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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 171 - Nr. 180 (27. Juli - 6. August)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Sberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbischofsheim und Wertheim.

DezugSpreis: Monatlich elnschl. Trägerlohn S.— Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (Zb mm breit) SV pfg., ReName-Anzeigen
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Geschäftsstunden: 8—>/,h Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11—12 Uhr.
Postschcckkonio Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Abr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Mittwoch, 28. Juli 1920
Nr. 122 * 2. Jahrgang

Verantwort!.: Fürinnereu. äußere Politik, Volkswirtschaftu. Feuilleton: Dr.
E.Krau-i für Kommunales u. soziale Rundschau: I. Kahn, für Lokales:
'u > ; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtl. in Heidelberg
Druckund Verlag der llnterbadischen DerlagSanstalt G. m. b.H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße ZS.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2643.

Mk NklltsM RkSk W.
Die Stellungnahme der Bergarbeiterschaft.
Am Sonntag tagte in Bochum in der „Tonhalle" eine Kon-
ferenz der Vertrauensleute, Betriebsräte uck> Schachtobmärmer des
-Grandes -er Bergarbeiter Deutschlands mit Vorstand unk- Be-
Nrksleitern des Ruhrgebiets, um Stellung gu dem Abkommen von
Spa und den sich daraus ergebenden Fragen zu nehmen.
Adg. Hue hielt ein« hoch-bedeutsame Rede ungefähr folgen-
den Inhalts:
. Zum ersten Mal« trat in Spa die Weltmacht der Arbeit
auf den Plan und meldete bei einer Diplomatenkvnlerenz ihre Ansprüche
an Es wird den Weltkchiedsrichtern zum Bewußtsein gekommen sei«,
die Welt nur durch dir Arbeit erhalten wird, daß Diplomaten-
beschlnsse unwirksam bleiben, wenn die Arbeit ihre Mitwirkung verwei-
gert. Jode Macht neigt zu ihrem Mißbrauch, wie wir das am Milita-
rismus erlebt haben. Als Vertreter der Weltmacht Arbeit dürfen wir
niemals vergessen, daß unsere Macht uns Verpflichtungen gegen die All- -
gemeinheit auferlegt.
.i,,.Der Friedensvertrag verpflichtet Deutschlaich zur Lieferung von 39
Millionen Tonnen Kohle an die Alliierten: di« Wiedergutmachungskom-
n>stsion ermäßigte diese Ziffer auf 29 Millionen Tonnen. Auch zu dieser
Lieferung, 2,4 Millionen Tonnen monatlich, stich wir nicht in der Lage,
vs wird endlich Zeit, daß nicht mehr Doch, Ludendorsf oder Brussilow
Schiedsrichter der Welt sind, sondern ehrlicher Verftändigungswille die
Volker leitet. In Spa gelang es, die AblicforungsMer auf 2 Millionen
Tonnen zu ermäßigen. Wir sagten in Spa: die 2 Millionen Tonnen
rönnen wir nur liefern, wenn wir das Risiko geringerer Belieferung,
vielleicht steigende Arbeitslosigkeit, mit in den Kauf nehmen. Deshalb
gab man uns als Gegenwert den Weltmarktpreis, damit wir auch uirsere
Arbeitslosen unterstützen können. Als Regierungsvcrtreter würbe ich
unterzeichnet haben trotz wirtschaftlicher Bedenken. Ts gibt allerdings
Kreise, die dem Einmarsch sehr gleichgültig gegenübcrstehen. Ich las
darüber merkwürdige Auslastungen in einem Ünivnistewblatt. Solche
Leute brüllten bei Kriegsausbruch am lautesten „Heil dir im Sieger-
kranz". (Lehr richtig!) Wir Arbeiter forderten immer Reichsberggesetz,
Nelchsknappschaftsgesctz, waren Anhänger eines einheitlichen Deutschland
und Feinde der reaktionären Klassenstaaterei. Di« Abtrennungsbestre-
biinge» werden in Deutschland getragen von Reaktionären, Feinden dr:
Sozialisierung, Kriegsgewinnlern und Steuorbriickebergern. (Sehr richtig!)
