Tageszc i^mg für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppinger», Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Borberg
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poüsche ckkonto Karlsruhe Nr. 22S77. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.
Seiöslberg, Dienstag, 4. Mai -1920
Nr. 124 » 2. Zahrgang
Derantwortl.: Für innereu. äußerepolitik,Dolkswirtschafiu. Feuilleton: Or.
S.Kraus; fürKommunales u. soziale Rundschau: Z.Kahn; für Lokales:
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Unabhängige Wahlniederlage in Gotha.
Gotha, 31. Mai. Bei den gestrigen Wahlen zum Gothaer
Landtag erhielten die Unabhängige sozialdemokratische Partei
30 700, der Bauernhund !111 l, die Deutsch-Nationalen 3517, die
Deutsche Volkspartei 10 960, die Demokraten 6973 und die Mehr-
beikssozialisten 3553 Stimmen. 30 Ortschaften stehen noch aus.
Ls werden voraussichtlich erhalten: di« Unabhängigen8 oder
0. der Bauernbund 5 oder 6, die Deutsche Vvlkspartei 3, di«
Deutsch-Nationalen 1, di« Demokraten 1 und die Mehrheitssozia-
listen 1 Sitz. Die Deutsche Volkspartei hat ihre Stimmen ver-
doppelt, während die DeutschnaOonaien zugunsten des Bauernbun-
des die Hälfte der Stimme verloren. Die bisherige Mehrheit der
Unabhängigen ist damit gesprengt.
Auch dieses Vcahl-ergebnis zeigt wieder deutlich, wohin sinn-
loser Radikalismus führt: zur Stärkung der Reaktion und zur
Schwächung der Arbeiterschaft. Wenn die Führer der Unabhängi-
gen eine Spur von Verantwortungsgefühl hätten gegenüber dem
Proletariat, wenn ihnen das Wohl der Arbeiterklasse wirklich über
den Sonderinteressen ihrer Partei ständen, so würden sie endlich
von ihrer radikalistischen Hetzdemagogie Massen und mit uns in
positiver Arbeit versuchen, für die Arbeiterschaft herauszuhvlen, was
unter den gegebenen Verhältnissen herauszuholen ist.
Brotverteuerung und Reichsgetreidestelle.
Berlin, 29. Mai. Blätter verschiedener Richtung bringen
in letzter Zeit Angriffe gegen die R ei ch s g e t r ei de-
sl e l l e, der. Ueberschustwirtschaft mit ganz ungeheuren Beträgen
vorgewvrfen wird. Tatsächlich macht die Reichsgetreidestelle keine
Ue'verschlisse, mutz aber ein Defizit von mehreren
Milliarden decken, das aus der Einfuhr ausländischen Ge-
treides stammt, welche ungeheure Reichszuschüffe erforderlich ge-
macht hat und noch erfordert. Vom 1. April bis 15. August d. I.
sind für Verbilligungsaktionen 3 Milliarden Mark, in
der Hauptsache für Brotgetreide, zur Verfügung gestellt. Die Schuld
an der Brotverteuerung trifft die Verwendung ausländischen Mehls,
welches sich leider angesichts der Verhältnisse nicht umgehen läßt;
die reinen Verwaiiungskosten der Reichsgetreiöestelle betrage!! etwa
3 Pfennig für das Brot von 190» Gramm.
Rationalisierung des deutschen Güterverkehrs.
Berlin, 31. Mai. Im Reichüverkehrsministerium fand
heute eine Besprechung statt, in der vorbereitende M-aßnghmen für
die Neuregelung und Leitung des gesamten deutschen Güter-
verkehrs nach dem Gesichtspunkte des betrieblich und
wirtsch a f t I i ch -v o r tei I h a f te st e n Weges getroffen wur-
den. Die Durchführung der umfangreichen Arbeiten soll in jeder
Weise beschleunigt werden. Die aus einem früheren Wettbewerb
der Länder hervorgegaiMnen Lestungswege sollen baldmöglichst
beseitigt werden, soweit sie betriebliche Erschwer-
nissen n d unwirtschaftl i ch-e Umwege zur Folge hatten.
Vorschuß an Altpeufionäre und Hinterbliebene.
