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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 151 - Nr. 160 (3. Juli - 14. Juli)
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Tageszeitung für die werttätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, (kppingen, Lberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Träaerlohn 5.— Ml. Anzeigenpreise:
Die einspaltige petttzelle (Z6 mm breit) S0 pfg., Reklame-Anzeigen
st-Z mm breit) 2.20 Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8-'/,H llhr. «Sprechstunden der Redaktion: 11—12 llhr.
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Heidelberg, Donnerstag, 8. Juli 1920
Nr. ISS » 2. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere u. äußere Politik, Volkswirtschaft». Feuilleton: Dr.
Q.Krausi fürKommunale» u. soziale Rundschau: I.Kahn,- für Lokales:
O.Geibel; für die Anzeigen: y. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der ilnterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße ZS.

M Mmz ii N
Spa, 7. Juli. (W.B.) Der heutige Vormittag ver-
nef ruhig. Die Mitglieder der deutschen Delegation hielten
mehrfach Besprechungen ab, um ihre endgültige Stellung-
nahme in der heutigen Konferenz zu beraten.
Spa, 7. Juli. (W.B.) Die dritte Sitzung der Kon-
ferenz von Spa fand heute nachmittag 3Vz Uhr statt. An-
wesend waren die Vertreter der 5 interalliierten Mächte
und die deutsche Delegation, sowie die alliierten und deutschen
militärischen Sachverständigen.
Die 3. Sitzung. — Dr. Simons als Reiter der
Situation.— Einverständnis in der Militärfrage
Spa, 8. Juli. Die dritte Sitzung der Konferenz fand gestern «ach-
mittag 4 Uhr statt. Reichsmmister Dr. Simons schilderte nochmals die
Schwierigkeiten, die für Deutschland mit der sofortigen Ablieferung des
Hsvr es Materials und der Herabsetzung der Truppenstärke verbunden seien,
trotzdem wollten wir bestimmte Daten und Attblen geben, hegten Ker
die Envartung, daß die Alliierten bei den weiteren Verhandlungen Ver-
tzändnis für unsere wirtschaftliche Lage bewiesen, daß sie uns bei der
Unterdrückung des Waffenschmuggels aus dem besetzten ins unbesetzte Ge-
biet beiständen und daß sie insbesondere auf den Abmarsch der Garnisonen,
«ms der iognannten neutralen Zone nicht beständen. Daraus legte Ge-
neral v. Seeckl einen Plan wegen der Ablieferung des restlichen Heerrr-
m«t»rials und der allmählichen Heüabsehung der Kruppenstär« vor. Für
Ar erster« gab er ei« Jahr, für die letztere fünf Vierteljahre als Termin
«n. Er ging besonders auf die Zahl der in Deutschland «och befindlichen
Gewehre ein, von denen rechnungsmätzig noch beinahe drei Million«
abzuliefern seien «ab fast zwei Millionen keinen nachweisbaren Verbleib
hätten. Lloyd George kritisierte di» deutschen Vorschläge kn längerer
Ach«. Die eigenen Angabe« des Generals zeigte«, wie berechtigt die
tiefe Besorgnis der AWerten sei. Das bedeute eine ständia« Bedrohung
nicht nur der deutsche« Regierung selbst, sondern aller Nachbarstaaten mit
bolschewistischen Angriffen. Er begreife nicht, wie dir deutsche RegkermH
daran denke» tonn», solche Zustände auch nur fünk Blocke», geschweige
denn fünf Vierteljahre bei sie» z« dulde», Die geforderte Verlängerung
der Frist ginge weit über das notwendig» Muh hinaus. Lloyd George
schlug vor, datz die militärischen Sachverständigen beider Parteien sich
über die i« einzelnen abweichenden Ziffern betr. der Hgeresmalerial»,
sowie über bl« Durchführung der Klausel« betr. Marine- und Luftflotte
sofort verständigen sollt«« und daß bl« Leiter der alliierten Delegationen
mit ihren militärische» Hquptsachvsrständigm die Vorschläge der deutschen
Rxqierung beraten sollt««. Heute mittag lS Uhr würde dann di« end-
gültige Antwort auf bi« Vorschläge erteilt »erden. Rach einem Lck.utz-
won Dr. Simons wurde dl« Sitzung um tz.4ö llhr geschlossen und di«
nächst« Sitzung aus morg« mittag anberaumt. Sn einer Sonderbe-
sprechung der militärische« Sachverständige«, di« sofort «ach der Sitzung
«rsammsntrat«,. wurde über die Ziffern d— Herresmaterials ein Emver-
ftandnis erzielt.