Um diesen Leuten zu zeigen, daß wir uns ihr Spiel nicht gefallen lasten,
schlage ich Ihnen folgende Entschließung vor:
In der Erkenntnis, daß politisch reaktionäre, den gewerkschaftlichen
Arbeiterforderungen besonders feindlich gesinnte Gruppen und Kreise
in einigen deutschen Landesteilen aus deren Absplitterung von Deutsch-
land hinarbeiten, und aus der Ueberzeugung heraus, daß die Ver-
wirklichung dieser Pläne auch de« wirtschaftlichen Wiederaufbau der
deutschen Volkswirtschaft unmöglich machen würde, beschließt die Kon-
ferenz der Vertreter der Bergarbelterverbandsmitglieder des Ruhr-
gebiets: E« sollen seitens der Bergarbeiterorganisationen sofort Vor-
kehrungen getroffen werben, durch welche den Landesteilen, in denen
sich die gedachten Zerreißungsbestrebungen durchsetzen, alsbald die
Versorgung mit Kohlen, Koks und Briketts unmöglich gemacht wird.
Die Organisationen der Eisenbahner und Schiffsmannschaften werden
ausgesowert, gegebenenfalls mit den Bergarbeitern gemeinschaftlich zu
handeln.
Dann wollen wir sehen, vH die Kriegshetzer und -Gewinnler das Reich
Segen den Willen der Arbeiter zerreißen können. (Lebhafter Beifall.)
Können wir die 2 Millionen Tonnen leiste«? Ich glaube nicht, baß
das ohne bedeutende Schwierigkeiten für unsere Industrie geht. Wir
stehen auf dem Standpunkt, daß wir auch ohne den Vertrag von Ver-
sailles dem französischen Volke mit seinem zerstörten Kohlengebiet in
seiner Kohlenot zu Hilf« komme« müßten. (Lebhafte Zustimmung.)
Wir mästen zunächst betonen: Die Beraarbeiterschast, ja, die gesamte
Arbeiterschaft muß zunächst wieder einmal satt zu essen haben. (Lebhafte
Zustimmung) Wir haben den besten Willen, hie internationale Kohlen-
vvt zu mildern. Wir schulden Holland Dank. Ohne besten Hilfe (200
Millionen Kredit ohne Sicherheit) sähe es mit dem deutschen Volke und
nicht zuletzt mit der rheinisch-westfälischen Bevölkerung noch viel trau-
riger aus. Diese Dankesschuld mästen wir durch Kohlewlieferungen ab-
tragen;- wir mästen aber auch der Schweiz und Skandinavien Kohlen
liefern. Wir wollen helfen, aber über unsere Kraft können wir nicht.
Bon einer Verlängerung der vertraglichen 7-Stundenschicht kann
absolut keine Rebe sein. (Zustimmung.) Wer es unternehmen wollte,
diese Errungenschaft durch irgendein Mittel, sei es auch die Besetzung,
de» Bergleuten zu nehmen, würde sich die Folgen selbst zuzuschreiben
haben. Wir brauchen aber unbedingt auch größere Rechte für die Be-
triebsräte. Nicht als Knechte der Direktoren, sondern nur als gleich-
berechtigte Vertreter der Belegschaft können sie helfen, die Kohlenschie-
bungen zu unterbinden. Sie muffen die Förderung und den Versand
der Kohlen kontrollieren.
Endlich müssen wir mit allem Nachdruck sagen: Die Arbeitsfreudig-
keit der Bergleute kann nur bann wirksam gehoben werden, wenn sie
wissen, baß sie nicht mehr für den privatkapitalistischen Profit arbeiten.
(Lebhafte Zustimmung.) Jetzt muß die Weit einsehen, daß man den
internationalen Machtsaktor Kohle nicht in den Händen der Privat-
kapitalisten lasten darf. Das Schicksal von Ländern und Millionen
Menschen hängt von der Verwaltung der Kohl« ab und man könnte
ebensogut den Privatkapitalisten ein eigenes Heer und eigene Kriegfüh-
rung zugestehen, als bie unbeschränkte Verfügung über die Kohlen. Die
Kohlcnverwaltung muß Reichssache werden, weil sie das beste Mittel
Z»r Verständigung der Völker ist. Nur die ernsthafte Sozialisierung kann
Uns Helsen, die Lieferung an die Entente auszuführen.
