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Heidelberg, Oiensiag, 2S. Mai 1LS20
Nr. » 2. Jahrgang
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Einberufung der SoZiaUsterungskomrrrission.
Erlaß des Reichspräsidenten.
Die angekündigte Verordnung des Reichspräsidenten über die
Einberufung der SozialisierungskomMissivn, ist wie wir hören, gestern
erschienen. In einigen Blättern war die Ansicht verbreitet, daß die
Arbeiten der Kommission erst jetzt nach diesem Erlast beginnen wür-
den. Demgegenüber erfahren wir, daß die Kommission auf Grund
des Märzabkommens mit den Gewerkschaften seit vielen Wochen
offiziell arbeitet und in erster Linie die folgenden Wirtschafts-
gebiete bereitsinAngriff genommen ha:
1. Kohle, Eisen, Kali.
2. Energiewirtschaft.
3. Kommunalisierung.
4. Allgemeine Wirtfchastsprobleme.
Jedes dieser Arbeitsgebiete ist einem besonderen 'Ausschuß über-
wiesen, der das Recht hat, zu seinen Arbeiten die hervorragendsten
Sachverständigen aus dem deutschen Wirtschaftsleben zuzuziehen.
Um den Ergebnissen der Untersuchung den höchstmöglichen Grad der
Zuverlässigkeit zu sichern, ist der Sozialisierungskommifsion das
Recht zugewiesen, von den Bestimmungen über dis Ausk u n fts-
pflicht Gebrauch zu machen. Die Kommission soll höchstens 30
Mitglieder umfassen. Die Ergänzungen zu den bereits genannten
21 Mitgliedern erfolgen in der Weise, dast aus der Kommission
Vorschläge an das Reichswirtfchaftsministerium gerichtet werden,
das dann die neuen Mitglieder beruft. So ist inzwischen neu hin-
zugekommen der frühere Oberpräsident von Ostpreu-
ßen, BatockI.
Die Konferenz in Span am 21. Juni.
Berlin, 23. Mai. (W.-B.) Wie Wolffs telegraphisches
Bureau in letzter Stunde von amtlicher Seite erfährt, hat der hiesige
großbritannische Geschäftsträger in Auftrage der Regierungen von
Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien dem Reichskanz-
ler heute eine Note übermittelt, in der die Verlegung des Termins
der Konferenz von Spaa auf den 21. Juni vorgcksHlagen und das
Einverständnis der deutschen Regierung dazu erboten wird.
Die internationale Finanzlonferenz.
Paris, 24. Man. (W.B.) Nach einer „Temps-Meldung
,us London erfährt man -von autorisierter Seite: Die internatio-
nale Finanzkonferenz in Brüssel wird am 5. oder 6. Juli zusammen-
treten. Die Verhandlungen werden öffentlich sein. 25 Nationen,
darunter Deutschland und Oesterrnich, sind vertreten. Die Konferenz
selbst wird bestimmen, ob dis Vertreter Deutschlands und Oester-
reichs Stimmberechtigung haben oder nur beratend zugekass-en wer-
den. Der Berichterstatter glaubt, daß die Finanzminister der ver-
schiedenen Staaten den Beratungen beiwohnen werden.
Reichspräsident Ebert an Vis Hessen.
Darmstadt, 22. Mai. (W.B.) Der Reichspräsident
Ebert richtete an den Staatspräsidenten Ulrich folgendes Schreiben:
Nachdem die Eittentetruppen das Gebiet des Volksstaates geräumt
haben, beeile ich mich, Ihnen, Herr Staatspräsident und dem hessi-
schen Volke meine herzlichsten Glückwünsche auszusprechen. Eine
schwere Zeit liegt hinter Ihnen. In würdiger Haltung hat der hes-
sische Bruderstcmm die Bedrückungen der Gegner ertragen und allen
Versuchungen, Erleichterungen zu erkaufen, widerstanden. Sie, ver-
ehrter Herr Staatspräsident, sind an der Spitze der Landesregie-
rung in der Betätigung vaterländischer Treue dem Volke vorange-
gangen und haben mannhaft und entschlossen Uebergriffe abgewehrk.
