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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 7
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Schäfer, Wilhelm: Der Klosterbauer: Erzählung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0261

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er Klosterbrauer.

Erzahlung von Wilhelm Schäfer.

I.

Wer jemals Klosterbrüder die rcifen Äpfel von den
gepflegten Bäumen pflücken sah, auch wie sie mit den
sauberen Netzen die blanken Fische fangen, und überall
bedachtsam und voll Liebe zu den Erdengütern sind,
wie sie die Beete ihres Klosterfriedens abgezirkelt und
die Wege — mit zartem Kies bestreut — wie auf dem
Reißbrett haben, weiß auch, waruni die Mauern so hoch
um ihre Gärten sind. Es möchtc sonst wohl konunen,
daß sich zu viele an ihre Pforten drängten, denen die
Arbeit nicht so unschadlich durch die geplagten Hände
rinnt, weil sie für Frau und Kinder, auch für die
Eltern ängstlich zu sorgen haben und um ihr Dasein
in täglicher Bedrangnis sind. Die aber spielen sich das
Paradies der Kinder und der alten Männer vor, darin
die Arbeit nur ein Unterhaltungsspiel der Hände und
der Schweiß bekönunlich für die Gesundhcit ist. Denn
weil sie gleichsam an der Theaterkasse des bangen
Glaubens sitzen, daran die Frommen und Bedenklichen
nrit reichen Stistungen die Eintrittskarten zum Himmel-
reich einkaufen: so können sie mit stündlichen Gebeten
auch noch beflissen sein, sich ihrem Vorschuß aus der
Erde entsprechend das Kapital der Ewigkeit zu sichern.

Doch kann es kommen, daß einer den Vorschuß
mißverständlich schon für das Ganze nimmt und sich
mit irdischer Begier dem Obstbau und dem Fischfang,
der Landwirtschast und Viehzucht als ein Mann von
Kraft und Gaben widmet, besonders wenn er Abt des
Klosters und seinem Orden für die Mehrung der anver-
trauten Güter haftbar ist. Denn einen Teich mit Fischen,
einen Wald darum und Felder mit vielen hundert
Baumen, mit Spargelzucht und Bienenhausern, eine
Viehwirtschaft mit Rindern, Schweincn, Pserden, Gän-
sen und cine Kellerei mit Kelter und Maischkübeln haben:
das ist kein Kleinbetrieb, der zwischen Hochamt und
Vcsper erledigt werden kann. Da braucht es Bücher und
Journale, Geschick und llbersicht, da sind die Schwan-
kungen des Marktes und die Wünsche verwöhnter Kauser
mit Sorgsalt zu beachten, da muß die altmodische Ord-
nung eines Sachverwalters sich der Gewandtheit und
deni Wagemut des modernen Kaufmanns in einem
Kopf vereinigen, wenn solch ein Kloster in der gehetzten
Wirtschast unserer Tage behabig wie zu alten Aeiten ge-
deihen soll.

Solch cinen Kopf besaß der Abt von Hausenborn,
den jederniann auf Stundenweite den Klosterbrauer
nannte, weil seine Brauerei die größte und beliebteste
der Landschaft und weil er selber ihr rühriger Direktor
war. Ein Fünsziger, dem kaum ein graues Haar die
Samnietschwärze des straffcn Bartes schwächte und der
mit breiten Beinen fröhlich die Erde trat. Er hatte
den Betrieb klein übernommen, doch mit den Jahren
einen llmsatz herausgebracht, der aus den Taschen der
Biertrinker einen Aehnten ins Kloster wandern ließ, wie
ihn das frömmste Mittelalter verweigert hätte. Man
sagte boshaft, daß er den Petrus selber als Lieferant
täglichec Abcndschoppen bestochen habe und darum sicher

wäre, trotz mancher Weltlichkecken bei ihm noch durch-
zuschlüpfen. Denn daß er lieber mit seinen Trabern
durchs Land kutschierte als im Ornat zum Hochamt
stand, das wußte jeder. Doch war er Manns genug,
übleren Nachreden bei seinen Oberen standzuhalten.

Der Teich, an dem sein Kloster lag, war fast ein
See; und weil die Ufer mit schönen Wäldern bestanden
waren, die sich mit sanfter Schwellung zu breiten
Bergen hoben: so galt er als ein Ausflugsziel, zu dem
sich Sonntags die Durstigen von allen Seiten drangen.
Die fanden dann in einem Gasthof, der bei uralten
Eichen neben dem Kloster mit Terrassen nach dem Teich
hin stand, die sauberste Bewirtung. Der Gasthof war
eine Klosterpacht, und bis vor wenigen Jahren hatte
ein Bruder vom Abt darin gewirtet, was schon nicht
nach dcr Klosterregel gewesen war. Doch hatte niemand
ein besonderes Ärgernis darin gefunden; seitdem der
Bruder aber beim Fischen verunglückt war und seine
Witwe den Gasthof weiter führte, gab es doch manchen
Kirchengänger, der das dem Abt nicht gönnte. Denn
diese Witwe war ein rotblondes Mensch mit glattem
Scheitel und hätte eine germanische Madonna vorstellen
können, zwar nicht mehr jung, doch auch nicht alt genug,
den Sauertopf zu spielen, und ein handfestes Gegenstück
zum Klosterbrauer. Sie hätte manchen Mann bequem
ernähren können, doch schien der Abt ihr abzuraten auf
eine Weise, der sie am Ende nicht widerstehen konnte.

Das war das Ärgernis, daran ihn seine Oberen
von den reichlich genossenen Vorschüssen dieser Erde
wieder auf das zinslose Kapital der Ewigkeit zurück-
versetzen wollten. Als er an einem Winterabend recht
im Behagen cines wohlgelungenen Geschäftsausfluges
mit seinen Rappen in Hausenborn einfuhr, trat ihm
schon an der Pforte mit allen Aeichen schuldiger Ehr-
furcht ein Propst entgegen, den das Kapitel ihm unan-
genicldet zur Entlastung sandte: ein ärnilicher kleiner
Kerl mit Schauspielerlippen, weder blond noch schwarz
in jener fahlen Färbung, wie sie der ausgebrühte Tee
zeigt. Während dem Abt der Schneewind die gesunden
Backen gerötet hatte, hielt er die Kutte frierend an den
Leib, und als er nachher mit ihni im Kontor der Kloster-
brauerei dasaß, war er auch richtig ein Weltentsager,
der das Kistchen mit Jmporten wie den sauberen Krug
vom Selbstgebrauten furchtsam verweigerte. Eü sah da
freilich alles mehr nach einem Fabrikanten als nach dem
Kloster aus: wie die Dampfheizung behaglich tickte und
wie das Kruzifir zwischen den sauberen Regalen und
Wandschränken aus gelbem Eichenholz sein Ruheplätzchen
hütete. Doch war der Abt noch Mönch genug, die Mission
von diesem Propst auch als Geschäftsmann nicht einen
Augenblick zu unterschätzen. Er ließ ihn zwar mit Vor-
sicht nur zu unverbindlichen Gesprachen kommen, doch
wußte er am dritten Tage genau, daß man im General-
kapitel über seine Erweiterungspläne — er wollte die
Klosterbrauerei und besonders den Gasthof seiner Witwe
aufs Doppelte vergrößern — in allen Einzelheiten unter-
richtet und entschlossen wäre, ihm bei dem Bankguthaben
die Wurzeln dieser Pläne abzuschneiden, ja daß schon
ein Revisor nur noch die Nachricht seiner gütlichen Unter-
werfung abwartete, um andernfalls mit seiner Amts-
entsetzung im Kloster einzutreffen.

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