Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Sutter, Otto Ernst: Die schwarze Köstlichkeit: aus den Notizen eines "Salpeterers"
DOI Artikel:
Silbergleit, Arthur: Alte Stadt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0151

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die schwarze Köstlichkeit.

,faulen Grete", die zu den wertvellsten Schätzen meines
Hagestolzenhausstandes gehört. Das Patronenmachen
stabe ich gelernt und das Pulvermachen, und als Student
mit Büchsen und Pistolen gefeuert. Wurde mitunter
cine langweilige Kollegstunde durch eine Erplosion, die
sich drüben in den Laboratorien der Chemiker zutrug,
unterbrochen, ist es mir jeweilen wohl ums Herz ge-
worden: Wie wäre es mit einem gehörigen Bombar-
dieren am Faulberg? Jn jenen Tagen habe ich auch mit
Eifer die Geschichte der Salpeterer vom Hauensteinerwald,
jener alten schießfrohen Gesellen, studiert und eine kleine
studentische Schützengilde, Pie Salpetererch gegründet, die
auf den bürgerlichen Schießständen ihr Handwerk trieb.
Doch schien mir diese Schützenkunst bald reizlos und er-
zcugte kaum mehr Freude: mir gesiel das planlose Ab-
fcuern von Böllern besser. So war ich denn auch in den
Ferien bisweilen hehlings mit dem alten „Schieß-
matthes", an Vorabenden vor kirchlichen und weltlichen
Feiertagen und an diesen selbst im Hirschgrund sest
am Rumoren. Und wäre der Matthias Buchsbaum nicht
gar so alt geworden, hätte ich mich vielleicht um seine
Stelle beworben. Jnzwischen allerdings war ich in den
staubigen Aktenstuben des Staates selber in die Vierzig
gekommen. Der Schießmatthes hat mit 95 vor dem
Patronatsfest des heiligen Eustachius den letzten Katzen-
kopf abgebrannt, dann legte er sich zum Sterben. Jst er
in den Himmel eingelassen worden, zählt er zu des

Herrgotts besten Donnerern-

Die wurmstichige Spukkiste des Vaters träumt in
meiner Schreibstube weiter und birgt wie vordem
Patronen, Pulver, vielerlei Büchsenmachergeräte und
Feuerwerkerinstrumente, mit denen ich gerne und
bedächtig hantiere .... Nun möchte man mich am Ende
für einen kriegerischen Menschen, einen eingefleischten
Militaristen, wie man sagt, halten. Das bin ich nicht.
Beileibe nicht. Jch bin allzeiten und allwegen ein An-
hänger und Verfechter des Friedensgedankens gewesen:
das ist gewißlich wahr. Und es hat niich immer wie eine
Entweihung der schwarzen Köstlichkeit angemutet, daß
man ihre geheimnisvollen Potenzen zum Menschen-
mord benutzte. Allein, das Pulver und das wilde Ru-
moren mochte ich je und je nicht lassen, habe sie von
Kindesbeinen an glühend geliebt. Ei, was war das für
eine köstliche Geschichte mit meiner ,faulen Grete^ im
Steinbruch am Faulberg. Es muß cin Schuß Salpeterer-
blutes in meinen Adern sein: darum die unersättliche
Lust und Sehnsucht nach wildem Schießen. Und wenn
ich jetzt als Sechziger bisweilen nächtens vom Waldrand
die selbstgefertigten Raketen aufsteigen lasse und diese
hoch in dcn Lüften heulend schwirren und zerspringen,
mag kaum jemand daran denken, daß einer in Amt und
Würden der Feuerwerker ist. Ja, erwischten sie mich

einmal, so müßte ich selber mich in Strafe nehmen-

Das Pulver, das geliebte Pulver: mir ist es etwas gc-
worden im Leben wie Frau und Kindcr. Warum?
Je nun, ich weiß keine letzte Antwort zu geben: doch
scheint es mir mit dem, was ich von dem Salpeterer-
crbteil gesagt, zusammenzuhängen. Mag sein, daß
später noch eine andere Lösung sich mir auftut ....
Heute freue ich mich noch über die Kraft, die Stärke und
die Schönheit des Pulvers. Und auf diesen Abend will

ich eine Rakcte fcrtigen, die morgen Nacht ausschreiend
den Äthcr durchschneidet und krachend über dem Tale,

hoch in den sternigcn Lüften verspritzcnd, stirbt_"

* *

Man hat diese merkwürdigen Notizen in den nach-
gelasscncn Papieren des Gehcimen Rates N. N. gc-
funden. Als ihr Jnhalt bekannt wurde, war ein viel-
beratenes Rätsel gelöst: seit Jahren wurden in schonen
Nächten, da und dort, von unbekannter Hand Feuer-
werkskörper abgebrannt, ohne daß es gclungen wäre,
auch nur eine Spur von dem geheimnisvollen Pyro-
techniker zu finden. Der Geheime Rat wurde auf seinen
besondercn testamentarischen Wunsch in seinem Geburts-
ort, der kleinen Amtsstadt M., beigesetzt. Dcsgleichen
seincm letzten Willen gemäß wurden drei „Katzenköpfc"
über seiner Grube gelöst. Den Platz seines Grabes abcr
hatte sich der alte Herr vor Jahren erworben, abseits des
Hauptweges, im Armleutviertel, neben dem Grabe
cincs gewissen Matthias Buchsbaum.

lte Stadt.

Von Arthur Silberglcit.

I.

Die Giebel fallen spitz und schräg,
als fürchteten sie jeden Schwung.

Dem Fremden winkt ein Schild am Weg:
„Herberge zur Erinnerung!"

An einer Schwelle, die bemoost,
schläft eine Katze eingerollt,

und ein Laternenlicht liebkost
ihr weißcs Fell mit kargem Gold.

Durchs Brückentor fährt nur im Schritt>
ein Gast, der sich verspätet hat.

Kein Muhmentrippeln, Mädchentritt
gibt ihm Geleit zur alten Stadt.

Jst es vielleicht ein hoher Prinz?

Der Aöllner hinterm Fensterbrett

erläßt ihm lächelnd jedcn Zins
und kriecht dann wieder in sein Bett.

Und ist im halben Schlaf erfreut,
daß ihni als königlichen Sold

die Nacht auf seine Decke streut
Mondtaler sowie Sternengold.

II.

Sind dic grauen Giebel noch so schief
und die Mädchenkammern auch versteckt;
Mond guckt immer durch die Fenster tief,
bis er jedes stille Heim entdeckt.

Und dann reiht cr mit geziertcr Schrift
zärtlich Hieroglyph an Hieroglyph
und schreibt mit dem dünnen Silbcrstift
jedem Mädchen einen Liebesbrief,
 
Annotationen