Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

DOI Kapitel:
Nr. 151 - Nr. 160 (3. Juli - 14. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44127#0306
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Gppingen, (Sberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxbsrg
Tauberbifchofsheim und Wertheim.


Dezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn 3.50 Ml. Anzeigenpreise:
Vie einspaltige Petitzeile (3» mm breit) SV psg., Reklame-Anzeigen
syZ mm breit) 2.20 Ml. Lei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmkttek'Anzeigen werden nichi ausgenommen.
Geschästsstunben: S - '/,6 Lthr. Sprechstunden der Redaktion: 11 -12 llhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22572. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Dienstag, 6. Jun 1920
Nr. 1S3 » 2. Jahrgang

Verantwort!.: Für inneren. äußerepolitik,DoMwirtschaftu. Feuilleton: Dr.
E.Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: I. Kahn: für Lokales:
O.Geibel-, für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der ilnterbadischen Vsrlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg
Geschästsstelle: Schröderstraße 39.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahine 2673, Redaktion 264S.

tragen, ver»

Deutscher Reichstag.
(8. Sitzung.)
Berlin, 5. Juli.
Ernährungsdebattr.
Lüster Punkt der Tagesordnung bildet di« Interpellation der rh-ei-
wsch-westfällschen Abgeordneten über dieSchwierigkeiten der Brotversor-
K«ng in weiten Teilen Deutschlands, insbesondere im rheinisch-westfälischen
Industriegebiet. Auf Antrag des Präsidenten wird diese Interpellation
füll der Interpellation der Unabhängigen wegen der fortgesetzten Echo-
düng der Erzeugerpreis« st, landwirtschaftliche Produkte verbunden.
Abg. Erkelenz (Dem.) begründet die erst« Interpellation und
Widert namentlich die ungesunde Zusammensetzung des Brotes, bei dem
W Erfatzmengcn das MM bei weitem überträfen. Bemühungen der
«tücht Oitvreusteu 2000 Tonnen Betreibe heranjuschanen.

