Bürgerlicher Hausrat.
Jnsofern ist es logisch, daß die Stadlerschen Werk-
stätten in Paderborn, an deren Leistungen diese An-
merkungen gehängt sind, überhaupt nicht mit Künstler-
namen arbeiten; sie haben einen künstlerischen Bei-
rat wie andere Möbelfabriken auch, nur daß er bei
ihnen an der modernen Bewegung geschult ist und
iin Dienst eines Geschäftes steht, das sich grundsätzlicb
dem Neuen zugewandt hat und dem Geschmack der
Ieit dienen will.
Daß dieser Geschmack durchaus noch nichts Einheit-
liches im Sinne früherer Stileinheiten ist, muß jeder
sehen, der etwa Möbel der Wiener Werkstätten neben
denen von Schultze-Naumburg sieht: strengste nur fast
kalte Sachlichkeit neben altmodischem Behagen, schärfste
Modernität neben großväterlicher Gemütlichkeit. Man
kennt den Gedankengang: als die Tradition der Stil-
imitation zuliebe abbrach, war die natürliche Entwicklung
beim Biedermeier angekommen, also hätte die natür-
liche Entwicklung hier wieder anzuknüpfen —> nur, daß
wir keine Biedermeier mehr sind, daß deren karge Ge-
mütlichkeit in unserer „mechanisierten" Welt am Ende
doch eine Sentimentalität ist. Jmmerhin hat diese
Biedermeierlichkeit, die in England ein halbes Jahr-
hundert früher einsetzte, die besten Möbel gemacht, und
so kann sie als Vorbild — nicht als Muster zur Nach-
ahmung — wohl ihre Geltung haben.
Auch in den abgebildeten Aimmern und Möbeln
sind ihre Spuren deutlich genug zu sehen, wenn sie sich
auch der reinen Jmitation, wie
sie Schultze-Naumburg übt, ent-
halten. Ein Schreibtisch, wie der
auf S. 382 (Abb. 1) abgebildetc,
hat schließlich nichts mehr als die
glatte Flächenbehandlung mit
alten Möbeln zu tun, und selbst
ein Möbel wie der Sekretär
(Abb. 5), obgleich es ohne das
alte Vorbild schwer denkbar und
jedenfalls nicht von ihm zu lösen
ist, versucht durch die Fassung
unten, oben und in der Mitte
eine eigene Eristenz. Geht man
die übrigen Abbildungen durch,
erkennt man sogar, daß diese Be-
mühung, das Alte neu dienstbar
zu machen, d. h. unserm ge-
modelten Geschmack und den ver-
änderten Lebensbedürfnissen an-
zupassen, ihren eigentiichen Cha-
rakter ausmacht, bald mehr dem
Alten zuneigend, wie in dem
Salon (Abb. 2), bald mehr dem
Neuen wie in dem Schlafzimmcr
(Abb. 3).
Das dürfte nun aber wohl
überhaupt das Grenzgebiet sein,
in dem sich der bürgerliche
Wohngeschmack unserer Ieit be-
wegt, und da die Stadler-
schen Werkstätten, wie schon ge-
sagt, keine Aentralstelle baukünst-
lerischer Tätigkeit wie die Ateliers der oben genannten
Künstler, sondern ein Organ darstellen, das in ihrem
Sinn selbständig funktionieren oder deutlicher gesagt
einen Teil des Marktes darstellen soll: wird sich die
Kritik weniger an ihre geschmackliche Selbständigkeit als
an ihre handwerkliche Güte zu halten haben. Damit ift
nicht nur der Tischler gemeint nüt seiner soliden Arbeit,
sondern auch der Aeichner, der sich der herkömmlichen
Geschmacklosigkeiten enthält und der handwerklichen Ge-
diegenheit die erakte Grundlage gibt. Wieweit man
Mar Heidrich, der für alle Möbel der Stadlerschen
Werkstätten verantwortlich zeichnet, allein als diese
Grundlage ansehen darf, wieweit sie in dem Leiter des
Geschäftes Bernhard Stadler selber zu suchen wäre: das
ist in diesem Fall nicht wichtig, da es fich nicht wie bei
Behrens, Bruno Paul usw. um bestimmende richtung-
gebende Anregungen, sondern uni Anwendungen han-
delt. Die Stadlerschen Werkstätten wollen künstlerisch
oder geschmacklich keine neuen Wege weisen, sondern
dem durch andere Mächte bestimmten Geschmack ihrer
Aeit mit gutgearbeiteten Sachen dienen; nur, wer die
fürchterlichen Holzblüten des sogenannten Jugendstils
in unsern Möbellagern übersieht, kann die Wichtigkeit
davon verkennen.
