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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 22.1912

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Heft 12
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Gischler, W.: Die Neubauten der Heilanstalt Pützchen: erstellt von Bruno Paul
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https://doi.org/10.11588/diglit.26494#0454

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Die Neubauten der Heilansialt Pützchen.

Straße geöffnet (Abb. 11). (Leider hat die kurze Di-
stanz keine Äufnahme aus der Mitte ermöglicht, in der
die Schönheit der symmetrifchen Anlage besser zur
Geltung kame als in dieser Verschiebung, wo die
Gleichwertigkeit der beiden quadratischen Eckbauten
nicht wirksam sein kann.)

Die beiden Aimmer (Abb. 9 und 10) sollen eine
Andeutung der Jnnenräume geben, in denen natürlich
nichts der Reprasentation, alles nur der Wohnung von
Kranken gilt, die hier einen Ersatz ihrer Häuslichkeit
finden sollen. Auch die einfacheren Einzimmer-Woh-
nungen geben das Schlafzimmer immer noch als beson-
deren Nebenraum des Wohnzimmers, das dadurch seine
Wohnlichkeit behält; meist aber ist es abgeteilt als be-
sonderes Gelaß, und in dieser Äufteilung der großen
Bauten in kleine Wohngelasse hat sich das Geschick des
Baumeisters sehr bewährt. Überall Helligkeit und Weite
und nirgendwo jene kahle Dürftigkeit, die wir alle aus
unseren Sommeraufenthalten in den Bergen oder an der
See kennen, wo die großartigen Fassaden und protzigen
Vestibüls der Hotels und Kurhäuser in immer engeren
Gängen und zellenartigen Kammern endigen und wo
der Blick durchs Fenster — meist auch noch kümmerlich

genug — das einzig Heimelige an den Räumen ist.
Warum da nicht auch endlich für den Nichtmillionär die
Möglichkeit gegeben ist, nicht in der bedrückenden Nähe
der Wascheinrichtung, des Kleiderschranks und des Bettes
die Stunden seiner Aurückgezogenheit zu verbringen,
warum da nicht, wie in dieser Heilanstalt, die Einrichtung
auf schlichte Wohnlichkeit gehen kann, statt zwischen
Protzerei und Armlichkeit zu pendeln: versteht man
angesichts solcher klug geordneten und mit Lebensgefühl
eingerichteten Räume nicht.

Freilich, wer hätte solche tröstende Umgebung nötiger
als jene Ärmen, denen eine tückische Krankheit gerade
das Lebensgefühl gestört hat! Von hier aus bis zu den
kerkerhaften Gewölben zurück, wie sie das Goyasche Bild
des „Narrenhauses" zeigt, das ist ein Weg der Kultur,
den man aufatmend empfindet. Wo die Heilung nicht
mehr möglich ist, bleibt die Pflege die einzige Möglichkeit
unserer menschlichen Beziehung zu den kranken Brüdern;
der weite und freie Sinn in dieser Anlage, der dem Bau-
meister wie dem Bauherrn gleichviel zu danken ist, stellt
sicher nicht den geringsten Faktor einer Heilung und
Pflege dar, deren Mittel so unheimlich ins Seelische
gestellt sind. W. Gischler.

Abb. II.

Bruno Puuli Heilanstalt Pützchen. Der Gntshof von der Landstraße aus gesehen.
 
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