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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 1
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Halm, Alfred: Kleine Aufsätze über Musik, 3: Bahnbrecher und Eklektiker; (eine Apostrophe)
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Rüttenauer, Benno: Hugo v. Tschudi
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0044

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bleiben, belieben Sie zu sagen), anstatt daß sie nun die
Bahn weiterbrechen oder eine Nebenbahn brechen.
Grob ausgedrückt: Sie achten die einen und verachten
die anderen; und diese anderen sind eben diejenigen, um
derentwillen die einen, die Bahnbrecher nämlich, wert-
voll sind, für die diese eigentlich da sind und arbeiten!
Also müßten sie schließlich auch die letzteren mit ver-
achten — wenn Sie sich namlich besinnen, wozu ich Sie
cben mit diesem einladen möchte.

Für die anderen, die Nachfolger oder Nachtreter,
haben Sie noch einen feineren Namen im Gebrauch: die
Eklektiker. Die Auswahlenden! Sollte man es glauben,
daß Sie mit diesem auszeichnenden, Herrschergabe und
Überlegenheit anerkennenden Wort so garnichts Über-
legenes, Stolzes und Königliches meinen? Ach, Jhr
Eklektiker hat keinen starken Blick, nicht den Blick, der,
wahlend, zugleich schon an sich reißt, was er für sich
erspäht; Sie haben, müde wie Sie selbst sind, und nur
durch das rasche Vorwärts und durch den Sturm des
Fahrens und Kämpfens um Sie her zugleich aufge-
peitscht und betäubt, die eigene Mattheit zu vergessen
fähig — Sie haben von jeder ruhigen Größe und sicheren
Tugend das Bild der Lahmheit, des Abkräftigen: und
das gewißlich Jhnen selbst, nicht der Größe zur Schande!
Jhr Eklektiker, der Engbrüstige der Iimmerluft und des
Lehnsessels, aus dem er sich nur erhebt, um auf weichen
Pantoffeln von Papier zu Papier, von Regal zu Regal
zu schleichen; der Kenner der Nuancen, der von starken
Farben Gekränkte, der Herr mit kluger Brille, der Mann
des kalten Herzens und der feinen Fingerspitzen — ja-
wohl, er kommt vor, er eristiert, ich glaube es Jhnen.
Aber das glaube ich außerdem und weiß es: Sie bringen
es fertig, ihn da zu sehen, wo Jhnen sein leibhaftiges
Gegenbild vor Jhren eigenen Augen steht, nämlich der
Gebieter, der große Dankbare und der große Lernende,
der Nehmende mit gutem Gewissen und bestem Recht,
der Überschauende, der das ängstliche, kleinliche Suchen
und den Krampf des Ringens gleich wenig, und beides
viel weniger kennt als den gelassenen Raub und das
selbstverständliche Glück; dessen Arbeiten und Schaffen
kühn, frei und ohne die Merkmale der Mühsal ist, dessen
Kraft ohne Keuchen wirkt. Diesen kennen Sie nicht!
aber glauben Sie, daß er darum nicht vorkommt, weil
Sie ihn notwendig verkennen? Daß er nie und nimmer
gegenwärtig ist, weil Sie seiner nie und nimmer ge-
wärtig*sein können?

Es kommt nicht so sehr darauf an, ob der Typus
des wachsamen und erfassenden, des sammelndön Künst-
lers in dem Raffael der „Renaissance" von Gobineau
mit völligem historischen Recht dargestellt worden ist;
ein herrlicher^Typus ist es nicht minder, ob auch hier
der historische Raffael^idealisiert wurde; eines^Freiheit-
liebenden wie Friedrich Nietzsche Sehnsucht galt ihin.
Wie dort, bei Gobineau, die bescheidene Gesinnung
sich mit unbescheidenem Tun, die Ehrfurcht vor den großen
und gewaltigen, aber beschränkten Eroberern mit dem
stolzen Bewußtsein verbindet: alles das ist und wird
mein, 'damit es erst ganz der Kunst gehöre — das ist
ein Bild, fern von jeder Schwäche; das Bild des pietät-
vollen Überlegenen, der schließlich die Gewaltigen selbst
zu Dienern seines Reiches macht,ihre Arbeit in das Reich
des Glücks und der Seligkeit emporhebt. A. H a lm.

