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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 191 - Nr. 200 (19. August - 30. August)
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Volkszeitung
Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirks Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbifchofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn S.— Mk. Anzeigenpreise
Vie einspaltige Petitzeile (ZS mm breit) 80 Pfg-, RellameÄnzeigen
PZ mm breit) 2.20 Ml. Sei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen,
«eschäftsstunben: 8-'/-6Uhr. Sprechstunden derMdallion: 11-12 Llhr.
j»ofif»ec' er>che Nr. 22577. Tel.-Adr. :B»«k»»«ttung Heidelberg.

Heidelberg, Donnerstag, ^9. August H920
Nr. * 2. Jahrgang

Verantwort!.: Für innereu. äußerepolitih Dollswirtschaftu. Feuilleton: Dr
E. Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: Z. V.:O. Geibel; für
Lot :ü. Ge i oel; für die Anzeigen: H. Hoffm ann, sämtl. in Heidelberg
Druck und Verlag der ilnterbadi scheu Verlagsanstalt G. m. b.H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße ZS.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2S7Z, Redaktion 2648.

Lloyd George im Kampf mit der
englischen Arbeiterpartei.
Heidelberg, 19. August.
Wir haben am Dienstag bas bedeutsame Telegramm des eng-
lischen Arbeiterführers Adamfon au den Sekretär des interna-
tinoalen Eewerkschaftsbundes veröffentlicht, in dem mitgeteilt wich,
daß der Aktionsral der englischen Gewerkschaften die Politik Eng-
lands im Osten aufs schärfste verfolgen unb kontrollieren wich, um
eventl. kriegerische Absichten mit sofortigem Generalstreik zu beant-
worten. So rasch also haben die englischen Sozialisten das Man-
dat, das ihnen eben erst in Genf gegeben worden ist, in die Tat
umgesetzt. Wir haben schon bei den verschiedensten Gelegenheiten
darauf hingewiesen, wie stark Lloyd George in seiner Politik mit
der Arbeiterpartei rechnen must. Wenn er jetzt im russisch-polni-
schen Problem eine andere Stellung wie Frankreich einnimmt, wenn
er in ständiger Fühlung mit Kamenew und Krassin seine Entschlüsse
fastt und aus friedlichem Wege zu vermitteln sucht, so ist das neben
den wirtschaftlichen Interessen Englands im Osten nicht zuletzt dem
Druck des englischen Proletariats zu verdanken. Wer so recht wohl
fühlt sich natürlich Lloyd George in der Rolle, die er jetzt spielen
must, nicht. Nicht nur, daß die französische Politik jetzt über seinen
Kopf weg General Wrangel anerkannt und damit ostentativ bewie-
sen hat, daß sie nicht mehr länger mit der Ostpolitik des Premier-
ministers mitmacht, auch bei den rechtsgerichteten Kreisen seiner
eigenen RcgierungLkoa-litivn stößt er aus starken Widerstand. Daß
nun gar die Arbeiter sich nicht mchr länger mit schönen Parlaments-
reden abspeisen lasten wollen, bis sie eines Tages womöglich vor
vollendete Tatsachen gestellt sind, daß sie mit ihrer Friedens- und
Versöhnungspoiitik Ernst machen und einen Aktionsrat zur Kon-
trolle der Regie,ungspolitik einsetzen, das konnte sich Lloyd George
nun doch nicht bieten losten, das ging gegen seinen liberalistischen
Demokratismus. So hat er denn am Dienstag in einer Unter-
hausrede sehr scharf gegen die Arbeiterpartei Stellung genommen.
Das Wolff-Büro verbreitet darüber folgende Mitteilung:
London, 17. Aug. (Drahtmeldung.) Einer ausführlichen Reuler-
Meldung zufolge sagte Lloyd George in seiner llnterhäusrede be-
züglich der von der Ackeiterkonserenz am Freitag vorgenommenen Aktion,
