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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 141 - Nr. 150 (22. Juni - 2. Juli)
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Lageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppinger», Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbifchofsheim und Wertheim.

TMS

Heidelberg, Freitag, 2. IM 1920
Ar. ISO » 2. Jahrgang

FjNN»SSS»iSSSMM»Ni»mSSini^^--

^zugSprels: Monatlich einschl. Lrägerlohn 3.SO Ml. Anzeigenpreise:
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Derantwortl.: Für innereu. äußerepolitik,Volkswirtschastu. Feuilleton: Dr.
E.KrauS, fürKommunales u. soziale Rundschau: Z. Kahnr für lokale-:
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der

, :«n Ihrer Movai Widerstreiten sollte
zusteh«n, daß -dte Mörder Somvgyis und Baesv
Hunderte und TarKende, die hingöschlachtet wurden,
Ä> in devsekbon Wesse behandelt.und «bgeuvteist

KW Mn NU Ur MrswwiM 8eü>M-
WMmükr m MWnsrWklll s. I. M«.
Edo Fimmen, der Sekretär 'des Internationalen Gewerk-
schaftckbundss, richtete an den früheren Ministerpräsidenten Ungarns,
Herrn Huszar, der in Holland den Boykott als ein jüdisch-kommuni-
stisches Rachewerk denunzierte, einen, offenen Brief, der eine flam-
mende Anklageschrift gegen die heuchlerische Zwiespältigkeit der
^christlich-sozialen" Politik des herrschenden Systems und ihrer
Greuel ist. Er rekapilutisvt in knappen Worten die unermeßlichen
Leiden der ungarischen Arbeiterklasse und heischt von Huszar Ant-
wort und Rechenschaft, die dieser natürlich nicht gegeben hat, weil
eine wahrheitsgetreue Anttvort sine vernichtende Verurteilung des
Hufzar-Horthy-Systems bedeuten würde. Den Zweck des Ungarn-
Boykotts faßt Fikmnen dahin zusammen:
„Der Boykott hat keinen andere» Zweck, als Sie und die Ihren, dir
sich als Christen ausgeben und die Macht in Ungarn haben, zuzwin-
ge «, nicht nur schönklingende Worte zu gebrauchen, sondern den hvhen
und edlen Grundsätzen gemäß zu handel», die Sie zu vertreten
vergeben, und die Macht anzuwenden, die Sie zu besitzen behaupten, um
den Greueln, die in Ihrem Lande geschehen, ein Ende zu mache», Greueln,
die auch Sie in Ihrer Rede nicht völlig zu leugnen vermochten."
Aus den- Fragen, die Fimmen an den ehemaligen- ungarischen
MtmsterprSsßdenteN' stellt, seien folgende mitgeteitt:
Ist es nicht wahr, daß, als Sie Minfftervräsrden-t in Ungarn
warm — trotz Ihrer Regierungserklärungen und im Widerspruch mit
Ihnen , sicherlich nicht weniger gemordet, gemartert und vergewaltigt
wurde, als im gegenwärtigen Augenblick, in -sm Sie dagegen zu prote-
stieren vorgcken, ohne daß Sie ber-eit oder imstande waren, dem
Martern und Morde» Einhalt zu gebieten?
I st es nichtwahr — um unter den Hunderten Fällen, die ich
vorzutegen bereit bin, nur diese wenigen zu nennen —, daß im November
1910 ZW bis 3M Einwohner von Keerkemet ermordet wurde«, ohne
daß vorher eine gerichtliche Untersuchung stattgefundrn hätte ober ein!
Urteil gefällt worden wäre?
Ist es nicht wahr, daß nachfolgend genannte Personen er-
mordet wurden, nachdem sie vorher den grausamsten Marterungen wid
MWaMungen ausgKtzi wr-ckea waren: Amon Ba-konyi. Josef Veckba,
