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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 6
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Schäfer, Wilhelm: Bildende Kunst in Lothringen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0204

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Bildende Kunst in Lolhringen.

und durch die elsässisch-deutsche Muttersprache von den Franzosen getrennt, mehr oder weniger doch
nur politisch zu Frankreich gehörten — vom sranzösischen Geschmack beeinflußt sind, wie selbftverftänd-
lich also beispielsweise für den Straßburger eine Reise nach Paris und wie ungewöhnlich cine nach
Berlin ist: so mag man ermessen, wie sehr noch heute für die Kultur der Lothringer und zwar auch
für die versöhnten und in die neue Ordnung eingelebten, Paris die heimliche Hauptstadt sein muß.
Und um so weniger kann man geradc hierin eine politische Aufsässigkeit finden, als die reichsdeutschen
Maler seit mehr als fünfzig Jahren nicht aufgehört haben, sich dort die hohe Schule zu holen.
Böcklin, Thoma, Leibl, Menzel, Feuerbach, Uhde, Liebermann: sie alle hat es nach Paris gelockt
Hierzu kommt,

außer ihrcm persön-
lichen Talent nicht
bieten kann: den
natürlichen LebenS-
boden der Kunst,
die auf dem Volks-
tumberuhendeKul-
tur. Wenn ein
Rheinländer, ein
Württemberger
oder Badenser, ein
Münchener oder
selbst ein Berliner
aus der Pariser
Lehre heimkommt,
tritt er in einen
kulturellen LebenS-
kreis zurück, der
im Ganzen nicht
von Paris berührt
wird, weil er im
Gefühl des eigenen
Volksrums ruht.
DieseS organische
Gefühl gerade muß
in einem Volk,
daö noch im Um-
lernen begriffen ist,
besonders gefährdet
scheinen; daS bedeu-

die Heimat etwaS tet fgx den Künst-

Wesentliches und O. Hildebrand. Die Sünde. ler nicht mehr oder

das Wichtigfte weniger, als in der

cigenen Heimat heimatlos zu sein. Die befte Verwaltung wird daran kaum etwaS beschleunigen
können, daß diese Heimatlosigkeit erst aufhören wird, wenn eine natürliche Hin- und Herflutung
zwischen dem gesamten deutschen Leben und dem Teil eingetreten ift. Da es aber die Franzosen in
zweihundert Iahren, also bis zu GoetheS Zeiten, nicht vermocht hatten, diese organische Flutung
zwischen Straßburg und Paris herzustellen, d. h. also auS Straßburg eine französische Stadt zu
machen, wird gerade der Übereifer es mit der Kultur in Lothringen auch nicht zwingen können.

Diese Vorbemerkungen mußten gemacht werden, um die eigentümliche Lage der Künstler in
Lothringen anzudeuten, die mehr oder weniger - drastisch gesagt - zwischen zwei Stühlen sitzen,

daß Elsaß - Loth-
ringen keine eigene
Kunstschule besitzt,
die jungen Künst-
ler also um zu
lernen nach auS-
wärtS müsien und
dabei wie die
Schweizer besten-
falls zwischen Pa-
ris und München
schwanken, meift
aber PariS vor-
ziehen, also, wenn
sie heimkehren: ei-
nen französisch ge-
schulten Geschmack
mitbringen. (D.h.
wenn sie heim-
kehren; der Elsässer
Carriere ist ein
Beispiel, daß ein
Künstler dabei auch
seiner engeren Hei-
mat verloren gehen
kann.) Sehen wir
nämlich tiefer, so
müssen wir erken-
nen, daß ihnen

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