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Heidelberg, Montag, 10. Mai 1920
Nr. 107 * 2. Jahrgang
Verschärfung des französischen Generalstreifs.
Die Reichskonferenz.
Von Berlin wirb uns geschrieben:
Die Reichskonferenz der sozialdemokratischen Partei, die am
Mittwoch und Donnerstag in Berlin tagte, war vom Geist der
Zuversicht und Einigkeit beseelt. Auch schwerwiegende sachliche
Differenzen, wie die im Falle Nooke, sind bei aller Schärfe unter
Vermeidung aller persönlichen- Befehdung ausgetragen worden.
Man kann als Ergebnis dieser Konferenz feststell-en, daß in der Par-
tei Meinungsverschiedenheiten über die Grundsätze ihrer Politik
überhaupt nicht -bestehen, daß man -sich aber auch der unermeß-
lichen Schwierigkeiten bewußt ist, die der restlosen Durchführung
dieser Grundsätze unter den gegebenen trostlosen 'Verhältnissen im
Wege stehen, und- daß man aufrichtig genug ist, sie Vor der Öf-
fentlichkeit nicht zu verkleinern. Der Arbeiterklasse ist der Aufstieg
zur Erfüllung «Herr Ideale schwer gemacht, schwerer als es sich
irgend jemand vor sechs Jahren vorstellen konnte. Aber — Mut
verloren, alles verloren! — Daß die sozialdemokratische Partei auch
unter schwierigen Verhältnissen den Mut nicht verliert -und den
Kopf oben behält, hat der Verlauf ihres Vertretertags bewiesen.
Die sozialdemokratische Partei ist gewillt, den Wahlkampf im
Zeichen der Einigung des gesamten arbeitenden Volkes zu führen.
Jeder sozialistisch denkende Arbeiter, der noch ruhiger Ueberlegung
fähig ist, muß einschen, daß unter einer anderen Parole der Sieg
niemals erfochten -werden kann. Die Reichskonferenz hat ihre klare
Einsicht in die Vorbedingungen -des Sieges, in die Notwendigkeit
der Einigkeit durch die Reden fast aller ihrer Redner und schließlich
durch die Annahme der Resolution Braun und Genossen bekundet,
die einstimmig erfolgte. Besonders klar trat -die Abneigung gegen
jede Selbstzerfleischung -der Arbeiterbewegung in der Ablehnung
des Antrages Kaul-Offenbach zutage, der aus der Resolution Braun
jene Stelle streichen wollte, in der gesagt ist, die Partei sei von dem
Wunsche erfüllt, den Wahlkampf nur gegen rechts führen zu müssen.
Der Wunsch, den Streit sozialistischer Richtungen aus dem Wahl-
kampf tunlichst ausschalten zu können, kam in der fast einstimmigen
Ablehnung jenes Antrags deutlich zum Ausdruck.
Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, hängt allerdings von dem
Verhalten- der äußersten Linken ab. Schon war Genosse Scheide-
Mann in seinem Schlußwort genötigt, eine alte Verleumdung der
„Freiheit" zurückweisen zu müssen, nach der es die sozialdemokrati-
schen Volksbeauftragten in den Kämpfen des Winters 1918—19
darauf angelegt haben sollen, Verhandlungen zur Vermeidung die-
ser Kämpfe zum Scheitern zu bringen. Die „Freiheit" hatte am Don-
nerstag morgen diese alte Unwahrheit wiederholt, obwohl sie selbst
erst am Mittwoch abend geschrieben hatte:
Statt gegen die Reaktion zu kämpfen, dem Bürgertum die
Mitläufer abzufagen, die ihrer 'Klassenlage nach zum Prole-
tariat gehören und im- Wahlkampf für den Sozialismus gewon-
nen werden muffen, proklamieren sie den Kampf der Arbeiter
gegen die Arbeiter. Und das nennen sie dann „keine Illusions-
politik treiben", — so wollen sie den Sozialismus zum Siege
führen.
