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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 171 - Nr. 180 (27. Juli - 6. August)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung -er Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Ginsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbifchofsheim und Wertheim.

Verantwort.: Aürlnnereu. Sußerepolitik, Volkswirtschaft u. Jeuilleton: Or -
>nr für Vokale«:
!l. in Heidelberg
b.H., Heidelberg
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Heidelberg, Mittwoch, 4. August 4920
Nr. 42S * 2. Jahrgang

^Ul»»irrru. tiuprrrj,o»nr,^>o»owirrschaftu.i
G.Krausr für Kommunales u. soziale Rundschau: Z. Kal)
2.D.: I. Kaknr fÜr di»Anzeigen: H. Hoffmayn, sÄmtl
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Die 2. MMtimlk M dkl UWM.

Genf, 3. Aua. Der Kongreß setzte heute vormlitag seine
Arbeiten fort, ein Besprechung -er von her Kommission «inge-
-rachten Resolution über --ie Stellung -er Internationale
sum Völkerbund erklärte -er Schmede Engbjerg, daß
-er Völkerbund zwar sehr -er Verbesserung bedürftig sei, -aß her
heutige Zustand Europas aber -och nicht so beunruhigend sei wie
vor dem Jahre 1914. Troeistra (Holland) kritisiert -ie Reso-
lution, -ie gestern mitgeteitt wurde, als zu wenig scharf gefaßt
Segen -en Völkerbund. Er tadelt vor allem, -ah Sowjetrußland
vom Völkerbund ausgeschaltÄ ist und bekämpft insbesondere hie
Bestimmungen des Völkerbundes, nach >-er nur diejenigen Nationen
»ugelassen werben, di« ihren Versprechungen nachkommen. Dieser
Passus bezog sich im Jahre 1919 auf Deuffchland, setzt kann er sich
nur noch auf Rußland beziehen. Stauning (Dänemark) übt
ebenfalls scharfe Kritik an -em Vertrag von Versailles und am
Völkerbund und erklärt, daß die nationale Uneinigkeit heute größer
ist denn je. Aufgabe -es So-ialistenkongresses ist es, aus diese
Tatsache hinzuweifen und dagegen Stellung zu nehmen. Bern-
stein (Deutschland) erklärt, daß -er Vertrag von Versailles für
die Deutschen eine große Enttäuschung bedeute, weil die Alliierten
der deutschen Republik gegenüber dieselbe Stellung einnehmen wie
früher gegen das kaiserliche Deutschland. Die deutsche Revolution
R aber durchaus ernstzunehmen und sie war nicht etwa ein Versuch,
sich der Verantwortung zu entziehen. Durch die Revolution wurde
in Deutschland der politische Schwerpunkt vollständig verschoben,
obwohl zugegeben werden muß, daß noch immer dieselben Menschen
vorhanden sind. Der Vertrag von Versailles versetzt dem Selbst-
bestimmungsrecht -er Völker einen sehr schweren Schlag. (Lebhafte
Zustimmung.) Durch -en Friedensvertrag sind Parianationen ge-
schaffen worden, -ft man als minderwertig betrachtet. Wenn man
von Deutschland als 'von einer Verbrechernation spricht, so muß
demgegenüber ftstgestM werden, daß es keine Nationen von Ver-
brechern gibt, sondern -aß Irrtümer und Verbrechen in allen Natio-
nen byganmn werden. Deutschland, das ernstlich den Frieden will,
ist soziÄrstische Republik und als Nation durchaus ehrlich. Aller-
dings sind Waffen verborgen, sowohl auf der äußersten Linken wie
,auf -et extremen Rechten. Dadurch wird aber nur die Ruhe im
Innern bedroht. Gegen einen eventuellen Einmarsch im Osten kann
Deutschland sich nicht schützen. Eine Abänderung -es Versailler
Vortrags und de» Völkerbundes kann nur durch eine internationale
Aktion der Massen erreicht werden, die allein den Frieden Europas
sichern können. Bernstein empfiehlt sodann die Resolution der Kom-
mission zur Annahme. (Starker Beifall.)