Wenn Imperialisten und Diplomaten noch nicht begreifen, daß die
Menschheit genug des Brudermordes hat, so muß die neue Weltmacht
Arbeit energisch austreten und einen Völkerfrioben schaffen, der dauerhaft
«st wie Erz und Stein. (Stürmischer Beifall.)
Die vorgelegte, nachher einstimmig angenommene Entschließung hat
'vlgenden Wortlaut:
Die Delegierten der im Verband der Bergarbeiter Deutschlands
organisierten Ruhrbergleute erklären sich mit dem Verhalten der Berg-
arbeitervertreter in Spa vollkommen einverstanden. Wir billigen es,
daß ihrerseits alles getan wurde, um die eingeleiteten Verhandlungen
über die Kohlenliefernngen an Frankreich, Belgien und Italien deut-
scherseits nicht, zum Scheitern kommen zu lasten. Well wir nach wie
vor bereit sind, die zu einem internationalen Uebel gewordene Kohlen-
not tatkräftig mildern zu helfen, protestieren wir entschieden gegen die
wiederholte Drohung, das Ruhrgebiet militärisch zu besetzen, falls
die Deutschland auserlIte Kohlenlieserung nicht restlos erfüllt würde.
Die Erfüllung dieser Verpflichtung hängt von Faktoren rck. Wer die

auch die stärkste militärische Macht keine Gewalt besitzt. In erster
Linie fühlen daher die Bergleute die Drohung der Ententeregierungen
mft der militärischen Besetzung des Ruhrgebiets als gegen sich gerichtet.
Darum begrüßen wir es, daß die deutsche Delegation den Passus in
dem Kohlendiktat von Spa, der von der Besetzung des Ruhrgebiets
handelt, nicht unterzeichnete. Sollte sie dennoch erfolgen, dann würde
dies der schwerste Schlag gegen alle unter der Kohlennot leidenden
europäischen Länder sein. Gegen die augedrohtr militärische Gewalt-
politik, in der wir die Absicht der Versklavung der Ruhrbergleute er-
blicken, werden wir uns energisch zur Wehr sehen. Wir sind freiwillig
bereit, mit allen unseren körperlichen und geistigen Kräften dahin zu
wirken, bi« Kohlensördrnma so zu steigern, daß die von der Entente
Verlangte Kohlenmenge, außerdem der Kvhlenbedarf unseres Heimat-
landes und die laut Verträgen für Holland, di« Schweiz usw. bestimm-
ten Kohlenquanten geliesert werde« könne». Hierzu ist aber in erster
Linie eine weit kräftigere als die gegenwärtige Ernährung der Berg»
arbeiterbevölkeruna unbedingt erforderlich. Solange diese natürliche
Vorbedingung nicht erfüllt ist, wirb eine Mehrsörderung den Beleg-
schaften beim besten Willen nicht möglich sein. Ferner sind erforder-
lich manche betriebstechnische Verbesserungen der Bergwerke und auch
des Transportwesens, deren Einzelheiten noch festzustellen sind. Auch
das Wohnungswesen der Belegschaften muß durchgreifend verbessert
werden.
Die gegenwärtige Situattvn macht es aber auch notwendig, daß
wir an den Reichstag bie dringliche Forderung richten, nun die Sv -

Abg. Stampfer (Soz.)