MkS N W MM FMW.
Der englische Finanzpolitiker Keynes, der seit Monaten mit
bewundernswerter Energie aus ökonomischen Gründen für eine
Revision des Versailler Friedens eintritt und dessen Buch über die
„Wirtschaftlichen Folgen des Friedens" soeben in
deutscher Ueberfetzung bei Du-nker u. Humblot m München erschienen
ist, hat auch eine französische Ueberfetzung seines bedeutsamen Buches
veranstaltet. In einem besonderen Vorwort geht er speziell auf
Frankreichs Lage und Poiikk ein. Wir zitieren nach
der Neuen Züricher Zeitung":
Einleitend hebt Keynes die zwei großen Fehler hervor, die die zur
Pariser Konferenz Delegierten begingen: sie forderten Unmögliches
und jagten so Phantomen nach, was zur Folge haben wird, daß sie das
alles verlieren werben, was sie erhalten zu haben glaubten; ferner rich-
teten sie ihr Augenmerk ausschließlich aus politische Fragen, ver-
nachlässigten aber die ökonomische Einheit Europas. Die Sicherheit, di«
sie zu erlangen glaubten, ist illusorisch, weil die Sicherheit nicht «ms der
Besetzung noch so weiter Grenzen beruhen kann und weil die künstlich
geschaffenen politischen Gebilde den Problemen der nächsten Jahre nicht
entsprechen werden. Welche Folgen werden diese Irrtümer für das
Schicksal Frankreichs haben? Infolge des Sieges ist zwar die politische
Lage Frankreichs sowie auch die Stimmung des srcknzssischeN Volkes
glänzend. Aber seine ökonomische und finanzielle Zukunft ist bedauerns-
wert. So sollte doch eben dieses Problem im Mittelpunkt einer klarfehen-
den Politik stehen. Die Internen Frankreichs forderten ein Prioritäts-
recht auf die Summen, die Deutschland zu bezahlen imstande gewesen
wäre, und die Annullierm^ dsr allzu schwer«» Schulden Frankreich»
den Alliierten gegenüber. Frankreich wäre in der Lckae gewesen, im Ver-
hältnis zu feinem Wiederckusbaubedsrs, an den Krediten zu partizipieren,
die jene Staaten, die weniger unter dem Krieg gelitten haben, Europa
zu eröffnet gehabt hätten. Und Keynes faßt noch einmal seine Vorschläge
zusammen: England soll nichts von Deutschland verlangen, solange die
dringenderen Forderungen Frankreichs und Belgiens nicht besriüdigt sind;
England und die Vereinigten Staaten sollen die intercklliierte» Schulde»,
die doch nicht als kommerzielle Placierungen betrachtet werbcü dürfen,
völlig annullieren und durch eine Anleihe einen Teil des europäischen
Kapitals rekonstituierten.
Nichts von den: allein geschah? und «ver «rägl die Schuld daran?
Das sagt Keynes den Franzosen mit einer kmrm zu überbietenden Offen-
heit. „Die, mit denen sich Elemenceau umgab, verrieten die Inter-
essen Framreichs. Sie schädigten die Ansprüche der zerstörten Gebiet«,
mbem sie maßlos übertrieben. Sie gaben das Privrstätsrecht Frankreichs
aus, um Forderungen auszustellen, die wett über M Zahlungssähi'gkeit
Deutschlands binausgingen; dies wußten sie genau, was immer sie dem
Publikum auch sagten. In die Entschädigungssumme bezogen sie auch
Pensionen und Gehälter ein, was den Bereinbvrungen widersprach. Sie
auferlegten dem Feind eine unerträgliche Last. Dies alles ha! nichts an-
deres zur Folge, al» die Verringerung der Quote Frankreich» cm de«
Achtungen, die Deutschland leisten wird, ohne daß hierdurch deren Ge-
lamtbetrag steigen würde. Sie sicherten sich kein« Anleihe, keine Verein-
barung über die iuteralliielrten Schulden, ja sie entfremdeten sich durch
ihr« Haltung die Sympathien aller. Die französischen Delegierten an der
Friedenskonferenz brachten reale Interessen ihres Landes un-
erfüllbare» Versprechungen zum Opfer, die, unter Druck
abgegeben, nicht mehr Wert haben, als das Papier, auf dem sie geschrie-
den stehen."
Ist dann, fragt Keynes, die von ihm in Vorschlag gebrachte Politik
sür dir materiellen Interessen Frankreichs nicht günstiger, als die trügen-
den Illusion«, von Versailles? Und nicht nur für Frankreich allein,son-
dern auch sür ganz Europa und die wirkliche Sicherheit aller? Wird
Frankreich wirksam genug durch die am Rhein postierten Bajonette ge-
schützt fein, wenn sein« Finanzen ruiniert sein werden, wenn es von leinen
Freunden moralisch isoliert sein wirb und wenn Bürgerkrieg, Elend und
Fanatismus in beiden Kontinenten herrschen werden? Die Schuld am
unseligen Vertrag, schreibt er weiter, trifft allordiiws nicht nur Frankreich
allein. Alle Staaten, die an der Konsevenz teilnahmen, haben ihren Teil
der Verantwortung zu tragen. Auch England zögert« nicht, seine
egoistischen Interessen zu befriedigen, und England eben trisst der Tadel
für di« Redaktion des Abschnitts «b«r die WksdergutmÄchunge». England
»ahm die Kolonien und die Marin« Deutschlands und sichert« sich ein«»
größeren Teil der Entschädigung, als ihm zukvmmt.
Doch in einer Beziehung steht Frankreich jetzt ganz allein in der
Welt und isoliert sich immer mehr: „E s i st", sagt Kevnes, -chas ein-
zige Sand, in dem die Staatsmänner noch nicht be-
gonnen haben, ihren Landsleuten (und sich selbst) die
Wahrheit «tnzugefieh*»." In Eoglanih wo doch sein Buch
heftig kritisiert wurde, hat niemand im Ernst versucht, seine Angst den über
bi« (relativ gering«) Zahlungsfähigkeit Deutschlands zu widerlegen (er
selbst hält sie drei Monat« nach Erscheinen des Buche» eher noch sür zu
hoch, als für zu nieder). In diesem Punkte, stellt er fest, werd«, seine
Schlußfolgerungen in keinem Land — außer Frankreich — angüzweifelt
bemerkenswert in dieser Beziehung ist ober der große buchhändlerische
Erfolg der französischen tlebersehung seine» Buches, von der in wenigen
Wochen mehrere Auslagen erschienen). Folglich kann auch nienrand die
restlose Ausführung de» Ariedeusverlraas sür möglich oder selbst nur für
Wünschenswert halten; nur in bezug aus küe Art der Revision sind die
Meinungen geteilt. Und nur in Frankreich hört man immer wieder die
All« und unnötig« Forderung: „integral« Erfüllung de» Vertrags von
Versailles". Je off«»tundig«r er wirb, daß der Vertrag nicht ausgestihrt
werde» kann und nicht ausaesührt werd,» wird, desto fester und hart-
näckiger schließe» di« französischen Staatsmänner Auge und Ohr und
fachen die Wirklichkeit zu andern, indem sie sie einfach leugnen.