Dr. Desider Buday, Ladislaus Gajoe, Johann Lziqany, Mozes Lgyeki,
Pau-l Faragv, Georg Farkas, Aleraicher Sarkas, Michael Gabanyi, Jos.
Hajnik, Dr. Ludwig Haimos, Dome Horvath, Johann Hr-obar, Arthur
Kampfer, Lad-isla-us Kosa, Stephan P. Kovacs, Tyarles Lacrovits, Ste-
fan Lugost, Emmerich Neuman Stophann, Ortaky, Julius Polonyi,
Dr. Sigmund Stern, Stephan Simon, Georg Sgakovits, Ludwig
Azegcki, Mrs Ludwig Stzüß, Ladislaus Türei, Gabriele Dercse, Stephan
Hrllam, Ludwig Bince, Dr. Rudolf Fritz, Rudolf H-egedüs, Emmerich
Den-ffch, -Adolf Fekel-t.
Ist es nicht wahr, daß einigen dieser Schlachtopf-er die Augen
ausgMochen, anderr skalpiert und andere lebendig begraben wurden?
vstesnichtwa h r, um nur noch einen Fall neueren Datums M
nennen, dag die Redakteure der „Nepszava", Somogyi und Bacso, von
Offizieren verschleppt. In einem Auto wegaefiihrt und ermordet wurde«?
Ist es nicht wahr, daß die Polizei durch einen Augenzeugen,
einen Bürger aus Jugoslawien, davon in Kenntnis gesetzt wurde, daß sich
in diesem Auto Hauptmann Pronay und die beide« Leutnants Btbo und
Sefczik befanden?
Ist es n i Ht wah r, daß demselben Leutnant S es czik die Unter-
suchung über diesen Mord, an dem er beteiligt war, übertragen
wurde?
Ist esnichtwa h r, daß Sie, Kack Huszar, als MiMerpräsident
öffeMch erklärt und die Zusage gegeben haben, daß die Mörder S-o-
mogyi-s innerhalb zweimal vierundzwarezig Stunden verhaftet würden?
Ist es nicht wahr, daß die Mörder entgegen Ihrem gegebenen
Worte sich -in Freiheit befinden und straflos neue Greuel-
taten begehen?
Ist es nicht wahr ... >
Ich könnte fortfahren, Ihnen Fragen zu stellen, die Sie bejahend
heantworte» müßten, da Sie wissen, daß sie aus Wahrheit beruhen. Ich
-egckügs mich indes nur noch dich« eine 'Frage an Sie zu stellein:
Sind Sie, Karl Huszar, gewesener Ministerpräsident von Ungarn,
tzreit, dafür Sorge zn tragen, Ihren und den schönen Worten Ihrer
Regierung Taten folgen zn lassen?
Sind Sie, der Sie derzeit auch Mitglied des Vorstandes eines
internationalen Gowerlischaftsbundes sind, .der sich selbst mit d-sm Prä-
dikat „christlich" geschmückt hat — find Sie bereit, dafür zu sorgen, daß
He vom Vertreter der Tntenterogierungen, Sir Crmninghame, nach dem
Kall der Räteregierung gegebenen Zusagen nunmehr eingelöst werden?
Daß alle politischen Verfolgungen eingestellt und die Gefangenen auf
freiem Fuß gefetzt werden? Sind -Sie verölt, dafür zu sorgen, daß eine
allgemeine 'Amnestie erlassen -wirb Mr jene, die noch am Löben
sind oder — falls dies den — ""—*
— dasürBürge
uckb-bie der anderen . . .
gefangen genommen und in devsekbon Weste behandelt und abgeuvteist
werden wie jene, die sich an Missetaten schuldig gemacht haben, bevor
Sie -tu die Regiermm gelangte«?
Wenn ja: siitd Sie in- mcsom Fall« bereit, die Regierung Ihres Lan-
der zu veranlassen, Garantien zu Höben für bas Leben nckd di« Sicher-
hckt all smer, die -nicht „christlich" Md?
Eine -durch Taten- bekräftigte Antwort auf dies« Frage im Intereisr
>«s L-a-nbes, das Sie «ach Holland gesendet hat.
Edo Fimmen,
Sekretär des In-ternation-alen Gswer-kschastsbunves und
Internationalen Transpo-riarbeiter-Föck«r«tion.