spricht sich in großen Zügen zustimmend zu den gestrigen Mi-
nistererklärmrgen aus. Regierung und Reglement haben aber bei
den letzten Vorkommnissen, die der Minister des Aeußern Dr. Si-
mons angeführt habe, versagt. Vielleicht 'werde das Reglement
bei der Reichswehr noch öfter versagen, besonders wenn es sich um
die Verhaftung der Kapp-Putschleute handele. Wenn dies aber
wirklich ein treten würde, dann schienen ihm 100 000 Mann Reichs-
wehr noch zuviel. Die französischen Imperialisten hätten sich an-
scheinend oorgenommra, alle Duuuuheiterr nachza-nachen, die seiner-
zeit die deutschen Imperialisten begangen hätten. So sei auch der
Versuch, Bayern zu ukraimsieren, eine Dummheit, und er prote-
stiere gegen die Methode von Spa. Er verurteilt die Rolle Focks
als Dolmetscher, wie er seinerzeit die Tätigkeit des Generals Hoff-
mann in Brest-Litowsk verurteilt habe. Was m Spa von uns ver-
langt wurde, bedeutet eine Erweiterung des Friedensvertrags und
ein neuer Sieg der Entente. Daß in der Frage der Entwaffnung
und in der Kohlenfrage die Bedingungen von Spa erfüllt werden
müßten, sei wahr. Das hatten auch die Arbeiter eingesehen, und
sie wollen dementsprechend handeln -in der Ueberzeugung, dadurch
dem Allgemeinwohl des deutschen Volkes zu dionen. Der Redner
kommt dann auf die Sozialisierung zu sprechen und ver-
langt dabei eine zweckmäßige Anpassung der Kapitalisten in dieser
Idee, damit keine Störung der Belrisbe erfolge. Könne das Ruhr-
gebiet sozialisiert werden,, so bedeutet dies gewissermaßen die Im-
munisierung des Rührbeckens, und sie werde auch auf Frankreich
sofort zurückwirken. Der Kampf in Rußland sei der Zusammen-
prall des Kapitalismus der Westmächte und der bolschewistischen
Ideen. Deutschland müße neutral bleiben, nicht aus politischen
Gründen, sondern aus sozialistischer Veranlassung. Deutschland
müsse Scheidewand oder Brücke sein, je nachdem es -die Verhält-
nisse verlangten. Damit werden wir einen weiteren Weltkrieg ver-
meiden, wofür leider in einem großen Teil Europas noch nicht das
richtige Verständnis, auch für die deutsche Mission, vorhanden ist.
Auch seine Partei gehe mit bestimmten Hoffnungen nach Genf zum
internationalen sozialistischen Kongreß und werde dort kein Paria
sein. Er hoffe, daß auch Deutschland bald diese Rolle nicht mehr
zu spielen brauche.
Dr. Breitscheid (U.S.P.): Ob in Spa «in Erfolg erzielt wor-
den ist ober nicht, ist unwesentlich Wir haben den Krieg verloren. Die
Herren, die vor sechs Jahren den Krieg heraufbeschworen haben, sind
schuldig an unserem großen Unglück. Die Revolutionierung der Welt sei
näher als man denke. Die feindlichen Regierungen seien keinen Deut
besser als die russische. Ihr« Angst vor dem deutschen Sozialismus sei
aber entsetzlich. — Mit der Reduzierung der Reichswehr werde es wohl
nicht so schlimm werden, denn in sechs Monaten könne allerlei geschehen.
Jedenfalls warne er vor jedem Versuch, den Wünschen der Entente sich
zu entziehen. — Redner kommt dann auf die Ansammlung von Truppen
an der Ostgrenze des Reiches zu sprechen. Er hofft, daß diese Truppen
keine andere Auffassung von der deutschen Neutralität hätten als die
Regierung. Jedenfalls werden die Arbeiter irgendwelche Unternehmun-
gen gegen Svwfetruhland nicht zulasten. Er danke Dr. Simons für seine
verständigen Worte über Rußland und hoffe, daß er sich mit seiner be-
sonderen Auffassung durchzusetzen vermöge. Er. sollt« aber den eisernen
Besen ansetzen, um im Auswärtigen Amt« Auskehr zu halten, aber er
(Redner) fürcht«, daß schon der Todesvogel über dem Haupte des Mini-
sters kreis«. Der Stahlhelm schwebe auch über dieser Regierung. Red-
ner polemisiert dann gegen -bas V e rh aI t e n d e s Herrn St > nnes
ln Spa dessen Rede die Entente gegen uns beeinflußt habe. Redner
fragt dann, ob bereits Maßnahmen getroffen worden feien, die die Lebens-
mittelversorgung der Arbeiter garantiere, und was gegen bi« Kohlen-
verschiebungen unternommen worden sei. Er sehe in der Sozialisierung
das beste Mittel, die Arbeitsfreudigkeit und Energie -der Arbeiterschaft
zu beben. Gegen das Ergebnis von Spa wolle er nichts sagen, ober die
Methode» die die Regierung dort in der Entwaffnungsfrage verfolgt habe,
müsse er ablehnen, und deshalb könne er der Regierung kein Vertrauen
entgegenbringen.