Ich "weist mich eins mit dem ganzen deutschen Volke, wenn ich den
Hessen für ihre tapfere Haltung in diesen trüben Wochen herzlichen
Dank sage. Möge auch diese Zeit dazu beitragen, das Volk mehr
und mehr zusanrmenzuschweihen!
Endgültige GrenzregMerrmg zwischen
Deutschland und Dänemark.
Paris, 22. Mai. Wie verlautet, ist die Ent-
scheidung in der Schleswig-Frage heute getroffen
und zwar soll die neue Grenze mit der Clausen-Linie
zusammenfallen. Außerdem soll Deutschland unter
Teilnahme der alliierten Hauptmächte mit Dänemark ein
Abkommen über den Minderheitsschutz abschlie-
ßen, um die Rechte der dänischen Minderheiten
in den Gebieten zu sichern, die bei Deutschland bleiben.
Paris, 24. Mai. (Havas.) Der Unfall des Prä-
sidenten Deschanel wird offiziell wie folgt dargestellt: Der
Präsident war trotz des Unfalles am 23. Mai, abends 9.20
Uhr vom Lyoner Bahnhof im Sonderzuge, begleitet vom
Minister des Innern Steeg nach Montbrison abgereift.
Kurz nach dem der Zug die Station passiert hatte, öffnete
Deschanel das Schlafabteil, um frische Lust zu schöpfen.
Hierbei fiel er kopfüber in den Sand, während der Zug
die Fahrt fortsetzte. Deschanel konnte zu Fuß bis zur
nächsten Bahnstation weitergehen. Hier wurde der Unter-
Präfekt von Montargin benachrichtigt, der den Präsidenten
nach der Präfektur brachte. Der Präsident trug am Gesicht
eine leichte Verletzung davon. Minister Steeg reifte zur
Denkmalsenthüllung rach Montbrison weiter.
Unfall des Präsidenten Deschanel.
Paris, 24. Mai. (Wolff.) Havas. Der Präsident
Deschanel erlitt auf der Reise nach Montbrison, wohin
er sich zur Enthüllung eines Denkmals für den gefallenen
Flieger Senator Raymond begeben wollte, einen Unfall.
Er fiel während der Fahrt auf ein Eisenbahngleis. Die
Verletzung ist nicht schwer. Der Präsident wurde im
Automobil nach Montargis gebracht-
M Mk NM M iM MMklW.
Ein ernstes Wort em alle Wähler und Wählerinnen.
Von den bürgerlichen Parteien wird vor der Wahl wieder null
viel von dem drohenden Gespenst des völligen Zu-
sammenbruchs erzählt. Die Absicht ist, den deutschen Wähler
graulig zu machen rrrch die Hasen in die Küche der Reaktion zu
treiben.
Deutschland wandelt nach dem militärischen Zusammenbruch
und der Niederlage, verschuldet durch den Wahnsinn der Alldeut-
schen und ihrer bürgerlichen Gefährten, andauernd am Rande des
Abgrundes, und Zu jeder Stunde droht uns die Gefahr des Abstur-
zes, der völligen wirtschaftlichen Zerschmetterung. Mit zäher Kraft
und starkem Mute hat das deutsche Volk am Wiederempsrkommen
gearbeitet, hat Besserungen erkämpft und drängt vorwärts. Lang-
sam und mühselig geht es; aber es geht, und weil ohne starken Glau-
ben und frohe Hoffnung jeder Kampf unnötig wäre, so glaubt das
deutsche Volk in seiner Gesamtheit trotz alledem an die Ueberwin-
dung aller Schwierigkeiten.
