kraft heute ihre
Sonderart sogar mit Bewußtsein schärfer herauszu-
arbeiten suchen, müssen sie wohl als Grundbedingungen
der natürlichen Entwicklung gelten. Jedes Glied eines
solchen geschlossenen Volks- oder Rassenkreises nun ist,
sofern seine Begabung es eben in die Bahn sprachlichen
Schaffens verweist, mit seinen Sinnen, die in ihrer
volks- und rassengebundenen Art schauen, horchen,
tasten, mit der Seele, die in ihrer Sonderart diese
Empfindungen mit Gefühlen begleitet, und dem Geiste,
der Empfindungen und Gefühle nun logisch verarbeitet
und wiederum volks- und rassengebundene Normen
aufstellt, für seine seelische Gemeinschaft eine Sprach-
wurzel, aus der sich mittels geistiger Aeugung Worte
und Wortverbindungen, Satzgefüge und in organischer
Fortbildung ganze Dichtungen und Philosophien ziehen
lassen, um so echtere und bleibendere d. i. volks-
gültigere, je mehr es selbst mit seinem Wesenskern sein
Volk reprasentiert und in seiner ausgebildeten volks-
mäßigen — und individuellen — Wesenheit womög-
lich auch noch die Grundeigenschaften der Rasse be-
wahrt. Eine Volkssprache ist dann das Produkt un-
zähliger solcher geistiger Aeugungen, die der Volks-
und Rassegeist gesegnet hat; sie spiegelt das Wesen des
Volkes in seiner Gesamtheit, und so verschieden die
Sinnese.indrücke, Gefühle und Gedanken des einzelnen
Franzosen von denen eines Deutschen, die des Europäers
von denen eines Asiaten sind, so verschieden sind deshalb
im Grunde genommen auch alle Sprachen. Gewiß
sind die Menschen allesamt in ihrer inneren Organi-
sation besonders den Grundzügen nach eng miteinander
verwandt, zum mindesten im Vergleich mit den sonstigen
Gattungen lebender Wesen, so daß auch ihre Sprachen
einander bis zu einem Grade decken und der Gedanke
der Übersetzung möglich wird; rein logisch betrachtet
mag es auch manchmal ohne Belang sein, ob ein Volk
nach der Art seines Lebens einen Gesichtseindruck in
dieses Bild faßt oder in jenes, zumal der Ausammenhang
eines ganzen Werkes den Mangel der einen und der
anderen Wortübertragung aufhebt. Deshalb bleibt,
wo es sich um die Ubertragung der differenzierteren
seelischen und geistigen Begriffe, insbesondere um die
Übertragung von wertenden Worten handelt, Über-
setzen doch in einem hohen Grade Fälschen: Wie in
seine Jndividualität ist der Einzelne auch in seine Volks-
und Rassenhülle eingeschlossen, und was er von anderen
Völkern zu erkennen glaubt, mehr oder weniger Spie-
gelung des eigenen Wesens.
Unter diesen ümständen muß es wundernehmen,
wenn unter den Übersetzern noch immer solche sind, die
wirklich verhältnismäßig tief in den Geist der anderen
Sprache eingedrungen zu sein scheinen, da sie mit deren
spezifischen Schönheit und Reizen doch auch die ganze
Problematik ihrer Versuche durchschaut haben müßten;
wenn sie nicht einmal vor der Übertragung von Dich-
tungen mit festem Rhythmus zurückscheuen, obwohl der
doch stets zur Ergänzung und Fortlassung von Worten,
zur Umformung und Neuknüpfung ganzer Sätze zwingt.