G e n f, 3. Aug. Am Nachmittag erledigt« der Kongreß in
verhältnismäßig kurzer Verhandlung die wichtige Frage der Ver-
losung -es Vorortes von Brüssel nach London. Der Antrag
ist von dem bisherigen Parteisekretär Huysmans ausgegangen^md
von den Engländern unter Vorbehalt der Zustimmung ihrer Ver-
bände angenommen worden. In 'der Debatte äußerte der Belgier
Bandervelde Bedenken gegen die Verlegung des Vorortes
Vach London. Er fürchtet, daß die englische Partei ln -der Inter-
natwnale das siebergewicht erhalten werde, zumal da die Stimmen-
zahl -er übrigen Landesvertretungen wegen der Spaltungen inner-
halb ihrer Verbände herabgesetzt worden ist. Er befürwortet des-
halb, -en Vollzugsausschuß so zu erweitern, -aß den übrigen Län-
dern eine Vertretung gesichert sei. Im Namen der Deutschen er-
härt Wels, es war« vielleicht besser gewesen, Amsterdam
Lum Vorort zu wählen, wo sich bereits der Sitz des Internationa-
len Gewerkschaftsausschusses befindet. Er widersetze sich jedoch der
Verlegung -es Vorortes nach London nicht, mache aber die eng-
lischen Genossen darauf aufmerksam, daß der englische und der
amerikanische Kapitalismus infolge des Krieges di«
Vorherrschaft in der Welt erlangt habe und -aß infolgedessen auch
-en englischen Arbeiterorganisationen die erste Verantwortung für
die Fortführung des Kampfes der sozialistischen Internationale
gegen -en internationalen Kapitalismus zufalle. Der General-
sekretär Huysmans begründete sodann seinen Vorschlag, Lon-
don zum Vorort zu wählen. Er bemerkte, daß der neue Vollzugs-
ausschuß aus neun Mitgliedern bestehen soll, die vom Kongreß noch
Su ernennen sind. Es sei also nicht notwendig, daß die Engländer
die Mehrheit erhalten. Es sei auch vereinbart, daß der Sekretär
vorläufig in Brüssel bl-ei-e, daß aber der Ausschuß des Verban-
des regelmäßig monatlich in London zusammentrete. Huysmans
hält -ie Verlegung d«s Vorortes nach London besonders deshalb
für nötig, weil die Internationale nur fortbestehen könne, wenn sie
durch seinen Wiederaufbau auf neuer Grundlage die ausgeschiede-
Uen Sektionen zum Wiederanschluß bestimmen könne. Dazu seien
Verhandlungen nötig, und zur Führung dieser Verhandlungen be-
sitze nur die englische Partes-as nötige Ansehen. Huysmans stellte
sodann den Kongreß vor die Alternative, für oder gegen Moskau
Stellung zu nehmen. Bisher habe die Sozialdemokratie die Sow-
'rtrsgierung schonen müssen, weil sie sich' zu verteidigen hatte, heute
lei -je Sowjetregierung eine Großmacht geworden und es wäre
feige, di« Stellungnahme gegenüber Sowjetrußland wiederum hin-
Auszuschieben. Der Vorschlag 'der Verlegung des Vorortes nach
- on - on wurde unter dem Eindruck dieser Erklärung einstimmig
"»genommen. Die Engländer selbst und ein Teil der Belgier
«Msielten sich der Abstimmung.
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion zur
Kriegsschuldfrage des Genfer Kongreffes.
Berlin, 3. August. Die bereits veröffentlichte Re-
solution des Ausschusses des Genfer Kongresses über die Kriegs-
fchuldsrage hat innerhalb der sozialdemokratischen Reichstags-
traktion lebhaftes Befremden hervorgerufen. Man hält

es für ausgeschlossen, daß die inzwischen vollzählig am
Kü'rtgteßort erschienen? deutsche Delegation ihr zustnnmt.
Der Fraktionsvorstand sandte gestern nachmittag den
deutschen Vertretern in Genf folgendes Telegramm:
„Fraktionsvorstand hält Zustimmung der deutschen
Delegation zu Genfer Ausschußantrag für unmöglich,
da Archive anderer Länder nicht geöffnet find und des-
halb solches Urteil über Schuldfrage ganz einseitig
und ungerecht wäre."
Internationaler Bergarbeiterkon-retz.
Genf, 3. Aug. Den Vorsitz führte Sachse, Mitglied -es
Vorstandes -es deutschen Bergarbeiterverbawdos. Der Präsident
begrüßt zu Beginn -er Sitzung -ie anwesenden Schweizer Vertreter.