Die „Freiheit" wendet sich mit dieser Brandmarkung gegen die
Kommunisten, -sie kann aber kaum- übersehen haben, daß die Kenn-
zeichnung auch auf die Angriffe der Unabhängigen gegen die So-
zialdemokratie paßt wie der Handschuh auf die Hand. Die Reichs-
konferenz der sozialdemokratischen Partei hat sich vollinhaltlich zu
dem Programm bekannt, „Men die Reaktion zu kämpfen, dem Bür-
gertum die Mitläufer abzujagen, die ihrer Klassenlage nach zum
Proletariat gehören und in dem Wahlkampf für den Sozialismus
gewonnen werden müssen", -sie hat den Kamps der Arbeiter gegen
dre Arbeiter ausdrücklich abgelehnt. Sie ist damit den Weg gegan-
gen, den Vernunft allen arbeitenden Volksgenossen verschreibt, und
ist überzeugt, daß die Massen diesem Ruf zur Einigkeit mit Begei-
sterung folgen werden.
Wenn sie zugleich auch die Bereitschaft der Partei ausgespro-
chen hat, ihre Grundsätze, wonach Demokratie und Sozialismus eine
untrennbare Einheit bilden, nach allen Seiten Hin zu verteidigen,
so hat sie damit nur ausgesprochen, was für jede Partei, die auf
Selbstachtung hält, eine Selbstverständlichkeit ist. Die Grundsätze
der Partei sind nichts anderes als der Ausdruck ihrer U-eberzeugung,
daß sie den richtigen Weg zur Befreiung der Arbeiterklasse weist,
und diese Grundsätze gegen besseres Wissen preisg-eben, hieße, die
Interessen des arbeitenden Volkes selbst opfern. Jener Teil der Ar-
beiter, der glaubt, im Kampf um den Sozialismus auf die Mittel
der Demokratie verzichten zu können, ja, diese verwerfen zu müssen,
wird, burck bittere Erfahrungen belehrt, früher oder später auf den
richtigen Weg zurückzukehren. Selber aus ihm zu bleiben und die
augenblicklich von Schlagworten Verblendeten auf ihn zurückzufüh-
ren, ist unabweisliche Pflicht an der Arbeiterklasse und an -er Sache
des Sozialismus selbst.
Die Reichskonferenz hat für unseren Wahlkampf eine vollkom-
men -klare Situation geschaffen. Sie hat gezeigt, daß die Partei im
Bewußtsein ihrer Kraft und mit gutem Gewissen in diesen Wahl-
kampf hineingeh!. Nicht von Splittern und Trümmern, die einan-
der gegenseitig befehden, sondern nur von einer Partei, die das
Ganze der Arbeiterbewegung in geschloffenen Reihen zum Kampfe
zu führen gewillt ist, kann der Sieg errungen werden. Um ihn
werden- wir am 6. Juni und in den Tagen bis dahin mit dem Auf-
gebot aller Kräfte und mit der alten Begeisterung kämpfen, in der
Zuversicht, daß die Zukunft trotz alledem uns und unseren Grund-
fätzen gehört! . .
Der „Vorwärts" schreibt über den Parteitag der Einigkeit u. a.
Die Probleme der Einigkeit und der Demokratie hangen tiefin-
nerlich miteinander zusammen. Solange die Arbeiterbewegung emlg
war, hätte man es geradezu für eine Scha n d e gehalten, zu glau-
ben, die Bewegung sei außerstande, die Mehrheitdes VoI -
Paris, 9. Mai. (Wolff.) Der Allgemeine Arbeiter-
verband (C. G. T.) beschloß gestern abend, den Streik auf
dieBauarbeite r, Metallarbeiter undTransport-
arb eiter auszudehnen. Zur letzten Kategorie gehören
die Angestellten der Untergrundbahnen, Straßenbahnen,
Autobusse, Kraftdroschken, Spedition und Binnenschiffahrt.