es sei ein gefährliches Unternehmen zu erklären, daß eine
Art Sowjet auf die britische Berfaung aufgepfropft werden müsse
»ich daß die Verfassung einen Aktionsausschuß einsetzen sollte, der nur
einenTeilder Volksgemeinschaft vertritt. Dar sei eine der
furchtbarsten Herausforderungen, die jemals an die De-
mokratie gerichtet worden sind. Jede Negierung müsse ohne jedes Zö-
gern den Handschuh aus nehmen. Niemals sei eine außerhalb
der Verfassung stehende Maßnahme weniger berechtigt gewesen, als di«
Arbeiterpartei. Diese habe genau die Politik der Regierung gekannt.
Lloyd George erklärte zum Schluß: Ein in der Verfassung nisttt vor-
gesehenes Vorgehen sei unter allen Umständen verkehrt und gefährlich.
Wenn vs sich aber nach nicht einmal um eine Frage handel«, bei der das
Land in Gefahr schwebe, fei es ein gar nicht zu rechtfertigendes Vor-
gehen. Es verfolg« lediglich den Zweck, im Lande den Eindruck zu er-
wecken, als ob es ohne diese Drohung Krieg gegeben hätte.
Vom formaldemokratischen Stand unkt aus scheint Lloyd
George vollständig im Recht zu sein. Aber es handelt sich ja bei
der Aktion der Arbeiterschaft gar nicht um Fragen der Verfassungs-
änderung, der Einführung des russischen Sowjetsystems usw. Son-
dern die Hunderttausenbe unb Millionen von Männern und
Frauen, die durch ihre Delegierten bie Beschlüsse bes Gewerk-
schaftskongresses gefaßt haben, Männer unb Frauen bes werktäti-
gen Volkes sind gewillt, mit allen ihn zu Gebote stehenden Mitteln,
einen neuen Weltkrieg zu verhüten. Durch all die Not, Leiben unb
Elend bes Völkerkrieges ist ihnen der starke Wille gereift, für bie
Zukunft jeden Völkermord zu verhindern. Sie sind von tiefstem
Mißtrauen gegen ihre Regierungen unb Parlamente erfüllt.
„Zwei Jahre lang haben diese Menschen die Anstrengungen
der Staatsmänner zum Wiederaufbau der Welt verfolgt und haben
gesehen, daß alle friedlichen Absichten durchkreuzt mA vernichtet,
alle alten Streitigkeiten und Eifersüchteleien wieder an den Tag
gebracht und die alten diplomatischen Methoden wieder zum Leben
erweckt wurden, während die Parlamente offenbar hilflos zur Seite
standen." („Westminster Gazette.")
Auch bas englische Proletariat ist durch den Weltkrieg zu-
Klassenerkenntnis gereift, es ist sich seiner wirklichen polirischen
Macht bewußt geworben. Es will sich nicht mchr länger von >den
Clemenecau, Poineare, Millerand, Lloyd George, Churchill usw.
an der Nase herum unb auf das Schlachtfeld führen lassen. Bis
hierher und nicht weiter ruft es den imperialistischen Machthabern
zu! Sollten sie auf seinen Ruf nicht hören, so tragen sie kein Be-
denken, in Befolgung der Beschlüsse von Gens die ganze Produk-
tion lahm zu legen unb damit das Kriesführen unmöglich zu
machen.
Lloyd George steht vor ei n e m S ch e i d ew eg
Entweder gibt er den französischen Lockungen nochmals nach und
entschließt sich, Polen unter irgend einem Vorwand gegen Ruß-
land zu Hilfe zu kommen: dann wird der Generalstreik und Bürger-
ikreg in England unvermeidlich sein! Oder aber er, hört aus die
rvarnenbe Stimme des Proletariats, ruft die französischen Kriegs-
hetzer in die Schranken und treibt eine Politik der Vernunft und
des Friedens! Uns aber sind diese Vorgänge in England ein Be-
weis für die Macht, die das Proletariat haben kann, wenn es sie
richtig zu gebrauchen weiß.
„Alle Räder stehen still,
wenn dein starker Arm es will."
Um dieses Wort wird sich bie Weltpvlitik der nächsten Zukunft
drehen!

Polens Gegenoffensive.