Gewerkschaftssekretär Schürch -entbietet -em Kongreß die Grüße
der schweizerischen Arbeiterschaft. Die schweizerische Arbeiterschaft
verfolge mit größtem Interesse die Verhandlungen -es Bergarbeiter-
kongresses in -er Erkenntnis, -ah in Genf über wichtige Fragen
entschieden werde. Zur Verhandlung gelangt alsdann der Antrag
-er Engländer über -i« Nationalisierung der Berg-
werke. Generalsekretär Hobge begründet -en Antrag und er-
klärt, daß die englische Forderung auf Nationalisierung -er Berg-
werke identisch sei mit den Wünschen -er Deutschen auf Sozialisie-
rung -er Bergwerke. Beide bezweckten die Beseitigung -er Macht
des Kapitalismus und die Beseitigung der Bureaukratie im Berg-
bau und -en llebergang derselben in -ie Verwaltung einer Körper-
schaft, in der Vertreter -er Arbeiter, der Konsumenten und -es
Staates vorhairden sind. Die Nationalisierung allein könne uns aus
der Weltkohlennot herausführen. In den letzten sechs Jahren sei
die Produktion um 400 Millionen Tonnen zurnckgegansen Einzig
Amerika weis« eine bescheidene gesteigerte Produktion auf. Die
Lage m Europa sei geradezu trostlos und man könne nur mit ern-
ster Sorge in -ie Zukunft blicken. Infolge -es gewaltigen Rück-
ganges der Kohlenerzeugung sei der Kohlenpreis ungeheuer in die
Höhe geschnellt, und wenn dieser Zustand anhalle, so werde es immer
schwieriger rvbrden, -ie Lage -er Arbeiterschaft zu verbessern. Darum
müsse -er Kohlenbergbau in -en Allgemeinbesitz übergeführt wer-
den. Der internationale Kohlenrat, wie ihn -ie Deutschen Vorschlä-
gen, werde nur dann einen Zweck haben, wenn -ie Nationalisierung
durchgeführt werde. Der internationale Kohlenrat werde die Pro-
duktion zu regeln, die Preise seftzusehen und -le Verteilung vorzu-
nehmen haben. Wenn Deuffchland -en Sechsstundcntag für not-
wendig halte, so sei er für Belgien und Frankreich ebenso notwendig.
(Beifall.) Der heutige Kongreß müsse die Grundsätze -er Inter-
nationalen beschließen, während die Einzelheiten -en Organisationen
-er einzelnen Länder überlassen bleiben müßten.
Gens, 3. Aug. Der Kongreß nahm in der Nachmittags-
sitzung -ie Berich!« -er einzelnen Delegationen über die Arbeits-
bedingungen und Lohnverhältnifse entgegen. Dabei verwies der
Vorsitzende -es deutschen Bergarbsiterverbanbes, Hue, auf die
außerordentliche Teuerung, unter der die deutschen Bergleute zu
leiben haben. Eine Besserung ihres Loses hänge nicht allein von
Deutschland, sondern auch, und zwar in viel größerem Maßstabc,
von der Haltung -er Entente ab. — Bei der Mandatsprüsung teilte
der Vorsitzende mit, -aß -er Kongreß 2 606 217 Bergleute vertrete.
Zum Schluffe der Sitzung gelangte ein Brief der Bergleute
des Saargebietes zur Verlesung, in welchem diese die- fran-
zösischen Kameraden bitten, bei 'der französischen Regierung zu ver-
mitteln, damit nach deutschem Muster Ferien eingeführt werden,
was -ie französische Regierung abgelehnt habe.
Genf, 3. Aug. Imbusch (Deutschland), vom christlichen
Bergarbeiterverband, -er, wie gestern Hue, von -er englischen De-
legation lebhaft begrüßt wurde, erklärte, -aß der Vorschlag der
Engländer auf Nationalisierung -er Bergwerke bei den deutschen
Delegierten großen Beifall gefunden habe. Deutschland wünsche
dringend, -aß die Frage einer Lösung entgegengeführt werde. Red-
ner gibt einen sieberblick über die Verhältnisse im deutschen Bergbau
und sagt, daß in Deutschland auch Staatsbetriebe vorhanden sind,
so im Saargebiet und in Oderschlesien, -aß diese Betriebe aber nicht
sehr produktiv find, weil sie zu bureaukralisch verwaltet werden.
