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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 7
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Schäfer, Wilhelm: Der Klosterbauer: Erzählung
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Walzel, Oskar: Zacharias Werner und der Rhein
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0265

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Zacharias Werncr und der Rhein.

Man hörte vielerlei, und einiges ging auch durch den
Klatsch der Aeitungen im Land herum, daß sich der
Papst sogar um diesen Klosterbrauer bemühen mußte,
und daß er die 8uspeii8ig. g clivinis verfügte; daß sich
der Abt, dem unterdessen wieder sein schwarzer Vollbart
gcivachsen war, gleichmütig unterwarf, soweit er nicht
mehr die Messe lesen durfte, was ihm früher auch kein
Genuß gewesen war. Ob er schließlich im bürgerlichen
Recht und also wirklich in der Macht gesessen hätte,
das Kloster an die rote Wirtin zu vererben, wie er —
laut einer Stammtischneckerei — dem Orden drohte:
das kam zuletzt doch nicht zum Austrag, wie das die
Konkurrenten der Klosterbrauerei wohl wünschten.

Es muß wohl etwas wie ein Waffenstillstand ge-
schlossen worden sein; denn eines Tages waren wirklich
die Stangen für die Neubauten der Brauerei schon
abgesteckt, die heute mit dem Anbau des Gasthofes
zwar keine Aierde der schönen Gegend sind, jedoch die
Spekulation des schlauen Abtes durchaus bestätigten.
Er wurde wohlhabender mit jedem Jahr und schließlich
fast ein großer Fabrikant, der Klosterbrauer, und hat
seitdem noch einmal angebaut; und wer ihn mit den
Trabern — die Rappen gingen ein, er fährt nun ein
paar Apfelschimmel, die besser zu seinem graugewordenen
Vollbart passen — durchs Land kutschieren sieht, der
muß wohl sagen, daß sich die fronmien Brüder keinen
besseren Verwalter wünschen können, der ihnen auf
dieser Iwischenstation der Erde die Sachen ein bißchen
in Ordnung hält. So kann sich auch der arme Propst
mit ungestörter Sorge der Ewigkeit befleißigen, den seine
Oberen aus Strafe für irgend eine der Offentlichkeit
nicht ganz bekannte Sünde so nahe an diesen üppigen
Genuß des Lebens verdonnert haben und der an jedem
Morgen den Laienbrüdern und Brauknechten zu Hausen-
born die Messe lesen muß.

acharias Werner und der Rhein.*

Rheinpocsie und Rheinromantik ist einesdervielcn
gedanklichen und gefühlsmäßigen Bänder, die dcn
ganzen großen Umkreis der deutschen Romantik zusammen-
halten. Kurzsichtige meinen heute solche Verknüpfun-
gen leugnen zu dürfen und verweisen auf den großen
Reichtum psychologisch scharf gesonderter Persönlich-
keiten, der sich unter dem Sammelbegriff Romantik
zusammengefunden hat. Wer bestrcitet diesen Reich-
tum? Wer behauptet, daß alle sogenannten Romantiker-
Menschen von einem Schlag seien-? Um so wichtiger und
wertvoller aber ist, die engen geistigen Ausammenhänge
zu beachten, die der sorgsamere Beobachter herauszu-
finden vermag. Wie machtvoll muß die Geisteskraft
der Frühromantiker gewesen sein, wenn sie eine so
widerspenstige Schar von eigenwilligen Sondernaturen,
die ihre Lieblingsgedanken samt und sonders mit steter
Treue verfolgten, in den Bann einzelner Jdeen zu
zwingen wußten? Vielleicht begegnen auf der Linie,
die oben von Friedrich Schlegel und Brentano über
Schenkendorf zu den Sängern des Maikäferbundes ge-
zogen worden ist, noch zu wenig ausgesprochene Per-

* Aus „Vom Geisteslebcn des 18. und 19. Jahrhunderts" von
Oskar Walzel (Insel-Verlag). Siehe Besprechung Seite 252.