Deutscher Reichstag.
5. Sitzung.
Berlin, 1. NnA.
Der zur Beratung stehende Notetat wird einstweilen abgchcht. weil
der Haushaltungsausschuß die Vockeratung noch nicht abgeschlossen hat.
Die Aitträge auf Beseitigung von Härten bei der Eckcku-ng der Ein-
kommensteuer durch Abzug am Arbeitslohn ufw. wirb
einer Kommission von 28 Mitgliedern überwicksen. Das Gchetz über ein
deutsH--franzosffches Abkommen über Elsaß-Lothringische Rechtsangel-o-
senhc-ten -wird in allen drei Lchungen- angenommen.
'Es folgt die Fortsetzung der Erörterung der Regierungserklärung.
Abg. Müller-Franken (Sm.) polemisiert gegen einzelne Aus-
führungen des Abg. Heim uitd des Abg. Schiffer. Daß seine Partei nach

Die LeberrsMiLLelteUeNrmg.j
Berlin, 1. Juli. (W.B.) Heute kam es zu Lebens-
mittelausschreiiungen in den Markthallen. Einige Stände
wurden zertrümmert und das Obst auf der Straße zertreten.
Sicherheitspolizei stellte die Ordnung wieder hier. Fest-
nahmen sind keine erfolgt.
Braunschweig, 2. Juli. Um Teuerungskrawallen
vorzubeugen, setzte die Stadtverordnetenversammlung einen
Ausschuß ein, der die Preise für Lebensmittel, Bekleidung
und Schuhwerk prüfen und eine erträgliche Höhe festsetzen soll.
Berlin, 2. Juli. (Priv.-Telsgr.) Wie verschiedene
Blätter aus Köln melden, soll der Kölner Markt lvykottiert
werden. Man forderte die Bauernschaft auf, ihre Erzeug-
nisse nicht mehr nach Köln, sondern nach anderen ober-
rheinischen Markten zu bringen und sich gegen die öffent-
liche Gewalt aufzulehnen, falls die Staatsanwaltschaft für
die öffentlichen Märkte eingreifen sollte.
Worms, 1. Juli. In den gestrigen Abendstunden setz-
ten sich die bereits gernsldeten Plünderungen fort. Von
kleinen Gruppen wurden hauptsächlich Kolonialwarenläden,
Warenhäuser sowie Kleider- und Schuhwarenläden ausge-
raubt. Der Janhagel stürmte die Läden mit Arten und
Brechwerkzeugen und raubte sie größtenteils ganz aus. Der
Schaden wird auf zwei bis drei Millionen Mark geschätzt.
Die Polizei stand dem Treiben machtlos gegenüber. Erst
nach Mitternacht, als französische Patrouillen ankamen, ge-
lang es, die Straßen zu säubern. Die Franzosen blieben
bis heute früh auf dem Marktplatz in Bereitschaft. Der
Wochenmarkt war trotzdem sehr gut besucht und die Preise
waren stark gesunken. Die Ladengeschäfte find auch.heute
noch geschloffen.
DsrrLschs DerrZschersLerr für Vrs K-orrfsreRz in Spa.
Berlin, 1. Juli. (Wolff.) Die Friedensdelegatiou in
Paris überreichte heute der Friedenskonferenz zwei amtliche
Denkschriften, die gleichzeitig den alliierten Regierungen in
London, Rom und Brüssel übergeben worden sind. Die
erste behandelt die Zahlungsfäh ig! eitDeutschlands
für die Wiedergutmachung, die zweite legt im einzelnen
dar, wieweit Deutschland ffchon heute seine Steuerquellen
angespannt hat. In der Begleitnote wird darauf hinge-
wiesen, daß Deutschland heute wesentlich weniger wirtschaft-
schaftliche Hilfsquellen zur Verfügung stehen als vor dem
Kriege. Die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen
soll Gegenstand mündlicher Besprechungen in Spa sein.
Gleichzeitig wurde ein Gutachten über die wirtschaftliche
Gssamtlage in Deutschland, seine Leistungsfähigkeit und die
Möglichkeit seiner Kräftigung übergeben, das von 22 her-
vorragenden, im Wirtschaftlichen Leben stehenden Männern
unterzeichnet ist.
Berlin, 1. Juli. (Wolff.) Zur Konferenz in Spa
werden nach den vorläufigen Beschlüssen sich begeben: Reichs-
kanzler Fehrenbach, Neichsminifter des Asußern Dr. Simons
und die Reichsminister Dr. Wirth, Scholz und Hermes.
Insgesamt werden 25 bis 30 höhere Beamte mit dsm
nötigen Büropersonal nach Spa gehen.
Anträge vor dem Rerchswirtschaftsrat.
Berlin, 1. Juli. (W.B.) Der vorläufige Reichs-
wirtschaftsrat überwies einen von allen Gruppen unterstützten
Antrag des Neichsministers a. D. Wissell an den wirtschafts-
politischen 'Ausschuß. Der Antrag fordert angesichts der
andauernden Schließung von Betrieben die sofortige Er-
forschung von Wegen zur Abwendung der daraus entstehenden
Gefahren und den Ausbau der Erwerbslosenfürsorge in der
Errichtung einer Steigerung der Warenerzeugung. Reichs-
wirtschaftsminister Scholz war mit dem Antrag einverstanden.

