Hewewerg, Mittwoch, 2. Zu« IST»
Rr. 154 » 2. Zahrgang
DerantworN.: Fürinnereu.äußerepolitchDolkswirtschaftu.Feuilleton: Or.
E.Kraus, sürKommunales u. soziale Rundschau: F.Kahn: für Lokale-:
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M MOW I« W.
'S p a, 7. Juli. Die zweite Sitzung der KonfereiH, an welcher
von deutscher Seite Reichskanzler Fehrenbach, Minister Dr.
Simons, Minister Dr. Gehler und General Seeckt teilnah-
Men. wurde kurz nach Z45 Uhr eröffnet. Reichswöhrmimster Dr.
Gehler ging sofort in längeren Ausführungen auf die Enkwaff-
nungsfrage ein und schilderte den gegenwärtigen Zustand. Das
Material sei zientlich vollständig abgegeben, wenn auch über ein-
zelne Punkte noch Difser-vnzen bestänben. Die 280 OVO. Mann seien
vir die deutsche Regierung eine Notwendigkeit. Sie stellten das
Minimum besten dar, war wir brauchten angesichts der politischen
Unruhen Nsw. Lloyd George ergriff hierauf das Wort und
oahlte die Punkte auf, in denen die Alliierten Deutschland Nichter-
füllung des Friedennsvertrages in militärischen Dingen zum Vor-
wurf machen, insbesondere, daß die Reichswehr statt 100 000
200 000 Mann umfasse und dah Deutschland statt der 2000 Ma-
lchinengewehre 50 000 habe, statt der 280 Geschütze 12 000. An
Gewehre» habe es zwar 1,5 Millionen abgeliefert und die Hälfte
davon bereits zerstört, es unterliege jedoch keinem Zweifel, dah noch
außerordentlich große Bestände in den HäNd?n «der Bevölkerung
seien. Der Besitz -der Gewehre sei ein politisches Gefahrmoment
von außerordentlicher Schwere.
Die Alliierten erwartetem von der deutschen Regierung bis
morgenvormlttagbestimmtePläne, wie sie die Aus-
veferung dieser Waffen und die Herabsetzung des Heeres auf
100 000 Mann bewerkstelligen wolle. Reichskanzler Fehr en -
vach betonte hierauf die Schwierigkeit der Aufstellung eines weite-
ren Planes. Wenn die Alliierten Deutschland Vertrauen schenkten
und ihm die Machtmittel belassen würden, dann würde es den Wün-
schen der Alliierten weiter entsprechen können. Tin scharfer Weise
erwiderte Lloyd George, dah die Alliierten klare Toten und
ochsern wollten. Dis Konferenz von Spa habe es für zweckmäßig
Malten, sich geschäftlich zu unterhalten. Das sich Noten schicken
Halle keinen Zweck mehr. Minister Dr. Simons erwiderte, es
m zweifelhaft, ob bis morgen vormittag bestimmte Pläne vsrgelegt
werden könnten. Lloyd George erwiderte, man werde uns
genügend Zeit lasten. Nächste Sitzung: Mittwoch nachmittag
^4 Wr.
Berlin, 7. Juli. (Privakmeldungen.) Berl. MorgeM. Der
Emdruck, den die 4 ^stündige Sitzung in Spa von gestern in Ber-
uh hinterließ, war, wie der „Berl. Lok.-Anz." berichtet, der, dah
me Konferenz ein ernstes Stadium erreicht habe. Bei Beginn der
Sitzung habe es so ausgesehen, als ob die Verhandlungen über-
haupt abgebrochen würden, als Lloyd George die Rede des deut-
schen Reichsministrrs so verstand, als ob Deutschland den Vertrag
van Versailles nicht erfüllen wolle. Der Außenminister Dr. Si-
mons habe dann die Situation gerettet, indem er die Erklärung ad-
Sab, dah Deutschland ja den Vertrag erfüllen wolle, daß man nur
einen gemeinsamen Weg finden müsse. Die zweite scharfe Zuspitzung
erfolgte, als Llvyld Georgs die Ausführungen des Reichskanzlers
damit beantwortete, dah er erklärte, die Alliierten wollten endlich
klare Ziffern sehen. Minister Simons erwiderte, daß er nicht be-
stimmt sagen könne, ob bis zu dem festgesetzten Termin, nämlich
heut« vormittag, er diese Ziffern liefern könnte.