Berlin, 1. Juni. (Pr-w.-Meldg.) Allen Altpensionären
und Alt-Hinterbliebenen sollen rückwirkend vom 1. April 1920 bis
zu der in Aussicht stehenden Regelung der gesetzlichen Bezüge und
unter späterer Anrechnung auf diese 50 Prozent der bisher zustän-
digen Reiste als Vorschuß gezahlt werden.
Die Not der Presse.
W ien , 31. Mai. Die Generalversammlung der Vereinigung
österreichischer Tageszeitungen nahm einstimmig eine Entschließung
an, in der es heißt: Die gesamte österreichische Presse ist außer-
stande, mehr a l s f ü n f K r o n e n für ein Kilogramm Zeitungs-
papier aus eigener Rechnung zu zahlen. Es muu der Regierung
überlassen bleiben, mit den Papierfabriken die Verhandlungen so
zu führen, daß die Zeitungen nicht -eine weitere Belastung er-
fahren. welche zum endgültigen Zusammenbruch der gesamten öster-
reichischen Zeitungsindustrie führen würde.
Um den Achtstundentag.
Zweibrücken 31. Mai. Das Reichsarbeitsministerium
hat einer Beschwerde ftattgegeben, die der Metallarbe i t cr -
Verb a n d gegen einen Schiedsspruch des Schlichtungsaus-
schusses Zweibrücken^erhoben hotte, demzufolge die Fachvcrein-igun-
gen der Schlosser, Spengler und Installateure mit Rücksicht auf die
wirtschaftliche Lage des Gewerbes das Recht erhalten hatten, den
Zehnstundenlag wieder einzuführen und Tarif-veryandiun-gen
obzulehnen. Der Demobilmachungskommissar wurde beauftragt, so-
gleich neue Verhandlungen mit beiden Parteien
-in-zuleiten.
Vedeutsame Verfassungsreformen in Italien.
Rom, 30. Mai. Der von der Regierung eingebrachte Ge-
setzentwurf . betr. Kriegserklärung und Friedens-
! chlutz besagt, die Regierung kann keinen Krieg erklären ohne die
vorherige Zustimmung der beiden Kammern. Diese Zustimmung
betrifft nicht dringende zur Verteidigung des Landes erforderliche
Maßnahmen. Jeder internationale Verklag oder U e herein-
kommen müsse den beiden Kammern vorgeiegt wer-
den. und zwar, falls es das Intereste des Staates -und seiner Sicher-
heit erlaubt, mit allen Unterlagen. Verträge über Bündnisse,
Schiedsgerichte, Frieden, Handel und solche, die em« Belastung der
Finanzen darstellcii, ferner solche, welche ttauemsche Personen oder
ttalienischcs Eigentum im Auslande oder von Ausländern in Italien
betreffen, treten erst nach Genehmigung durch di« beiden Kammern
in Kraft. -lebe Gebietsveränderung kann nur durch
Gesetz erfolgen. Die dem Gesetze beigcgeocn« Begründung stellt
fest, daß es sich nicht darum handle, die Konstitution umzuandern,
sondern die durch die Konstitution dem Könige und den verantwort-
lichen Stellen zuaestandenen Vollmachten zu regeln.
Die Vorbereitungen für den neuen Kapp-Putsch werden mit
hem größten Eifer und mit noch nie dagew«jener Kühnheit betrieben.
Wie der „Vorwärts" mitteilt, ist es nur ein kleiner Teil dessen, wks
die sozialdemokratische Partei über die Vorbereitungen des neuen
Kapp-Putsches weiß. Die Vorbereitungen werden viel mnsang-
reicher als vor dem ersten Kapp-Putsch getroffen. Die Putsche
werden in zahlreich«« Orten gleichzeitig oder nach sehr verschiedenen
Methoden und zu verschiedenen Zeiten ausbrechen. Ob eine ein-
heitliche Leitung dieser Bewegung zustandekommt und der Zeitpunkt,
für sie schon festgesetzt ist, das sind die zwei einzigen Unklarheiten,
die noch aufzuhellen sind. Ls ist möglich, daß die Verführten meist
noch nicht wissen, wozu sie mißbraucht werden sollen. Mit allen
möglichen Vorspiegelungen mit rein materiellen Forderungen sucht
man ehemalige Soldaten und Unteroffiziere für diese Bewegung zu
gewinn««. Während ein Teil der Nachrichten darauf hindeutet, daß
»»an schon vor dem 6. Juni losschlagen will, geht ein anderer Teil
guter Inforntottonen dahin, daß die Putschisten erst das Wahlergeb-
nis abwarte»» werden, bevor sie vorgehen, daß sie aber, wie auch die
Wahl ausfällt, zur Macht gelangen wolle,», entweder auf gesetzlichem
Wege, wenn ein Wahlsieg der beiden Rechtsparteien, was höchst
unwahrscheinlich ist, kommen sollte, oder mit Gewalt, wenn die
Wähler sich gegen die Kappisten entscheiden. Großes Unrecht wäre
es, den Emst der Lage zu unterschätzen. Wir Haden mit weit grö-
ßeren Schwierigkeiten zu rechnen, als arn 13. März.
