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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 101 - Nr. 110 (3. Mai - 14. Mai)
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Tageszeitung für dl ttäiige Bevölkernug der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppmgen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg,
Tauberbischofsheim und Wertheim.



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Monatlich eim-b!. :<räarrlohn 3.5» Mk. Anzeigenpreise:
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-- Lei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
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3 -- '/,s Ll,r. Gvr-ch-mnden der Redaktion: 11 —12 Lkhr.
" -e-naeNr.ssä/?. Tel.-Adr.:VolttzeiiimgSridei-srg.

HetHeLberg, Donnerstag, 6. Mai ^920
Nr. ^04 » 2. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere». äußerepolltik,Volkswirtschaft». Feuilleton: Or.
E. Kraus: fürKommunales ».soziale Rundschau: Z.Kahn; für Lokales:
O.Geibel: für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der Untsrbadischen Verlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schrödsrstraße 39.
Fernsprecher.^Anzeigen-Annahme^S73, Redaktion 2648.


Rückblick.
II.
o itit Deutschlands steht bereit« stark im Zeichen
.-er i l-, dis jetzt endgültig auf den 6. Juni festgesetzt ist.
Di; : o.r>? nmlung hat noch in fleißiger Arbeit einige wich-
t-.ge Gesetze unter Dach und Fach gebracht, die allerdings in der
Oesftntlichkeit nicht die Beachtung gefunden haben, die sie verdienen,
so z. B. neben dem Wahlgesetz das Besoldungsgesetz, das
soziale Fürsorgegesetz für Kriegsteilnehmer (s.
darüber die gestrige Beilage der „Volkszeitung"). Bei der Be-
ratung des Notetats hat der neue ReichsfinanMimster Dr. Wirth
noch einmal das deutsche Finanzproblem in seiner ganzen Größe
vor unseren Augen entrollt. Das ist gerade jetzt in der leidenschaft-
lich bewegten Wahlzeit von der allergrößten Wichtigkeit,' breite
(Schichten unseres Volkes leben und urteilen in einer Art und Weise,
die beweist, daß sie den furchtbaren Ernst unserer wirtschaftlichen
und finanziellen Zustände einfach noch gar nicht Hegriffen haben.
Mit Recht hat Dr. Wirth mit aller Deutlichkeit darauf hingswiesen,
daß speziell der Krieg und sein e F olgen auch an unsrem
?anzen gegenwärtigen Finanzelend schuld sind. Das mutz vor allem
denen gesagt werden, die es unter der üblen Wahlkampfdemagogie
der Rechten schon wieder vergessen- haben. Gerade das Finanzgebiet
zeigt es, mit welchem geradezu frevelhaft optimistischen Größen-
wahnsinn man in Deutschland Krieg geführt hat. Während man in
England, das doch von Vornherein begründetere Aussicht auf Sieg
l)Gte als wir, -sich dauernd bemüht, die Schulden durch laufende
Steuern zu decken, während dasselbe England die Mumtionsittdu-
ftrie nur 5 Prozent Gewinn aus diesen Staatsaufträgen für die
Front ziehen ließ, hat es in Deutschland der famose Herr Helffe -
r i ch fertiggebracht, Schuld auf Schuld zu häufen, ohne irgendrvie
energisch an eine Besteuerung des Besitzes zu gehen und ungehemmt
und unkontrolliert hat unsere Kriegsindustrie Niesengewinne aus
dem Blute des Volkes gesaugt. Als nun Front und Heimat in der
Revolution unter der Lastüberspannung zusammenbrachen, da galt es
die, welche damals den Mut hatten, die Zügel der Regierung zu er-
rreifen, ein schwer verschuldetes Deutschland vor dem letzten -Ab-
grund des Vernichtens zu erretten. Mit Recht hat Dr. Wirth sei-
nem Vorgänger Erzberger den wärmsten Dank gezollt. Man mag
sich zur Person Erzbergers stellen wie man will, mag man über
Einzelheiten seiner Steuergesetze denken wie man will: er hat als
einziger den Mut gehabt, eine großzügige, umfassende Steuerreform
cinzuleiten, im Eiltempo das nachzuholen in letzter Stunde, -was -das
alte System allzulange versäumt hatte; er hat insbesondere den Mut
gehabt, dem Reichtum und Besitz tüchtig aus den Leib zu rücken und
fach verwaltungstechnisch und organisatorisch ein Steuergesetzge-
buugswerk zu schaffen, das auch eine gleichmäßige Veranlagung und
Beitreibung der Sisumn sichert.