sönlichkciten. Darum sei an einem der Unfügsamsten
und Unlenkbarsten dargetan, wie auch er schließlich dem
romantischen Brauche sich fügt. Jch meine Aacharias
Werner. Noch w-aren Friedrich Schlegels Anregungen
srisch und unentweiht, eben hatte „Des Knaben Wunder-
horn" in reicher Fülle alten deutschen Sang vom Rhein
erklingen lassen, da betrat Aacharias Werncr die Ufer
des dichterisch neugeadelten Stromes. Iweimal rasch
nacheinander ist er von Frankfurt nach Köln rheinab
gepilgert, ini Jahre 1808, ini Juni und Juli 1809. Eine
dritte Rheinfahrt, die er selbst später dem Jahre 1807
zuwies, gehört, wie schon sein Biograph H. Düntzer
vermutete, wohl ins Reich der Fabel; undeutliche Er-
innerung mag die falsche Angabe verschuldet haben.
Ausführl chere Quellen stehen nur für die Reise vom
Jahre 1809 zu Gebote, zunächst das vollständige Tage-
buch jener Ieit. Die Eindrücke des Vorjahres faßt
lediglich eine wegen Raummangels „höchst rhapso-
dische" Relation zusammen, die Werner seinem Briefe
an Kriegs- und Domänenrat Scheffner zu Königsberg
vom 10. Januar 1809 einfügte.

Wie immer und überall zwischen Ekstasen religiöser
Mystik und Ausschweifungen einer fast tierischen Sinn-
lichkeit hin und her taumelnd, fühlte Werner zu-
nächst die starken nationalen Stimmungen, die kum-
mervollen Rückblicke vom traurigen Jetzt zum herr-
lichen Einst kaum nach, die am Anfang des neun-
zehnten Jahrhunderts romantisches Dichten und Den-
ken vom Nhein erfüllen. Seine kurze Autobiographie
vom Jahre 1822 weiß wohl von dem „unaussprech-
lichen Schmerze" zu melden, den der Rhein und Köln
in ihm wachriefen; „beide schmachteten damals noch
in Franzosenketten". Viel kühler meldet der Bericht
von 1809 dem Freund Scheffner von Köln: „Was Sie
vielleicht am meisten interessieren wird, beide Rhein-
ufer sind noch deutsch." Auch über die landschaftliche
Schönheit spricht Werner sich selten aus. Die Rhein-
fahrt, schreibt er, der unmittelbar darauf die Schweiz
aufgesucht hatte, dcm Freunde, „ist selbst für den, der
wie ich alle Schweizerseen beschifft hat, einzig und
herrlich". Oder es heißt im Tagebuch am Abend seiner
zweiten Ankunft in Köln: „Unendliches Gefühl, als der
Vollmond nun wie eine mit Blut gefüllte goldene Schale
über Deutz majestätisch emporsteigt, der mich voriges
Jahr so unaussprechlich zu Köln beseligte." Das steht
aber vereinzelt da, wie ein andermal die Notiz: „Herr-
liche Aussicht vom Drachenfels auf einer Seitc bis Köln,
auf der anderen bis Koblenz zu. Sonncnaufgang in
Regen und Gewitter, das ich, in einem Fenster des
Drachenfelses sitzend, vorüberziehen lasse. Stilles Gebet
bei dem durch den Regen sehr gestörten Sonnenauf-
gange." Auch sonst wird mehrfach von anderen „schö-
nen" oder „prächtigen" Aussichten geredet. Nirgends
aber ein Ansatz, den landschaftlichen Eindruck auszu-
schöpfen, feineren Abschattungen der Stimmung ge-
recht zu werden! Wie banal klingt es, wenn von Maria-
Laach, „was sehr romantisch liegt an einem sehr gro-
ßen, grundlos tiefen, immer stillen See", gesagt wird:
„Die ganze waldigte Berggegend am See und Kloster
ist einer schweizerischen frappant ähnlich."

Man wende nicht ein, daß die eiligen Notizen des
Tagebuches breiterer Betrachtung keinen Raum ließen.

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