Die Malerei der Restaurationszeit.
fassung des Bruders so großartig und doch innig und
ursprünglich, daß diese Gestalt zu den schönsten Er-
findungen Cornelius' gehört. Dagegen wird man in der
Ieichnung der Brüder, besonders im Nackten und in den
Physiognomien leicht etwas Gesuchtes und Konstruiertes
finden. Wie eklektisch aber auch Cornelius arbeitet, ver-
rät eine Flucht nach Agypten mit landschaftlichem Hinter-
grund von Koch, wo zu einer sitzenden Madonna einfach
ein Esel und der schreitende Joseph hinzugemalt sind.
Cornelius selbst außerte einmal: „So wie Goethes Tasso
zwar in Jtalien spielt und sein glücklicher, schöner Himmel
über ihm wohnt, und das Werk doch an sich selbst in
seinem innersten Wesen deutsch ist, so hoffe ich, solls
mir auch mit meinem geplanten Werk gehen." Jn der
Tat sind seine Fresken ein verdeutschter Raffael, aber
doch zum Schaden des Deutschen wie des Raffaelischen
in ihm.
Sein Jdeal, große Wände zur Bemalung ul kresco
unter die Hand zu bekommen, sollte sich dann in München
erfüllen, wo ein kunstliebender Fürst in der Art ab-
solutistischer Herrscher des 17. Jahrhunderts seinen Ehr-
geiz in kolossalen Bauten befriedigen wollte, aber auch
in der Architektur an Stelle eines neuen Stiles nur
Jmitationen älterer Stile zu befördern vermochte. Jn
der von Klenze erbauten Glyptothek schmückte er zwei
kreuzgewölbte Säle mit Fresken, den einen mit Dar-
stellungen des antiken Götterkreises, den anderen mit
der Geschichte des Trojanerkrieges. Poseidon und
Amphitrite durchfahren auf einem von Rossen gezogenen
Wagen das Meer, und man denkt dabei an die Lustigkeit
und Frische der Meerfahrt Galateens auf Raffaels
Farnesina-Fresko. Auch hier hätte etwas Bewegtes
entstehen können, wie ein stürmisches Meer, wo die
Leiber sich wälzen und drängen, wie Welle auf Welle
im Sturmwind sich folgen. Aber es fehlt ganz das Ele-
mentare und Sinnliche der Bewegungen; die Meer-
weiber, die den Aug begleiten, nehmen sich sittig bei
der Hand, und der ganze Aug, dem es an fortreißendem
Rhythmus fehlt, ist eingeschlossen von ruhenden Rand-
figuren, die von der dekorativen Absicht des Bildes ein-
gegeben sind. Es ist ein Gedankenprodukt, keine Schilde-
rung elementarer Mächte, die in körperliche Bewegung
und leibliches Wohlgefühl umgesetzt sind.
Auf einem anderen Bilde thront Aeus zu seiten der
schmollenden Hera und nimmt Herkules in den Olymp
auf. Hebe reicht diesem den Becher. Hier sucht man ver-
gebens nach dem Herkulischen der muskulösen Akte seiner
Frühbilder. Es ist alles erstarrt, wie nach Marmorfiguren
abgezeichnet, Ganymed nach einem Relief des Thor-
waldsen, Hebe ähnelt der Hebe Canovas. Die Körper
werden schlank und steif, streben der nazarenischen Linie
zu. Rein nach symbolisch-gedanklichen Prinzipien sind
die Figuren nebeneinandergestellt, ohne Raumtiefe und
sich drängend in einer Überfülle von Plastik.
Erst als der Künstler vom sonnigen Olymp in die
tieferen Regionen der Unterwelt hinabstieg, fand das
Grüblerische und Ernste seiner Natur einen würdigen
Gegenstand, der ihm besser lag als Formenschönheit
und antike Gesten. Orpheus, der durch seinen Gesang
die Herrscher der Unterwelt zu rühren vermag, forderte
zu geistiger Charakterisierung heraus, die ihm die ergrei-
fenden Charaktere der Totenrichter und der Eumeniden
gelingen ließen.