Notwendig sei die Herbeiführung einer möglichst hohen Produktion
mir möglichst geringen Kräften. Privatintereffsn der einzelnen dür-
fen im Bergbau nicht ausschlaggebend sein. In Deutschland ist ein
Gesetz über die Kohlenwirffchaft erlassen worden, durch das die
verschiedenen Reviere in Syndikate und -ie Syndikate in -en
Neichskohlonoerban- zusammengeschloffen sind. Die obtrste Be-
börde ist der Reichskohlenrat. Das Betriebsrätegesetz räumt -er
Arbeiterschaft eine gewisse Mitwirkung bei der Verwaltung ein.
Aber der Gewinn fließt aus diesem System immer noch dem ein-
zelnen zu.
Regelung der Donaufrage.
Paris, 3. Aug. Gestern nachmittag wurde die in
verschiedenen Friedensverträgen vorgesehene internationale
Konferenz, die die Grundlagen der internationalen Ver-
waltung der Donau festlegen soll, eröffnet. Zum Vor-
sitzenden wurde der französische Bevollmächtigte Legrand
ernannt. Auf der Konferenz sind vertreten: Deutschland,
Belgien, Frankreich, England, Griechenland, Italien, Ru-
mänien, Südslawren, die Tschecho-Slowakei, Österreich-
Ungarn, Bulgarien. In einer Havasnote wird bei Deutsch-
land hinzugefügt „für Bayern und Württemberg". Die
Arbeiten der Konferenz beginnen am 4. August


werben und die Arbeiter unter seinen Schutz u>ch Schi:
zu stellen, damit sie vor den schweren Gefahren des S >
l' " ' ' ' - --
-er christlichen Lehre sei.
gen auf, die Verehrung
v

Eine neue Kampfansage Roms
gegen -en Sozialismus.
Das Motu proprio des Papstes.
Kr. H ei - el - »rg, 4. August.
Der „Offervatore Romano" veröffentlicht ein Motu
proprio des Papstes, worin angeordnet wir-, dM
läßlich des 5V. Jahrestages der Ausruftuw --- » , -, -.
"«2o s«ph MM Schubbei'M §er katholischen Kirch«
in der ganzen Welt feierliche Zeremonien veranstaltet
werden sollen. Das Motu provrio wesst auf die Ge-
fahren und die Verwüstungen hin, die wett schlimmer
als die des Krieges, der Welt durch jene Lehren drohten,
welche die Menschen Mein zur Eroberung materieller
Güter antrieben, die Klassen -er bürgerlichen Gesellschaft
gegeneinander stellten und so Unordnung und Unheil
unter den Menschen bervorriefen. Der Papst verurteilt
das Nachlassen der SiMchkett und fordert -ie Christen
auf, für den Kult des Kirchenpatrons Sankt Joseph zu
werben und die Arbeiter unter seinen Schutz uM Schirm
zu stellen, damit sie vor den schweren Gefahren des So -
zialismus bewahrt würden, der -er größte Feind
----- - - - - Der Papst fordert die Gläubi-
.. Verehrung der heiligen Familie zu ver-
ketten, deren Oberhaupt der heilige Joseph sei; denn
die Familie ssi die Grundlage der menschlichen Gesellschaft.
Konuk man in Rom Ne Grundlagen und Ziele -es Sozialis-
mus nicht oder will man aufs neu« dokumentieren, daß die Kirche
sich schützend vor das Interesse des Kapitals, -er kapitalistischen
'Klassengesellschaft gegen die Arbeiterschaft stellt? Sv muß man sich
fragen, wenn man den neuesten Erlaß -es Papstes zu Gesicht be-
komm!'! Ausgerechnet in -em Moment, wo seit zwei Jahren in
Deutschland Zentrum und Sozialdemokratie Schulter an Schulter
gemeinsame Sozialpolitik getrieben haben, wo Kirche und Sozia-
listen in der verschiedensten Weise sich zu nähern begonnen haben,
wo -ie gesainte Arbeiterschaft, christliche wie sozialistische, den ge-
meinsamen Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung -er Entente
führt — ausgerechnet in diesem Moment sagt der Papst -em So-
ziasismus als dem größten Feind -er christlichen Lehre -en
Kampf an.
Welches sind denn dis schweren Gefahren -es Sozialismus,
vor denen der Kult -es heiligen Joseph -ie Arbeiter bewahren soll?