Die C. G. T. wendet sich gleichzeitig in einem Aufruf an
das Publikum, irf dem sie erklärt, die Weigerung der Re-
gierung, die Forderung der Arbeiterklasse in Erwägung zu
ziehen, zwinge dazu, der Streikbewegung eine weitere Aus-
dehnung zu geben. Der Widerstand der Regierung werde
die Aktion der Arbeiter nicht brechen. Das Ziel der Be-
wegung sei, die Herrschenden zur Anerkennung der sozialen
Kraft der Arbeit und der Notwendigkeit zu zwingen, den
Arbeitern den Platz einzuräumen, auf den sie bei der un-
umgänglich notwendigen Reorganisierung der wirtschaftlichen
Tätigkeit des Landes Anspruch haben. Die C. G. T. fordert
die Arbeiter auf, die Bewegung in Ruhe und Ordnung
forkzusetzen.
Paris, 9. Mai. (Wolff.) Die Pariser Blätter bringen
eine Mitteilung des Sekretärs der Gewerkschaften der An-
gestellten der Untergrundbahnen, in oer die An-
gestellten aufgefordert werden, die Arbeit am kommenden
Montag nicht wieder aufzunehmen, sondern Solidarität zu
üben, damit die angestrebte Verstaatlichung der Pariser
Transportunternehmungen erreicht werden. Ferner wird
eine Aufforderung des Bundes der Hafenarbeiter und
Dockarbeiter veröffentlicht, die Arbeit auf unbestimmte
Zeit ruhen zu lassen.
Paris, 9. Mai. (W. B.) Die Gewerkschaft der
Postbeamten Mat heute vormittag in Anwesenheit von
etwa 1000 Personen eine Tagesordnung angenommen, in
der gesagt wird, man werde die Streikenden unter-
stützen, falls es verlangt werden sollte. Einige Blätter
glauben, daß mit einem baldigen Streik der Postangestellten
trotz dieser Tagesordnung nicht zu rechnen ist.
Paris, 9. Mai. (W. B.) Havas meldet über die
Strsiklage: In Cransac und in Decazeville haben
die Bergarbeiter die Fortsetzung des Streiks be-
schlossen. In Montpellier haben 800 Arbeiter heute
Vormittag beschlossen, von Donnerstag ab zu streiken,
um sich mit den im Ausstand ^befindlichen Arbeitern zu
solidarisieren. In Lorient haben die Arbeiter des Arsenals
die Wiederaufnahme der Arbeit beschlossen, da die
Streikbewegung wenig Aussicht auf Erfolg habe.
Pfälzer Bauernschaft u. die Reichsernährnng.
Neustadt, 9. Mai. Hier fand gestern eine Bespre-
ch u n g von Vertretern -er m a ß ge be n d e n Berliner Stel-
l e n mit den Vertretern der pfälzischen Landwirtschaft
statt, um deren Wünsche hinsichtlich des kommenden Wirt-
schaftsjahres entgegenzunehmen. Die Versammlung leitete
stellvertr. Regierungspräsident v. L l i n g en s p e r g. Seitens der
Regierung waren erschienen: G.-Rctt Jaffev. Reichsernährungs-
ministerium. Geh. Rat Neide von der Reichskartoffelstelle; Land-
rat Thieman n von der Reichsgetreidestelle; Herr Davis von
der- Reichsstelle für Fette und Oele; Min.-Rat Dr. Niklas von
der R-eichsfleischversvrgungsstelle; Reichskommiffar v. Starck-
Kodlenz. Geh. Rat Claussen -als Vertreter des Reichsernä'h-
rungsmin-isteriums für das besetzte Gebiet Koblenz, Reg -Rat Dr.