Überhaupt entfaltet sich die Stärke Cornelius'
weniger in Einzelposen und rein plastischen Kompositio-
nen, als in der Schilderung bewegter Taten und Ereig-
nisse, wie in den geschichtlichen Szenen des Heroen-
saales. Hier konnten seine leidenschaftlichen Konzep-
tionen pathetischer Bewegungen vollzur Geltung kommen.
So lebt denn auch der dramatische Stil seiner Früh-
bilder wieder auf. Ohne Rücksicht auf die eigentliche
Gestalt des Wandfeldes, entwirft er Gemälde drama-
tischen Jnhalts, und wo er sich nachtraglich auf die
dekorative Aufgabe besinnt, geschieht es nur zum Nach-
teil der Lebendigkeit der Szene. Jmmer aber stört der
Mangel an Raum und Räumlichkeit, indem jetzt nur
noch Körper zu einem gedrängten Relief in oft kunst-
voller, dem linearen Ornament sich nähernder Weise
verbunden werden. So ist er vortrefflich, wo er im Sinne
Schillers dramatisch-poetisch denkt, lahm und gesucht, wo
er retrospektiv, dem Mittelalter zugewendet ist. Denn
darin ist auch seine Kunst präraffaelisch. Vielfach er-
innert er an Signorelli, den stärksten und männlichsten
unter den Quatrozentisten, wie es Cornelius unter den
Nazarenern war, durch die dramatische Gebärdensprache,
die oft bis zur Wildheit gesteigerte Bewegung, die sich
aber mit einem mittelalterlich-dekorativen, raumlosen
und flächenhasten Bildschema und mit linear umrissenen,
hager-sehnigen Körpern abfinden inuß, und durch das
PathossublimsterJdeen,in denen derSchreckenmächtiger
ist als die Seligkeit. Wie Signorellis Kunst ist die des
Cornelius ernst und unfroh. Darum mag man es als
ein Glück preisen, daß in Cornelius' letztem großen Werk,
den Berliner Kirchhofsfresken, ein Thema wie die apo-
kalyptischen Reiter gegeben war, ein Thema von letzten
mit Schrecken nahenden Dingen. Hier konnte Cornelius
dramatische Ausdrucksbewegungen von wildestem Pathos,
wie Tod und Pestilenz über die Menschheit bringende
Reiter durch die Lüfte sausen, verbinden mit allgemein
menschlichen und doch religiös wirkenden Jdeen, von der
dem Üntergang geweihten Kreatur und der tragischen
Bestimmung alles Aeitlichen und Jndividuellen. Seine
ganze dramatische Wucht und seine ideale Gesinnung ver-
mochte Cornelius in diesem letzten Werk auszuleben,
das nur Karton geblieben ist, die Farben nie gewonnen
hat, aber gerade in dieser unsinnlichen Form als echtes
Gedankenkunstwerk die Ieiten überdauert hat. Vielleicht
hat auch hier das Pathos einer neuen Aeit, die allem
Reaktionären im Nazarenertum gründlich seind war,
zu bewirken vermocht, daß er einmal ganz seiner Jdee
und seinem Temperament zu folgen vermochte. Denn
es sind die 40 er Jahre, in denen dieser Karton entstand,
Jahre, in denen eine neue Revolution sich vorbereitete.
Wie Rethels Holzschnitte ist auch dieser Karton im Stile
eines Manifestes gehalten.
