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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 101 - Nr. 110 (3. Mai - 14. Mai)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbischofsheim und Wertheim.


Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn Z.SO Mk. Anzeigenpreise:
Vie einspaltige Petitzeile (36 min breit) 70 pfg., Reklame-Anzeigen
sSZ mw breit) 2.20 Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Deschäftsstunben: S-'/,6ilhr. Sprechstunden der Redaktion: 11-12ilhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22Z77. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelbergs

Heidelberg, Montag, 3. Mai 2920
Nr. 202 * 2. Jahrgang

Verantwort!.: Fürinnereu. äußerepol!tik,Dolksw!rtschastu. Feuilleton: Or.
E. Kraus; fürKommunales u.sozialeRundschau: Z.Kahn,- für Lokale»:
O.Geibel; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der llnterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H„ Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstroße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2643.

Der Frarren-Mai.
Der Parteivorstand hat beschlossen, daß vom 9. bis ein-
schließlich 16. Mai ein Frauentag stattfinden soll. In
oiesen Tagen sollen in allen Orten des Deutschen Reiches
Versammlungen stattstnden, in denen sozialdemokratische
Redner und Rednerinnen zu Frauen sprechen.
Parteigenosfinen und Parteigenosse»! Nützt die
Zeit! Jede Stimme der Sozialdemokratie! Die Frauen
müssen in die Sozialdemokratische Partei! Werbt
Leserinnen für unsere Frauenzeitschrift „Die Gleichheit"!
Unterdrückung der Maifeier in Ungarn.
Lange hörte man nichts aus Ungarn, dieser Brutstätte
gewalttätigster Reaktion. Aber die Verhältnisse sind dort
nicht besser geworden. Das arbeitende Volk wird
weiter unterdrückt. Uns geht folgender Notruf zu:
Wien, 29. April. „Das Terroristenregims der un-
garnischen Konterrevolution verbietet jede Regung der
Arbeiterschaft am 1. Mai und beabsichtigt, eventuell mit
den blutigsten Mitteln sogar die üblichen Festveran-
staltungen zu unterdrücken. Der ungarischen Arbeiter-
presse ist es von der Zensur verboten, auch nur mit einem
einzigen Worte zur Maifeier aufzurufen. Wir ersuchen Sie,
die Arbeiterparteien aller Länder von dieser neuesten Ge-
walttat des weißen Terrors, der nach Herrn Lloyd George
und seinem ungarischen Vertrauensmann Herrn Hohler
überhaupt nicht existiert, dringendst zu verständigen und
die Bruderparteien zum besonders scharfen Protest am
1. Mai aufzurufen.
Die ungarischen Mitglieder des Internationalen Bureaus:
Ernst Garami. Emanuel Buchinger."
Eine Kampfansage der französischen
Bourgoifie.
Unter welchen Verhältnissen die Vorbereitmrgen zum
1. Mai in Frankreich verlaufen, zeigt folgender Vorfall:
Der sozialistische Abgeordnete Varllant-Couturier hat
im „Populaire" einen Artikel veröffentlicht, in dem die
Soldaten aufgefordert werden, bei etwaigen Zusammen-
stößen mit Demonstranten am 1. Mai nicht zu schießen.
Auf Grund dieses Artikels wurde in der Kammer ein An-
trag eingebracht, dis Immunität des Verfassers aufzu-
heben. Um diesem tückischen Streich der Reaktion zu
begegnen, haben sich sämtliche Mitglieder der sozialistischen
Kammerfraktion mit ihrem Kollegen solidarisch erklärt.
Sie veröffentlichten gestern einen Artikel an der Spitze der
„Humanste" und unterzeichneten ihn sämtlich.
Dieser Vorfall ist ein bemerkenswerter Auftakt zur
Maifeier in Frankreich. Zeigt er doch, wie heftig dort die
Klassengegensätze aufeinander prallen und wie glänzend sich
die Solidarität und Disziplin in den Reihen der
sozialistischen Arbeiterschaft bewährt hat.
Zwei neue Mitstreiter.
Wir lesen in -der „V o l k sw a ch t":
Mir dem 30. April erscheinen in der Oberbadischen Genossen-
fchaftsbruckerei inSingena. H. zwei neue Parteiblätter,
„Bolkswille" und Konstanzer Volksblati".
Damit ist einem alten Wunsche ber dortigen Genoßen Rechnung
getragen und die Möglichkeit gegeben, die engeren Interessen besser
zu wahren. Die Genossen dieses Kreises, die nun auch über di«
lokalen Vorgänge im öffentlichen Leben schnell und in unserem
Sinne unterrichtet werden, find nicht mehr auf die bürgerliche, un-
serer Weltanschauung feindliche Presse, angewiesen. Wir sind über-
zeugt, daß die Genoßen, die mit so viel Opfermut an die Neugrün-
dung gingen, nun auch für dessen Entwicklung alle Kraft einsetzen
werden. Die Korrespondenten der „Volksmacht" in unserem Ver-
breitungsgebiet wollen ihre Berichte fortan an die Redaktion des
„Volkswille" in Singen a. H. richten. Und nun, Parteigenossen im
1. bad. Wahlkreis, an die Arbeit! Werbt Abonnenten, werbt neue
Streiter für den sozialdem. Gedanken. Sorgt dafür, daß das neue
Unternehmen sich machtvoll entwickle im Interesse unserer Partei, im
Interesse des gesamten werktätigen Volkes!
* » *
Wir begrüßen die neuen Mitstreiter im Oberland herzlichst und
wünschen ihnen eine gedeihliche Entwicklung. Es ist für unsere ba-
dische Parteibewegung von allergrößtem Wert, daß wir mit unserer
Arbeiterpresse jetzt auch im schwarzen Oberland Fuß gefaßt haben;
das wird uns gerade jetzt in der Wahlbewegung von allergrößtem
Nutzen sein.