Hirsch vom bayrischen Landwirtschaftsministerium und Reg.-Rat
Pfisterer vom badischen Ministerium. Vertreter der Bauern-
schaft legten im Verlaufe der Besprechung ihre Wünsche dar. Sie
verlangten- in erster Linie unbedingte Freigabe des Ha-
fers, der Gerste, der Hüls e n- und Oelfrüchte. Hinsicht-
lich des Schlachtviehes, der Milch, der Kartoffeln -und des Brotge-
treides seien die Erzeuger mit der Rationierung dieser Pro-
dukte auch fernerhin einverstanden, wenn ihm für seinen
eigenen Bedarfdie nötige Freiheit gewährt wurde. Landrat
Diemann von der Reichsgetreidestelle Berkin erklärte, daß diese hin-
sichtlich der Ernährungsfragen Vorschläge ausgearbeitet habe, die
jetzt dem Reichsrat und der Nationalversammlung zugingen. Die
Brotversvrgung werde im nächsten Jahre noch außerordentlich
schwierig sein. Die Ernis werde in einem Teile des Reiches
schlecht a-usfallen; deshalb muffe die Inlandserzeugung restlos er-
faßt werden. Das führe wieder zur Zwangswirtschaft. Der Land-
wirtschaft wolle man auch durch ein Am lageverfahren ent-
gegenkommen; doch sei es nicht durchführbar, dem Landmann wie
es vorgSschlagen wurde, 20 Prozent der Gerste zubelassen.
Die Freigabe der Hülsenfrüchte werde in die Wege geleitet. Für
die Preisgestaltung in der Brotfrage muffe erst der Ausfall der
diesjährigen Ernte abzwartet werden. - Die Reichsgetreide-
stelle arbeite mit großen Defizits. Die übrigen Berliner Vertreter
erklärten, bei ihren Stollen die Wünsche der pfälzischen Landwirte
nachdrücklichst zu vertreten. Die Vertreter der Bauernschaft gaben
sich mit den Erklärungen der Regierungsvertreter nicht zufrie-
den. Wenn man jetzt die dargebvtene Hand nicht ergreife und die
Bauern nur wieder vertröste, so müßten sie jede Verantwortung für
die Folgen ablehnen. Rog.°Rat Jaffe erwiderte, daß die Vor-
schläge der Landwirtschaft den zuständigen Stellen in Berlin unter-
breitet würden
kes für sich zu gewinnen und mit den Mitteln der Demokratie zum
Sieg zu gelangen. Erst als die Zersplitterung einsetzte, und jeder
Führer jedes Grüppchens versprechen mußte, diesem werde es gelin-
gen, für sich allein und im Kampfe gegen die anderen Gruppen den
Sieg zu erringen, erst jetzt schienen die Wege der Demokratie ver-
rammelt, begannen die Pläne und Versuche, in verzweifelten Sturm-
anläufen einer Minderheit zu erobern, was doch nur dasGanz«
in geschloffenem Aufmarsch erreichen kann.
Die Zersplitterung der Arbeiterbewegung wurde zur Ursache
ihrer Schwäche, ein Zeichen dieser Schwäche war die Abkehr der
Gruppen von der Demokratie. Es ist kein Zufall, daß die Abnei-
gung gegen die demokratischen Methoden mit der zunehmenden
Kleinheit der Gruppen nach links hinüber wächst, daß sie sich mit
ihrer zunehmenden Eröße vermindert, und daß die Sozialdemokra-
tie, die einzige große Partei der Arbeiterbewegung, bei der auch
darum die einzige Hoffnung der Arbeiterklasse liegen kann, unver-
rückt an der Zuversicht feskhält, daß der -Sieg des Sozialismus durch
die Gewinnung der Volksmehrheit und nur durch sie zu erreichen -ist.
Heute geht dur das ganze arbeitende Volk der
Schrei der Einigkeit. Der Ekel vor der gegenseitigen Zerfleischung
ist allen, die sich nicht ein Gewerbe aus ihr machen, bis zum Halse
heraufgestiegen. Die Einsicht, daß die Trümmer einzeln nichts ver-
mögen, das Ganze aber, wiedervereint alles vermag, drängt sich
siegreich in den Vordergrund. Und dieses Gefühl für den Wil-
len der Massen gab die N-eichskonferenz auch jene Stimmung
starker Zuversicht, die ihre Verhandlungen von Anfang bis zum-
Ende beseelte. Die Partei ruft den Arbeitern zu: Hier find die star-
ken Wurzeln Eurer Kraft! Ihr wollt die Einigkeit, wir wollen sie
auch, helft sie zu vollbringen, indem Ihr in unsere Reihen tretet!