Wenn aber die ganze Nazarenerzeit für uns heute
eine Epoche unfruchtbarer Rückwärtserei gewesen ist,
bemüht, Jdeale, die an sich dem Fortschritt der Mensch-
heit widersprechen, in einer Weise zum Ausdruck zu
bringen, die unter ganz anderen Bedingungen vorzeiten
einmal verständlich gewesen war, und wenn auch Cor-
nelius diesem Geist der Aeit sich nicht hatte entziehen
fassung des Bruders so großartig und doch innig und
ursprünglich, daß diese Gestalt zu den schönsten Er-
findungen Cornelius' gehört. Dagegen wird man in der
Ieichnung der Brüder, besonders im Nackten und in den
Physiognomien leicht etwas Gesuchtes und Konstruiertes
finden. Wie eklektisch aber auch Cornelius arbeitet, ver-
rät eine Flucht nach Agypten mit landschaftlichem Hinter-
grund von Koch, wo zu einer sitzenden Madonna einfach
ein Esel und der schreitende Joseph hinzugemalt sind.
Cornelius selbst außerte einmal: „So wie Goethes Tasso
zwar in Jtalien spielt und sein glücklicher, schöner Himmel
über ihm wohnt, und das Werk doch an sich selbst in
seinem innersten Wesen deutsch ist, so hoffe ich, solls
mir auch mit meinem geplanten Werk gehen." Jn der
Tat sind seine Fresken ein verdeutschter Raffael, aber
doch zum Schaden des Deutschen wie des Raffaelischen
in ihm.
Sein Jdeal, große Wände zur Bemalung ul kresco
unter die Hand zu bekommen, sollte sich dann in München
erfüllen, wo ein kunstliebender Fürst in der Art ab-
solutistischer Herrscher des 17. Jahrhunderts seinen Ehr-
geiz in kolossalen Bauten befriedigen wollte, aber auch
in der Architektur an Stelle eines neuen Stiles nur
Jmitationen älterer Stile zu befördern vermochte. Jn
der von Klenze erbauten Glyptothek schmückte er zwei
kreuzgewölbte Säle mit Fresken, den einen mit Dar-
stellungen des antiken Götterkreises, den anderen mit
der Geschichte des Trojanerkrieges. Poseidon und
Amphitrite durchfahren auf einem von Rossen gezogenen
Wagen das Meer, und man denkt dabei an die Lustigkeit
und Frische der Meerfahrt Galateens auf Raffaels
Farnesina-Fresko. Auch hier hätte etwas Bewegtes
entstehen können, wie ein stürmisches Meer, wo die
Leiber sich wälzen und drängen, wie Welle auf Welle
im Sturmwind sich folgen. Aber es fehlt ganz das Ele-
mentare und Sinnliche der Bewegungen; die Meer-
weiber, die den Aug begleiten, nehmen sich sittig bei
der Hand, und der ganze Aug, dem es an fortreißendem
Rhythmus fehlt, ist eingeschlossen von ruhenden Rand-
figuren, die von der dekorativen Absicht des Bildes ein-
gegeben sind. Es ist ein Gedankenprodukt, keine Schilde-
rung elementarer Mächte, die in körperliche Bewegung
und leibliches Wohlgefühl umgesetzt sind.
Auf einem anderen Bilde thront Aeus zu seiten der
schmollenden Hera und nimmt Herkules in den Olymp
auf. Hebe reicht diesem den Becher. Hier sucht man ver-
gebens nach dem Herkulischen der muskulösen Akte seiner
Frühbilder. Es ist alles erstarrt, wie nach Marmorfiguren
abgezeichnet, Ganymed nach einem Relief des Thor-
waldsen, Hebe ähnelt der Hebe Canovas. Die Körper
werden schlank und steif, streben der nazarenischen Linie
zu. Rein nach symbolisch-gedanklichen Prinzipien sind
die Figuren nebeneinandergestellt, ohne Raumtiefe und
sich drängend in einer Überfülle von Plastik.
Erst als der Künstler vom sonnigen Olymp in die
tieferen Regionen der Unterwelt hinabstieg, fand das
Grüblerische und Ernste seiner Natur einen würdigen
Gegenstand, der ihm besser lag als Formenschönheit
und antike Gesten. Orpheus, der durch seinen Gesang
die Herrscher der Unterwelt zu rühren vermag, forderte
zu geistiger Charakterisierung heraus, die ihm die ergrei-
fenden Charaktere der Totenrichter und der Eumeniden
gelingen ließen.