Badische Politik.
Freiheit der Forschung, wie Professoren sie ausfaßen.
Unter dieser Ueberschrift befaßt sich auch die Freiburger „Volks-
macht" mit der Erklärung der Freiburger Professorenschaft gegen
unseren sozialdemokratischen Antrag im Landtag. Sie schreibt:
Was im Antrag der Sozialdemokratie verlangt wird, ist doch
eine Selbstverständlichkeit. Die Herein Professoren und Studieren-
den, für die das badische Volk jährlich Millionen gibt, 'könnten wirk-
lich während ihrer Tätigkeit in den Universitätsgebäuden einige
Achtung vor dem Willen der Mehrheit dieses Volkes zeigen. Die

Der 1. Mai im Ausland.
Wien, 2. Mai. Die Maifeier ist in ganz Oesterreich ohne
Störung Verlausen. Es fanden festl i ch e V e r a nst a l t u n g en
und Umzüge statt. Die Behörden, Geschäfte und Thea-
t e r blieben geschlossen.
London, 2. Mai. Anläßlich des Maifeiertages
hatten tausend« von Fabriken und Werkstätten geschlossen. Die
Bautätigkeit ruhte. Der öffentliche Dienst blieb ungestört. In
London und den Hauptorten der Provinz wurden Kundge-
bungen veranstaltet. In einer Massenversammlung imHyde -
p a r k wurden Reden in englischer, russischer, polnischer und fran-
zösischer Sprach gehalten. In einem Beschlußantrog wurden s o -
ziale Reformen und Frieden mit Rußland verlangt.
Amsterdam, 1. Mai. Der 1. Mai wurde in Holland in
der üblichen Weis« durch Versammlungen und Umzüge gefeiert,
ohne daß es zu irgendwelchen Zwischenfällen gekommen ist. In
den Umzügen in Amsterdam wurden Schilder getragen, auf denen
für den 5. Mai zu einem Proteststreik gegen das vom Mini-
sterium eingebrachte Gesetz gegen revolutionär« Bestrebungen auf-
gefordert wird.
Ruhe und Disziplin in Frankreich.
Paris, 2. Mai. Auf dem Nord- und Ostbahnhof
herrscht Vollkommene Ruhe. Alle wichtigen Züge sind pünktlich
eingelaufen und das Tagespersonal versieht seinen Dienst wie ge-
wöhnlich. Aus dem Bahnhof Mont-Parnasse ist di« Lage unver-
ändert. Auf dem Bahnhof St. Lazare erschienen mehrere Eisen-
bahner nicht. Man hofft jedoch, die Züge aus einigen Strecken durch
Hilfspersonal aufrechterhalten zu können. Auf dem Auster-
litzbahnhvs ist der Betrieb weniger gestört, da er mit Hilfe Frei-
williger ausrechterhalten wird. Die Zahl der Freiwilligen ist so
groß, daß ihr Angebot meistens abgelehnt werden muß. Die
Schüler der Höher « n Schulen stellten allein 800 Ab-
teilungen zur Verfügung.
Um 3Li Uhr nachmittags stellten sich Trupps von Mani-
festanten auf der Place de la Republique auf und bewarfen
von die Polizisten mit ZaungiNern und Baumpfählen. Es ent-
wickelte sich ein Handgemenge, bei dem drei Revolverschüsse knallten.
Es ist jedoch kein Verlust zu verzeichnen. Gegen 4 Uhr griffen die
Manifestanten eine Gruppe Polizisten mit eisernen Stöcken an. Um
sich zu verteidigen, sahen sich die Angegriffenen genötigt, aus ihren"
Revolvern Schüsse abzugeben. Es gab dabei «inen Verwundeten.
— Die bis fitzt emgelaufenen Depeschen melden keinerlei Kennzeichen
eines drohenden Generalstreiks und keinerlei Zwischenfälle. In
Nantes bildeten die Arbeiter nach einer Massenversammlung einen
Zug durch die Straßen. In Nancy durchzog eins großer
Kundgebungszug die Straßen und hielt vor der Präfektur,
wo die Manifestanten die Bildung eines Arbeitsamtes verlangten.
InBesancon mußten einige Eisenbahnzüge im Laufe des Tages
e i n ge stellt werden. InLyon war auf dem Bahnhof kei-
nerlei Streikbewegung zu bemerken. Nur einige minderwichtige
Arbeitseinstellungen sind zu melden. Aus Brest wird gemeldet: Auf
den Linien der Staatsbähn ist der TaMenst normal. Auf den
Linien der Orleansbahn war der Dienst teilweise eingestellt. In
Alby -streiken einige Verbände der MinenarbeiLer, Glaser und
Metallarbeiter. In St. Etienne streiken unter den Eisenbahnern
30 Prozent.