Berliner Presfeftimmsn.
Berlin, 8. Juli. (Prwatmeöduirgen.) Berl. Morzenbl. Wie der
..Vorwärts" meint, habe der Verlaus der gestrigen Tagung der Kon-
seren» in Spa, die Ansichten der Optimisten gerechtfertigt und bewiesen,
bah sowohl auf deutscher Seite, wie auch mindestens in einem Teil auf
der gegnerischen der ernste Wille zu einem Ausgleich bestehe. Das Auf-
treten dos Reichsministers Dr. Simons hab« wchckcheinlich einen gün-
stigen Eindruck auf die Alliierten gemacht. Lloyd George zeigte sich in
seinen Zwischenbemerkungen wesentlich entgegenkommender als am Diens-
tag. In englischen Kreisen in Spa sei gestern abend die Aussicht auf eine
Verständigung in der Entwaffimngsftage nicht ungünstig -beurteilt worden.
Das ./Berliner T a g edl a tt" sagt, die Diskussion über die
EnSschäldigungssrage werde vermutlich am Freitag beginnen. — Auch nach
diesem Blatt gekört der Erfolg des gestrigen Tages dem deutschen Mini-
ster des Auswärtigen, Dr. Sunvns. Er Kade in vollendeter Form und
was auch von alliierter Seite anerkannt wurde, mit grober Schlagfertig-
keit den deutschen Standpunkt vertreten.
Die Konferenzen der Deutschen.
Epa, 7. Juli. (W.B.) Reichskanzler Fehrenbach
konferierte heute vormittag mit Simons und Dr. Geßler
über die von den Alliierten geforderte genaue Beantwortung
der in der Entwaffnungsfrage gestellten Anfragen. Die
Diskussion war lange und lebhaft, da die Sachverständigen
nicht geneigt schienen, eine Reduktion zu prüfen. Cs scheint,
daß man im Gegenteil auf Seiten der Regierung geneigt
ist, Eingeständnisse zu machen. Es handelt sich nur darum,
in welchem Maße. Hier muß sich, wie man in deutschen
offiziellen Kreisen bemerkt, die Autorität des Reichskanzlers
zeigen,
Dr. Heinze in Sp«.
Spa, 7. Juli. (W. B.) Reichsjufiizminiftsr Dr. Heinze
traf mit dem Reichsanwalt Rickter hier ein, um über das
Reichsgerichtrverfahren gegen die sogenannten Kriegsver-
brecher vor der Konferenz Auskunft zu geben. Außerdem
wird Geheimrat Schmied vom Reichsministerium des In-
nern hier erwartet.
Die Kohlenfrage.
Zur Teilnahme an den Beratungen über die Kohlen-
krage, die voraussichtlich alsbald beginnen werden, find von
der deutschen Regierung als Sachverständige folgende Herren
Dringlich nach Spa gebeten worden: Hugo Stinnes, Ge-
heimrat Hilger, Geheimrat Arnhold, Lübsen, HuS u. Reichs-
kohlenkommissar und Generaldirektor Kongeter.
General Lerond, der Vorsitzende der interalliierten
Kommission in Oberschlesien, traf gestern abend 6 Uhr im

Automobil hier ein. Der General wurde noch gestern
Abend von Millerand empfangen.
