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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 181 - Nr. 190 (7. August - 18. August)
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Tageszeitung für die werttätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Ginsheim, Sppingen, Eberbach, Mosbach, Buche», Adelsheim, Boxberg
Tauberbischofsheim und Wertheim.


Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn S.— Mk. Anzeigenpreise:
Vie einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 80 pfg., Reklame-Anzeigen
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Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8 — Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11 —12 Ähr.
Postscheckkonto KarleruheNr. 22S77. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Donnerstag, 12. August 1920
Nr. ISS * 2. Jahrgang

Verantwort!.: Für.innereu. äußerepolltik,Dolkswirtschaftu. Feuilleton: Oe.
«.KrauSr für Kommunales u. soziale Rundschau: Z. D.:O. G ei beh für
Lok : O. Geibel, für die Anzeigen :H. Hoffmann, sämtl. in Heidelberg
Druckund Verlag derllnterbadischen Verlagsanstalt G. m.b.H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstroße ZS.
, Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 267Z, Redaktion 2S4S.

Die Aktion der 2. Internationale.

Beschlüsse des Exekutiv-Kornitees.

Genf, 8. Aug. Das Exekutiv-Komitee der Inter-
nationale ha: sich Freitag vormittag konstituiert. Es hat sei-
nen Etat aufgestellt umld in- Ausführung eines vom Kongreß ange-
nommenen Vorschlages von de Broucksre sine fünfglied-
rige Kommission (bestehend aus einem Engländer,
einem Franzosen, einem Belgier, einem Holländer
und einem Skandinavier) eingesetzt, die damit beea-uftragt
ist, die Wirftchaftsverhältnifse in den Ländern Mitteleuropas zu un-
tersuchen und sich zu ihrem Zwecke mit allen Arbeiterorganisationen
«n Verbindung zu setzen. Es hat endlich die drei Resolutionen, die
ihm vom Kongreß überwiesen worden sind, folgendermaßen formu-
liert:

1. Resolution über das Selbstbestimmungsrecht der Völker
Im Augenblicke, wo der russisch-polnische Konflikt einen neuen
europäischen Krieg zu entfesseln droht, spricht der Kongreß die An-
sicht aus, daß alle Bemühungen der Arbeiterklasse dahin gerichtet
werden müssen, den Frieden zu schaffen und zu festigen, was nur
möglich ist auf der Grundlage des freien Selbstbestimmungsrechts
der Völker.
Zahlreiche Völker sind noch immer unterdrückt oder bedrohe,
vb es sich nun z. B. um Aegypten, die Völker Klein-
Asiens oder des Kaukasus handelt. Die Unabhängigkeit
dieser Völker muß sichergestellt werden.
An einzelnen Orten wird sogar die bereits errungene Kn-ab-
hängigkeit durch bewaffnete» Angriff bedroht.
Der Kongreß, der gegen die gegen die Sowjet-Reubsik gerich-
teten Offensiven Protest erhebt, protestiert auch gegen die russi-
sche Okkupation von Gebieten, die anderen Völkern gehörten, wie
Azerbaidjans, dessen Unabhängigkeit anerkannt werden muß.
Er lädt die Untersuchungsko m miss ion, die sich nach
Transkaukasien begibt, ein, einen Bericht über Azerdai'dsan
wbZuIfasien, der ihm als R-ichffchnur bei späteren Mionen dienen
könnte.
Er protestiert gleichfalls gegen die Okkupation litauischer
Gebiete durch Polen und gegen die Unterdrückung der SeG-st-
berwaltungsor-gane Litauens durch die russischen Besatzungtruppen
und er fordert nachdrücklich die Durchführung des Wischen Ruß-
land und Litauen am 12. IM 1920 abgeschlossenen Vertrages.
Er lenkt ferner die strengste Aufmerksamkeit aller Sektionen
der Inbernational-e auf die Lage Polens, dessen Bestand be-
droht ist. Dessen Unabhängigkeit seit jeher einen der grundlegenden
Prvgrammpunkte der Internationale gebildet hat.
Er ist der Ansicht, daß ein gerechter Friede die Unabhängigkeit
Polens sicher stellen muß, aber er protestiert gleichze-ftig kräftig ge-
sten joden Versuch, die gegenwärtigen Ereignisse als einen Vorwand
der Einmischung in die Angelegenheiten Rußlands zu benutzen.