eineiichaibjcchriger RegierungStätigkeit Verluste erleiden würde, war von
vornherein Kar. Dar.würde den Unabhängigen genau so -ergeben. (Pro-
testrufe bei -den U.S.P,, großer Lärm.) Die Sozialdemokratie sei noch
immer die stärkste Partei. Sie -bade e-insn so starken Rückhalt, wie in
keinem anderen Lande der Welt. Redner polemisiert dann weiter gegen
die AM-n-empvlitU der Unabhängigen. Die Arbeiter hätten den Unab-
hängigen nicht ihre Kräfte für nichts geliehen. -(Stürmische Zurufe.) Wenn
Lckckour seiner Parts! vovwerfe, daß sie die rckne sozialistische Lehre
nicht mehr vertrete, so möge Ledebvur nach -Moskau -gehen. Dort würde
er erfahren, daß man dort den Unabhängigen -denselben Fehler vorwc-rfe.
Die Tätigkeit der Reichswehr Haden auch -wir -kritisiert. So muß auch
der Mord an Paasche geMnt werden. Die MMSrgerichtsdarkeit muß
abgchchafft weckon. Man habe seiner Partei das Kicken -an den Mi-
nMerseMn vorgaworsen; das sei nicht em Grund -dafür gewesen, daß sie
sich nicht an der KabmettMldung betM-gt hätten. Bolles Verständnis
habe er für -das schwere Opfer, das der Reichskanzler Fehrendach im
vaterländischen Interesse -gebracht habe. Was Spaa angehe, so sei die
EnAvaffnungsfrage di« Hauptsache. Eine solche Entwaffnung habe aber
sine so schwache Regierung, -wie sie der Fortbestand der alten Koalition
vorhanden gewesen wäre., nicht durchführen können. Anderseits schien
ein Zusammengehen Mit der Deutschen Vo-lkspartei ameslchts des Wahl-
kampfes und der dabei ausgetretenen For-dermrg -der Partei m der Aus-
l-ackdspoliti-k -unmöglich. Wer eine Revision des Friedens von Versailles
ackstrebe, müße sich -nach Bundesgenossen umschen. Das seien aber nur
die sozialistische» Parteien. Der neuen Regierung werde seine Partei
adwarteckd gegenüberstchen und den unabhängigen Mißirausnoan-trag
nicht .unterstützen. Auch er warne davor, in Spaa Unmögliches zu un-