Dem „Berl. Tagbl." wird aus Spa berichtet, es würden sehr
umfangreiche Anstrengungen gemacht, um eine Atmosphäre von
Mißtrauen und der Verdächtigung gegen Deutschland zu schaffen.
On keinem Moment seit dem Waffenstillstand sei der Druck der
deutsch-feindlichen Elemente in England und Frankreich so stark
gewesen wie jetzt.
Berlin,?. Juli. Wie der „Vorwärts" von gut unterrich-
teter Seite hört, endete die zweite Sitzung in Spa ohne Emvernch-
Men. Das Programm des Rrichswehrministrrs scheine keinen Bei-
kall gefunden zu haben.
In einer Unterredung mit dem Reichsjustizminister, dir rin
Pressevertreter mit ihm hatte, sagte Dr. Heinz e, die Entente
werde Aufklärung darüber haben wollen, wie weit die Unter-
iuchunggegendieKriegs Verbrecher fortgeschritten sei.
-üir haben getan, was wir tun konnten. Die deutsche Regierung ist
vemüht gewesen, auch in diesem Punkte die von ihr übernommenen
Verpflichtungen loyal zu halten. Die Untersuchungen werden sehr
genau geführt. Unsere Richter sind unparteiisch.
Spa, 6. Juli. (Wolff.) In den Ausführungen aller belgi-
Ichen Blätter zeigt sich angesichts der bevorstehenden Erörterung der
Aage der Wiedergutmachung eine gewisse Nervosi tä t.
Man fürchtet in belgischen Kreisen anscheinend, daß der belgische
^vrrang auf sofortige Zahlung von 2)4 Milliarden irgendwie hin-
fvegdisputiert oder durch Schaffung neuer Prioritäten wertlos wer-
konnte.
,. Besonders wird diese Ansicht in einer Unterredung ausgedrückt,
jch der „Soir" mit den Ministern Iaspar und Hysmans
»alle. Iaspar erklärte: „Vor allem möchte ich Ihnen sagen, dah ein
?a"ptpunkr, der bisher von niemanden, wenigstens förmlich be-
wurde, den.man aber bereits in gewissen Kreisen diskutierte,
filfstl, oh Belgien sofort 2HL Milliarden erhalten. Belgien wird
auf die Priorität dieser 2t^ Milliarden verzichten. Durch ein
o ° " b e r a b k vmme n, das am Tage vor der Unterzeichnung
öriödensverlrages von Versailles abgeschlossen wurde, erhielt
srika - "vn den Vereinigten Staaten, von Frankreich uNd Groh
ZabSn^" die formelle Zusicherung, dah wir bei der ersten deutschen
M vorweg eine GeldentschLdigung in Höhe von 2)6 Milliar-
üese f "wn. Belgien unterzeichnete den Frieidensbertrag, weil es
-fsj^llvlniellx. Zusicherung bekam, und weil die Alliierten sich ver-
vivdk- 'hm die Kriegsschulden zu ertasten. Lieber diesen Punkt
aie belgische Regierung niemals mit sich handeln lassen."
Mki ÄkMW Mer MWM MlWWM.
Irr der
Denkschrift über die Zahlungsfähigkeit
Deutschlands für die Wiedergutmachung
die von der Deutschen Regierung der Entente vor der Konferenz
von Spa Übergaben wurde, wird dargslegt, daß das deutsche
Volksvermögen vor dem Kriege von vielen Seiten
überschätzt worden ist. Auf Grund der Veranlagung zum Wehr-
beitrag wird man es für dis Zeit vor dem Kriege auf etwa 220
M i l l ia r d e n M a r k G o ld beziffern dürfen. Dieses Vermögen
ist durch den Vertust der Kolonien, der Unternehmungen im Aus-
lande der Abtretungen usw., durch die Wirkungen von Krieg und
Kriegsfolge sehr stark vermindert worben.
