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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 9
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Grolman, Adolf von: Moderne Buchkunst, 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0330

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Moderne Buchkunst.

rung unserer Antiquaschriften auf die altitalienischen
Drucke zurückgriff. Nachdem schon 1888 Heinz König
hierin vorangegangen, brachten die letzten drei bis vier
Jahre eine reiche Fülle moderner Mediävalschriften,
unter denen die von W. Tiemann (Verlag der Gebrüder
Klingspor) an Schönheit und künstlerischem Reichtum
allen anderen voransteht. Jhr verwandt ist die Hayduck
der Bauerschen Gießerei und die vornehme klare, für
fortlaufenden Satz besonders geeignete Kleukens-
Antiqua des gleichen Verlags. Anderen Charakter
trägt die „Ehmcke", deren fast überschlanke Typen
sich besonders zur Schmuckschrift eignen. Das gleiche
gilt für die kursive Trianon von Wieynk (Bauersche
Gießerei), die aus der Kanzleischrift des achtzehnten
Jahrhunderts und den Terten der Kupferstecher jener
Ieit entwickelt ist. Eine der vorzüglichsten Schriften
für den Buchdruck von ganz eigenen Typen hat uns
neuerdings Behrens in seiner Antiqua (Gebrüder
Klingspor) geschenkt.

Die Renaissance der gebrochenen Schriften, von
denen uns ja, wie wir sahen, noch sehr gute alte in Neu-
schnitt zur Verfügung stehen, ist noch nicht zu abschließen-
den Resultaten gelangt, dafür besitzen wir freilich in der
aus der Schwabacher entwickelten „Kochschrift" der
Gebrüder Klingspor ein wahres Juwel für alle Arten
Akzidenzdruck sowie für Bücher mit erhabenem oder
poetischem Jnhalt, wie die hier wiedergegebene Evan-
gelienprobe (Abb. 9) oder Bardsche Nibelungenausgabe
zeigt. Jn der eigentlichen Fraktur liegt wohl bisher
nur eine wirklich originelle Leistcmg in der Weiß-Schrift
für die Tempelklassiker vor. Jhre Schwächen zeigen
sich an den größeren Graden, verschwinden dagegen
in deni Petitsatz dieser prächtigen und zugleich billigen,
in Einzelbändei ü 3 Mk. käuflichen Klassiker - Aus-
gaben. Höchstens das große S stört anfangs etwas
beim Lesen.

Fragen wir uns nun, worauf beruht, von der Güte
der Schrift abgesehen, die Schönheit einer Drucksache,
so geben die hier wiedergegebenen Satzproben darauf
die beste Antwort. Da sehen wir, wie Morris den Titel
seines ksMnrcl bkis I?ox6 (Abb. 4) zunachst so über die
Seite verteilt, daß nirgend eine störende Leere oder eine
häßliche Zusammendrängung der Schrift entsteht, wir
sehen auch, daß er die ganze Schriftfläche noch mit einer
Musterung überzieht, damit die kier besonders groß
gewählten Buchstaben sich nicht zu hart vom Grunde
abheben. Anders verfähit Kleukens auf der linken Seite
seines Doppeltitels zu Brentanos „Gockel und Gackeleia"
(Abb. 6). Hier ist der Tert in Blockform zusammengerückt,
wodurch ein geschlossenes Satzbild ähnlich dem entsteht,
das uns von guten alten Grabsteinen her bekannt ist; der
untere Teil der Seite wird durch illustrative Beigabe ge-
füllt und das Ganze durch einen Rahmen zusammenge-
faßt. Die alten Drucker hatten es hier relativ bequemer;
sie konnten die Lesbarkeit des Tertes der Schönheit
unterordnen und sie brachen daher z. B. mitten in der
Silbe das Wort ab, sie setzten den Tert fortlaufend,
wo wir jetzt Zerlegung in sachliche Abschnitte verlangen.
Was mit den dadurch entstehenden Lücken anzufangen
sei, hat unseren Erneuerern der Buchkunst viel Kopf-