Der „Frontbund" in Berlin.
Der Freitagmvrgen-„Vorwärts" bringt unter obiger Ueber-
schrift und mit dem Untertitel „Die Schwerindustrie als
Geldgeber" neue Enthüllungen über die außerordentliche
Putschgefahr von rechts. Es wird geschrieben, baß zu gleicher Zeit,
in der die Rechte ein Bestehen des Frontbundes oder eine Verbin-
dung der D e uts chna 1 ion a l e n mit diesem überhaupt in Ab-
rede stellt und eine mittelbare Putschgefahr als Wahlmanöver hin-
zustellen versucht, taucht dieser Frontbund in Berlin selbst auf.
Gleichzeitig wird auch bekannt, datz er mit dem Geld« der
S chw e r i n d u stri e unterstützt wird.
Der Frontbund hat in Berlin eine Versammlung abge-
halten, die unter ganz geheimnisvollen Umständen getagt hat. Die
Teilnehmer wurden von -einem Lokal in das ander« geschickt, bis
-endlich nach mehrmaligem Lo-kalwechsel die 21 Delegierten aus
Deutschland zusammen waren. Der Hauptmann v. Pfef-
f e r, das geistige Haupt der Bewegung, erklärte auf dieser Konfe-
renz, datz Gelder, von der Schwerindustrie zur Verfügung gestellt)
in genügendem Maße vorhanden seien. Er hat auch die Delegi-er-
tengelder sofort ausgezahlt. Einige Delegierte waren von ihren
Dienststellen abgevrdn-et, so vor allem von- der Wchrbrigad-e 7, die
ihre Abgesandten augenscheinlich aus Staatsmitteln bezahlt. Der
Fron-tbund hat auch eine Postschecknummer. Das Freikorps Lützow
soll in Berlin zwei Werber sitzen haben, die ständig tätig sind. Als
Aufgabe des Frontbundes wird genannt, -aß er jede
Auflösung oder Zusammenlegung der Freikorps zu bekämpfen habe.
Ein Prozent der Löhnung soll zurückbehalten werden. Namhafte
Beiträge hat die Schwerindustrie gezeichnet.
Es wird weiter gemeldet, daß die Zentrale des Front-
bundes noch vor den Wahlen -von Paderborn nach Berlin
verlegt werden soll. Auch aus Stettin werden ähnliche Zu-
sammenkünfte gemeldet, jedoch wird dort unter der Flagge
monarchistischer Bereinigungen gesegelt. Man predigt dort den
Kampf gegen die bestehende Regierungsform. Welche Ziele man
verfolgt, wird vorläufig noch verschwiegen.
Gegen die außerordentliche Gefahr, die von rechts droht, gibt
es nur das eine Mittel, am 6. Juni eine starke sozialistische Mehr-
heit zu wählen, die eine Regierung ermöglicht, de rücksichtslos und
unbehindert gegen diese Rechtsputschisten vorgehen kann.
Der „Vorwärts" gibt in feiner Samstag-Morgen-
ausgabe weiter« neue Mitteilungen über den „Frontbimd" un-
feine Geldgeber. Er macht genaue Angaben über Namen und
Adressen, die für den Frontbund in Berlin werben und gibt genaue
Mitteilungen über die Gelder, die diese Personen erhalten. Jeder
Werber erhält für sich eine tägliche 'Aufwandsentschädigung von
100 Mk. Die Werber führen richtige und gefälschte Ausweise mit
sich, die vom Hauptmann Pfeffer unterzeichnet sind. Kuriere
arbeiten ebenfalls mit und sind auch mit mehreren gefälschten Aus-
weisen versehen.