Der Finanzenckckskr betonte mit Nachdruck, daß das bisherige
Steuerwerk durchaus soziale n C harakter trage. Er sagte:
„Dis Beseitigung der ungesunden Verschiebung in der Vermögens-
struktur, wie sie durch die Kriegskonjunktur »nd den Wucher hervorge-
rufen worden sind zu Gunsten von Elementen, die sich die Not de,
Vaterlandes bewußt zu Ruhen gemacht haben, ein Zurückdrängen der
neuen Reichen, die uns allerorts behängt mit Diamanten an Händen
»nd säst hätte ich gesagt, auch an den Außen «ntgegentreien, ein Zu-
r Ladrängen solcher Emporkömmlinge, die nicht durch technische oder
kausmännische Fähigkeiten, sondern nur dank ihrer Skrupellosig-
keit und ihres weiten Gewissens reich geworden sind, kann dem deutschen
Volke nur nutzem Auch wer wirklich wirtschaftliche Werte während des
Krieges erbeutet Hal, muß sich sagen, daß jeder sroh sein kann, wenn er
mit einem mäßigen Verlust aus dieser furchtbaren Welttatastrophe her-
eergeht."
Enorme Summen weist der Reichsdebarf für 1920 auf, allein
<m ordentlichen Etat 28 Milliarden, darunter 12,4 Milliar-
den für die Neichsschuld, 3,8 Milliarden für Kriegsbeschädigten und
Hinlerbiiebenenfürsorge, außerdem 3 Milliarde«? für Verbilligung
dec Lebensmittel.. Dazu kommen alle die furchlbaren jinanziellen
Lasten des Friedensvertrages, welche das traurigste Erbe des alten
Systems darstellen. Dr. Wirth s<We:
„Selbst wenn wir die Steuerpolitik mit großzügiger Finanzpolitik
und Wirtschaftspolitik verknüpfen, werden wir noch jahrelang kämpfen
müssen. Dabei müssen wir uns vergegenwärtigen, daß unser gesamtes
Nationales Einkommen vor dem Kriege au! 43 Milliarden Mark ge-
schätzt wurde, eine Summe, die nicht viel hinter der zurnckbieibt dir jetzt
durch Steuern aufgebracht werden soll. Es hllst nichts mehr, vor der
Vermischung der Slaatswirtschas! mit der Privat,virücbajt die Augen
schieben zu wollen. Beide sind jetzt unlöslich miteinander verbun-
den, die Privatwirtschaft, weil sie einen großen Teil ch-es Besitztum,
verlieren würde, wenn der Staat bankerott macht, aber a,rch die Staats-
wirtschaft, -weil sie einen großen Teil ihrer Weite n Fr-im oon Stenern
an sich zu ziehen genötigt ist.
Wir werden ein Viertel, wenn nicht fast rin Drittel der gesamten
Einkommens m Steuern abliesern müssen
Damit.hat der Finanz», inister einen de: wichtigsten Punkte
R:ausgegriffen, auf den Wir Sozialdemokraten bei de: Sieuerpolilik
allergrößten Wen legen müssen: wir kommen mit dem allen
Rustem des verschuldeten gegenüber s,r Prosüwul des Großkapi-
Mn ohnmächtigen Lteuerstaals nicht mehr weiter. An seine Stelle
must der kapitalstarkr Gemeinwirtjchaftsstaai treten: nur ko ist neue
! »anz-estr Gesundung unserer Volkswirtschaft möglich
Aehnftch w:e bei den Finanzen liegen di« Dinge aus dem Ge-
birl d-r Ernähruugswittfchaft. Hier regen Str Ausführungen,
welch, dei :,<>-> Reichsminister für Ernährung und Produktion Dr.
e: u., » . 01 de: Naftonaiveriommtung machte zu tieferem Nach-
denk', ,,n Auch er beionre mit allem Nachdruck daß in erster Linie
der n.>?., und seine wirttchaltiicken Folgen uns in die gegenwärtige
lraringe ^"'äbrungsl.r.ir dineir-gebrachl baden. - Beweis er-
vrachie er in,! Zahlen, Leien Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig

Deutschlands Flottenauslieferung.