zerbrechen gemacht. Man sieht, wie Morris durch
Einfügung eines Blättchenornaments den einhsitlichen
Umriß des Satzbildes glücklich wahrte, aber wenn die
Lücke etwa die halbe Aeile einnimmt und wenn 6 bis 8 Ab-
schnitte auf der Seite stehen, was dann? Vor einigen
Jahren glaubte man noch, es genüge, alle weißen Stellen
mit Ornamenten auszustopfen, was uns heute nur
noch komisch anmutet.

Jn Wahrung des Gesamteindruckes einer Buchseile
liegt auch die Schwierigkeit einer ästhetisch einwand-
freien Jllustration, sie hat dazu geführt, daß man den
einfachen alten Linieaholzschnitt, wie ihn Dürer pflegte,
wieder belebte (Abb. 5). Andere wie Beardsley haben
einen eigenartigen aus schwarz und weißen Flächen
bestehenden Holzschnittstil gebildet. Jedenfalls sind
alle tonig wirkenden Abbildungen unmöglich für ein
Buch, das Anspruch auf typographische Schönheit
erhebt.

Jn Fluß gebracht wurde die neue Bewegung
durch die Jnitiative einer Reihe jüngerer Verleger.
Jnsonderheit war es Eugen Diedcrichs, Jena, der
1897 als erster seinen Verlag in der ausgesprochenen
Absicht gründete, jedem darin erscheinenden Buch ein
individuelles künstlerisches Gewand zu geben, und noch
heute zeichnet ihn die Fähigkeit aus, seinen Werken,
die auch inhaltlich alle bestimmten kulturellen Zweckea
dienen, etwas spezifisch Gemütvolles, Deutsches zu geben.
Als der geschmacksicherste und größte der modernen Ver-
lage mit spezifisch künstlerischer Tendenz ist dann der
Jnselverlag zu nennen, der in seinen Anfangen fast
ausschließlich die vornehme Liebhaberausgabe pflegte,
sich in neuester Zeit jedoch gerade um das schlicht aber
gediegen ausgestattete, zu bescheidenen Preisen erhält-
liche Buch besonders verdient macht.

Jm Jnselverlage erscheinen außerdem die Drucke
der Ernst-Ludwigs-Presse, auf der unter Leitung
der Gebr. Kleukens für den Großherzog von Hessen
Liebhaberausgaben klassischer Werke hergestellt werden.
Sie gehören bei mäßigem Preis zu den köstlichsten
Gaben, mit denen uns die neue Bewegung beschenkt
hat. Wir geben hier einen Tertbogen der Shakespeare-
Sonette in Abbildung wieder. Von derartigen Privat-
pressen, die jich ausschließlich mit der Herausgabe von
Edeldrucken befassen, sind nach englischem Muster in
den letzten Jahren außerdem noch die Janus-Presse,
der wir die herrliche Ausgabe des Tasso verdanken, die
Pan-Presse, die Einhorn-Presse und die Ru-
dolfinischen Drucke entstanden. Auch die Hundert-
drucke des Hyperionverlages, von denen wir eine Probe
aus den mit alten Lettern aus der Offizin von Enschede
gedruckten Nibelungen geben (Abb. 1), gehören hierher.
Jn diesen Drucken ist auf jeden außerlichen Schmuck ver-
zichtet und der Wert einzig und allein in der vollendeten
typographischen Aufmachung und dem edlen Material
gesucht. Zu den rührigsten unter den neueren Ver-
legern gehört dann Georg Müller, München, der be-
sonders die monumentale Bibliotheksausgabe pflegt.
Von dem geschmackvoll illustrierten Buch ist schließlich
der jüngste dieser Verlage, der Hyperionverlag Hans von
Webers, ausgegangen. vr. von Grolman.
 
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