Außer den s ch w e r i n d u st r i e l l e n Geldgebern die
bereits durch Hauptmann Pfeffer in der Berliner Konferenz des
„Frontbun-bes" in den Wilhclmshallcn am Zoologischen Garten
einwandfrei sc sige stellt wurden, sollen auch Hamburger und
Bremer Kaufleute diese rcakttonarcn Putschabsichten -cs
Fronibundes durch Spenden u nter st ü tz e n.
Unter den vom „Vorwärts" veröffentlichten Personen des
Frontbundes befindet sich ein Hauptmann Stollberg, der ein
ganz gefährlicher Bursche zu sein scheint. Er trägt ständig zwei Re-
volver und Eiergranaten bei siä>, hie er auch anderen Personen
zeigt, um zu beweisen, wie scharf er bewaffnet sei.. Er rühm» sich
-in Lrbau schon einmal zum Todewerurteilt gewesen zu sein, es sei ihm
jedvck gelungen, sich- der Vollstreckung des Todesurteils zu entziehen.
Auch ein Komplize, der Offizierstellv-ertrelei: Esser, reist fleißig
überall in Deutschland herum. Dieser Esser soll auch so-
zialdemokratische Ausweise mit sich führen, um nicht -in -eine Falle
zu geraten.
Die jetzige Organisation des Frontbundes macht noch den Ein-
druck von etwas Unfertigem und noch in der Entwicklung begriffenen.
In einem der vom Frontbund verbreiteten Flugblätter heißt -cs:
„Seid unbesorgt. Programm und wirtschaftliche
Macht st e l! ung kommt von seiber, wenn nur überall ein Zu-
sammenschilutz zu gegenseitiger Hilfe erfolgt. Es wirb ein Programm
herausgegeben, wenn alle Soldaten bei der Organisation sind."
NWUMW MZ WWWkll.
Von Minister Adam Remmele.
Der R e i chstagswahIkampf bringt -die Wählermassen
nur langsam -in Bewegung. Die Parteien haben haben über ver-
hältnismäßig schlechten Besuch der Wahlversammlungen zu
klagen, nicht zuletzt die rechis und links orientierten Oppositionspar-
teien. Nur -ort, wo -die führenden Männer des politischen Lebens
in- die Arena hinabsteig-en, wird das Interesse für den Versamm-
lu-n-gsbesuch. lebhafter,
Bestimmte Schlüffe für den Ausfall der Reichstags-
wahl lasten sich aus dieser Erfahrung nicht ziehen. Man weiß
aus der Vergangenheit, daß Versammlungsbesuch und Wahlergeb-
nis schon sehr häufig miteinander in scharfem Kontrast standen.
Entscheidend für die Anteilnahme der Bevölkerung am Wahlkampf
und an der Wahl ist in der Regel eine große Wahlparole.
Regierungsseifig ist eine solche nicht hinausgegeben. Die Regie-
rungsparteien kämpfen jede selbständig für sich um die Vermehrung
des Anhanges für ihre Politik, -woraus sich -das Bestreben für die
Erhaltung der „Politik der mittleren Linie" auf dem Boden der
Demokratie schlußfolgert. L e b e n s m i 1 t e l n ö te, Teuerung
und andere Schwierigi-eiten im wirtschaftlichen Leben schwächen na-
turgemäß die Kampfstellung der Regierungsparteien, weil man ge-
meinhin von letzteren erwartet hat, das Kriegselend in einem schnel-
leren Tempo brheben zu können. Die Menschen vergessen eben gar
zu- leicht, wie groß das Elend der deutschen Nation gewesen war und
woher im November des Jahres 1918 der Zusammenbruch kam.