dustnegebiet auch die Pew «rmstkyr gestartet werve. ^>ie Spannung zwi-
schen Inlands- und Auslandspreis sei zur Zeit nicht mehr erheblich.
Dr. Herz (ll.) begründet die Interpellation der Unabhängigen über
die WucherprcHe für Obst und Betreib«, mit der der freie Handel die
produktive Bevölkerung ausbeute. Aus diesem Grunde widerstrcLe sein«
Partei der Aufhebung der Zwangswirtschaft. Seine Partei sag« dober
der Regierung den schachten Kampf an. An der Kalamität in der Mehl-
versorgung sei aber nicht dir Reichsaetreldestelle allein die Schuld, son-
dern Liderungen von Getreide an bar bester zahlende Ausland, Ver-
' " Hauptschuld. Der
Icht mehr als gesetzmäßig angesehen

an der äußersten Linken .des Tisches in folgender Ordnung Fehrenbach,
Simons und Hermes. Jede Delegation hat drei Sekretäre, die den Dis-
kussionen folgen. Hierauf beginnt die Sitzung.
Unterredung Dr. Simons mit Sauerwsin.
Paris, 5. Juli. Jules Sauerwein, der Sonderverichterstatter
des „Matin" hatte mit dem Minister des Aeußern Simon
gestern stbend in Spaa eine Aussprache. Simons erklärte: Natürlich
werden wir Vorschläge machen. Kein vernünftiger Mensch kann aber
von uns Verlangen, daß wir eine feste Summe oder feststehende Iahres-
zahlungev Vorschlägen. U ob erlegen Sie doch: Wenn wir den augenblick-
lichen Stand Deutschlands und seine gegenwärtigen Zahlungsmöglichkeiten
in Betracht ziehen, würden unsre Ziffern bei unsren Mahnern nur den
Spott herausfordern. Man würde alsdann über unsren schlechten Millen
schreien. Wenn wir aber eine mögliche Ziffer, die sich mehr oder wenig«!
derjenigen nähern würde, welche wir als di« Forderung der Alliierten
sehen, kennen, dann würde man mit Recht sagen, wir bluffen oder wir
dächten nicht «nist. Wir werden Iahrcszahiungcn Vorschlägen, die im
Verhältnis stehen zur Wiederherstellung unseres Landes, d. h. welche
Existenz man uns bereiten will, damit wir ernstlich sagen können, was wir
fchig sind, zu zahlen. Werden wir Oberschlesien besitzen
odcr nicht. Die Frage soll durch eine Volksabstimmung entschieden
werden; aber es ist sehr einleuchtend, daß von dieser Volksabstimmung
eine Steigerung oder eine wesentliche Verminderung unserer Zahlungs-
fähigkeit abhängt und die Möglichkeit Rohmaterial zu kaufen. Erft
müssen wir über unsre Eristenzmöglichkeit in Zukunft vollkommen im kla-
ren sein, bevor wir irgendwelche feste Vorschläge machen können. Eine
andre Sprache tönn-en wir nicht führen. — Aehnliche Erklärungen gab
Minister Simons noch anderen Berichterstattern ab, darunter auch einem
Vertreter der Brüsseler Zeitung „Soir". Einem Korrespondent der
„Chicago „Trib " gegenüber sagte Simons: Vergessen Sie nicht, daß ist«
beiden stärksten politischen Parteien in Deutschland Arbeiterparteien sind.
Stimmen die Arbeiter den Abmachungen nicht zu; dann sind sie ein br-
schriobenes Blatt Palpier und bleiben ohne jede Ausführungsmöglichkeit.
ganze Regierung i« Spa. — Vertagung
des Reichstags.
Berlin, 6. Juli. Wie der „Vorwärts" schreibt, ist
das Programm von Spa derart erweitert worden, daß die»
die Abreise weiterer Minister nach dem Konferenzort not-
wendig macht. Da der Reichstag nicht in Abwesenheit der
allermeisten Re-Lierungsvertreter weitertagsn will, dürste er
zu dem Entschlüsse kommen, seine Beratungen zu unterbrechen.
Spa die letzte Etappe vor dem Frieden.
Paris, 6. Juli. Der Vertreter der Jntransigeant in
Spa will den Reichskanzler Fehrenbach gesprochen haben.
Er soll ihm gesagt haben: Wenn wir sprechen können wie
wir es wünschen, werden wir solide Argumente vorbringen.
Wir werden nicht leichtfertig unterzeichnen, weil wir den
Vertrag von Versailles haben, der uns bindet. Sein Be-
gleiter hätte hinzugefiigt: Wenn die Entente Unmögliches
verlangt, dann kann niemand gebunden sein, dies zu halten.
Die Arbeit ist es, die uns allein, besser als alle Konferenzen
retten kann, uns und Euch.