Herren brauchen nicht wie früher die Monarchen, so jetzt etwa die
Republik durch Geste zu feiern und hochleben zu lassen; es wird nur
gewünscht, daß sich in den Hörsälen die verächtlichen absprechenden
Bemerkungen über di« demokratisch« und soziale Republik verknei-
fen. Wie wär« es früher einem republikanischen Dozenten ergan-
gen, der sich ähnliche Taktlosigkeiten, in der Vorlesung gegen die da-
maligen Herrscher hätte zu schulden -kommen lassen? Aber nicht nur
das, wo wär« die Lehrfreiheit geblieben, wenn sich einer 1913 er-
kühnt hätte, im Kolleg auf Grund historischer Tatsachen gegen Mili-
tarismus und Monarchie zu sprechen? Die Sozialdemokratie ist
bereit, viel größere Freiheit zu lassen, sie wird nicht Verlangen, daß
all« Geschichtsprofessoren republikanisch gesinnt sind. Die Herren
können ruhig ihre monarchistisch-militaristischen Ansichten im Kolleg
in angemessener Weise darlegen und begründen. — Was die Herren
verlangen, das ist Freiheit für ihre Reden nach den Grundsätzen der
Demokratie, die sie schmähen; sowie sie an der Macht wären, wür-
den sie nach ihren eigenen Grundsätzen die anderen Anschauungen
unterdrücken und die Andersdenkenden verfolgen. Eine eigenartige
Lehrfreiheit, -wenn weder Geschichte noch Volkswirtschaft an der
Universität Freiburg von einem Sozialdemokraten gelehrt wird, der
ordentlicher Professor oder auch nur etatmäßig angestellt wäre! Na-
türlich werden die Herren sagen: Es gibt keinen tüchtigen Gelehrten,
der sozialistisch denkt. Sie müssen aber schon dfi Sozialdemokraten
für recht dumm halten, wenn sie glauben, durch solche Behauptung
Eindruck zu erzielen.
Man müßte viel weiter gehen, als der sozialdemokratische An-
trag -verlangt und -müßte fordern, solange nicht auch Sozialdemo-
kraten an der Universität in den Weftanschauungsfächern zu Worte
kommen, >hat jede Widerlegung republikanischer und sozialistischer
Gedankengänge zu unterbleiben. Es wäre interessant festzustellen,
wie viele der im letzten Jahr an die badischen Universitäten berufenen
Professoren zur deukschnativnalen Partei zu zählen find. Der Ab-
geordn. Oskar Geck Hal neulich ausgesprochen: „Für Heranzüchtung
von Sturmtrupps gegen Demokratie und Sozialismus wendet das
deutsche Volk di-e «normen Kosten der Hochschulen nicht auf." Die
republikanischen Parteien würden sich lächerlich machen, wenn sie
dulden, daß die studierende Jugend im volksfeindlichen Geist erzogen
wird. Auch die Kriegshetze der Herren, die von der Wirkung der
Maschinengewehre und Granaten nichts gespürt und nichts gesehen
haben, könnte ohne Schaden für die wirtschaftliche Bildung der Stu-
dierenden eingestellt erden. Was da an Weisheit in mancher Vor-
lesung produziert wird, kann meist ieder, -er einige Nedegabe be-