Werch ein Damoklesschwert hängt stets die Gefahr wirtschaft-
licher Krisis über dem Haupte des deutschen Volkes. Ein an sich
hocherfreuliches Ereignis, das stete Steigen d.er deutschen
Mark hat neue wirtschaftliche Schwierigkeiten heraufbefchworen
und den Zustand geschaffen, um dessentwillen die bürgerlich-kapitali-
stische Gesellschaft das Gespenst des Zusammenbruchs an die Wand
malt. Das Steigen der Mark müßte naturnotwcndig ein Fallen
derPreiserm Gefolge haben, müßte einen Preissturz zeiti-
gen, wenn nicht der sonst zuverlässige Preisregulator, das Nachfrage-
und Angebotverhältnis, durch dir durch die «allgemeine Warenknapp-
heit bedingte Monopolpreisstellung aller Waren ausgeschaltct würde.
Die Nachfrage für alle Bedarfsartikel ist wegen der zu hohen Preise
geringer als das Angebot, die Ware bleibt liegen, die menschlichen
Bedürfnisse bleiben unbefriedigt, die Warenmengen, die nicht im ent-
ferntesten den tatsächlich vorhandenen Warenhunger stillen können,
können nicht abgesetzt werden, werden aufgrstaprit und wirken stö-
rend auf die Produktion. Wir produzieren überall in der Welt
nach rein kapitalistischen Grundsätzen, es wird nicht im geringsten
nach den Bedürfnissen der Allgemeinheit, sondern einzig und allein
nach dem Profit einzelner gefragt. Treten Absatzstockungen ein.
so werden nach dieser „gottgewollten" Gesellschaftsordnung nicht
etwa die Preise herabgesetzt, so wird nicht etwa den Hungrigen zu er-
schwinglichen Pressen gegeben, sondern dieP reduktiv« wird
eingeschränkt, Arbeiter werde» zu Tausenden aus die Straße
gesetzt und die Ware wird durch die Produktionseinstellungen noch
knapper; der unerschwinglich hohe Preis wird gehalten, das Elend
wird vermehrt, das Volk hungert, srisrt und ver-
lumpt weiter. Und all das nur um des Prosits willen, der keine
Rücksicht auf der Menschen Wohl und Wehe nimmt.
Wir befinden uns in Deutschland augenblicklich in einer aku-
te n K r i s e (in der latenten siird wir dauernd), der drohende Preis-
sturz aller Waren verhindert die Ausgabe neuer Aufträge an die
Produzenten, veranlaßt die Zurücknahme alter Aufträge. Fabriken
schränken ihren Betrieb ein, werden geschlossen, Arbeiter und Ange-
stellte werden brotlos. So ist es in der Textilindustrie, in der Le-
derindustrie »sw. Planlos regiert das Emzeliuteresse, wird die
Gesanttwirtschsft sabotiert und die Not des Volkes ins -ntz-
lose gesteigert. Wie nach dieser Richtung von kapitalistischen
Interessentengruppen gearbeitet wird, soll nur ein Beispiel (unend-
lich viele ließen sich anführen) beweisen. Die Aufhebung der öf-
fentlichen Lsderbewirtschaftung trieb bekanntlich die
Schuhpreise auf das Zwanzig- bis Dreißigfache der Friedenspreise,
so daß es den minderbemittelten Bevölkerungskreisen überhaupt
nicht mehr möglich war, auch nur den dringendsten Bedarf an
Schuhwerk zu decken. Da trat jetzt infolge Anhäufung der Leder-
vorräte im Ausland ein wesentlicher Preisstur; ein
Statt daß nun der deutsche Lcderhande! alle Hebel in Bewegung
gesetzt hätte, diese günstige Konjunktur im Interesse des deutschen
Volkes auszumihen, ist das direkte Gegenteil zu verzeichnen. Die
deutschen Ledersabrikanten stellten an die Regierung das Ersuchen,
die Einfuhr von ausländischem Leder zu verbieten, nm die deutsche
Lederindustrie zu schützen! Und die deutschen Schuhfadrikanten be-
antragten dis Ausfuhr von Schuhwaren aus Deutschland nach dem
Auslande zu gestatten, weil das zahlungsfähige deutsche Publikum
seinen Bedarf gedeckt hätte, während die minderbemittelten Kreise
die heutigen Schuhpreise doch nicht zshlen könnten!!!! Der deutsche
Wirlfchaftsrat hat allerdings diesen Forderungen nicht Rechnung ge-
tragen; er gestattete die unbeschränkte Enrfuhr von Schuhleder und
verbot die Ausfuhr von Kchuhwerk.