Mehr als die Kunst scheint die Ethik solcher Geschäfte
und Werkstätten diskutabel; man könnte sagen: hier sei
ein Kaufmann, der dem einmal vorhandenen Geschmack
seiner Aeit geschickt diente, um Geschäste zu machen.
Das hieße aber den Jdealismus
übersehen, der in einer solchen
Geschäftsführung liegt. Mit
Stadler in Paderborn steht es
ähnlich wie mit dem Verlags-
buchhändler Eugen Diederichs in
Jena: Beide stellen einen neuen
Typ des Kaufmanns dar, inso-
fern sie wohl auch mit ihren
Sachen Geschäfte machen wollen,
dabei aber bewußt und gern aus
die höheren statt auf die gewöhn-
lichen Jnstinkte des Publikums
spekulieren. Was man von den
sozialen Einrichtungen seiner
Werkstätten, von dem Lehrlings-
wesen usw. bei ihm hört, ver-
vollständigt das Bild einer Per-
sönlichkeit, die auch als Ge-
schäftsniann den ethischen Forde-
rungen der Aeit entsprechen
möchte. Was die eigentliche
Absicht des Werkbundes ist, dic
Veredlung, oder besser gesagt,
die Wiedercroberung des soliden
Handwerks in dem Fabrikations-
wesen der modernen Zeit, das
ist auch sein Arbeitsfeld, deni
man somit im Jnteresse unserer
allgemeincn Austande wohl eine
reiche und reife Ernte gönnen
und wünschen darf.
W. Gischler.
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Jnsofern ist es logisch, daß die Stadlerschen Werk-
stätten in Paderborn, an deren Leistungen diese An-
merkungen gehängt sind, überhaupt nicht mit Künstler-
namen arbeiten; sie haben einen künstlerischen Bei-
rat wie andere Möbelfabriken auch, nur daß er bei
ihnen an der modernen Bewegung geschult ist und
iin Dienst eines Geschäftes steht, das sich grundsätzlicb
dem Neuen zugewandt hat und dem Geschmack der
Ieit dienen will.
Daß dieser Geschmack durchaus noch nichts Einheit-
liches im Sinne früherer Stileinheiten ist, muß jeder
sehen, der etwa Möbel der Wiener Werkstätten neben
denen von Schultze-Naumburg sieht: strengste nur fast
kalte Sachlichkeit neben altmodischem Behagen, schärfste
Modernität neben großväterlicher Gemütlichkeit. Man
kennt den Gedankengang: als die Tradition der Stil-
imitation zuliebe abbrach, war die natürliche Entwicklung
beim Biedermeier angekommen, also hätte die natür-
liche Entwicklung hier wieder anzuknüpfen —> nur, daß
wir keine Biedermeier mehr sind, daß deren karge Ge-
mütlichkeit in unserer „mechanisierten" Welt am Ende
doch eine Sentimentalität ist. Jmmerhin hat diese
Biedermeierlichkeit, die in England ein halbes Jahr-
hundert früher einsetzte, die besten Möbel gemacht, und
so kann sie als Vorbild — nicht als Muster zur Nach-
ahmung — wohl ihre Geltung haben.