sitzt ebenso gut von sich geben. Mancher Arbeiter und Bauer, der
im Hörsaal zu Wort kam«, würde da die Herren recht klein machen.
Gewiß, man darf die Tragik im Seelenleben älterer Hochschul-
lehrer nicht übersehen. Das Reich, in dem sie die Größe Deutsch-
lands verkörpert sahen und für das sie ehrlich gearbeitet haben, ist
in Mut und Elend zusammengebrochen. Sie vermögen sich über
die furchtbaren Opfer, die dieser Krieg vielleicht auch in ihrer eigenen
Familie gefordert, nicht hinwegzusetzen. Die Hoffnungen, die sie
und andere für die Zukunft des Reichs gehegt haben, für das Wir-
ken der Universitäten, für das Wohlergehen ihrer Bekannten und
Verwandten, sind dahin geschwunden. Sie können nicht einsehen,
daß für alle europäischen Völker eine neue Zeit kommt, daß das
Abgestorben« nicht wieder ins Leben zurückgerufen werden kann.
Das ist begreiflich unb wir können nur den Wunsche ausspre-
chen, daß sie sich auf ihre eigenste rein wissenschaftliche Tätigkeit be-
schränken. Denjenigen und namentlich den jüngeren aber, die Haupt-
sächlich bedauern, daß ihre Einnahmen nicht mehr dieselbe Kauf-
kraft haben, wie vor dem Krieg, daß die Republik keine Orden und
Titel verleiht, daß ein nicht akademisch gebildeter Arbeiter -höchster
Reichsbeamter werden kann, denen muß das arbeitende Volk, wenn
sie weiterhin sich unangemessen betragen, deutlich zu verstehen geben,
daß es eine solche „Freiheit der Forschung" nicht anerkennt.