Reichsmmister Dr. Gimo « s
erwidert: Der Vorredner hat einen Unterschied in der Stellung des
Reichskanzlers und mir zum Bolschewismus konstruiert. Wem, der
Reichskanzler von notwendiger Truppenansammlung gegen den Bolsche-
wismus gesprochen habe, so habe er damit nicht die Staatsfvrm, sondern
nur die an unserer Ostarerrze stehenden Truppen gemeint. — lieber die
Reichswehr-Angelegenheit sei in Spa weder durch den Reichskanzler noch
durch ihn ober den General von Seeckt der Entente ein Einblick in das
Material gewährt worben. Im übrigen wolle er konstatieren, daß in
seinem Restort sein Wille maßgebend sei und er Kraft genug besitze, den-
selben durchzusetzen, sonst werde er gehen. Zur Neutralitätsfrage gegen-

zialisierung des Bergbaues ungesäumt in Angriff
zu nehmen. Von der Förderung und Verwertung gerade der Kohle
hangt nun das Schicksal Deutschlands ab, wie die Verhandlungen in
Spa aller Welt gezeigt haben. Daher ist es ein für unsere Volks»
gemeinschast unerträglicher Zustand, den Kohlenbergbau weiter in pri-
vattapitalistischer Bewirtschaftung zu belasten.

Die internationale Donaukonferenz.
Berlin, 28. Juli. Am 8. August tritt in Berlin die
internationale Donaukonferenz zusammen, welche die Auf-
gabe hat, genräß Artikel 349 des Friedensvertrages die
Donauordnung zu schaffen. Die beteiligten Mächte werden
bevollmächtigte Vertreter zu der Konferenz entsenden.
Deutschland wurde aufgeforoert, sich ebenfalls vertreten zu
lassen. Zum deutschen Bevollmächtigten wurde der außer-
ordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister Dr. See-
liger ernannt. Außerdem sollen Vertreter des Reichsverkehrs-
ministeriums, der bayrischen u: d württembergischen Regierung
und der Schiffahrtsmteressenten als beigeordnete Delegierte
oder Sachverständige an den Verhandlungen teilnehmen.

über Rußland bemerkt er, wir seien nicht so ohnmächtig, daß wir nicht
noch empfindlich um uns schlagen könnten. Eine Neutralität, der man
nicht Achtung verschaffen könne, sei kein« Neutralität, -daher die Truppen-
ansammlungen in Ostpreußen. Der angehaltene polnische Zug habe wirk-
lich Kriegsmaterial an Bord gehabt. Er sei deshalb nach Koblenz zu»
rückgeschickt worden, lieber hen Bolschewismus mäste er noch besonders
sprechen, da der Bolschewismus augenblicklich eine Macht sei, mit der
man rechnen müsse. Aber im Inneren Rußlands seien die Verhältnisse
ganz andere geworden. Die Rätediktatur sei schon vorbei.
Sozialismus sei etwas ganz anderes. Es sei eine Arbeitsgemeinschaft
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. (Heiterkeit links und Beifall.)
Abg. Hvehsch (D.R.)
meint, bie Ereigmsse von Spa seien für seine Partei keine Enttäuschung
gewesen, wohl aber die gestrige Rede des Herrn Reichsauß-enministers,
der auch der kleinste Funken nationalen Empfindens gefehlt habe. Mi!
drei Verpflichtungen wäre bie Delegation nach Spa gegangen, erstens,
an der Würde und her nationalen Festigkeit sestzuhalten, zweitens, aus
keinen uns zustehenden Rechtstitel zu verzichten; drittens, nichts Unerfüll-
bares zuzusichern. Was fei nun daraus geworden? Die -einzigen, die
stark geblieben seien, wären bie Herren Stinnes und Hue. Im
übrigen entspreche die Haltung der Delegation den Forderungen unserer
nationalen Würde nicht. An die technische Erfüllbarkeit der Entwaffnung
glaube er nicht. In der Kohlenfrage sei Unmögliches zugesichert worden.
Von der Genfer Konferenz erwarte er ebenfalls nichts. Seine Partei
lehne die Billigung dieses Verhaltens ab und fordere -die Revision
des Friedens von Versailles. Redner kritisierte die 'Stellung-
nahme des Außenministers zu den auswärtigen Staaten.
Reichskanzler Fehrenbach:
Die Rede des Abg. Hvetzsch war so ausgebaut, als sei sie am 27.