Dieser Widerspruch klärt sich so auf, daß Übersetzer im
Grunde genommen überhaupt im Auftrage des Volkes
handeln, das gerade so wie der Einzelne in sich den
Drang nach Entwicklung und Erweiterung des eigenen
Wesens auf dem Grunde seiner ursprünglichen Art hat
und sich deshalb gleich dem Einzelnen wechselnd unter
den Einfluß von Völkern stellt, die es seinem neuen
Lebensideal näher glaubt: Da Übersetzung für ein Volk
nur den Sinn einer Anregung hat, die doch noch weiter
verarbeitet werden muß, ist der Grad, in dcm eine
Übertragung dem Original entspricht, nicht so wichtig,
wie man es aus anderem Gesichtspunkte heraus denken
sollte, wenngleich die Anregung auf das Volk natur-
gemäß um so stärker ist, je klarer das Original in seiner
eigensten Art wiederersteht. — Was denn die Einflüsse
anbetrifft, denen sich das deutsche Volk im dunklen
Drange seiner Entwicklungssehnsucht unterstellt, so geht
es wohl schon seit dem Mittelalter auf die Gewinnung
einer freieren, einer natürlicheren Lebcnssorm aus, als
sie ihm die bisherige Fassung der christlichen Lehre
gegeben hat, und aus diesem Grunde hat es mit anderen
europäischen Ländern jahrhundertelang dem Griechen-
tum bestimmenden Einfluß über sich eingeräumt. Minder
historisch gesinnt, neigen wir heute in der gleichen Sehn-
sucht eher dahin, uns in das Wesen von Bölkern zu
vertiefen, die uns ihre Jdeale noch vorleben, so seit
längerem nunmehr schon in das der Japaner, die aus
Grundanschauungen heraus, die im ganzen kaum minder
geistig und seelisch orientiert sind, als unsere christlichen,
doch z. B. in der Sphäre des Sinnenlebens zu freieren
Normen kamen als wir, weil sie die Phantasie nicht mit
gleicher Grausamkeit banden. Deshalb ist das unge-
heure seelische Erlebnis, das für unsere Ahnen das
Griechentum gewesen ist, aber für uns ebenfalls noch
nicht tot, sondern das Griechentum bleibt anscheinend
gleich einem der ganzen großen Kunstwerke eine nie
untergehende, immer harrende Welt, in der Generation
um Generation Bestätigung für die eigene Sehnsucht
sucht. Jn. charakteristischer Reihenfolge sind während
des letzten Jahrzehnts nacheinander Plotin, Platon,
die Tragiker übersetzt worden, und wenn der Dichter
Rudolf Alerander Schröder nun die Odyssee Homers*
* Inselverlag. Leipzig1911; schön gedruckt nur 2 resp. 3 M.
Übersetzen, ein sprachliches Werk also aus der
Sprache, in der es entstand, in eine andere
Sprache verpflanzen, wäre eine sehr einfache Aufgabe,
wenn Volk für Volk und Rasse für Rasse alle Menschen
gleicher Sinne, gleicher Seele und gleichen Geistes
wären und darum auch gleicherweise empfänden, fühlten
und dächten. Denn wenn es dann überhaupt noch ver-
schiedene Sprachen gäbe, könnte deren Verschiedenheit
doch nur noch sehr oberflächlicher Art sein, eine Ver-
schiedenheit der Laute einfach, und übersetzen hieße,
mühelos Wort für Wort des Urtertes durch das ent-
sprechende der anderen Sprache ersetzen, wie es in
dem Wörterbuch als das Parallelwort restlos gleicher
Bedeutung verzeichnet stände: Jn Wahrheit ist trotz
aller Völker- und Rassenmischungen, wie sie die fried-
lichen und kriegerischen Fahrten Einzelner und ganzer
Völker stets und ständig bcwirkt haben, die Welt nach
wie vor unter Völker und Rassen verteilt, die sich in
der Art zu sehen, zu fühlen und zu denken sehr merk--
bar von einander unterscheiden, und da die großen unter
ihnen in der Sehnsucht nach bleibenden Manifesta-
tionen der ihnen innewohnenden Kraft heute ihre
Sonderart sogar mit Bewußtsein schärfer herauszu-
arbeiten suchen, müssen sie wohl als Grundbedingungen
der natürlichen Entwicklung gelten. Jedes Glied eines
solchen geschlossenen Volks- oder Rassenkreises nun ist,
sofern seine Begabung es eben in die Bahn sprachlichen
Schaffens verweist, mit seinen Sinnen, die in ihrer
volks- und rassengebundenen Art schauen, horchen,
tasten, mit der Seele, die in ihrer Sonderart diese
Empfindungen mit Gefühlen begleitet, und dem Geiste,
der Empfindungen und Gefühle nun logisch verarbeitet
und wiederum volks- und rassengebundene Normen
aufstellt, für seine seelische Gemeinschaft eine Sprach-
wurzel, aus der sich mittels geistiger Aeugung Worte
und Wortverbindungen, Satzgefüge und in organischer
Fortbildung ganze Dichtungen und Philosophien ziehen
lassen, um so echtere und bleibendere d. i. volks-
gültigere, je mehr es selbst mit seinem Wesenskern sein
Volk reprasentiert und in seiner ausgebildeten volks-
mäßigen — und individuellen — Wesenheit womög-
lich auch noch die Grundeigenschaften der Rasse be-
wahrt. Eine Volkssprache ist dann das Produkt un-
zähliger solcher geistiger Aeugungen, die der Volks-
und Rassegeist gesegnet hat; sie spiegelt das Wesen des
Volkes in seiner Gesamtheit, und so verschieden die
Sinnese.indrücke, Gefühle und Gedanken des einzelnen
Franzosen von denen eines Deutschen, die des Europäers
von denen eines Asiaten sind, so verschieden sind deshalb
im Grunde genommen auch alle Sprachen. Gewiß
sind die Menschen allesamt in ihrer inneren Organi-
sation besonders den Grundzügen nach eng miteinander
verwandt, zum mindesten im Vergleich mit den sonstigen
Gattungen lebender Wesen, so daß auch ihre Sprachen
einander bis zu einem Grade decken und der Gedanke
der Übersetzung möglich wird; rein logisch betrachtet
mag es auch manchmal ohne Belang sein, ob ein Volk
nach der Art seines Lebens einen Gesichtseindruck in
dieses Bild faßt oder in jenes, zumal der Ausammenhang
eines ganzen Werkes den Mangel der einen und der
anderen Wortübertragung aufhebt. Deshalb bleibt,
wo es sich um die Ubertragung der differenzierteren
seelischen und geistigen Begriffe, insbesondere um die
Übertragung von wertenden Worten handelt, Über-
setzen doch in einem hohen Grade Fälschen: Wie in
seine Jndividualität ist der Einzelne auch in seine Volks-
und Rassenhülle eingeschlossen, und was er von anderen
Völkern zu erkennen glaubt, mehr oder weniger Spie-
gelung des eigenen Wesens.