Politische Ueberficht
Internationaler Bergarbeiterkongreß.
Bochum, S. Juli. (Priv.-Melda. des „Mannh. Gerr.
Anz.") Anfang August findet in Gens (Schweiz) ein Inter-
nationaler Bergarbeiterkongreß, der erste nach Beendigung
des Krieges, statt. Die Genfer Verhandlungen sind von
einschneidender wirtschaftspolitischer Bedeutung. Durck sie
wird eine Reihe von Fragen, die in allen Kulturländern
das lebhafteste Interesse erregen, entschieden. Von den bis«
her vorliegenden Anträgen sind von besonderer Wichtigkeit,
der von der Britischen Bergarbeiter-Organisation singebrachte
Antrag auf Verstaatlichung der Gruben in allen
Ländern, und der deutsche Antrag auf Internationale Ein-
führung der 6 Stund en sch icht in der Bergwerksindustris.
Weiters Anträge betr. der Festsetzung von Arbeitsbedingungen
in den Minen und die Frage des Minimallohnes (Frank-
reich), den Stand für Lohn und die Lebenshaltung der
Bergarbeiter (Oesterreich) und die Schaffung eines Inter-
nationalen Kohlenrats (Deutschlands). Die deutsche
Bergarbeiterschaft wird auf dem Genfer Kongreß durch
33 Abgeordnete vertreten sein. Der Deutsche Bergarbeiter-