Der Krieg im OsteZr.
Die Not Warschaus.
B erli n, 12. Aug. (Priv.-Tel.) Das llmgehu-ngr-niL-növer im
Norden und Süden von Warschau soll sich, wie den Morgrn-Mttem
gerichtet wird, mit großer Schnelligkeit eMwiMn. Im Norden siNd
me Polen bereits bis Sold.au zurü-ckgegangen. Die Not der War-
schauer Bevölkerung ist auf ihrem Höhepunkt angelangt, ebenfalls
der Wucher. Die Lebensmittel wurden restlos beschlagnahmt. Die
Eisenbahnfahrkarien befinden sich in den Händen von Schiebern,
dre sich Mr eine Fahrkarte Warschau-Danzig -bis zu 4000 Mk. zah-
pn lassen. Ostpreußen wird von bolschewistischen Propagandisten
uberstutst. Die auf Warschau marschierenden Roten Truppen sollen
ven> ppchsihen DerkeidigungÄrästen angeblich um das fünffache
überlegen fein.
A m st e r d a m, 11. Aug. Rach einer Warschauer Meldung
Mos die amerikanische Gesandtschaft alle amerikanischen Bürger,
Ar -nicht aus dringenden Gründen zu bleiben gezwungen sind, an,
Erschau heute nacht zu verlassen.

Mlaroa bolschewistisch.
Königsberg i. Pr., 12. Aug. Ueber die Lage auf dem
Msisch-polnischen Kriegsschauplatz -an der Grenze Ostpreußens wird
VeLich.et, Mlawa ist eüdgMig in- die Hände der Bolschewisten ge-.
Een. Dst Polen zogm sich auf Svld-au zurück, in dessen- Um-
Te-bu-ng sie Befestigungen ausheben-.

Die russtfcherr Bedingungen.
Paris, 11. Aug. Die gestern abend in der Sitzung des
Unterhauses von Lloyd George übermittelten Friedensbedingungen
"er Sowjetregierrmg an Polen lauten nach dem „Daily Herald"
folgt:
, ,1. diepoknischeArmee darf nicht ein Viertel des Iahres-
°ütinge,ttes von 50 000 Mann übersteigen;
2. der polnische Generalstab und sätmliche Offiziere
M alle Verwaktungsbeamte dürfen zusammen höchstens 10 000
^l-nn stark sein;
. 3. die polnische Armee ist sofort nach -er Unterzeichnung
ves Aaffenstillstarrdsvertrages zu demobilisieren. Alle Waffen und
Munition, die für die Armee nicht erforderlich sind, werken an
^owjetrußland und die Ukraine ausgeliefert.
. 4. die Waffen- und Munitions-Industrie wich
',iort stillgelegt und es dürfen weder Waffen noch Kriegsmaterial
dem Ausland in Polen eingefübrt werden:

