Hans Gsell.
Liegende Löwin (Gips, gedacht in graugelbem Kalkstein).
Fischottern und Iiegen machte, konnte auch die monu-
mentalen Löwen und den herrischen Adler bilden; daß
eins zum andern gehört, macht das Gefühl der Sou-
veranität dieses Künstlers aus: er hat kein Rezept, um
allerlei Naturgegenstände für eine erprobte Wirkung zu
bearbeiten, sondern er hat die Künstlerhand, aus der
Naturanschauung heraus je nach dem Gegenstand zu
großen oder drolligen Lösungen zu kommen.
Wenn wir solche Künstlerhand auch diescni jungen
Bildhauer zusprechen, knüpft sich das Vertrauen mehr
an den „Edelfalken", als etwa an den „Stier auf der
Kugel". So witzig dieses Stück
gedacht und so tüchtig die plastische
Arbeit im einzelnen ist: gerade
dieser Witz und diese Tüchtigkeit
berühren akademisch; sie weisen
unwillkürlich auf ein Meister-
atelier, aus einen Lehrmeister hin.
Die Form ist von außen statt von
innen gewonnen; und so sehr
naturgemäß alle künstlerische Wir-
kung auf wohlüberlegter Kunst be-
ruht, so empfindlich ist das naive
Gefühl gegen diese Überlegung
und diese Kunst, es will die Hand-
schrift vielleicht, aber niemals die
Hand sehen, und ist am glücklich-
sten, wenn Kunst und Gegenstand
verschmolzen sind, d. h. wenn der
Gegenstand mit so sclbstverständ-
licher Ruhe dasteht, daß alles Wie
und Warum der künstlerischen
Darstellung gewissermaßen auf die
Frage des Gegenstandes zurück
gebracht ist: und so steht eben der
Edelfalke da. — Es gibt keine an-
dere Möglichkeit für ihn zu stehen, Hans Gsell.
als diese: in der Wirklichkeit wohl, er könnte den Kopf
drehen, den Schnabel heben oder die Federn spreizen;
aber das Gefühl würde die völlige Beruhigung darin ver-
missen, es hätte über die schönste künstlerische Darstellung
hinaus die Forderung nach einem endgültigen Austand.
Genau genonrmen kann es sich — zum wenigsten in
der Plastik — immer nur um die Darstellung einer
Ruhe handeln, jede Bewegung hat einen Punkt, wo sie
vor dem Auge gewissermaßen steht, und nur diese stehen-
den Eindrücke sind für die bildnerische Darstellung brauch-
bar. Der auf der Kugel balancierende Stier ist eine Art
witzigcr Beweisführung zu dieser
Wahrheit; denn nur, daß er wirk-
lich balanciert, gab die statische
Möglichkeit seiner Darstellung:
aber eben dieser Witz ist das Au-
viel der Künstlerhand, das wir
unangenehm enipfinden. Wie da-
gegen bei dem Edelfalken jede
Form noch einzeln wieder zur
Ruhe geglättet ist in einer rest-
losen Durchbildung, das geht so
völlig in den Gesamteindruck unter,
daß wir gern den Witz und Ge-
schmack des Künstlers im einzel-
nen vergessen, um ihn insgesamt
in der ganzen Haltung desto woh-
liger zu empfinden.
Es ist fast eine Art Vergel-
tungsgesetz der Kunst, daß sich
meist nur die Meisterhände an die
Darstellungen der — sagen wir —
Ruhepunkte getrauen. Der Dilet-
tant, der Anfanger, das sogenannte
Temperament entgleisen fast im-
mer in die Aufregung, die miß-
Kohlezeichnung. verstandene Bewegung; entwedcr,
i?
Liegende Löwin (Gips, gedacht in graugelbem Kalkstein).
Fischottern und Iiegen machte, konnte auch die monu-
mentalen Löwen und den herrischen Adler bilden; daß
eins zum andern gehört, macht das Gefühl der Sou-
veranität dieses Künstlers aus: er hat kein Rezept, um
allerlei Naturgegenstände für eine erprobte Wirkung zu
bearbeiten, sondern er hat die Künstlerhand, aus der
Naturanschauung heraus je nach dem Gegenstand zu
großen oder drolligen Lösungen zu kommen.
Wenn wir solche Künstlerhand auch diescni jungen
Bildhauer zusprechen, knüpft sich das Vertrauen mehr
an den „Edelfalken", als etwa an den „Stier auf der
Kugel". So witzig dieses Stück
gedacht und so tüchtig die plastische
Arbeit im einzelnen ist: gerade
dieser Witz und diese Tüchtigkeit
berühren akademisch; sie weisen
unwillkürlich auf ein Meister-
atelier, aus einen Lehrmeister hin.
Die Form ist von außen statt von
innen gewonnen; und so sehr
naturgemäß alle künstlerische Wir-
kung auf wohlüberlegter Kunst be-
ruht, so empfindlich ist das naive
Gefühl gegen diese Überlegung
und diese Kunst, es will die Hand-
schrift vielleicht, aber niemals die
Hand sehen, und ist am glücklich-
sten, wenn Kunst und Gegenstand
verschmolzen sind, d. h. wenn der
Gegenstand mit so sclbstverständ-
licher Ruhe dasteht, daß alles Wie
und Warum der künstlerischen
Darstellung gewissermaßen auf die
Frage des Gegenstandes zurück
gebracht ist: und so steht eben der
Edelfalke da. — Es gibt keine an-
dere Möglichkeit für ihn zu stehen, Hans Gsell.
als diese: in der Wirklichkeit wohl, er könnte den Kopf
drehen, den Schnabel heben oder die Federn spreizen;
aber das Gefühl würde die völlige Beruhigung darin ver-
missen, es hätte über die schönste künstlerische Darstellung
hinaus die Forderung nach einem endgültigen Austand.
Genau genonrmen kann es sich — zum wenigsten in
der Plastik — immer nur um die Darstellung einer
Ruhe handeln, jede Bewegung hat einen Punkt, wo sie
vor dem Auge gewissermaßen steht, und nur diese stehen-
den Eindrücke sind für die bildnerische Darstellung brauch-
bar. Der auf der Kugel balancierende Stier ist eine Art
witzigcr Beweisführung zu dieser
Wahrheit; denn nur, daß er wirk-
lich balanciert, gab die statische
Möglichkeit seiner Darstellung:
aber eben dieser Witz ist das Au-
viel der Künstlerhand, das wir
unangenehm enipfinden. Wie da-
gegen bei dem Edelfalken jede
Form noch einzeln wieder zur
Ruhe geglättet ist in einer rest-
losen Durchbildung, das geht so
völlig in den Gesamteindruck unter,
daß wir gern den Witz und Ge-
schmack des Künstlers im einzel-
nen vergessen, um ihn insgesamt
in der ganzen Haltung desto woh-
liger zu empfinden.
Es ist fast eine Art Vergel-
tungsgesetz der Kunst, daß sich
meist nur die Meisterhände an die
Darstellungen der — sagen wir —
Ruhepunkte getrauen. Der Dilet-
tant, der Anfanger, das sogenannte
Temperament entgleisen fast im-
mer in die Aufregung, die miß-
Kohlezeichnung. verstandene Bewegung; entwedcr,
i?