Unter diesen ümständen muß es wundernehmen,
wenn unter den Übersetzern noch immer solche sind, die
wirklich verhältnismäßig tief in den Geist der anderen
Sprache eingedrungen zu sein scheinen, da sie mit deren
spezifischen Schönheit und Reizen doch auch die ganze
Problematik ihrer Versuche durchschaut haben müßten;
wenn sie nicht einmal vor der Übertragung von Dich-
tungen mit festem Rhythmus zurückscheuen, obwohl der
doch stets zur Ergänzung und Fortlassung von Worten,
zur Umformung und Neuknüpfung ganzer Sätze zwingt.
Dieser Widerspruch klärt sich so auf, daß Übersetzer im
Grunde genommen überhaupt im Auftrage des Volkes
handeln, das gerade so wie der Einzelne in sich den
Drang nach Entwicklung und Erweiterung des eigenen
Wesens auf dem Grunde seiner ursprünglichen Art hat
und sich deshalb gleich dem Einzelnen wechselnd unter
den Einfluß von Völkern stellt, die es seinem neuen
Lebensideal näher glaubt: Da Übersetzung für ein Volk
nur den Sinn einer Anregung hat, die doch noch weiter
verarbeitet werden muß, ist der Grad, in dcm eine
Übertragung dem Original entspricht, nicht so wichtig,
wie man es aus anderem Gesichtspunkte heraus denken
sollte, wenngleich die Anregung auf das Volk natur-
gemäß um so stärker ist, je klarer das Original in seiner
eigensten Art wiederersteht. — Was denn die Einflüsse
anbetrifft, denen sich das deutsche Volk im dunklen
Drange seiner Entwicklungssehnsucht unterstellt, so geht
es wohl schon seit dem Mittelalter auf die Gewinnung
einer freieren, einer natürlicheren Lebcnssorm aus, als
sie ihm die bisherige Fassung der christlichen Lehre
gegeben hat, und aus diesem Grunde hat es mit anderen
europäischen Ländern jahrhundertelang dem Griechen-
tum bestimmenden Einfluß über sich eingeräumt. Minder
historisch gesinnt, neigen wir heute in der gleichen Sehn-
sucht eher dahin, uns in das Wesen von Bölkern zu
vertiefen, die uns ihre Jdeale noch vorleben, so seit
längerem nunmehr schon in das der Japaner, die aus
Grundanschauungen heraus, die im ganzen kaum minder
geistig und seelisch orientiert sind, als unsere christlichen,
doch z. B. in der Sphäre des Sinnenlebens zu freieren
Normen kamen als wir, weil sie die Phantasie nicht mit
gleicher Grausamkeit banden. Deshalb ist das unge-
heure seelische Erlebnis, das für unsere Ahnen das
Griechentum gewesen ist, aber für uns ebenfalls noch
nicht tot, sondern das Griechentum bleibt anscheinend
gleich einem der ganzen großen Kunstwerke eine nie
untergehende, immer harrende Welt, in der Generation
um Generation Bestätigung für die eigene Sehnsucht
sucht. Jn. charakteristischer Reihenfolge sind während
des letzten Jahrzehnts nacheinander Plotin, Platon,
die Tragiker übersetzt worden, und wenn der Dichter
Rudolf Alerander Schröder nun die Odyssee Homers*
* Inselverlag. Leipzig1911; schön gedruckt nur 2 resp. 3 M.