Das ist nur ein Beispiel, das klar und drastisch zeigt, wie die
Interessen der kapitalistische» Wirtschaftsordnung den Interessen des
Volksganzen feindlich gegenüberstehen und darum vom ganzen
Volke bekämpft werden müssen.
DasöeutscheVolkist arm geworden, so arm, daß
es sich den Luxus der kapitalistischen Profitausschreitungen nicht mehr
leisten kann. Es muß im Interesse des ganzen Volkes mit der zügel-
losen kapitalistischen Profilwirtschaft gebrochen werden. Nur dann,
dann kann uns der Zusammenbruch, das schreckliche Ende erspart
bleiben. Das sehen selbst einfüchtige Köpfe im kapitalistischen Lager
ein. So sagte Walther Rathenau, der Direktor der Allge-
meinen Elektrizitätsgesellschaft, auf der Generalversammlung dieser
Gesellschaft am 8. Mai in Berlin:
„Wir stehen heute unter einer schwerindustriellen Diktatur. Ich
persönlich glaube, daß eine Gesundung unserer deutschen Wirtschaft
erst dann in vollem Umfange möglich fit, wenn an Stelle einer un-
geregelten und ungezügelten Wirtschaft des privaten Monopols und
-es wilden Handels eine geordnete, organische, nach klaren Grund-
gedanken geleitete Wirtschaft geschaffen wird."
Und Georg Bernhard, der Chefredakteur der „Voss.
Ztg." schrieb dieser Tage in einem Artikel im „Plutus" ähnliches
und sagt schließlich am Schluß des Artikels: „Die Furcht vor dem
„Sozialismus" und di« dadurch bedingte Propaganda der freien
Wirtschaft bringt so das Chaos des Bolschewismus."
Sehr richtig sagt hier Bernhard, daß d»s Fortwursteln nach
den alten kapitalistischen Maximen und der freien ungezügelten, plan-
losen Wirtschaft denZusammenbruchbringenrnutz.Das
deutscheVolkwill aberleben, willdiesenZusam-
menbruch nichtun dkannihn verhindern, wen ne s
entschlsssendeneinzigrichtigenAuswegausder
Not wählt und zur sozialistische» Wirtschaft, zu»
planmäßigen Gemeinwirtschaft übergeht.
Anfänge zur Gemeinwirtjcbaft sind schon gemacht worden,
durchsetzen und weiterentwicklen konnten sie sich bisher darum nicht
weil stets und ständig diebürgerliche Mehrheit derNa-
tionalversammlung dagegen stand; die Demokraten ge-
nau so wie die Konservativen. Im Interesse unseres wirtschaftlichen
Fortbestehens, im Interesse des ganzen Volkes muß der neue Reichs-
tag aber eine Mehrheit bekommen^ dick für die Durchführung der Ge-
meinwirtschaft eintritt. Von allen Parteien ist es nur die Sozial-
demokratie, die für die rettende Gemeinwirtschaft kämpft, ihr müssen
alle Arbeiter, Angestellte, Beamte, alle Nichtkapitalisten, am 6. Juns
ihre Stimme geben.
Wahlaufruf drr sozialdemokratischen Partei.
Im „Vorwärts" veröffentlicht die Sozialdemokr. Partei ihren
Wahlaufruf, der gleichzeitig Rechenschaft über die Tätigkeit der
Partei ablegt und in dem Sah gipfelt: Nur ein Reichstag, in dem
die sozialdemokratische Partei die ausschlaggebende Macht ausübt,
könne die Entmilitarisierung, die Demokratisierung der Verwaltung
und die Sozialisierung der dazu reifen Betriebe durchführen.
