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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 3
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Baum, Julius: Johann Vincenz Cissarz
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0090

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I. V. Cissarz.

Remagen und Apollinariskirche (Kreidezeichnung).

wiegt — ohne jedes Gefühl für das Wesen des Architektonischen vcrmeinten, es genüge ihre bloße
WillenSäußerung, sie zu Architekten zu machen. Die Zeit ist erbarmungsloö über sie hinweggegangen.
Cissarz hat, obwohl er, wie seine frühesten Ornamente bezeugen, mehr Gefühl für Rhythmus und
für die Bedeutung der Vcrhältnisie von Hause mitbrachte, als die meisten seiner himmelstürmenden
Kampfgenossen, den weisen Mut gehabt, auf daö Bauen zu verzichten, um dcfto sicherer und voll-
kommener andere Gebiete der Kunst zu beherrschen. Bei alledem ist es ihm nicht leicht gefallen,
zur großen Form durchzudringen. Eine ftarke Freude am Ornamentalcn hat ihn immer wieder
verleitet, dem unermüdlichen Schmucktrieb zu ungehindert die Zügel schießen zu lassen, und erft
neuerdings ist der Überreichtum auf allen F'eldern seiner Tätigkeit ruhiger Klarheit und Einfachheit
gewichen. Nur auf einem Gebiet ging er von Anfang an seinen Weg mit so inftinktiver Sicher-
heit, daß es offenbar ward, hicr müffe seine Begabung den reinsten AuSdruck finden: auf dem der
LandschaftSmalerei. Wer einmal eineö seiner frühen Bilder von Sylt und Rügen gesehen hat,
der möchte faft bedauern, daß er nicht nur Meerbilder gemalt hat und immer wieder Meerbilder.
Denn so wie er hat noch niemand die Schwermut, den Ernft, die Leidenschaft des deutschen MeereS
geschaut. Und diese Gemälde brächten seinen Namen auf die Nachwelt, wenn er auch an der
kunftgewerblichen Bewegung gar keinen Anteil hätte.

Cissarz ist am 22. Iannar I87Z in Danzig geboren. Er besuchte die Gymnasien in Preußisch-
Stargard, Zeitz und Heiligenstadt und wendete sich dann nach DreSden, um dort auf der Akademie
Malerei zu ftudieren. Er arbeitete crst bei Pohlc und Freye und kam danach als Meifter-
schüler zu Pauwels. Von den Arbeitcn auS dieser Epoche haben sich eine große Szene aus der
französischen Revolution (1894) und ein Altarbild in einer Kirche aus dem Eichsseld erhalten.
Damals begannen in DreSden die erften Regungen eineö neuen Stiles, und zwar auf dem Gebiete
des PlakatwesenS. Die gute alte Zeit, da das Leben noch langsamer und wcniger geräuschvoll ver-
lief, hatte keiner Plakate bedurft. Dann, nach dem Aufkommen der Litfasisäulen, behalf man sich
 
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