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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 2
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Ebinghaus, K.: Baukunst und Architektur
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0068

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Lösung gibt dieHof-
ansicht von Hamp-
ton Court(Abb. 14),
wo gewissermaßen
dem Obergeschoß
durch die Forni der
Fenster zwei Dach-
geschosse aufgesetzt
sind; während die
Teilansicht des Ber-
liner Schlosses (Ab-
bild. 13) die deut-
liche Absicht zeigt,
zum wenigsten bei
den Portalen die
Aweigeschossigkeit
vorzutäuschen, übri-
gens in der vielbe-
licbten Umkehrung
(Säulen als Pfeiler
unten, so daß ge-
wissermaßen sogar
der Eindruck einer
Eingeschossigkeitent-
steht).

Die meisten dieser Bauten zeigen ihre Herkunft vom
griechischen Tempel nicht deutlicher als dadurch, daß
ihnen für die Ansicht das
Dach zu fehlen scheint. Ge-
rade dadurch aber blciben sie
auch Architektur; die schönc
Reißbrettfassade hört oben
für den Eindruck ungedeckt
auf, wodurch sie ohne orga-
nische Beziehung zum Raum
steht, also nicht in dcr schö-
nen Vollendung wie das
Gießener Schloß oder das
Berncrhaus ein Stück Bau-
kunst wird. Daß gerade in
den nordischen Ländern den
Fassaden dann ein Dach
aufgesetzt wurde, darf nicht
ivundernehnien, aber gerade
in unseren Tagen, wo das
Dach seine Siegerrolle in
der bürgerlichen Baukunst
auüspiclt, sollte nian immer
wieder daran denken, daß
das als Mansardendach übrig
gebliebene hohe Dach des
Mansart vielleicht die eigen-
willigste und bedeutendste
Leistung der barocken Bau-
kunst war. Eine Ansicht, wie
sie — und zwar allein durch
das Dach — das Mauritz-
huys im Haag bietet, ist trotz
aller Strenge dcr Wandbil-
dung aus der Fassade der
Architektur erlöst und ein

Gebäude, also eine
Sache der Baukunst
geworden(Abb. 16).
Schöner noch etwa
Amalienborg in Ko-
penhagen (Abb. 15).

Daß man im
sogenannten Neu-
klassizismus das
Dach wieder ver-
gessen konnte (we-
der das Schauspiel-
haus noch die Fran-
zösische und Deut-
sche Kirche zu Ber-
lin haben für die
Ansicht ein Dach),
war bei aller edlen
Gesinnung der Rück-
fall aus der Bau-
kunst in die Archi-
tektur, aus dem sich
erst die Gegenwart
nach den wilden
Kunststücken derMo-
dernen nieist durch Anknüpfung an das bürgerliche
Barock zurückbesinnt. Kein schöneres Beispiel gibt es

für diese Rückbesinnung als
der neue Teil des Wertbeim-
Hauses am Leipziger Platz,
wo ein massiges Dach den
schlanken Pfeilerbau krönt,
der sich nach der Leipziger
Straße noch mit einer un-
fertigen Bekrönung aushilft.

* -i-

Jn dieser nur andeuten-
den Betrachtung wurde die
Baukunst zwar gewisser-
maßen unter Dach gebracht,
aber im Drang der Umstände,
will sagen des beengten
Raumes, das lechnische Pro-
bleni des Daches d. h. der
Überwölbi ng des Raumes,
aus dem sich vor allem die
Geschichte der ronianischen
und gotischen Kirchenbau-
kunst betrachten läßt, außer
acht gelassen. Wenn zum
Schluß wenigstens zwci Kup-
peln, die alte voni Pantheon
in Rom (Abb. 17) und die
moderne von der Radcliff-
Bibliothek (Abb. 18), gegen-
über gestellt werden, soll
damit auf die hartnäckige Be-
bauptung dicser Tenipclbau-
form hingewiesen werden,
die bis auf unsere Tage den

Abb 12. Otto-HemiichsrBiu in Heidelberg.

Aus K. O. Hartmamu Die Baukunst (Verlag Carl Scholtze, Leipzig, 3 Bde. 27 Mk.).

Abb. 13. Portal vom Königl. Schloß in Berlin.

Aus K. Q. Hartmann: Die Baukunst (Verlag Carl Scholtze,
Leipzig, 3 Bde. 27 Mk.).

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