Aus diesem vermoderten Vermögen ist die Wiedergutmachung
zu leisten. Da Deutschland seiner Schiffe und seiner Auslandsgut-
haben verlustig gegangen ist, kann die Zahlung im wesentlichen
nur durch die Ausfuhr von Waren beglichen werden.
Ist die deutsche Volkswirtschaft imstande, die mit der Wiedergut-
machung 'verbundenen Lasten zu tragen?
Die Bevölkerung ist an Zahl und Leistungsfähigkeit zuröckge-
gangen. An Stelle der früheren Arbeitsfreudigkeit ist Unruhe und
Arbeitsunlvst in viele Kreise getreten.
Die Denkschrift schildert den Zustand der verschiedenen Zweige
der deutschon Volkswirtschaft. Die deutsche Landwirtschaft hat einen
großen Teil ihrer Leistungsfähigkeil verloren.
Die deutsche Indu st r i e hat eine dreifache Aufgabe
zu lösen. Sie muß der industriellen Bevölkerung, die nicht aus-
waNdern kann, Arbeitsgelegenheit geben. Sie muß nach
Wegfall der aus Schiffahrt und Kapitalanlagen im Ausland stam-
menlben Einkünfte die Bezahlung der deutschen Ein-
fuhr ermöglichen sie muß überdies die Ware für die Wiedergut-
machung liefern. Auch die deutsche Industrie hat aber eine ihrer
Grundlagen, Eisen, fast zu verloren. Die LcussHe Kohlenpro-
dukkio» ist 1919 auf 108 Millionen öder 57 Prozent der Förderung
von 1913 gesunken. Durch den Verlust von Oberschlesien würde
Deutschland mindestens die Verfügung über weitere 18 Millionen
Tonnen im Jahr verlieren. Die Wirkung jeder möglichen Steige-
rung der Förderung wurde dadurch aufgehoben.
Abgesehen von wenigen begünstigten Industrien, wie etwa der
chemischen Industrie, wird die deutsche Industrie mehr und mehr
zu einer V e r e d el ung si n d u st ri e. Diese Veredelungsindu-
strie muß ihrs Rohstoffe durch die Ausfuhr von Fertigsäbrikaten
bezahlen. Nur wenn die Industrie mit voller Kraft arbeiten kann,
wiüd sie das können und dabei genügend Ware für den inneren
Markt zur Verfügung haben.
Das deutsche Verkehrswesen ist zerrüttet.
Dem deutschen Handel ist durch den Krieg und seine Folgen
ein gutes Teil seiner Kapitalkraft genommen.
Hat man daher wie eingangs erwähnt das Volksvermögen
vor dem Kriege mit 220 Milliarden angenommen, so wich man
heute nach den Abtretungen im Osten und Westen, nach Verlust der
gesamten Handelsflotte, nach Abstoßen der ausländischen Wert-
papiere, nach Verbrauch aller Warenvorräte und nach sechsjähriger
Abnutzung aller Produktionsmittel höchstens von 100 Mil-
liarden reden können. Davon sind noch Auslandsschulden ad-
zuziehen, die 8—1V Milliarden erreichen dürsten.
Den verminderten produktiven Kräften steht allein aus dem
Warenverkehr eine Verschuldung von etwa 50 Milliarden Mark
gegenüber. Dies« Waren sind teils auf Kredite gekauft, teils mit
Banknoten bezahlt Wochen, von denen etwa20 Milliar-
den Mark im Ausland sein dürften. Für die nächste Zeit
wird man mit einer deutschen Ausfuhr von vielleicht 35—40 Mil-
liarden Mark Papier rechnen können. Ihr steht eine Einfuhr von
vielleicht 80 Milliarden Mark an Lebensmitteln und Rohstoffen
gegenüber. Dis deutsche Handelsbilanz ist also
passi v. Sie kann nur aktiv 'werden, wenn die deutsche Industrie
in so großem Umfang zu arbeiten vermag, daß sie zur Deckung des
inneren Bedarfs ausreicht und die gesamte Einfuhr bezahlen kann.
Sie kann erst wieder aktiv werden, wenn Deutschland sich völlig
erholt hat.
Im Gegensatz dazu setzt aber die Erfüllung des Friedensver-
trags eine ctkrive Handelsbilanz voraus.