Die Alliierten und die türkische Frage.
Spa, 7. Juli. (W.B.) Der Oberste Rat trat heute
Vormittag 11 Uhr zur Prüfung der von der türkischen
Delegation überreichten Note zusammen. Nachdem der Rat
die Unmöglichkeit festaestellt hatte, den türkischen Vertrag in
allen von der türkischen Regierung verlangten Punkten ab-
zuändern, da dieses Begehren alle wesentlichen Punkte be-
treffe, beschloß der Rat, eine Kommission politischer Sach-
verständiger unter Mitwirkurlg militärischer Sachverständiger
mit der Ausarbeitung der Antwort auf die Bemerkungen
zu beauftragen. Die Antwort soll in ewigen Punkten auf
die begründeten Einwände der Türkei Rücksicht nehmen.
Gestern fand «ne Besprechung der finanziellen Sach-
verständigen statt, die sich mit der italienischen Note befaßten.
Die Chefs der alliierten Regierungen hatten heute früh eine
längere Besprechung über die türkische Frage. — Der franzö-
sische Finanzminifter Marsal ist heute früh aus Paris wieder
hierher zurückgekehrt. — Gestern hatten Lloyd George und
Millerand eine lange Unterredung. Sie empfingen dann
später Veniselos und besprachen sich längere Zeit mit ihm.
Korfant in Spa.
Im Auftrage des polnischen Ministeriums des Äußeren
hat laut Voss. Ztg. auch der Vorsitzende des polnisch-«ber-
schlestschen Abstimmungkommiffariats, Korfant sich nach Spa
begeben. Er hoffe zu erreichen, daß Deutschland zur strikten
Neutralität während des Volksentscheids angehakren werde,
sowie eine großzügige wirtschaftliche Auslegung des Ergeb-
nisses.
L»i«nntÄNgSvi»s der 2. LitzüNK.
Spa, 6. Juli. (WM.) Der zweite Tag der Kon-
ferenz. Strahlende Sonne begrüßte den neuen Tag, aber
schon ballen sich wieder Wolken zusammen, und es wird
nicht lange dauern, so werden wir auch heute wieder viel
Regen haben. In den frühen Morgenstunden steht bereits
fest, daß Reichswehrminister Dr. Geßler uud General von
Seeckt am frühen Nachmittag hier eintreffen. Um 2 Uhr
erschien denn auch ein Automobil vor dem Hotel Anette
L Lublin mit Reichswehrminister Geßler und General von
Seeckt. Der Reichswehrminister sah sich sofort von einer
großen Gruppe ausländischer Journalisten umringt, die et-
was von ihm wissen wollen. Mit einigen kurzen Sätzen
müllen st« zufrieden sein. Deutschland ist bereit, sein Ein-
verständnis in der Entwaffnungsfrage zu geben, aber es
muß immer eine genügend große Macht bereit stehen, um
Unruhen im Innern zu unterdrücken. Sollte sich einmal
die Lage in Deutschland vollständig geklärt haben, dann
lügen die Dinge natürlich anders. Das Interview ist da-
mit beendet. Reichswehrminister Geßler und General von
Seeckt begeben sich alsbald in die Billa des Reichskanzlers,
wo sie mit ihm eine längere Besprechung haben. So war
es indessen '/? 4 Uhr geworden. Von 4 Uhr ab trafen die
Delegationen in kurzen Abständen ein. Als eine der ersten
die frsnzöstschen. Während die Minister im Innern des
Schlosses verschwinden, sah man den General Foch mit
einer Gruppe junger Mädchen plaudernd auf und ab gehen.
Kurz vor VF Uhr traf die deutsche Delegation ein. Kurz vor
5 Uhr erschien noch ein Auto, dem Geheimrat von Keller und
Staatsrat Dr. Meindl entstiegen. Der übliche Regen hatte
wieder eingesetzt. Um 6 Uhr kehrten auch wir zum Hotel
Anette L Lublin zurück, schleichend vergingen die Minuten.