Der Krieg im Osten.
Die polnische Gegenstöße.
Warschau, 19. Aug. Nachdem man die .bolschewistischen
Truppen im mittleren Teile der Kampffront bis an die äußeren
Forts hatte herankommen lassen, machten die Polen auf beiden
Flügeln Gegenangriffe, den einen von Lublin aus in der Richtung
auf Brest-Litvwsl unter dem Kommando des Generalstabschefs,
den andern von Nvwvgeorgiewsk aus den Narew aufwärts. Die
polnischen Truppen entwickeln sich an der Bahnlinie Warschau-
Danzig aus in der Richtung auf Mkawa. Den Truppen des
Marschalls Pilfndski gelang es einen Tess der Stellungen auf
der ganzen Linie zwischen Lieviepsr auf Brest-Litowsk zurückzuge-
winnen. Infolgedessen wurde eine vollständige Entlastung des
Nordufers der unteren arew erreicht unb die Stadt Sorok am
Zusammenfluß von Bug und Narew wiedergewonnen. Damit ist
die alte Verbindungslinie nach Warschau wiederhergesiellt.

Warschau entlastet.
Nach den vorliegenden- Meldungen scheint ber bolschewistische
Angriff im Zentrum vor Warschau zum stehen gekommen zu sein;
die Polen Haden mit Unterstützung französischer Offiziere zu einer
kräftigen Gegenoffensive ausgeholt, die vorläufig Erfolg zu haben
scheint, die weitere Entwicklung und ihre Auswirkung bleibt abzu-
warten. Im Norden von Warschau im polnischen Korridor mar-
schieren die Russen weiter vor.
Paris, 18. Aug. (W.B.) Havas. Der Sonderbericht-
erstatter des „Petit Journal" in Warschau telegraphiert seinem
Blatte unterm IS. 8. abends: Die Lage an der polnischen Front
hat sich beheulend gebessert. Die von den Polen unter Mitwir-
kung französischer Offiziere unternommene Gegenoffensive entwickelt
sich mit großem Erfolg. Die Bolschewisten wurden auf der ganzen
Nvrbfront zurückgeschlagen. Warschau rst entlastet unb außer
Gefahr.
Pari«, 18 W»g. (W.B.) Havas. Der Korrespondent
des „Echo be Paris" gibt Einzelheiten über bie siegreiche Gegen-
offensive in Polen. Hauptsächlich an drei Punkten entwickelte sich
ber Gegenangriff. Im Zentrum feien bi« Polen bis zum Zusam-
menfluß vom Bug unb Narew vorgedrungen. In ber .Nach: zum
16. August seien die Polen aus Moblin (Nowo-Georgiewsk) her-
vorgebrochen und hätten die Bolschewisten auf ben Narew zurück-
geworfen. Der Brückenkopf von Servck sei genommen.
Der Berichterstatter fügte hinzu: Der einstweilige Erfolg der
Gegenaktion sei hie Entlastung Warschaus. Sie könne aber auch
bie Einschließung der Bolschewisten, welche sich in ber Krümmung
von Bug unb Narew befinden, zur Folge haben. Gleichzeitig mit
der Entlastung Warschaus leitete General Pilsüdski auf bem rech-
ten Flügel bie Gegenoffensive in Richtung Brest-Litowsk ein, die
ben Bolschewisten vollkommen überraschend war. Der fliehende
Feind ließ bedeutendes Material im Stich. Nach den letzten Nach-
richten hat die Armee Pilsüdski die Linie Garwolin-Teleschow er-
reicht. Auch auf -dem äußersten linken Flügel in der Richtung des
polnischen Korridors setzt eine dritte Gegenoffensive ein.
Königsbergs. Pr., 18. Ang. (W.B.) Lagebericht.
Die Eisenbahnlinie Deutsch-Eylau-Thorn ist
überschritten. Bolschewistische Truppen erreichten Lessen
und Rehden. Südlich Bischofswerder ist russische Kavallerie
aufgetreten. Graudenz wird mit Hilfe ber Zivilbevölkerung be-
Wennigt armiert. Der Bahnhof Wlzlawek liegt unter russischem
Artilleriefeuer. Südwestlich Ciechanvw ist ein Entlastungsstoß des
polnischen Nordflügels zum Stehen gebracht worden. Ciechanvw
ist in den Händen der Bolschewisten. An der Nordostfront von
Mödlin unb der Ostfront von Warschau halten die starken bolsche-
wistischen Angriffe an. Der Gegenstoß des polnischen Zentrums
aus der Linie Warschau— und der Flank-enstoß nördlich
des Oberlaufes der Wieprz gewinnen- an Boden. Kämpfe bei
Nowo-Minsk, nördlich von Zelkechvw und Luknow. An ber Süd-
ftont örtliche Kampfhandlungen.