2. Resolution zur Iudensrage.
Der Kongreß schließt sich den Schlußfolgerungen >der Stuibien-
kommWon an, die die Lage der Juden in Polen untersucht hat.
Diese Schlußfolgerungen sind in dem dem Kongreß Vorgelegen Be-
richt folgendermaßen gefaßt:
Nachdem die Kommission das tatsächliche Vorkommen der Po-
grome und der Greuel in den Jahren 1918 und 1919 festgestellt hat,
erhebt sie dagegen neuerdings einend internationalen Protest.
Sie stellt fest, daß ihres Wissens, und abgesehen von den jüng-
sten, ihr nicht bekarMien Ereignissen, seit der letzten Resolution der
Internationale eigentliche Pogrome nicht wieder vorgekommen sind;
aber sie konstatiert, daß der Antisemitismus, der noch immer in Po-
len herrscht, zu neuen Unruhen in Polen führen könnte, wenn die
polnische Regierung nicht energische Maßnahmen ergreif:, um die
tagtäglich von der Soldateska begangenen Ausschreitungen, die die
langranteste Vergewaltigung der menschlichen Persönlichkeit dar-
tellen, einzudämmen. Sie erwartet von allen Ländern, wo Juden
n großen Si-edeLmgen beisammen wohnen, wie -in Polen, daß sie
die folgenden Forderungen durchführen:
1. Die vollständige bürgerliche und politische Gleichstellung;
2. Die gleichmäßige Behandlung der jüdischen Bevölkerung
-in den Ländern, die sich im Wiederaufbau befinden;
3. Sv wie es in den herrschenden Staabsverträg-en vorgesehen
ist, sollen die Juden als eine Minderheit den internationalen Schutz
gegen körperliche Verfolgung und wirtschaftliche Unterdrückung ge-
nießvn.
4. Dis Freiheit der Aus- und Einwanderung.
Dio Kommission empfiehlt weiter, daß ein System der Selbst-
verwaltung auf Grund von Pettouenregistern in den NativM-
staa-sn geschaffen wenden, die den Minderheiten der Rassen, der
Sprachen und der Religion die Organisation ihrer Kultur und ihrer
Gemeinden ermöglichen.
Sie nimmt Kenntnis von -der Schaffung eines nationalen Zen-
trums der Juden in Palästina unter dem Schutze und der Kontrolle
des Völkerbundes, die über di« berechtigten Interessen der anderen
Mlker dieses Landes wachen und sie schützen soll. Sie hoff:, daß
die jüdischen Arbeiter in Palästina durch ihre Einigkeit -und durch
ihre Aktion es verstehen werden, eine sozialistische Republik zu ver-
wiMchen.
3. Resolution über Ungarn.
Der Kongreß begrüßt die Rückkehr der ungarischen Genossen
zu den demokratischen Grundsätzen der Internationale. Er prote-
stiert mit Entrüstung gegen den weißen Schrecken der Militäraktion,
gegen die Verfolgung der Arbeiter, die in Gefängnissen und Inter-
nierungslagern schmachten, gegen die Todesurteile, die auf Grund
einer Parodie eines Rechtsverfahrens gebracht werden und gegen
die Hinrichtung der Verurteilten.

5. die Eisenbahnlinien Wolkovice-Bialystok-Krajewo werden
Rußland zum Zwecke des Handelsaustausches von und nach dem
Baltischen Meere zur Verfügung gestellt;
6. die Familien der in diesem Kriege verwundeten oder ge-
fangenen Soldaten erhalten vom Staat Land;
7. gleichzei 1 ig mit der Demobilisation des polnischen Hee-
res ziehen sichrujsische und ukrainische Truppen ans Polen
zurück. Die Waffenstillstairdslmie wird diejenige sein, dir in der
Note an Lord Curzon am 21. Juli angegeben wurde. Die polnische
Armee geht 50 Klm. westlich dieser Linie zurück;
8. die endgültige Grenze des zukünftigen polnischen
Staates wird ungefähr dieselbe sein, die in der gleichen Note fest-
gesetzt worden ist; doch wird Polen besonders im Osten neue Ge-
biete erhalten und namentlich in der Gegend von Bialystok und
Lholm
Lloyd George zu den russischen Friedens-
bedingungen.
A m ft erha m ,12. Aug. Nach der Verlesung der russischen
Friebeusböbingungen bemerk:« Ll-oyd George: Sofort nach dem
Empfange der Bedingungen brachte ich die Note der französischen
und italienischen Regierung zur Kenntnis. Wir haben der polni-
schen Regierung unseren ersten Eindruck mitgeteN, halten aber nicht
für angebracht, weitere Bemerkungen darüber hinaus zu machen,
da dieses Hedeule» wüÄe, daß wir der politischen Regierung di«
Verhandlungen aus der Hand nehmen. Wir sind aber der Mei-
nung, daß eine neue Lage entstanden ist.
Generalstreik der englischen Arbeiterschaft.
London, 12. Aug. Der Aktionsausschuß der Arbeiter, die
von der Rede Lloyd Georges nicht befriedigt sind, beschlossen sür
Freitag eine nationale Konferenz der Arbeiter einzuberufen, um
über die von der organisierten Arbeiterschaft zur Bekämpfung des
Gegenkrieges mit Sowjetrutzland zu befolgenden Politik, die nötigen-
falls auch dis Proklamierung des Generalstreiks umfassen wird, zu
beraten.
Begegnung Lloyd Georger mit Giolitti.
Paris, 11. Aug. (W.B.) Nach einer Havasmsldung,
die dis Pariser Abendpresse wiedergibt, wird Giolitti nnt
Lloyd George gegen den 20. August in Luzern zusammen-
treffen. Die Begegnung Millsrands mit Giolitti findet in
Aix-les-Bains zwischen dem 6. und 10. September statt.