Juli 1914 gehalten worden, nicht jetzt, wo die Tage von Versailles und
Spa waren. Wie hätten wir wohl auf unserem Kopf bestehen bleibe»
sollen, auch an unserem guten Willen und Glauben an unseres Vater-
landes Zukunft habe Vorredner gezweifelt. Der Außenminister habe als
ehrlicher Mann gesprochen. Wie die Verhältnisse liegen, da sei cs
doppelt schmerzlich, solche Worte und Vorwürfe anhören zu müssen. Das
Parlament könne dem Minister nur dankbar sein, daß er frei und offen
alle Fragen der auswärtigen Politik besprochen und damit bewiesen habe,
daß nichts -verheimlicht werden solle. Diese Art würde allmählich im
deutschen Volke mehr Verständms finden und auch im Auslände nicht
unbeachtet bleiben. In der militärischen Frage sei tatsächlich die -Entente
sich erst am Vorabend der Konferenz in Brüste! schlüssig geworden, diese
Angelegenheit -zu verhandeln; im übrigen sei aber der Entente selbst die
Pause bis zu Beginn der Verhandlungen sehr lieb gewesen. Am Diens-
tag haben wir dann ausein-andergesetzt, daß wir -die Entwaffnung nicht
vornehmen können, wenn gleichzeitig die Reichswehr reduziert werde und
dabei habe er gleichzeitig über die bolschewistische Frage im Osten ge-
sprochen, ohne ein Urteil über den Bolschewismus selbst sich anzu-maßen.
Wenn Vorredner uns vorwarf, wir hätten die nationale Wunde und
Festigkeit verletzt, so habe er sich die Sache sehr leicht gemacht. Auch in
der Kohlensrage seien wir fest geblieben bis zuletzt. Unsere Unterschrift
schließe außerdem den Artikel 7 vollständig aus. Den dritten Vorwurf,
wir hätten Unerfüllbares unterschrieben, sei schwer zu beantworten, da
man über den Begriff „unerfüllbar verschiedener Ansicht sein könne. Die
Entwaffnung mäste bis zum 1. September erledig« sein und hierzu mäste
das ganze Volk mitkelfen. Schwierigkeiten böten alle diese Fragen, aber
unerfüllbar feien sie nicht. Mit der Kohlenfrage sei es nicht anders. Zur
Ehrenhaftigkeit der Entente müßten wir bas Vertrauen haben, daß uns
aus Oberschlesien 3—400 000 Tonnen zukommen können. Was hatten
wir erreicht, wenn wir scst geblieben wären und die Franzosen in das
Ruhrgebiet einmarfchiert wären und die gesamte deutsche Industrie lahm-
gelegt hätten? Schließlich wären die Arbeiter den Lockungen der En-
tente -doch gefolgt und dann wäre Süddeutscbland auf Kosten Nord-
deutschlands mit Kohlen gefüttert worden und damit der Zwiespalt groß-
gezogen worden, den die Franzosen so gern wollten. Die Delegation Zehe
dem Urteil des Hauses gern entgegen. Wir sind gern bereit, den Herrn
Vorredner oder einen seiner Freunde nach Gens zu schicken. Vielleicht
wid ihnen zum Bewußtsein kommen, daß sie zu einem geschlagenen Volke
gehören und statt zu befehlen, verl)andetn mässen. . .
i Nach Genehmigung einer Rciye kleiner Vorlagen vertagt das Paus
die Weiterberatung aus morgen 1 Uhr; außerdem Interpellation wegen
des Weichseluferstreifens.
Das Vertrauensvotum für die Regierung.
Berlin, 28. Juli. Nach der „Bost. Atz." haken die Sozialdemo-
kraten, das Zentrum, die Demokraten und die Deutsche Votkspvrtei im
Reichstage folgenden Antrag eingebracht: ,
Der Reichstag billigt die Gründe, aus denen b,e Reichsregrerung
die Abmachungen von Spa unterzeichnet hat und erwartetchon allen Be-
teiligten ohne Unterschied, daß sie alles, was in ihren Kräften sreht, rück-
haltlos tun werden, um die Reichsregierung bei der Ausführung der
übernommenen Verpflichtungen zu unterstützen.

Ak WMk U NiDU-M kNllMm likt UM«.
 
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