Berlin, S. Mai. Die deutsche Friederrsdelega-
tion in Paris überreichte der Wiedergutmachungs-
tommWon eine zweite Note betr. die Uebergabe von
Handelsschiffen. Es wird ausdie schwere Schädigung
hingewiefen, die die deutsche Volkswirtschaft erleidet,
wenn man ihr die Transportgrundlage der benötigten
Rohstoffe nimmt, gleichzeitig werden über die gefor-
derte Ablieferung solche Vorschläge gemacht, die we-
niger angetan find Deutschlands wirtschaftliches Wie-
deraufkomme» zu untergraben und die doch die volle
Anerkennung der EnLente-Fordernngen ausdrücken.
Auslegung der Wählerlisten.
Berlin, 5. Mai. Der Reichsmmister des Innern hat durch
eine im Reichsanzeiger veröffentlichte Bekanntmachung angeordnet,
daß die Wählerliste n der Wahlparteien vom Samstag, den 9.,
bis Sonntag, den 16. Mai, ausgelegi werden müssen. Vor Aus-
legung der Wählerlisten haben die Gemelndevorstände bekanntzu-
geben, wo und wie lange die Wählerlisten zu jedermanns Einsicht
ausgelegi werden, sowie, in welcher Weise Einsprüche gegen die
Wählerlisten erhoben werden können. Die Bekanntmachung hat
spätestens am 8. Mai zu erfolgen. Einsprüche gegen die Richtigkeit
und Vollständigkeit der Wählerlisten sind spätestens bis 16. Mai
bei den zuständigen Gemeindebehörden einznlegen.
Die deutsch-dänische Grenze.
Paris, 6. Mai. Der Botschafterrat hielt heute vor-
mittag unter dem Vorsitz von Jules Cambon eine Sitzung
ab. Der Vorsitzende der Internationalen Kommission für
die Abstimmung in Schleswig unterrichtete den Rat über
das Ergebnis der Volksabstimmung und erklärte, daß die
Mitglieder der Internationalen Kommission sich nicht voll-
kommen einig seien über die Festsetzung der Grenzlinie.
Nach dem Temps wurde sich die Kommission einig, die
erste Abstimmungszone Dänemark zuzusprechen. Was die
zweite Abstimmungszone anbetreffe, so seien zwei Thesen
aufgestellt. Der englische und schwedische Delegierte seien
dafür, die zweite Zone Deutschland zuzusprechen der fran-
zösische und der norwegische Delegierte dagegen machten
Vorbehalte inbezug auf das westliche Gebiet; sie schlagen
vor, vier Kommunen Dänemark zuzuteilen, den Rest aber bei
Deutschland zu belassen.
Die gesamte Kommission habe die Aufmerksamkeit des
Obersten Rates auf die schwierige Lage gelenkt, in der sich
die dänischen Bewohner in der zweiten Zone befinden
würden. Selbst während der Abstimmungsperiode seien die
Vertreter der Mächte Zeugen von Plackereien gewesen,
denen diese Dänen ausgesetzt gewesen seien.
Der sranzöfifche Erfenbahnerftreik.
Paris, 5. Mai. Marcel C a ch i n tritt den Behauptungen
von einem Nachlassen des EHenbahnerstreiks in der „Hum-anite"
entgegen. Mehr als 500 000 Arbeiter der hier in Frage kommen-
den Berufsgenossenschaften feien in den Ausstand getreten. Tat-
sache scheine jedoch zu sein, daß der Streik bei den Hafenarbei-
tern und Seeleuten mehr Fortschritte macht als bei
den Eisenbahnern. Auch die Beamten des Nord-Departements und
des Departements Pas de Calais scheinen geneigr zu sein, sich unter
gewissen Bedingungen der Bewegung anzuschließen. Sie verhan-
deln noch mit der C.G.T. Die Bergarbeiter des Nordens wollen
übrigens, daß auch die Eisenbahner des Nordens sich am Streik
beteiligen. Ganz unerwartet stich auch die Metallarbeiter des Seine-
Departements in -en Streik geirrten. Der Verwaltungsrat des
Allgemeinen Arbeiterverbandes erläutert in einer längeren Erklä-
rung seine Nationalisierungspläne und schlägt der Regierung einen
Meinungsaustausch, vor.
Paris, 5. Mai. Wie der „Matin" mitteilt, hat die nativ-
nale Gewerkschaft der Bauarbeiter allen Arbeitern, die auf
den Eisenbahnlinien -beschäftigt sind, -en Auftrag erteilt, sofort die
Arbeit niederzulegen. Außerdem ersuchte er die angefchloflenen
Organisationen, sich bereit zu hallen, um nötigenfalls sich am Aus-
stande zu beteiligen.