ugo v. Tschudi (f 24. Nov.)

vereinigte in sich zwei Fähigkeiten, dic,
wenigstens in so hohem Grad, selten in einem
und demselben Menschen angetroffen werden: cine
sichere, nicht bloß angelernte, sondern aus tiefsten
Amateur-Jnstinkten fließende Kennerschaft und einen
starken Willen zu organisatorischer Jnitiative. Er war
zum Galeriedirektor wie geboren. Daß er es trotzdem
in der Tat wurde, ist ein Glücksfall, wie er eben doch
hie und da vorkommt. Wohl hatten sich gewisse Leute
dabei, in ihreni Sinn, geirrt, aber sie kamen gottlob zu
spät dahinter.

Tschudis erste Tat war die Neugestaltung der Berliner
National-Galerie, und ich glaube nicht, daß es zu viel
gesagt ist, wenn man behauptet, daß er damit Epoche
gemacht hat in der künstlerischen Kultur unserer Aeit.
Denn er hat eben nicht nur — das wäre das wenigste —
den Charakter jener Galerie, er hat damit den Begriff
und die Praris des ganzen Galeriewesens vom Grund
aus umgekrempelt. Vorher waren die modernen Gale-
rien kaum für etwas anderes angesehen worden, als
für eine Art Schlauch, durch den der Staat gewissen
Künstlern, wenn fie „Konnerionen" hatten, gelegentliche
Unterstützungen zufließen lassen konnte. Wenn mit
dieser Praris (Prinzip kann man nicht sagen) heute so
viel wie allgemein aufgeräumt ist und die modernen
Galerien deutscher Staaten und Städte sich heute eine
wesentlich andere Aufgabe stellen, die mit der Förderung
der künstlerischen Kultur mehr zu tun hat, so wüßte ich
nicht, von wem anders diese glückliche Reform ausge-
gangen sein sollte, als von Tschudi, dem gerade dieses
Verdienst hoch angerechnet werden muß. Sogar die
Hindernisse, auf die er in Berlin stieß, haben für ihn
und seine Jdee wirksamste Propaganda gemacht.

Von diesen Berliner Hemmungen ist ein Wort zu
sagen. Der Vorwurf der Ausländerei war an sich viel-
leicht nicht durchaus lächerlich, er wurde es aber im
höchstcn Grade dadurch, daß die gleichen Leute, die sich
gegen die Franzosen fperrten, eben auch unsern Leibl
perhorreszierten, ja auch — wenigstens lange Zeit —
unsern Böcklin, unsern Thoma und was weiß ich wen
noch. So mußte Tfchudis Kampf jedem Einsichtigen und
Ehrlichen als Kampf um die Kunst schlechtweg erscheinen.
Was wollte Tschudi? Dem Staat Preußen und der
Hauptstadt des Deutschen Reiches eine staatliche moderne
Galerie schaffen, d. h. eine Repräsentation der Malerei
unserer Ieit in ihren typischen Leistungen, also der
Stadt Berlin etwas schenken — denn die Stadt bekam es
wirklich „geschenkt" — dessen sich wenige Städte noch
rühmen können, nicht einmal Paris. Er konnte, vielfach
gehemmt, nicht sein ganzes Wollen verwirklichen; aber
das Verwirklichte, sollte man meinen, wäre schon genug,
um"gerade die Stadt Berlin — vom Staat hier nicht zu
reden — zur lebhaftesten Dankbarkeit gegen den Mann
zu verpflichten. Jst je etwas davon zum ofsiziellen Aus-
druck gekommen? Man muß das fragen, denn eine
große Hauptstadt hätte eigentlich die verdammte Pflicht,
intelligenter zu sein, als das Monstrum Staat; einer
Person darf man das nicht so ohne weiteres zumuten.

Ganz allgemein anerkannt ist, was für eine be-
fruchtende Bedeutung die Berliner Jahrhundert-Aus-
 
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