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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 6
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Brinckmann, Albert E.: Stadtbaukunst des 18. Jahrhunderts in Metz: ein @Mahnwort an die moderne Stadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0216

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Stadtbaukunst des 18. Jahrhunderts in Meh.

Endlich ist das Gefühl für architektonische Schöpfungen
im allgemeinen, im besonderen aber für alte und neue
Stadtbaukunst höchst unentwickelt. Verschiedene Büch-
lein darüber für das große Publikum richten mit all-
gemeinen Worten so sehr auf unklare Stimmungswerte
in der „schönen alten Stadt" ab, daß aus ihnen wenig
zu lernen ist. So zerstört die Stadt nach und nach,
was sie besitzt, nicht in schlechter Absicht, sondern weil
sie es nicht besser weiß. Aerstört sogar oft genug das
Alte in der Meinung, etwas Besseres zu machen —
schließlich wurde es dann ein Schwabenstreich.

Einen solchen be-
ging auch Metz, als
er jene Anbauten auf
der Südseite des
Domes niederlegen
ließ. Es ist hier un-
wichtig, von wem
der Anlaß ausging.

Man sah nicht mehr
den ganzen Iusam-
menhang der Blon-
delschen Umbauten
aus dem 18. Jahr-
hundert,man sah nicht
einmal mehr, welch
einen samosen Maß-
stab sie für das em-
porsteigende gotische
Bauwerk abgaben,
wie das Auge jene
gewaltige Höhe mit
ihnen ausmessen
konnte. Der dümmste
und blindeste Stil-
purismus sah nur,
daß hier mittelalter-
liche und neuere Ar-
chitektur zusammen-
stießen und riß die
eine nieder, uni die
andere für sich isoliert
zu haben. Riß dann
eines der edelsten
Portale aus der glei-
chen spateren Ieit
auf der Westfront
nieder und stellte zu
dem echten alten
Dom das unechte,
reißbretterdachte neue Portal mit den nämlichen Einzel-
formen. Ganz gotisch erschien nun der Dom, aber auch
losgelöst aus seiner Ümgebung, wund geschunden gegen
den Platz, mit einer Maskerade an seiner Front.

Man muß sich zur Kritik den alten Eindruck zurück-
rufen nach dem von Blondel 1764 aufgestellten Plan
(Abb. 1) und einer Lithographie (Abb. 2), deren Ver-
öfsentlichung dem liebenswürdigen Entgegenkommen des
Herrn Prof. I. B. Keune-Metz zu danken ist. Das
18. Jahrhundert war sür die Gestaltung der Stadt Metz
von größter Bedeutung. Die von Vauban begonnenen

Festungsanlagen wurden von Cormontaigne weiter-
gesührt, und unter dem tüchtigen, wenn auch überaus
rücksichtslosen Gouverneur Belleisle die Stadt selbst
gründlich umgestaltet. Seit 1728 wurde das Moselfort
am linken Moselufer zur Sicherung der Brücke aus-
gebaut, seit 1737 der mittelalterliche Besestigungsring
niedergelegt und aus dem eingeebneten Gelände neue
Plätze und Straßenzüge angelegt, unter diesen der
Theobaldsplatz, die CHLtillon- und Belleisle-Straße.
Die im Jnnern der Stadt liegende kleine Jnsel wurde
der Bebauung erschlossen und hier im Grunde eines

Platzhalbrundes, das
sich gegen den Dom
auf der Höhe des
jenseitigen Üfers öff-
net, 1739 von Oger
das Theater in schön-
gegliederter Forma-
tion mit anschließen-
den seitlichen Bauten
(Abb. 3), weiterhin
das Palais de l'Jn-
tendance aufgesührt,
dessen Stelle nach
dem Brand von 1803
heut das Bezirks-
präsidium einnimmt.
Das wertvollste stadt-
baukünstlerische Werk
dieser Ieit bleibt die
Umgestaltung der
Umgebung des
Domes, die unter
demNachfolgerBelle-
isles, dem Marechal
d'Etrees, begonnen
wurde. Es sei ge-
stattet, hier teilweise
zu wiederholen, was
ich bereits an ande-
rer Stelle (Deutsche
Stadtbaukunst in der
Vergangenheit 1911,
S. 116 ff.) ausge-
sührt habe.

Als Grundachse
für die ganze Anlage
wählt Blondel die
Achse der Kirche.
Diese erhält einen
rechteckigen Tiefenvorplatz in ihrer Breite, dessen Ein-
leitung eine in der Achse liegende Straße bildet. Der
Kirche wird ein einarkadiger Portikus vorgelegt. Seine
Formen geben die Überleitung von dem sakralen Stil
des Domes zu den schlichten Formen der Gebaude P
und O., vor allem aber einen klaren ikoiQb cis vus für
die Straße. Senkrecht zu dieser Achse kl wird vor der
Kirchensront eine Straße vorbeigeführt — Blondel
tadelt sie als zu schmal und ihre Erweiterung war
durchaus richtig — die den Iugang zum Platz vom
Flusse her bildet. Ein weiterer Iugang zur Kirche

ff''

Abb. 2. Domplatz nach einer alten Lithographie.

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