Wenn im Interesse der Bewegung etwas zu bessern ist, dann ist es
vor alleman derPartei und i n- -de r Partei zu bessern.
Wo es aber zu kämpfen und zu stimmen gilt, gilt es für die So-
zialdemokratie zu kämpfen und zu stimmen. „Im Kampf
der Sozialdemokratie gegen Reaktion und Kapitalismus, nicht im
Streit der Richtungen fällt die Entscheidung über unsere Zukunft!"
Politische Ueberstcht
Ein interessanter Vergleich.
Zm Berl. „Vorwärts" lesen wir:
In verschiedenen öffentlichen Reden hat Herr Helffe-
rich neuerdings mit der Behauptung Eindruck zu machen
versucht, daß die Versailler Friedensbedingungen erheblich
hätten gemildert werden können, wenn im Juni 1919
eine alldeutsch-reaktionäre Regierung am Ruder ge-
wesen wäre. Nun, in Ungarn herrscht die brutalste Militär-
diktatur ganz von der Richtung unserer Alldeutschen. Natür-
lich haben die ungarischen Machthaber bei ihrem Amts-
antritt auch verheißen, daß sie für Ungarn viel bessere
Friedensbedingungen zuwege bringen würden. Doch daraus
ist nicht das mindeste geworden. Ein ausgesprochen
reaktionäres Blatt wie die „Post" muß jetzt eine Korre-
spondenz aus Ungarn verbreiten, dis besagt:
Die Meldung der „Agence Havas" über den Inhalt des un-
garischen Friedensvertrages hat, wie der Korrespondent der Tele-
graphen-Union meldet, hier das größte Aufsehen erregt, denn ob-
schon man auf das Schlimmste gefaßt war, hatte man doch Ursache,
anzunehmen, daß der ursprüngliche Entwurf Modifikationen
erfahren werde. Furchtbar enttäuscht ist die ganze öffentliche
Meinung darüber, daß der ursprüngliche Entwurf ohne Ab-
änderung bestehen bleibt. In politischen Kreisen ist man der
Ansicht, daß Ungarn nur unter dem Druck der Verhältnisse
sich zur Nntersertigung des Vertrages zwingen lassen kann, daß
aber die praktische Durchführung dieses Friedens unmög-
lich erscheint.
Das heißt auf deutsch: die Horthy und Genossen müssen
jetzt genau das Gleiche tun, was im Juni 1919 die
deutsche Koalitions-Regierung tat. Und wenn damals Herr
Helfferich am Ruder gewesen wäre, so wäre es ihm genau
ebenso ergangen.
Beginn der Räumung des Maingaues?
Berlin, 7. Mai. (Priv.-Meld. d. Tagbl.) Der „Daily
Expreß" meldet, daß die Räumung des neubesetzten
Gebietes durch die Franzosen jetzt im Gange sei.
Wahrscheinlich werde die Räumung vollendet sein, be-
vor die Konferenz in Spaa zusammentrete.
Der Nachprüfung anempfohlen.
Der Republikanische Führerbuud fragt in seinem
Mitteilungsblatt den Reichswehrminister nach der Nichtig-
keit folgender Meldungen: Oberleutnant Mar loh führt,
ohne seine Strafe verbüßt zu habe» e'Nk R-ichswehr-
kompagnl« Hauptmann v, Kessel rst trotz seiner Be-
teiligung aw Kapp-Putsch und trotz seiner Meineidsauklage
auf freiem Fug. Der kavpistffche Major n. Falken-
hausen vom Wehrkreiskommando I! in Steift» ist in die
Heeresleitung beruftp worden. Das Freikorps Lüttwitz
wird iw Snmelager wieder aufgestellt und ferner soll die
Baltikumabreilung Roßbach in ein Reichswehr-Iäger-
bataillon umgewandelt werden. — Es ist dringend er-
forderlich, daß der Reichswehrminister ungesäumt auf diese
Fragen antwortet.