Die Oppositionsparteien haben in der scharfen Her-
vorkehrung aller Schwierigkeiten des derzeitigen öffentlichen un-
privaten Lebens nicht erreicht, worauf das Ziel eingestellt war, näm-
lich das Volk in Massen gegen die verfassungsmäßiegn Zustände
unserer Zeit auszubringsn. Im Gegenteil! Der sichtliche Erfolg
läßt sich jetzt'schon dahin zusammenfassen, daß ein großer Teil des
Volkes angeekelt durch die fortwährende Herunterreitzerei den öf-
fentlichen Vorgängen gegenüber sich gleichgültig verhält und kein
Interesse für die Wahl -bekundet. Aller Voraussetzung nach wird
sich daraus eine allgemein schwache Wahlbeteiligung erge-
ben, -von welcher allerdings die Opposition immer noch einen ge-
wissen Erfolg haben wird, weil erfahrungsgemäß die Träger der
Negation ihre Anhänger fest in der Hand haben. In dieser Er-
scheinung scheint im wesentlichen die Gefahr für den Wahlausgang
anzufchen sein.
An eine starke V e r s ch i e b u n g der Mach-Verhält-
nisse zugunsten der Reaktion und Monarchie oder zugunsten der
Anhänger des Rätegedankens glauben die politisch aktiven Anhän-
ger der Mehrheitsparteien nicht und das wird wohl auch -der Grund
für die Elc-ichgültigkeit gegenüber der Wahlpropaganda sein. Dieses
Verhalten ist sehr zu tadeln, denn gar zu leicht dürfte es unter die-
sen Voraussetzungen dahin kommen, daß es nach der Wahl in der
Tat neue Komplikationen gibt, für die dann das Volk in seiner Ge-
samtheit die Folge tragen muß.
Jede wesentliche Verschiebung der Machtverhältnisse im Reichs-
tag verschärft bei -er Opposition rechts und links den Willen, even-tl.
mit allen Mitteln der Gewalt zu Ende zu führen, was der Gang
zur Wahlurne nicht zu entscheiden vermochte. Die Nachrichten über
Putschversuche der Reaktion, die von Mecklenburg und Pommern
kommen-, mögen teilweise übertrieben sein, soweit sie sich ober dar-
auf beziehen, organisatorische Vorbereitungen zum Losschlagen bei
günstigen Voraussetzungen zu treffen, wird man den gemachten Mit-
teilungen durchaus Glauben beimessen können. Es haben ja uich!
nur Offiziere in großer Zahl ihre privaten zum Teil trostlosen Ver-
hältnisse zum Ausgangspunkt einer Stellungnahme gegen die jetzi-
gen verfassungsmäßigen Zustände gemacht, auch Soldaten des alten
Heeres, die nach- einer abgedienten mehrjährigen Dienstzeit eine
Dienststelle zu erreichen hofften, sind zu -Feinden der Republik
geworden, in welcher ja. die Tüchtigkeit des Mannes und nicht das
Addi-enen- an Dienstjahren für das Fortkommen entscheidend sein
soll, lind dazu kommt in Preußen die Beamtenhierarchie, die zeit-
weise ja auch einem König die Faust zu zeigen wagte — man -ent«
an die Affäre des Mittellandkanals — welche den neuen Vol-ksstaat
nach Kräften zu sabotieren versucht. Das ganze Beamtenheer in der
preußischen Verwaltung und Justiz läßt sich beim besten Willen
nicht in wenigen Monaten dergestalt umbilden, daß man der Zu-
kunft ruhig entgegensehcu kann. Aus diesen Gruppen wachsen so-
mit die Triebkräfte zum Widcrjtaich gegen den Bestand der Re-
publik, die von. politischen Demagogen zusammengefaßt und in ent-
scheidender Stunde zur Auswirkung gebracht werden sollen. Wie
die Reichstagswahl für die reaktionären Parteien auch ausgehcn
mag. dic'erlremen Kräfte dieser Parteien werden in dem einen wie
dem andern Falle ihre aus dem Wahlergebnis zu ziehenden Schluß-
folgerungen auf den'Gewaltstandpunkt hinzudeuten wissen. Wäre
dies anders, als «iwWünder müßte man es bezeichnen. Jede revo-
lutionäre Umwälzung hat. ihre Nachwehen und kein Volk hat sich
noch die Selbstverwaltung errungen, ohne sie gegen reaktwn-äre An-
schläge verteidigen zu müssen. .
Der Bestand der Republik wird auch von den links orientier-
ten Oppositionsparteien gefährdet. Die Kommunisten insbesondere
besprechen in ihren Zirkeln die Möglichkeit von in naher Zukunft
in Frage kommenden neuen Versuchen, der Rätediktatur zum
Durchbruch zu verhelfen. Mitteilungen, hierüber, die von den