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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 5
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Halm, August Otto: Kleine Aufsätze der Musik, 7.: Beethoven; von Paul Bekker
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Klabund: Vier Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0198

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Kleins Aufsätze über Musik.

zu wenig mit fruchtbaren Gegensätzen gewirtschaftet,
zu viel vom äußerlichen Geschehen, zu wenig von der
inneren Dramatik gesprochen. Wie viele „Umsonst"
lesen wir! Es gibt aber kein Umsonst in einem Kunstwerk,
es sei denn an einer sehlerhasten Stelle. Und so lesen
sich auch in Bekkers Buch viele Stellen wie das Croquis
eines Dramas, auch wohl eines psychologischen Ro-
mans, wobei wir die seelischen Austände sich folgen,
etwa auch agieren sehen, aber nicht erleben, da wir keine
Träger derselben, keine lebendigen Wesen zu sehen be-
kommen — — Doch! möchte jemand sagen, der Leser
kennt ja die Werke Beethovens, er hat die Themen und
ihre wechselnden Gestalten im Gedächtnis, oder er kann
ja nachsehen. — Aber eben dieses beständige Nachschlagen,
sei es im Gedächtnis, sei es in den gedruckten Noten,
stört beständig. Die vom Autor gewollte Parallele
kann nicht glücken. Am besten ist er daran, wenn er
sich darum bemüht, den geistigen Prozeß des Ersindens
zu belauschen. Jch weise wiederum auf die Stelle hin,
wo er von der Sonate op. 27, I spricht. „Nun scheint
die Phantasie des Künstlers sich zu regen. Sie saugt
sich an dem Eingangsrhythmus fest, verdichtet ihn zu
einer immer noch einfach volkstümlichen, aber klanglich
reicher untermalten Melodie" (S. 110). Das Abschatten-
und Nachzeichnenwollen der nrusikalischen Vorgänge
selbst aber verführt ihn nicht selten zu jener Art von
populärer Schriftstellerei, die er mit einer aussterbenden
Gattung gemeinsam hat. „Beruhigende Dur-Stimmun-
gen, die vorübergehend auftauchen, können sich nicht
halten, werden in düsteren Mollwirbel zurückgerissen."
Das Bildliche als hübsch anerkannt — wie wenig trägt
doch Derartiges zum Verständnis der Struktur bei; wie
wenig sagt es! Oder: „Den Schmerz des Verlassenseins
malt er durch den verminderten Septimenakkord"
(S. 137). Auch ernstere Fehler sind nicht zu verkennen.
Iu ihnen rechne ich das oratorische Übertreib.en, das
dem Verfasser nicht eigen ist, das ihn aber gelegentlich
überrumpelt. Beethoven „verschmäht es, durch das all-
gemein benutzte Tonika- Portal einzutreten," sagt er
von dem ersten Takt der ersten Symphonie. Da Beet-
hoven sonst diesen Augang zur Musik nicht für seiner
unwürdig hält, so ist das eine Phrase im unguten Sinn.
Beethoven „verwirft jetzt" die Sonatenform, meint
Bekker (S. 108). Besser gesagt: Beethoven wollte nicht
immer Sonaten schreiben. Ausdrücke wie : „rhythmische
Fesseln"(S. 175), „vage L-Noll-Träume" (S. 397) be-
anstande ich als mindestens bedenklich. Endlich muß
ich sagen, daß der Wille, etwas gut und sinnvoll zu finden,
den Autor zu einem empfindlichen Sichwidersprechen
verleitet hat. Man vergleiche das, was er von der Llisss,
8ol6mni8 auf S. 312 sagt („nicht mit groben Worten"),
mit dem, was er der menschlichen Stimme (und natürlich
damit auch dem gesungenen Wort!) an erlösender Kraft
zuerkennt (S. 219; vgl. auch wieder S. 66). Jch rechne
solches zu den apologetischen Künsten von ziemlich tiefem
Rang; mit ihrem Gebrauch verirrt Bekker sich vorüber-
gehend in einen Kreis, in dem er nichts zu suchen hat,
für den er mit seinen guten, vollends mit seinen besten
Seiten unbrauchbar ist.

Um den Gesamteindruck des Werks zu kennzeichnen:
ein eindrucksvoll und treu gestaltetes Lebensbild; das
Bild des Lebenswerks Beethovens verschiedenwertig;

viel Fruchtbares, manches davon aber nicht verwertet und
unfruchtbar geblieben; teils bewußt gehandhabte, teils
gewissermaßen unabsichtliche, selbsttätige Kritik, teils
mangelhafte Kritik; im Schriftstellerischen viel Ge-
schicklichkeit, häufig sogar Kraft.

Der Tert beträgt 447 Seiten. Ein Anhang von etwa
30 Seiten bringt je eine tabellarisch geschichtliche Ueber-
sicht über Beethovens Leben und über seine Werke;
endlich bieten 160 Seiten eine Fülle von Abbildungen
und Faksimiles. August Halm.

ier Gedichte von Mfred Henschke.

Sonnabend.

Sonnabend ists, der tulpenfarbne Westen
weiß einen Sonntag rechter Art zu künden,
der enge Sorgen, leichtgeschürzte Sünden
uns mildert mit den kindlichfrommen Gesten.

Aum Himmel auf führt mehr als eine Leiter.
Trällernd fegt Lisa Flur und Korridore,
sie weiß, am dunklen Hintertreppentore
lauert verliebt ihr lieber schwerer Reiter.

Spruch.

Gefühle sind kühlweiße Schwäne,
sie ziehen auf den dunkelnden Wogen
unnahbar leuchtend, doch ihre Hälse
biegen sich schlank jedwedem Brocken.

Stadl am Fluß.

In deinen Hügeln, die anr Flusse lehnen,
scheint sich ein schläfrig Weib verliebt zu dehnen.
Der stillen Glieder weich bewegtes Leben
ist ganz deni Lauf des Stromes hingegeben.

Die Wellen glitzern ihr an Brust und Knieen,
Lastschiffe als ihr zierlich Spielzeug ziehen.

Ein Strahl der Brücke blendet ihr Gesicht,
sie blinzelt — aber sie besinnt sich nicht.

Die kleine scheue Stadt, die sich verlegen
um ihren Kirchturm drängt, der Menschlein Regen,
der weiten Aue goldiggrüne Flur:
sie weiß es nicht, sie träumt es nur.

Madonna.

Madonna, deine Sonnenaugen
blenden so sehr.

Wirf deiner Gnade Schatten
über mich her.

Schöne Kerzen

weih ich dir — und Bild und Seidenband,
Sünden und Schmerzen
leg ich in deine Hand.

Viel tausend Rosenkränze will ich betend ründen,
nur: sieh dies Körbchen schnörkelhaft und zier —
Madonna, es sind meine Liebessünden,

Madonna, laß sie mir!

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