Auch in den abgebildeten Aimmern und Möbeln
sind ihre Spuren deutlich genug zu sehen, wenn sie sich
auch der reinen Jmitation, wie
sie Schultze-Naumburg übt, ent-
halten. Ein Schreibtisch, wie der
auf S. 382 (Abb. 1) abgebildetc,
hat schließlich nichts mehr als die
glatte Flächenbehandlung mit
alten Möbeln zu tun, und selbst
ein Möbel wie der Sekretär
(Abb. 5), obgleich es ohne das
alte Vorbild schwer denkbar und
jedenfalls nicht von ihm zu lösen
ist, versucht durch die Fassung
unten, oben und in der Mitte
eine eigene Eristenz. Geht man
die übrigen Abbildungen durch,
erkennt man sogar, daß diese Be-
mühung, das Alte neu dienstbar
zu machen, d. h. unserm ge-
modelten Geschmack und den ver-
änderten Lebensbedürfnissen an-
zupassen, ihren eigentiichen Cha-
rakter ausmacht, bald mehr dem
Alten zuneigend, wie in dem
Salon (Abb. 2), bald mehr dem
Neuen wie in dem Schlafzimmcr
(Abb. 3).
Das dürfte nun aber wohl
überhaupt das Grenzgebiet sein,
in dem sich der bürgerliche
Wohngeschmack unserer Ieit be-
wegt, und da die Stadler-
schen Werkstätten, wie schon ge-
sagt, keine Aentralstelle baukünst-
lerischer Tätigkeit wie die Ateliers der oben genannten
Künstler, sondern ein Organ darstellen, das in ihrem
Sinn selbständig funktionieren oder deutlicher gesagt
einen Teil des Marktes darstellen soll: wird sich die
Kritik weniger an ihre geschmackliche Selbständigkeit als
an ihre handwerkliche Güte zu halten haben. Damit ift
nicht nur der Tischler gemeint nüt seiner soliden Arbeit,
sondern auch der Aeichner, der sich der herkömmlichen
Geschmacklosigkeiten enthält und der handwerklichen Ge-
diegenheit die erakte Grundlage gibt. Wieweit man
Mar Heidrich, der für alle Möbel der Stadlerschen
Werkstätten verantwortlich zeichnet, allein als diese
Grundlage ansehen darf, wieweit sie in dem Leiter des
Geschäftes Bernhard Stadler selber zu suchen wäre: das
ist in diesem Fall nicht wichtig, da es fich nicht wie bei
Behrens, Bruno Paul usw. um bestimmende richtung-
gebende Anregungen, sondern uni Anwendungen han-
delt. Die Stadlerschen Werkstätten wollen künstlerisch
oder geschmacklich keine neuen Wege weisen, sondern
dem durch andere Mächte bestimmten Geschmack ihrer
Aeit mit gutgearbeiteten Sachen dienen; nur, wer die
fürchterlichen Holzblüten des sogenannten Jugendstils
in unsern Möbellagern übersieht, kann die Wichtigkeit
davon verkennen.
Mehr als die Kunst scheint die Ethik solcher Geschäfte
und Werkstätten diskutabel; man könnte sagen: hier sei
ein Kaufmann, der dem einmal vorhandenen Geschmack
seiner Aeit geschickt diente, um Geschäste zu machen.
Das hieße aber den Jdealismus
übersehen, der in einer solchen
Geschäftsführung liegt. Mit
Stadler in Paderborn steht es
ähnlich wie mit dem Verlags-
buchhändler Eugen Diederichs in
Jena: Beide stellen einen neuen
Typ des Kaufmanns dar, inso-
fern sie wohl auch mit ihren
Sachen Geschäfte machen wollen,
dabei aber bewußt und gern aus
die höheren statt auf die gewöhn-
lichen Jnstinkte des Publikums
spekulieren. Was man von den
sozialen Einrichtungen seiner
Werkstätten, von dem Lehrlings-
wesen usw. bei ihm hört, ver-
vollständigt das Bild einer Per-
sönlichkeit, die auch als Ge-
schäftsniann den ethischen Forde-
rungen der Aeit entsprechen
möchte. Was die eigentliche
Absicht des Werkbundes ist, dic
Veredlung, oder besser gesagt,
die Wiedercroberung des soliden
Handwerks in dem Fabrikations-
wesen der modernen Zeit, das
ist auch sein Arbeitsfeld, deni
man somit im Jnteresse unserer
allgemeincn Austande wohl eine
reiche und reife Ernte gönnen
und wünschen darf.
W. Gischler.
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