Überhaupt entfaltet sich die Stärke Cornelius'
weniger in Einzelposen und rein plastischen Kompositio-
nen, als in der Schilderung bewegter Taten und Ereig-
nisse, wie in den geschichtlichen Szenen des Heroen-
saales. Hier konnten seine leidenschaftlichen Konzep-
tionen pathetischer Bewegungen vollzur Geltung kommen.
So lebt denn auch der dramatische Stil seiner Früh-
bilder wieder auf. Ohne Rücksicht auf die eigentliche
Gestalt des Wandfeldes, entwirft er Gemälde drama-
tischen Jnhalts, und wo er sich nachtraglich auf die
dekorative Aufgabe besinnt, geschieht es nur zum Nach-
teil der Lebendigkeit der Szene. Jmmer aber stört der
Mangel an Raum und Räumlichkeit, indem jetzt nur
noch Körper zu einem gedrängten Relief in oft kunst-
voller, dem linearen Ornament sich nähernder Weise
verbunden werden. So ist er vortrefflich, wo er im Sinne
Schillers dramatisch-poetisch denkt, lahm und gesucht, wo
er retrospektiv, dem Mittelalter zugewendet ist. Denn
darin ist auch seine Kunst präraffaelisch. Vielfach er-
innert er an Signorelli, den stärksten und männlichsten
unter den Quatrozentisten, wie es Cornelius unter den
Nazarenern war, durch die dramatische Gebärdensprache,
die oft bis zur Wildheit gesteigerte Bewegung, die sich
aber mit einem mittelalterlich-dekorativen, raumlosen
und flächenhasten Bildschema und mit linear umrissenen,
hager-sehnigen Körpern abfinden inuß, und durch das
PathossublimsterJdeen,in denen derSchreckenmächtiger
ist als die Seligkeit. Wie Signorellis Kunst ist die des
Cornelius ernst und unfroh. Darum mag man es als
ein Glück preisen, daß in Cornelius' letztem großen Werk,
den Berliner Kirchhofsfresken, ein Thema wie die apo-
kalyptischen Reiter gegeben war, ein Thema von letzten
mit Schrecken nahenden Dingen. Hier konnte Cornelius
dramatische Ausdrucksbewegungen von wildestem Pathos,
wie Tod und Pestilenz über die Menschheit bringende
Reiter durch die Lüfte sausen, verbinden mit allgemein
menschlichen und doch religiös wirkenden Jdeen, von der
dem Üntergang geweihten Kreatur und der tragischen
Bestimmung alles Aeitlichen und Jndividuellen. Seine
ganze dramatische Wucht und seine ideale Gesinnung ver-
mochte Cornelius in diesem letzten Werk auszuleben,
das nur Karton geblieben ist, die Farben nie gewonnen
hat, aber gerade in dieser unsinnlichen Form als echtes
Gedankenkunstwerk die Ieiten überdauert hat. Vielleicht
hat auch hier das Pathos einer neuen Aeit, die allem
Reaktionären im Nazarenertum gründlich seind war,
zu bewirken vermocht, daß er einmal ganz seiner Jdee
und seinem Temperament zu folgen vermochte. Denn
es sind die 40 er Jahre, in denen dieser Karton entstand,
Jahre, in denen eine neue Revolution sich vorbereitete.
Wie Rethels Holzschnitte ist auch dieser Karton im Stile
eines Manifestes gehalten.
Wenn aber die ganze Nazarenerzeit für uns heute
eine Epoche unfruchtbarer Rückwärtserei gewesen ist,
bemüht, Jdeale, die an sich dem Fortschritt der Mensch-
heit widersprechen, in einer Weise zum Ausdruck zu
bringen, die unter ganz anderen Bedingungen vorzeiten
einmal verständlich gewesen war, und wenn auch Cor-
nelius diesem Geist der Aeit sich nicht hatte entziehen