Nun, -er Papst gibt ja selbst die Antwort: Der Sozialismus treibe
die Menschen allein zur Eroberung materieller Güter an, er stelle
die Klassen der bürgerlichen Gesellschaft gegeneinander und rufe so
Unordnung und Unheil unter -en Menschen hervor. Man faßt sich
an den Kopf, wenn man solche Sätze lesen muß vom Haupte -er
christlichen Kirche. Weiß -enn der Papst nichts von -en kulturel-
len Zielen und Arbeiten -es Sozialismus und davon, daß die So-
zialdemokratie -ie materielle Hebung -es Proletariats nur erstrebt,
weil -as die notwendige Grundlage für ein höheres, menschenwür-
digeres Dasein ist? Und was die Gegeneinan-erstellung der Klassen
anbelangt: ja, wer hat denn -ie Klassengesellschaft geschaffen, wer
hat Bauern und Handwerker expropriiert und zu industriellen Lohn-
sklaven gemacht, wer hat Grauen und Kinder aus -er Familie in
die Fabriken getrieben? Doch nicht etwa -er Sozialismus, sondern
die kapitalistische Entwicklung. Ist es vielleicht christlich, -aß die
Schätze der Erde heute Eigentum einzelner sind, für deren Profit
Millionen im Schweiße ihres Angesichtes arbeiten müssen? Da-
gegen kämpft der Sczialismus; an Stelle der ausdeutenden Klassen-
gesellschaft will er dir klassenlose Gemeinschaft aller fetzen, und wir
Sozialisten bilden uns ein, daß dieser unser Kamps christlicher ist,
als der Kampf, den der Papst vom Rom -em Sozialismus ansagl
Und wie steht es mit dem Niedergang der Sittlichkeit? Nicht
wir Sozialisten haben Liebe, Ehe und Familie untergraben, haben
die Gewerbe -er modernen Lustbefriedigung geschaffen, haben den
Krieg mit all seiner Demoralisation verursacht, sondern wieder ist
an all dem schul- -er profitgierige Kapitalismus, -en wir als un-
seren Todfeind bekämpfen!
Und in diesem Kampfe fällt uns der Papst in den Röcken! Hat
vielleicht das zweitausendjährige Christentum die Kriege zu verhin-
dern vermocht, hat nicht vielmehr -ie Internationale -er Kirche ge-
rade in diesem Weltkrieg völlig versagt?
In Nr. 139 des „Pfälzer Boren" vom 21. Juni 1920
schreibt der kat'hol. Phriosophieprofessor Geyfer über das, „Wes
vor allem notwendig ist": „Die Stoßkraft der Sozialdemokratie ist
überwunden, wenn es gelungen sein wird, in Deutschland wieder
zufriedene Menschen zu schaffen. Das ist freilich keine
leichte Aufgabe. Denar, wann werden -ie Menschen einmal wirklich
zufrieden sein? Sie werd«« es nie ganz sein können ohne Religion.
Nur wer Religion hat, an Golt und an ein Jenseits glaubt, kann
auch 'die Mühen und Nöten dieses Lebens, -ie Standesunterschiede
und die ungleiche Verteilung der irdischen Güler mit Zusriedenhrtt
iragen."
Also hier haben wirs mit aller nur wünschenswerten Deutlich-
keit: „Wer Herr ist. bleibe Herr, wer Knecht ist, bleche Knecht."
Dazu soll die Religion verhelfen. Diese Worte dürfen wohl den
Kommentar abgebsn für -as Motu proprio -es Papstes. Die
Religion soll dazu mißbraucht werden, dir ungerechten Klaffen-,
Standes- und BesitzunLerschiede der kapitalistischen Gesellschaft zu
rechtfertigen, dem Kampf der Arbeiterschaft um gerechte Gemein-
wirtschaft den Wind aus den Segeln zu nehmen und -en katholi-
schen Fürsten und Baronen und schwerindustriellen Kapitalmagna-
ten ihren Besitz zu erhalten. ... ,
Wir müssen schon sagen: -er Papst hat sich mit dieser Kampf-
ansage -em Christentum und insbesondere der Kirche einen recht
schlechten Dienst erwiesen. Alle diejenigen, die eben erst in sich das
Mißtrauen gegen Religion und Kirche zu überwinden begennen,
werden aufs neue in schärfste Feindschaft argen diese Institutionen
 
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