Reichswirtschaftsrat.
Berlin, 11. August.
Die vereinigten Ausschüsse des RÄchswirtschafisrats für Wirtschaft»-
und Sozialpolitik letzten heute die Besprechung ber Vorlage des Unter-
ausschusses zum Antrag Wissel über d« Förderung ber produktiven Eo-
wechslosenfürsovge angesichts der Belri«sWisgungen fort. Mit der
Vorbereitung des Gesetzes über eine Abgabe zur Förderung des Woh-
nungsbaues (Meisten«) würbe ber Unterausschuß ber genannten beide»
Ausschüsse betraut. Die zweite Lesung des Antrags Wissel soll am Frei-
tag ftattfinden. In der heutigen ersten Lesung drehte sich di« Debatte
hauptsächlich um !di« Frage der Ursachen ber hohen Warenpreise und die
Mittel, eine Preissenkung herbeizuführe«.
Abg. Keinath (Zentralverband bes Großhandels) sieht di« Ur-
fache der hohen Preise entgegen ber Meinung bes Unterausschusses in de»
hohen Arbeitslöhnen, di« die Rohstoff« rnrb insbesondere die Kohle ver-
teuern. Abhilfe erwartet er von einem freien Markt.
Abg. Wissel bestreitet dies, da die Arbeitslöhne nur um ein Zehn-
tel, die Rohstoffe aber um neun Zehntel im Warenpreis enthalten seien.
Abg. Kommerzienrat Wa l! e r st ei n - Offenbach nimmt die In-
dustrie und iusbesonber-c die Schuhindustrie gegen den Vorwurf unange-
messener Gewinne m Schutz und schildert di« Schwierigkeiten der Kalku-
lation, zumal an eiben Lohnabbau nicht zu denken sei. Vielmehr sei als
Ausgleich für den Steuerabzug vielfach -ein« Lohnerhöhung bis zu 20
Prozent erzwungen worden.
Abg. K a u f m a n n - Hamburg (Vertreter der Konsumenten) sicht
den Weg zur Gesundung nur in einer freien Konkurrenz und betont den
Unterschied zwischen Zwangswirtschaft und Sozialisierung.
Geheimrat W e ig e rt vom Reichsarbtttsmimsterium dankt dem Un-
terausschuß für die Vorarbeiten, die bei dem Wirtschaftsprogramm ber
Regierung Beachtung finden würden. Das Zwei-einhalbfache der produk-
tiven Errverbslosenunt-erstützung solle für Nosstandsardeiten verwendet
werben. Der Vorschlag des Unterausschusses für -den Zusammenschluß
Erwerbsloser zu Arbeitsgemeinschaften sei zu begrüßen.
Abg. Dr. Rösick« (Vertreter der Landwirtschaft) hält bi« ver-
kürzte Arbeitszeit für «inen schweren Fehler und macht bi« Lohnerhöhun-
gen für die -hohen Preise mit verantwortlich. Er erwartet eine Besserung
nur von gesteigerter Arbeitsleistung.
Abg. Tarnow (Industriearbeiter) ist der Ansicht, nicht bi« Löhne,
sondern die Rohstosfpreise fci«n die Ursache der hohen Warenpreise. Nie-
mals habe die Profitfucht solche Orgien gefeiert wie in Deutschland.
Abg. Dr. Zeitlin (Schutzverdand deutscher Schriftsteller) sicht
aus dem Ausschußbericht -leider wenig Möglichkeit zu praktischer Arbeit.
Die RoWoffpreife dingen hauptsächlich vom Ausland ab. Wenn die
Produktion verbessert weiden solle, müsse man die unproduktiven Betrieb«
schließen. Schließlich bleibe als praktisches Ergebnis nur die Fortdauer
der Erwerbslosenunterstützung übrig. Aus den Ausschußvorschlägen solle
bas Destillat herausgezogen werden, was praWsck bi« Arbeitslosigkeit
verhindern könne.
Abg. Redakteur Feller weist daraus -hin, daß produktive Er-
wcrbslosenfürsorge nur ein neues Wort für Nvtstaitdsarbeiten sei, baß
aber Notstandsarbeiten wie Kanalbauten mit unserer Un-anzlag« nicht
zu vereinbaren seien. Das beste Mittel sei die Umstellung der Produk-
tion auf den dringend notwendigen Bedarf. Wenn die Industrie nicht
selbst -daz-ukommen könne, solle sie mit dem Mittel ber Kohlezuteilung da-
zu veranlaßt werden.
Mg. Wissel: Also Planwirtschaft! (Heiterkeit.)
Prof. Dr. E nd r-e s wendet sich gegen die kn Ausschußbericht emp-
fohlene Sozialisierung der Holzwirtschaft.
Abg. Schumacher (Arbeitgebewertreder des Handwerks) sprach
sich im Sinne der Vorschläge des Unterausschusses aus.
Bankbirektor Schwartz erklärt, daß nicht allein wirtschaftspw-
grammatiscke Beschlüsse bes Unterausschusses, sondern nur die prassischen
Beschüsse für di« Industrie zum Beschluß erhoben werben dürften. Di«
Wirtschaft Müsse von- jedem Zwange befreit sein.
Damit schließt die erst« Lesung bes Berichts des Unterausschusses.
Die zweite Lesung findet am Freitag nachmittag 1 -Uhr stakt.