terschrerben. Der Tag wecke bald konnn-en, wo man nicht nur in Itasten
und England, nein, auch ick Frankreich einsehen wecke, daß Deutschlands
Los dasjenige der -ganzen Welt sei, (Beifall.)
Reichsfmanzmmister Dr. Wirth gibt zu Anfang -seiner Ausfüh-
rungen eine Schickerung -unserer finanzicklen Lage. Während wir noch
1913 -nur 167 Millionen Mark Schulden hatten, betrugen diese 1916
bererts 21- Milliarden und den fortlaufenden Ausgaben von fünf Mil-
liarden standen nur zwei Milliarden an Einnahmen gegenüber, so daß
schon -damals drei Milliarden auf -Steckern hätten genommen -werden
müssen. . Kriegslasten und Teuerung stiegen. Die schwebende .Schuld
näherte sich am -Ende des -Krieges bereits der 50. Milliarde. Die Aus-
gaben des -letzten Kriegsmonats betrugen allein 4,8 Milliarden. Der
Ha-uckhalt von 1918 weist 44 Milliarden- an -Gesamtausgaben- auf, die
Schuldenvermchrung aber 51 Milliarden, so daß die Ausgaben 1918
mickdesten-s 58 Milliarden -betragen haben müssen. Jetzt zeige sich erst
die veMÄsteckde -Mxxung des Krieges. Die ganze Volkswirtschaft sek
enschüttert. Der Minister besprach sodann die «n-zelnsn Etatsposten, deren
A-usgabcaan-es sich aus rund 28 Milliarden stellt, -dem an Einnahmen
die gleiche Summe gegenüdersteh-t, falls 'die Einnahmen aus neuen,
noch nicht bewilligten Steuern in Höhe von 2,9 Milliarden tatsächlich
bewilligt wecken. Aber es ist zu -befürchten, daß wir dies ge-wmischte
Ziel dieses Jahr rechnungsmäßig .noch nicht erreichen. Ücker Ne gerade-
zu katastrophale Entwickelung der Betricksverwaltungen ist zu sagen, daß
die Eisen-bahnverwal-tung -mit 14 bis 15 Mill-iarden Fehlbetrag rechnet.
Wenn die Fehlbeträge der Betriebsverwaltungen zusammen 15 bis 16
Milliarden ausmachen,, ergibt sich ein Gesamtaufwand im a-u-ßerorbeni-
lichsn Etat von 26,6 bis 27,6 M-Miacken. Daß bei derartigen Anforde-
rungen an das Reich die Schulden lawinenartig wachsen müssen, ist
selbstverständlich. Glmenwärtig -betragen die Schulden des Reiches rund
209 'Milliarden Mark. Die Höhe der KriMsaufweckdungen der Länder
und Gcmck-nden wecken sich auf 15 bis 16 Milliarden belaufen. -Sobald
dies« Summen hinizukvmmen, Wick sich eine Retchsschuld von 264 bis 268
Milliarde» «rgcken. Das deuchche Volk wurde leider im Krieg nicht zu
dem so dringend -nokwendfgen Stonerheroismus erzogen. Jetzt müssen- wir
in einem eiW-gen Jahre mehr laufende Reichssteuern einbringen, als in
den sechs Jahren- zusammen an dauernden und einmaligen Steuern auf-
kam. Wir stehen vor Spa-a. Man darf nicht vergessen, daß internatio-
nale Schulbahtrag-un-gen nur erfolgen können, durch Gachgutlie-femngen
oder Dienstleistungen irgendwelcker Art. Das gaiM Msdergutmachungs-
pr-Mem wächst sich damit -von selbst zu einem Problem der Produktion
aus. In dieser Stunde entscheidet sich nicht nur unsere nächste Z-Mmft,
sondern auch die Zukunft Merer Kinder -uckd -Ki-ndeskiwder. Ml« unsere
Hoff-n-mrg, daß doch noch eine bessere Zell kommen werde, beruht auf
Arbeit, a-uf u-ifferem Können und dem Fleiß unserer Hände.
Ada. Henke (U.S.P.) erklärt, er wüsche den bürgerlichen Par-
teien bet ihrem Liedeswerben um die Rech-tSsozialfften- viel Glück, aber
seine Partei wecke den Arbeitern Kar -machen, daß sie von niemand
ichamivfer aus politischem Gebiete ang-elogen worden seien, als durch die
MchrheitssozickWen. Di« Unruhen der letzten Tage seien vielfach durch
LoHpitzel hervorzemfen worden. Der Kapi-taRsmus, der aus dem Kriege
ungeheure Gewinne gezogen habe, wolle das jetzt im Frieden f-outsetzen
auf Kosten des Proletariats. Die Konferenz in -Spaa s-ei freilich eine
schwierige Frage, aber man- dürfe dabei nicht vergessen, daß es sich
schließlich doch nur um eine Zusammenkunft der Groß-kapitalisten handle.
Redner polemisiert dann noch -gegen die Reichswehr und Gicherhei-tswchr.
Bayerischer Gesandter v. Pr« ger kommt auf die Bemerkung -des
Nei-chssinanzmi-nisters über di« bayerischen Gehaltssätze zu sprechen, die
höher seien als im Reiche. Jedenfalls liege der -bayerischen Staatsre-gi'e-
vung ejde Absicht fern, in die Reichsbesoldungsorbnuug ei-nzugreifen.
-Abg. Eisenberg (Bayer. Bauerckbund) erkennt die Verdienste
der alten Regierwrg an. Die Zwangswirtschaft habe auch ihr Gutes ge-
habt, was ihr Fehlen in Oesterreich bswickse. Anderseits aber dürste si«
überttkicken sein. Tim Diktatur sei stets vom Uckel, wie uns auch die
MMäckiktatur ins Unglück gestürzt habe. Ein kräftiger Mittelstand wäre
das beste -Mittel «egen das Umsichgreifen des Klassenhasses.
Nach ei-ner Reihe pecköcklicher Bemerkungen vertagt sich das Haut
auf -Freitag 1 Uhr: Anfrage». Fortsetzung -der heutigen Debatte.
Notetat. Schluß 6)4 Uhr.