'Alle Leistungen der deutschen Volkswirtschaft an andere Volks-
wirtschaften müssen schließlich aus dem Haushalt des Reichs bezahlt
werden, dem der Steuerzahler die nötigen Mittel zur Verfügung
stellen muß. Gelingt es nicht, so muß eine wilde Kredit-
wirtschaft mit zunehmender Inflation eintreten.
Die Gesundung der deutschen Volkswirtschaft ist ohne Gesun-
dung des deutschen Geldwesens nicht möglich. Die Gesundung des
deutschen Geldwesens hängt von der Regelung der deutschen Finan-
zen, insbesondere von der Regelung der schwebenden Schulden ab.
Die Regelung des Finanzwesens wird endllich von der Höhe und
der Form der Esrkschädigungsverpflichrung bedingt. Die Steuern,
insbesondere die direkten Steuern, sind sehr stark angeschwollen.
Die indirekten Steuern lassen sich zur Zeit nicht wesentlich er-
höhen. Man kam, nicht durch Verbrauchsabgaben dm Konsum
verteuern, während man gleichzeitig 10 Milliarden Mark zu seiner
Verbilligung rinsetzen muß.
Die kritische Lage des deutschen Finanzwesens kann auch nicht
durch das Gewaltmittel eines Tlaatsbankerotts gerettet werden. Da
große Menge» Kriegsanleihe in den Händen kleiner Leute sind, die
ein Staatsbankerott in das Lager der sozialen Anarchie treiben
würde, und das ganze deutsche Wirtschaftsleben auf Kredit aufge-
baut ist, so würde ein Staatsbankerott Len völligen Zusammenbruch
sozial und politisch zur Folge haben. ...
Die Ausführung des Friedensvertrags in der jetzt vorliegenden
I?nn wird die deutsche Finanzwirtschaft noch weiter gefähüden.
Geht man von einer rein finanziellen Belastung von nur 60 Mil-
liarden Mark Gold durch Len Friebensvertrag aus, so würde ein
Haushalt vojir 4 Köpfen etwa 40 000 Mk. schulden, das macht zu
einem Satz von 6 Prozent 2400 Mk. im Jahr. Da die heurige Be-
steuerung bereits einen Bedarf von über 30 Milliarden Mark im
Jahr Vorsicht, würde der Haushalt von 4 Personen unter den be-
stchendeu Voraussetzungen mit Jahresleistungen von 4400 Mk.
belastet sein. Dabei hakten im Jahre 1918 81,21 Prozent der preu-
ßischen Steuerzahler ein Einkommen von nicht über 3000 Mk. Ins-,
gesamt würben mindestens 2,4 Milliarden Mark Gold oder 2k
Milliarden Mark Papier das deutsche Budget belasten. Das kam
unter den heutigen Umständen nur dadurch geschehen, baß die deut-
sche Regierung neue schwebende Schulden ausgibt.
,, Die Zerrüttung Les deutschen Finanzwesens ist das naturge-
mäße Ergebnis des Krieges und seiner Folgen. In dieser Be-
ziehung ist Lie Lage Deutschlands von derjenigen anderer Länder
Nicht grundsätzlich verschieden. Der grundlegende Unterschied seiner
Stellung liegt Larin, daß es infolge des Friebensoertrages nicht dir
Möglichkeit hat, Mittel und Wege frei zu wählen, Lie zur Gesun-
dung seines Wirtschaftslebens und zur Rettung seiner Finanzen
führen können.
Ohne wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit mit anderen Völkern kann Deutschland Weber sei«
Wirtschaftsleben aufbauen, noch feine Finanzen ordnen. Ohne
Ordnung seiner Finanzen ist die pünktliche Erfüllung seiner Ver-
pflichtungen unmöglich. Wird Deutschland seine wirtschaftliche Be-
wegungsfreiheit wiedergegeben, dann ist zu hoffen, daß sein arbeits-
gewohntes Volk alle Kräfte zum Wiederaufbau seines wirtschaft-
lichen Lebens einsetzm wird.