scheiterten an dem Einspruch der maß gebend en Behörden. Das 'gelte für
ganz Westfalen und Rheinland. Redner erwähnt dann eine große Anzahl
von Städten au» anderen Tellen Deutschlands, wo ähnliche Verhältnisse
Vorlage, aber di« Fälle reichten nicht an das Industriegebiet, wo das
Brot nur au» IM GrundmehI und 90A -Ersatzstoffen bestehe.
Dabei gäbe es genügend Weizenmehl, das zu Wucherpreisen (1300 Mk.
für dem Doppelzentner) an die Bäcker abgegeben werde, die Brötchen
und Weißbrot darau» back«» sollten. Diese Mengen müßten beschlagnahmt
werden. Die ganze Organisation llappe nicht, weil für aus Holland ein-
koinmendes Getreide dis erforderlichen Eisenbahnwagen nie rechtzeitig zur
Stelle feien, entständen unnütze Lagerkosten. Die Reichsgetreidestelk
habe ihre Pflicht nicht getan, indem sir sich nicht bei Zeiten eingedeckt und
dafür gesorgt bad«, daß wir jetzt wenigstens Getreide bekämen. Die
Zwangswirtschaft auk dich em Gebiete habe versagt. Da» werde auch in
landwirtschastliche» Kreisen anerkannt. Aber er könne vielleicht dahin
ein Ausweg gefunden werden, da ß neben der Zwangswirtschaft !m In-
dustriegebiet auch di» frei« Einfuhr gestattet werde. Die Spannung zwi-
schen Inland»- und Auslandspreis sei zur Zeit nicht mehr erheblich.
Dr. Herz (ll.) begründet die Interpellation der Unabhängigen über
die ^Wucher^reise, sm
Partei der Aushebung" der Zm . , . . .
drr Regierung den schachten Kampf an. An der Kalamität m der Me!
Versorgung sei aber nicht di« Reichsaetreldsstell« allein die Schuld, sc
der« Lieserunge« von Getreide an da, bester 'zahlende Ausland, V-
füttern ng an Weh und der Schleichhandel trag« die Hauptschuld. T
vokk-wtrtschaftliche Ausschuß kön-ne nich ", _ ' '
wkrHtzn.
Untorstaatssekretär Dr. Hugo beantwortet beide Interpellationen,
ist ab« nur schr schwer verständlich. 3m Industriegebiet dürfte z. ZI.
schon eine wesentkiche Entspannung erngetretsn fein, da 6000 Tonnen Ge-
treide größtenteils dorthin entsandt -worden feien. Dem Dr. Henz er-
widert er, daß di« Gemüseeinfuhr vom Ausland« eingeleitet worden sei.
Gegen Preistreibereien der Landwirt« und Wucherer werd« energisch vor-
gegangen werden.
An di« Interpellation schloß sich eine Besprechung an.
Abg. Kep-plrr meint; wir könnten von Glück sagen, wenn wir
in diesem Jahre -noch einmal mit dem blauen Auge davonkämen. Reser-
ven habe die Reichsgetreidsstell« in diesem Jähre keine mehr. Die Kar-
toffeln, die wenigstens im Osten schließlich hinten herum noch zu Heden
seien, kämen nach dem Westen Deutschlands überhaupt nicht mehr. Trete
eine Verkehrsstockung ein oder bräche ein Streik aus, so sei der Zusam-
menbruch unserer Ernährung vor der Türe und damit der Bürgerkrieg
da. Hinsichtlich der Aenderung der Preispolitik müßten die Landwirte
den Anfang machen, weil ihnen die eigenen Lebensmittel selber Zuwächsen
und wett sie währeckd des Krieges glänzend verdient hätten. Fänden li«