Politische Uebersicht
Die Mißwirtschaft in -er Kriegsrohstoffgefelljchast.
Berlin, 1. Juli. Pie Genossen Hermann Müller und
Hoch richten folgende Anfrage an die Reichsregierung:
Im Abendblatt des „Vorwärts" »vm 6. 3. wird in einem
Spltzen-Artik-el: „Geschäfte im Kaiserreich" mitgetellt: Im Unkev-
suchungsausschlch für Handel und Gewerbe des Reichstages wurde
1917 von einem Zemrumsabgeord-nolen berichtet, das Reich sei
-rtrch enorme Ueberpreffe die -en großen Essen- und Stahlmdn-
striellen für Kriegsmaterial Mahlt worden,
um Hunderte von Milliömn geschädigt worden.
Da di-e Kr'iegsrohftofsgcs-Mchast dem Kriegsministerium unterstell!
wa-r, sei dieses für die Mtzwirtschaft vera-ni-worÄich. Der damalige
Staatssekretär Helfferich wurde Äs Gewinner bezeichne!
und der besondere Vertrauensmann des Kiiegsmmisteriums, Ge-
neraldirektor Vogler von der Deutsch-luxemdurgischen Berg-
wecks-Aktien-ges-ellschaft als Hauptlieferant von Kriegsmaterial ge-
nannt. In- dem Artikel des „Vorwärts" wird weiter ausgeführt,
das Kriegsministe-num -bade sich e rst nach der RevoIut -l o n
geKvungen gescheh die Preiswirff-chast -er Kriegsr-ohstoffgesMchaft
einer Untersuchung zu unterzieh-sn. Eine im FrWahr 4919 einge-
fetzte Kvmm-i-flivn im Ktiegsmi-nisterium kam aber- -nicht zustande. Oie
erklärte das Kriegsministerium fü-r inkompetent, w-oi-l es mitver-
a nt w o r tl ich für die Vorgänge in der Krftgsrohstosfgeselsschaft
und schlug deshalb vor, die Nativnalloersammlung möge die Unter-
suchung wegen angeblich falscher Informatton -es Reichstages durch
Vertreter -er früheren Regierung uckd wegen schwerer finanzieller
Schädigungen -es Reiches in die Hand nehmen.
Der frühere Reichskanzler Müller und Hoch fragen, wiewert
die Untersuchung gediehen sei und welche -Ergebnisse sie gehabt habe.
Wir vermuten, daß die Herren Stmnss, Helfferich und Genoffen
an dem weiteren Verlauf dieser Angelegenheit keine Freude haben
werden.
Bsi di-sser -Gelegenheit sei auch daran erinnert, baß Herr Helf-
ferich in einer vor den Wahlen in Elberfeld stattgefundensn
WW-er-Versammlung der Deutfchnattonalen Voftspartei, ohne mit
der Wimper zu zucken, behauptete: „Ich habe mit der Krftgsrsh-
stoff-Abteilung niemals etwas zu tungehabt!"
 
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