Politische Ueberstcht.
Bayern und die deutsche Neutralität.
Eine sozialdemokratische Erklärung.
Nürnberg, 10. August.
Eine überaus stark besuchte Versammlung der Sozialdemokra-
tischen Par-Sei Nürnbergs nahm gestern Stellung zur Frage der
NeukrÄität Deutschlands. Auf Antrag des Genossen Fischer wurde
einstimmig folgende Resolution- angenommen:
Die Nürnberger Sozialdemokratie erklärt, daß
sie angesichts der Absichten der Entente betr. Durchtranspott von
Kriegsmaterial durch Deutschland, mit alle« ihr zur Verfügung ste-
henden Mitteln für die Aufrechterhaltung der Neutralität Deutsch-
lands eintrelen wird.
Die Nürnberger Sozialdemokratie verlangt von
der bayerischen Negierung eine klare Erklärung, ob sich die bayeri-
sche Regierung für die Neutralität Deutschlands, die im Interesse
des bayerischen Volkes und der bayerischen Arbeiterschaft liegt, ein-
setzen Witt. Die Erklärung des französischen Gesandten und Kes
französischen Generalissimus lassen über die Haltung Bayerns in
dieser Frage starke Zweifel auflommen. Weite Kreise Kes bayeri-
schen Volkes sind daher über die französischen Enthüllungen auss
äußerste beunruhigt.
Die Nürnberger Sozialdemokratie erklärt schon
heute, daß, wenn die bayerische Regierung nicht bald eine unzwei-
deutige Erklärung über ihre Haltung zu den Forderungen der En
tente aus Durchmarsch durch Deutschland gibt, sie die bayerische
Regierung für all das Elend verantwortlich macht, was die
nächsten Tage über Bayern bringen können.
Die Nürnberger Sozialdemokratie sicht ferner
in der Stellungnahme der bayerischen Regierung zur Entwaffnnngs-
srage eine große Gefahr für die Einheit des Reiches.
Die Nürnberger Sozialdemokratie steht aus dem
Standpunkt, daß die Reichseinheit im Interesse der werktätigen
Bevölkerung Bayerns unbedingt gewahrt bleiben muß.
Sie wird ein« Regierung, die in diesen Fragen eine Sonder-
politik betreibt, aufs schärfste bekämpfen.
 
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