Hochschule und Krone.
Angesichts der Tatsache, baß Spätbyzantiner auch heute noch
deplaziert die Verdienste von alten reichen Kronen und Krönchen
nm die Wissenschaft stark übertrieben denjenigen der jungen armen
Republik gegenüberstellen, mag ein Urteil interessieren, bas dek
Karlsruher Professor Dr. Willy Hellpa ch m einer interessanten
Arttkelserie über die Karlsruher Technische Hochschule -um Verhält-
nis von Hochschule und Krone äußert. Der bekannte Forscher und
Psychologe schreibt:
„Der aste Staat, den so mancher Hochschullehrer als ein
Ideal von Sachlichkeit, Leistungswilligkeit, Anständigkeit und Er-
folg preisen zu müssen glaubt, hat in der Angelegenheit (räumliche
Verhältnisse der Technischen Hochschule) gar nichts getan.
Er konnte schwer etwas Vernünftiges tun, w e il f e i n e e i g e n e
Spitze, die Krone, der Technischen Hochschule zwar mit
sicherlichen platonischen Sympathien gegenüberftand, aber mit
ihrem eigenen Grundbesitz bem Schützli n g zu -
gleich jede organische Wa ch s tu m s m ö glicht e i^
versperrte."
Dieser eindeutige Hinweis auf 'das Vorausstellen von materiel-
len Bssitzinleressen über hingebungsvoLem Idealismus dürfte
nicht nur aufilärenK wirken, sondern auch einen Beitrag über Ma-
terialismus und Idealismus bei den obersten Zehntausend liefern.
Rechtsparteien und Generalstreik.
Einer der Hauptschsager der Deutfchnationalen und der ihnen
verbündeten Deutschen (Liberalen) Volkspartei bildet der Hinweis
auf den zur Bekämpfung des Kapp-Putsches ausgerufenen General-
streik. Wenn dieser Generalstreik auch für jeden deutschen Republi-
kaner angesichts der bedroht«» Verfassung eine Selbstverständlichkeit
war, so dürste es doch interessant sein, festzustellen, daß auch für die
Rechtsparteien der Generalstreik eine nationale Tat fein kann.
Die „Frankfurter Zeitung" erhält nämlich eine Zuschrift aus Kreuz-
nach, die hierzu folgende passende Erinnerung ausgräbt!
„Ich wundere mich, daß man sich nicht mehr erinnert, baß
im -vergangenen Jahr, als i-n einigen- Städten des besetzten Gebie-
tes die RheinifcheRepublik ausgeruf-en wurde, sich spon-
tan alle Kreise der Bevölkerung -in Wiesbaden, Mainz, Aachen
und anderen- Plätzen zum Generalstreik zusammsnfanben -und daß
dadurch die Bestrebungen Dortens -vereitelt wurden., Damals
fiel es den Herren- -der Rechten nicht ein, den Generalstreik zu
verurteilen, im Gegenteil, er wurde allgemein als nationale
Tat gepriesen. Wenn damals der Generalstreik als politisches
Abwehr-mittel berechtigt war, so war er es nicht weniger im Fall
Kapp, wo dem Bestand des Staates in noch höherem Maße Ge-
fahr drohte als im Fall Dorten. Allerdings wird der Stand-
punkt der Rechtsparteien dadurch beeinflußt, daß sich die Bestre-
bungen der Herren Kapp und Genossen der inneren Billigung
der Rechtsparteien erfreuen."
Diese Feststellung beleuchtet die Haltung der Rechtsparteien zu-
treffend, indem er zeigt, -daß diese den Generalstreik beim Kapp-
Putsch nur deshalb bekämpfen, weil er sich gegen die verfassungs-
brüchigen Offiziere richtete und sich durch seinen Erfolg als wirk-
samste Maffe der Arbeiterschaft offenbarte.
PZlWnON, silk M BW.