Der Vormarsch auf Grau^snj.
Berlin, 19. Aug. (Priv.-Tel.) lieber den Vormarsch aus
Graubenz und den Fortgang der Kämpfe gegen Graudenz wirb der
„Boikszeitung" aus Deutsch-Eylau gemeldet: Der polnische Korri-
dor von Strasburg bis Deutsch-Eylau ist von polnischen Truppen
frei. Auf dem Unten Flügel rückte eine starke Kavalleriemasse se-
ien Thorn vor. Es wird ferner erwartet, baß vielleicht noch Wei-
ler füglich ein lieber-gang über bie Weichsei Versucht wirb. Der
rechte Flügel kämpft bereits vor dem Eisenbahnknotenpunkt Eosz-
Ershausen. Der nördliche Teli von Bischofswerder ist noch von
irrten polnischen Truppenmassen besetzt. Nachdem -die polnische
Grenzwache zurückgezogen worden war, haben einige deutsche Bür-
ger aus der Stadt Bischofswerder die Grenze überschritten. Dort
Wurden sie von einem polnischen Panzerzug überrascht und -befchos-
An und ein Teil von ihnen festgenommen. Im allgemeinen ist die
r-ags vor Graudenz für die Russen günstig.
Die russisch-polnische Waffenftillstandskonferenz
. London, 18 Aug. (W.B.) Havas. Eine offizielle Mos-
Depesche über -die russisch-polnische Waffenstillstandskonferenz
^d'.daß nach dem Austausch der Vollmachten der Vorsitzende
ver russischen Delegation, Danischewski-, eine Rebe hielt, in der er

die russische Friedenspolitik bestätigte, insbesondere bie Absicht
Sowjetrußlands, die Souveränität und Unabhängigkeit Polens und
sein Recht aus Selbstbestimmung seiner Regierungsfvrm zu achten.
Gleichzeitig erklärte er, daß Rußland Polen größere territoriale
Vorteile bieten würde als die Entente.