Die
Denkschrift de» IrLrchrfmartzrnMiftermrnr über
die Sterrerbelastung
welche die deutsche Regierung am 1. Juli der Friedenskonferenz
übergeben hat, unterrichtet über die Entwickelung der Reichssteuern
während des Krieges bis zum Abschluß der Reform Les direkten
Abgabensystems. Sie zeigt, auf welche Weise Deutschland versucht,
einen eigenen Bedarf an Steuern von annähernd 32 Milliarde«
Mark durch laufeirde Steuern zu befriedigen. Die Denkschrift be-
tont, daß schon vom fiskalischen Standpunkt aus dieser ungeahnt
hohe Bedarf zu einem Steuerdruck führen müßte, der bis an die
Grenzen des überhaupt Möglichen reichen würde. Dies gegenüber
einer Wirtschaft, die durch den Krieg an Rohstoffen und Gütern
verarmte, deren Ernährungsgrundlagen durch die großen Gebiets-
abtretungen empfindlich geschwächt wurden und der durch den
Waffenstillstand und Friedensvertrag gewaltige Lieferungen auf-
erlegt wurden. Hierzu kam, daß das deutsche Wirtschaftsleben nach
Friedensschluss nicht auf eigenen Füßen stehen konnte, sondern große
Posten an Nahrungsmitteln und Rohstoffen vom Ausland einzu-
sübrcn hatte. Für Liese Verbindlichkeiten waren die Gegenwerte
nicht vorhanden, zumal der Friedensvertrag fast alle deutschen For-
derungen im Ausland beseitigte. Die Folge dieser Verschuldung
war di« Valutarntwertung, die ihrerseits zu einer Steigerung der
Preisniveaus führte. Die Lebenshaltung ist durch diese Erschei-
nungen auf einen Grad her Teuerung geführt, der als unerträglich
bezeichnet werden muß. Wie sehr allein die Teuerung auf die Ge-
staltung Les Steuerbeidarfs in Reich, Gliedstaaten und Gemeinden
wirken mußte, zeigt ein Posten im Reichshaushalt, nämlich dir
Ausgabe von 3 Milliarden Mark für Besolduugsaufbesseruugen.
Aber das Ziel der großen Steuerreform in Deuöschll-and dürfte im
Hinblick auf die veränderten wirtschaftlichen «mH sozialen Grund-
lagen nicht allein Larin liegen, Einnahmen zu erschließen. Es kam
vielmehr die zweite, für die ruhige staatliche Entwickelung Deuffch-
lands unerlässliche Voraussetzung hinzu, nämlich den gewaltigen
Steuerdruck nach den Prinzipien der Leistungsfähigkeit auf die
Steuerpflichtigen und ihre Wirtschaft zu verteilen. In erster Linie
stand -daher die Reform der direkten Steuer auf Vermögen, Ein-
kommen und Vermögenszuwachs. Wenn auch die indirekten Steuern
vorerst nur eine sekundäre Rolle spielten, so bedeutet das nicht, daß
sie nicht ausgeschöpft werden. Das geht schon aus dem Vergleich
der Erträgnisse Mischen den direkten und indirekten Steuern hervor.
Es werden nach Len amtlichen Schätzungen aufgebracht in einem
Beharrungszustand, d. h. also in einer Lag«, die als stetig bezeichnet
Es halten sich also die direkten Steuern aüf der einen und di«
indirekten Steuern mit den Zöllen auf der anderen Seite etwa bas
Gleichgewicht. Dieses Steueraufkommen soll erreicht werden, denn
der Bedarf von Reick, Ländern und Gemeinden, der auf wenig-
stens 32 Milliarden veranschlagt ist, kann aus keiner anderen Quelle
befriedigt werden als aus Lear lausenden direkten und indirekten
Steuern und Zöllen. Die Ersparnisse auf der ÄusgabeseM sind
strengstens durchgeführt, aber sie lassen sich bei einer Reche von
Posten nicht bewerkstelligen. Go weisen vor allen Dingen die gro-
ßen Betriebsunternchmen des Reiches, die Eisenbahn und die Post,
die höchsten Milllaüdendefizite auf. Sie gehe» bis zu 13 bzw. heute
16 Milliarden Marit.
wird, folgende Summen:
1920
1913
in Millionen
in Millionen
Mark
Mark
Direkte Steuern
15 250
2130
IndirÄte Steuern
13 200
1328
Zölle
2 500
679
30 950
4137