Vollversammlung der Landwirtschaftskammer.
8r. Karlsruhe, 28. April.
Die heute stattgefundene Vollversammlung der badischen Land-
wirtschastskammer beschäftigte sich als wichtigste Frage mit der Ab-
änderung des Lan-dwirts chaftskammer ko ngref-
s e s. Einleitend wies der stellvertretende Vorsitzende Oekonomierat
Saenger darauf hin, daß die Ernte bis jetzt sehr schön steht und
die Blüten in voller Pracht sind. Scharf wandte sich der Vor-
sitzende gegen den dem Landtagsausschuß vorliegenden Antrag
Straub, daß der Landwirtschastskammer gewerbliche und Handels-
unternehmen oder Beteiligungen untersagt sind und ihr nur -er Ver-
trieb s e l b st g ew v n ne n e r Erzeugnisse gestattet sein soll. In
der Annahme dieses Antrages würde der Vorstand der Landwirt-
schaftskammer ein« schwereEinschränkung und Lahmlegung
der Förderung der Landwirtschaft erblicken und hat deshalb einstim-
mig Verwahrung gegen den Ausschußantrag eingelegt.
In der Aussprache wendet sich Gutsbesitzer Stoll-
Meckesheim in scharfen Worten gegen den Antrag Straub aus
Beschränkung der Geschäfte der Landwirtschastskammer, indem er
der Ansicht Ausdruck gibt, daß beim Landwirsschaftskammergesetz
politische Gesichtspunkte mitspielen. Staatsrat Weißhaupt-
Pfullendorf gibt zu, daß der Antrag Straub eine gewisse Schärfe
gegenüber der Landwirtschaftskammer hat, doch -entspricht der A-ro-
krag der Auffassung der Bevölkerung. Dieser Stimmung trage der
Landtag Rechnung, da zu wünschen ist, daß sich die Landwirffchoft-
kammer auf ihr eigentliches Gebiet, 'Förderung der Landwirtschaft,
zurückgesellt. Auch fehlt ein genügender Rechenschaftsbericht über die
Tätigkeit der Landwirtschastskammer. Hierüber wär«,Klarheit und
eine Vermögensdarstellung erwünscht. Die scharfe Haltung der
Landwirtschaftskammer erschwert es, die Zentrumssraktion für eine
mildere Fassung des Antrages Straub, die vorbereitet ist, zu bestim-
men. Auch vom genossenschaftlichen Standpunkt aus wäre zu wün-
schen, daß -die Landwirffchaftskammer sich auf ihre eigentliche Tätig-
keit zurückzieht. Vorsitzender Sänger- Diersburg stellt fest, daß
der Antrag Straub «in Angriff auf dis Landwirtschastskammer und
ihre Tätigkeit war, sodaß di« Kammer sich in der Abwehr befand.
Wenn der Landwirtschastskammer in Zukunft di« Unternehmungen
untersagt werden, so hat sie kein Geld mehr zur Förderung der
Landwirtschaft. Direktor Müller von der Landwirtschaftskammer
meint, daß wenn die Landwirtschastskammer keine geschäftliche Tä-
tigkeit entfaltet hätte, man ihr noch viel größere Vorwürfe gemacht
hätte. Der Antrag Straub war eine Schädigung -der Lan-dwirt-
schaftskammer und es war ihre Pflicht, dagegen Stellung zu nehmen.
Staatsrat Weißhaupt erklärt, daß das Schreiben des Direktors
ein Hieb für die Zentrumsfraktivn war. Im Gegensatz hierzu ging
man über die Abänderung des Wahlrechtes leichteren Sinnes hin-
weg. Vorsitzender Sänger erklärt, daß der Antrag Straub der
Landwitrschaftskammer den Lebensfaden abschneiden würde. Direk-
tor Hoffmann stellt fest, daß er niemals das Zentrum angriff,
sondern sich auf neutralem Boden befand, nicht gegen -das Zentrum
oder dis Sozialdemokratie wendete ich mich, sondern gegen -en An-
trag Mraub. Dr. A -e ngenhäuser vom Badischen Bauern-
verein tritt für die Wahrung der Interessen der landwirtschaftlichen
Genossenschaften ein. Oekonomierat Ä i elh a ue r--Rastatt er-
klärt, daß 5000 Mk. Grundstückswert zu wenig fei, um den Besitzer
zur vollen Wahrung landwirtschaftlicher Interesse» zu zwinge»; hier
seien 10 000 Mk. Grundstückswert anzusetzen, was beim Wahlrecht
zur Geltung zu bringen sei. Gutspächter Elsässer- Buckenberg
schließt sich dieser Ansicht an, das Wahlrecht «ist bei 10 000 Mark
anzusetzen. Geppert- Bühl meint, daß der Antrag Straub zu
weit geht. Fchr. v. Stotzingen wendet sich gegen -die Einfüh-
rung des Verhältniswahl-rechtes bei der Landwirtschastskammer.
Vorsitzender Sänger ist dem Vorredner dankbar, daß er für die
Wiederzu-lassu-ng der Fachvertreter eintrat. Verbandsdirektor
Schön- Karlsruhe stellt fest, daß der Nachsatz im Antrag Straub,
der Landwirtschaftskammer ist der Vertrieb filbstgewonMner Er-
zeugnisse zu gestatten, bereits eine Konzession darstellt. Die Land-
wirtschaftskammer trägt ein Stück Schuld an der Verstimmung, die
gegen sie besteht. Gutsbesitzer Stoll- Meckesheim wendet sich da-
gegen, daß nach dem neuen Landwirflchastskammergesehentwurf drei
Vertreter der landwirtschaftlichen Arbeiter mitbestimmend im Vor-
stand seien. Direktor Müller stellt fest, daß die Landwirtschafts-
kammer den Genossenschaften keine Gebiete wegnahm.
In -der Abstimmung kommen folgende Anträge mitgro-
ß «r Mehrh -eitzurAnnahme: 1. die Vollversammlung legt
Verwahrung ein gegen -jede Einschränkung des nach 8 2 des Land-
wirtsckaftskammergefttzes ihr -zustchenden Rechtes der Betätigung.
Sie erblickt in dem Beschluß des Landtagsausschusses eine bedroh-
 
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