Paris, 5. Mai. Die Metallarbeiter des Seins-Bezirks
haben sich dem Streik der in der C.G.T. zusammengeschlossenen
Gewerkschaften angeschlosse». Die gesamte Organisation hat der
Negierung eine Denkschrift überreicht, in der sie die Forderungen
der stteikenden Eisenbahner, Bergleute und Dvckarbeiter auf völlige
Umgestaltung der Verriebe eingehend darlegt und für die Eisenbah-
ner die Verstaatlichung, für die Dvckarbeiter die Umgestaltung der
Hafenbetriebe verlangt.
Paris, 5. Mai. -An alle Angestellten -er verschiedenen
Eisenbahnlinien, die ihren Dienst nicht wieder ausgenommen haben,
sind Briefe abgcgangen, in denen erklärt wird, daß sie, wenn sie
bis Donnerstag nicht zur Arbeit zurückgekehrt sind, wegen Kontrakt-
bruches aus der Liste gestrichen -werden.
Paris, 5. Mai. Die Lage im Eisenbahnerstreik ist auf allen
Linien des Westens, Nordens und Südens, sowie bei den Staats-
bahnen die gleiche geblieben. Im Westen dauern die Ausschreitun-
gen und der Terrorismus fort. Im Osten ist der normale Dienst
gesichert.

in Litauen.
läßt. Dazu kommt, daß die Zwangswirtschaft des Krieges sich
daraus beschränk:!, die vorhandenen Lebensmittel zu erfassen und zu
verteilen; jetzt abe-- bandle es sich vor allem um Fö rde r un g d er
landwirtschaftlichen Produktion, zumal wir infolge des
schlechten Valutastanhes versuchen müssen, uns vom Ausland so
unabhängig wie möglich zu machen.
Von größter Bedeutung ist das zweite Lebensmitte- und Kre-
ditabkommen mit -den amerikanischen Packerfirmen sowie die Ver-
träge mit Holland und Norwegen, durch welche unsere Fleisch- und
Fettversorgung auf längere Zeit fichergestellt wird, für die Schonung
des heimischen Viehbestandes dies ist von besonderer Wichtigkeit. Ein-
gehende Ausführungen nrachte Dr. Hermes über die Zwangswirt-
schaft. Was er hier ausführte hat unsere volle Zustimmung und
gilt besonders von den rabiaten Bauernverdändlern, die jetzt wieder
das für und gegen die Zwangswirtschaft zur Wahlparole zu machen
suchen:
„Wer die heuigen Zustände vorurteilslos und im Bewußtsein der
Verantwortung sm aus Gesamtwohl prüft, der kann sich der Einsicht
nicht verschließen, iß für die wichtigsten Lebensmittel eine öffentlich«
Bewirtschaftung noch unentbehrlich ist, solange nicht eine sehr erhMiche
Steigerung des Angebots die Gewähr dafür gibt, daß beim freien Spick
der Kräfte jeder «nun notwendigen Bedarf zu erschwinglichen Preise«
decken kann."
Wenn wir gleichen, vorerst noch an der öffentlichen Bewirtschaf-
tung fest-alten zu u-Gm, so geschieht das aus der tleberzeugung, daß
die Einführung L:r sr>>'» Wirtschaft unter den heutigen Verhältnissen
di« schwersten G-sohr-n für unfer durch politische Kämpfe u, wirtschaft-
lich-'' Druck schw-r bedrohtes Volt mit sich bringen müßte. Gewiß
würde dir voll'? Frei >cit der landwirtschaftlichen Betriebs der Pro-
duktion einen neuen V-.ttied geben. Das würde dann mit der Zeit
auch wieder zu einer Verbilligung der Lebensmittel führen. Aber in
unseren Maßnahmen dürfen wir un» nicht nur von diesem heute »och
fernen Ziel leiten lassen, sondern müssen vor allem die Entwicklung in
der nächsten Zukunft 'm Auge behalten. Unvermeidlich würben die
Preis« sich mit der Wiederherstellung der freien Wirtschaft sehr schnell
den Weltmarktvreisen anpassen. Diese Angleichung wird ja von man-
chen -Seiten au-Sru- 'ich verlangt und als das natürliche Mittel zur
Heilung unserer wirtschaftlichen Nöte hingestellt. Aber sie bedeuten,
daß sie bei dem -jctzftnn» Stand unserer Valuta bi« schon so sehr gestie-
genen Kosten der Lebenshaltung eine Höhe erreichen, welche erhebliche
Teile der Bevölkerung, besonders auch des unteren und mittleren Bür-
ger-standes, der Verelendung preisgeben würde; oder der Staat müßte
zur Linderung ihrer Notlage ungeheure Summen aufwenden, was die
dringend notwendige Gesundung unseres Finanzwesens aufs Neue er-
schweren würde. Die Arbeiter würden die Verteuerung der Lebens-
haltung durch emsprechende Lohn-steigerungen auszugleichen suchen.