Die erst« Sitzung, — Zunächst die Entwaffnung.
Spaa, 6. Juli. (Hayas.) Dir erste Sitzung der Konferenz
stand im Zeichen einer Sensation. Bei Beginn der Sitzung unter-
richtete der Vorsitzende de la Croix die deutsch« Delegation darüber,
daß die Alliierten gemäß der von ihnen beschlossenen Tagesordnung
zuerst die militärischen Fragen zu diskutieren wünschten. Reichs-
kanzler Fehrenbach antwortete daraus, daß die Vertreter Deutsch-
lands die Behandlung der wirtschaftlichen Fragen an erster Stelle
erwartet hätten. Reichswehrminister Keßler und der militärische
Sachverständig» General v. Seckt seien iwch nicht in Spaa einge-
troffen. Ohne ihr« Anwesenheit würde es unmöglich sein, an die
militärischen Fragen Hera-Mtreten. Nachdem de la Crix sich mst
den alliierten Kollegen über eine eventuelle Aenderung der Tages-
ordnung besprochen hatte, teilte er der deutschen Delegation mit, daß
die Konferenz zur Besprechung der Abrüstung Deutschlands kom-
petente Vertreter abwarten wolle. Der Reichskanzler erklärte, bis
Diskussion über diesen Gegenstand könne am Dienstag nachmittag
ausgeiwmmen werden, da die Herren Geßler und v. Seckt um 2 Uhr
mittags ankommen. Der erste Meinungsaustausch vollzog sich in
durchaus höflicher Form. Die Deutschen zeigten eine würdige, aber
Mervrertr Haltung. 11.15 Uhr vormittags wurde die Sitzung auf
Dienstag nachmittag 3 Uhr vertagt. Bis dahin werden die Alliier-
ten unter sich Besprechungen über die noch schwebenden Fragen ad-
halten.
Die Ankunft der Delegationen.
Spaa, 4. Juli. Alle Delegationen zur Spaakonserenz sind cw.gekom-
men, die französische gestern abend. General Foch wurde nach einer Ha-
vasmcldun-a eine besondere Ovation dargebracht, als er im offenen Wagen
durch die Stabt fuhr.
Brüssel, 4. Inti. Die Zeitung „Soir" meldet, daß Millerand eine
halbstündige Unterredung mit dem Grasen Sforza hatte, nach der es
möglich fei, daß Italien 10 Prozent erhalten und Zugestäicknisfe bezüg-
lich des nnganfchsv »rbnll- ,— Lnnt
„Derniere Oeuvre" empfing der König gestern Lord Curzon.
DasZercmomeil.
Spaa, 5. Juli. Di« Konferenz in Spaa begann heute vormittag in
der Villa Fremerffe ihre Arbeiten. Seit 9 Uhr sind die Autos unter-
wegs, um die Delegierten aus ihren Villen und Hotels abzuholen. Vor
der Villa Fremeufe sind belgische Karabinier, aufgestellt, die den Zugang
zu den großen Panks untersagen, in welchem sich Wilhelm II. während
der deuffchen Besetzung aufhieit. Nur die Journalisten haben sich bis
zur Villa nähern dürfen. Mklleranb kam mit Marschall le Troquer und
Bertil« als erster im Auto um 10.30 Uhr an. Sodann folgten nach,
einander die belgische,, japanische, italienische und schließlich die englischen
Delegierten. Um 11 Uhr erschienen die deutsche Zlbordnung, Reichskanz-
ler Fehrenbach, Außnmümster Simons und ErnÄhrungsmimster Hermes,
sowie in zwei weiteren Autos sechs Sachverständige u>ck> Sekretäre. Der
GeneraSsökretär der Konferenz Iaquesmin empfing Fehrenbach und -Si-
mons aus der Freitreppe. Nach der Vorstellung traten 'die Herren in die
Villa ein, hinter ihnen Iaquesmin, der sie alÄ>alb in den Sitzungssaal
geleitete, wo dir alliierte« Bevollmächtigten schon versammelt waren.
Iaquesmin stellte die Delegationen einander vor, die sodann an den Ti-
schen Platz nahmen. Der belgische Prsminierminister de la Croix
führte den Vorsitz. Zu 'feiner Rechten hatt Lloyd George und
Warington, Graf GforzaBertolini, Hysmans, Iaspar,
zu feiner Lucken Mill er and, Marschall le Troquer, Gras
Lhinda und mehrere General« Platz genommen. Neben letzteren sitzen

sich dazu bereit. Iso würden di« anderen Voifskreise mit sich reden lasten
und ihren Preisen auch -Entgegenkommen -zeigen.
Inzwischen ist ein Antrag der Unabhängigen eingelausen,
der erklärt, daß bi» Behandlung der beiden heutigen Interpellationen
durch die Regierung nicht der Erwartung und Anschauung des Reichs-
tages entspräche. In der Begründung verweist Abg. Sauerbrei (U.)
aH di« Unterernährung der Kinder, für die <er die Landwkrlschaft ver-
antwortlich macht. Der Politik des Ernährungsministers könne seine
Partei kekn Vertrauen entgegenbringen. Redner gibt dann eine ein-
gehende SchSkberung des Notstandes des Industriegebietes und meint, daß
angesichts der noch himukommcnben Arbeitslosigkeit es kein Wunder sek,
weim es zu Unruhen kommen müßte. Der Sozialismus allein sei im-
stanbe hier Wastdel zu schaffen. Die bürgerlichen Maßnahmen nützten
gar nichts. .
Hierauf wird die Fortsetzung der Besprechung auf Dienstag um
2 Uhr vertagt. Schluß 6 llhr.
 
Annotationen