Die Stellungnahme der französischen
Gewerkschaftskommission.
Paris, 18. Aug. (W.B.) Havas. Nach ber gestrigen Zu-
sammenkunst der englischen Arbeirerdelegierten trat die Verwal-
tungskommission der Cvnfederativn generale du Travail gestern
abend zusammen und nahm die folgenden Grundsätze eines Mani-
festes an, das heute veröffentlicht wird: 1. Einspruch gegen die
Ausweisung der englischen Arbeiterdelegierlen, die ohne gültigen
Grund geschah, 2. Einspruch gegen die augenblickliche Politik Frank-
reichs im russisch-polnischen Konflikt, 3. Einspruch gegen das Ver-
halten der französischen Regierung gegenüber General Wrangel
und gegen die Agitation betreffend die Freiheit und Unabhängigkeit
der Völker, 4. Einladung der französischen Arbeiter zur Arbeitsver-
weigerung im Falle eines Krieges.
Paris, 18. Aug. (Wolfs.) Havas. Der Generalsekretär
der C. G. T. (Allgemeiner Arbeiterverband), Iouhaux, ist heute
nach A msterbam abgereist, wo er der morgigen Sitzung der Ge-
schäftsleitung des internationalen Gewerkschastsverbanbes, der als
Vizepräsident angehört, beiwohnen wird. In dieser Sitzung sollen
die von der Eewerkschaftsorganisation vorgesehenen Ausführungs-
bestimmungen über die Verhinderung der Waffen- und Munitions-
fabrikation sowie für die Störung der Schiffs- und Lustschiffahrts-
verbindungen im Falle eines Krieges zu ergreifenden Maßnahmen
zur Verhandlung kommen. Man versichert, bah die deutschen De-
legierten dieser Konferenz ebenfalls beiwohnen werden
Erneute blutige Kämpfe in Kattowitz.
Beuchen, 19. Aug. Nach einer Meldung der Ostdeutschen
Morgenpost aus Kattowitz ist die ungeheure Spannung gestern nach-
mittag abermals zur Entladung gekommen. Gegen 6 Uhr hatte sich
vor dem Hotel Deutscher Hof, dem Sitz der polnischen Plebiszitkom-
misfion, eine ungeheure Menschenmenge angesammelt, die dort ein
Waffenlager vermutete und dessen Herausgabe forderte. Als ein
Kraftwagen der Sicherheitspolizei erschien rm-d die Menge zer-
streute, wurde plötzlich aus dem Hause das Feuer eröffnet. Die
Straße war sofort leer. Jeder Passant war bedroht. Später er-
schienen einige junge Leute mit Handgranaten und Gewehren und
es entwickelte sich ein regelrechter Feuerkampf. Gegen 8 Uhr abends
brach in einem der unteren Räume des Hotels Feuer aus und ge-
gen 9 Uhr abends ergab sich die Besatzung der Sicherheitswehr und
die Feuerwehr ging an die Löschung des Feuers. Von der Be-
satzung wurden 17 Personen festgenommen. Die Akten liegen auf
der Straße. Die Stadt ist jetzt ruhig. Die gesamte Bevölkerung
befindet sich trotz der Verhängung des Belagerungszustandes auf
der Straße. Die Besahungsiruppen werden in den Kasernen ge-
halten. Seit 9 Uhr ist jede Verbindung mit Kattowitz unterbrochen.
Kattowitz, 18. Aug. Heute nachmittag herrschte hier all-
gemeine Ruhe. -Starke Patrouillen ber Si-cherheitswehr durch-
ziöhen die Straßen. Laut Verfügung der interalliierten Regie-
r-ungs- und Plebiszitkommission in Oppeln ist unter dem 17. Aug.
ber verschärfte Belagerungszustand über Kattowitz verhängt wor-
ben. Von 8X Uhr an bis 4 Uhr früh darf niemand ohne Aus-
weis der interalliierten Kommission die Straßen betreten.
Polnische Hetze in Oberschlesien.
Kattowitz, 19. August. Die polnische Presse Oberschlesiens
fordert die Ausweisung aller ^landfremden" Leiter der deutschen
Zeitungen und Redner in den Volksversammlungen, sowie der Ver-
anstalter der gestrigen Unternehmungen, ferner bie Ausweisung
sämtlicher in den letzten'zwei Jahren zugezogenen Deutschen und die
sofortige Auflösung ber Sicherheitswehr, sodann die Entfernung
und Bestrafung der am Streik beteiligt gewesenen Eisenbahn-- u-nb
Postbeamten-, sowie die Einsetzung von alliierten oder polnischen
Kontroll-eueren bei den Eisenbahn'- und Postbstrieben
Die Sicherung der oberschlesischen Neutralität.
Die oberschlesischen Kundgebungen für unbedingte Neutralität
int russisch-polnischen Krieg scheinen Erfolg gehabt zu haben.
Berlin, 18. Aug. Wie wir von zuverlässiger Quelle er-
fahren, steht die deutsche Regierung seit mehreren Tagen mit der
interalliierten Kommission in Oppeln in Verhandlung über die
Wahrung der Neutralität im oberschlesischen Abstimmungsgebiet.
Die interalliierte Kommission versicherte, daß sie etwa die Grenze
überschreitende Truppen der kriegführenden Mächte entwaffnen und
internieren werde unb daß sie auch jede Unterstützung der kriegfüh-
renden Mächte aus dem Abstimmungsgebiet heraus oder durch das
Abstimmungsgebiet hindurch, wie zum Beispiel durch die Zufuhr
von Munition, Rekrutierung usw. verhindern würde-
 
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