Neue erbitterte Lohnkämpfe und neue Erschütterungen unseres Wirt-
schaftslebens wären dir Folge; die Aussuhrindustrien würden den Vor-
teil einbühen, der sich außer aus dem -Stand der Valuta auch au» ihren
jetzigen erheblich billigeren Prvduklionrbedingungen gegenüber -dem
Auslande ergibt, die Einfuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen würde
in Frage geestlst, rin« weitere Verschlechterung unserer Valuta würbe
abermalige Preissteigerungen mit den gleichen Folgen nach sich ziehen:
an« Ende käme der Zusammenbruch, von dem auch bas platte Land
nicht verschont bleiben würde. Denn die Schicksal« aller Teile unseres
Volkes sind so eng ineinander verflochten, daß ein Erwrrbrzweig nicht
gedeihen kann, wen»! andere untergehen. Di« Landwirtschaft würde mit
von dem Strudel verschlungen werden, der bei einem Versagen unserer
^crnährungrwirtschaft unser Volk in den Abgrund reißen müßte.
Wir Haden dem nichts hinzuzufügen. Auch wir sind -er Auf-
fassung, daß dem Bauer weitgehend Entgegenkommen gezeigt wer-
den mu-ß, -aß eine Vernünftige landwirtschaftliche Pro-duktionspolitik
getrieben wird. Aber alles im Rahmen der Gesamtintercssen, der
sozialen Möglichkeiten bezüglich der -Konsumenten. Unser sozial-
demokratischer Kampf gilt der agrarischen wie der industriellen Pro-
fit- und Ausbeutungswirtschaft in gleicher Weise.
Auch in Baden ist das Agrarproblem, speziell die Zwangswirt-
schaft, zu einem wichtigen Wahlproblem geworden. Am 22. April
wurde in Karlsruhe aus dem Unterländer Bauernverband Heidel-
berg und der Vereinigung -er kleineren und mittleren Bauern in
Freiburg der badische Bauernverband konstituiert. Die Aufhebung
-er Zwangswirtschaft steht unter den Forderungen an erster Stelle.
Von den politischen- Parteien wird verlangt, vorgeschlagene Kandi-
daten des Bauernverbandes an bestimmte aussichtsreiche Stellen der
Reichstagskand-idatenlisten zu setzen. Soweit die Parteien sich ge-
äußert haben, haben sie alle das Ultimatum abgelehnt und den Ver-
band zur Vertretung seiner rein wirtschaftspolitischen Interessen auf
den Reichswirtschaftsrat -verwiesen. Sehr eigentümlich -ist das
Schweigen der deutschnationalen Presse zu diesen Dingen; es liegt
fast die Vermutung nahe, daß das ganze eine reaktionäre
Mache unter a g r aris ch e m Anstrich r st.
Seit eineinhalb Wochen ist der Haushaltsausschuß des Land-
tags mit der Beratung des Etats für das Rechnungsjahr 1920—21
beschäftigt. Wir berichten darüber an anderer -Stelle ausführlich;
es wird bei der Behandlung im Plenum, die heute nachmittag be-
ginnen sott, Gelegenheit geben, die eine oder andere Frage vor -er
Oesfentlichkeit zu behandeln. Die Verhandlungen des Verfassungs-
ausschusses find inzwischen etwas zum -Stillstand gekommen, werden
aber sobald der Haushaltsausschuß das Budget ferttggestellt hat.
wieder ausgenommen werden. _

Politische Uederficht
„In andere Luft".
Die Verschiebung verfassungstreuer Truppen.
Hamdurg, 4. Mai. Vor einiger Zeit wurden die währen-
des Kapp-Putsche-; treu zur Verfassung stehenden Harburger Reichs-
wehrtruppen auf höheren Befehl angeblich -um Grenzschutz
im Osten a ra ir s p o r t ie r t. Schon damals ist die Be-
fü-rchtung geäußert, aber ihre Richtigkeit von -en zustä-n-!gen Stellen
bestritten, daß diese Maß nab uw den Zweck Haden sollte, die Truppe
 
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