Für das für 9 Uhr angesstzte Abendessen war noch niemand
im Saal. Ueberall standen Grupp«: umher und warteten
in höchster Spannung auf die Rückkehr der Delegation.
8 Uhr: Autos fahren vor. Die Delegation ist zurück. Dis
Sitzung ist zu Ende. Ueber den Verlauf der Sitzung
erfahren wir: Als Minister Dr. Geßler in seiner großen
Rede bei Besprechung der Auslieferung von Waffen auf
Einzelheiten einging, wurde er von Lloyd George unter-
brochen, der ihm zurief, er habe doch über das 100000
Mann-Heer zu wenig gesagt. Die Auseinandersetzungen
des Reichswehrministers würben mit tiefem Schweigen an-
gehört. Lloyd George ergriff dann das Wort und erwiderte
in ziemlich schroffer Weise. Die deutsche Regierung habe
anscheinend nicht di» Absicht, die Bedingungen des von ihr
unterschriebenen Friedesvertrages zu erfüllen. Einen Mmnertt
schien es, als werde die Konferenz jetz ein plötzliches Ende
nehmen. Reichsminister Dr. Timon erklärt, daß das ein
Irrtum sei. Die deutsche Regierung sei fest entschlossen,
den Vertrag zu erfüllen. Wir haben selbst das größte
Interesse daran, unser Söldnerheer mit seiner ungeheuren
finanziellen Belastung so weit als möglich zu verringern.
Der Präsident Delacroix erklärte darauf, die Konferenz
nehme also an, daß Deutschland bereit sei, den Friedens-
vertrag zu erfüllen, soll aber über die Einzelheiten noch
Vorschläge machen. Die Sitzung wurde hierauf unterbrochen.

Proletarier Deutschland.
Von R. G. Haebler.
Das langsame Anziehen der Valuta erweckt bei der
Masse den Glauben, daß mit diesem Auffttng auch unser gesamter
Wirtschaftsleben sich bessere. Diese Auffassung, wonach her Stand
derValuta daswlrtschaftltche Barometer einer
Volkswirtschaft bedeute, -ist nicht in vollem Umfang haltbar. Das
Sinken mancher Preis«, etwa des Leders, hängt nur zum Teil hier-
mit zusammen; auf der andern Seite scheu wir sogar, baß trotz ber
Valuta-Besserung eine Reihe von Bedarfsartikeln stark ungezogen
haben — es sei nur a-n Margarine erinnert. Im Ganzen ist aber
die gegenwärtige Wirtschaftslage so ungeklärt und so voller Krisen-
stimmung, daß es fast unmöglich erscheint, nach einer Richtung hin
bestimmtes zu sagen. Und bas gilt auch für >das Steigen der Valuta,
bei der übrigens in den letzten Tagen ein Stillstand zu beobachten
ist. Das scheint darauf hinzubeuten, -daß diesem Steigen im We-
sentlichen Döffenmanöver zu Grunde lagen, die mit den einheimi-
schen Probulktionsvechältn-issen (die letzten Endes allein «im Gesun-
dung herbeisühren können!) nicht unmittelbar ursächlich verknüpft
IM. —
Die Ursachen sind in dem Ausverkauf Deutschlands
zu suchen, der sich nicht nur auf Waren erstreckt, sondern darüber
hinaus sich jetzt auch sehr bemerkbar auf dem Effekten markt macht.
Wir können drei Formen des gegenwärtigen Ausverkaufs fest-
stcllen: erstens Kapitalüberfremdung, zweitens Effek-
tenausverkauf, drittens W a rena usv erka uf. Alle
drei gehen gewissermaßen nebeneinander her, wen« auch zu ver-
jchiebenvr Zeiten die eine oder andere Form -deutlicher bemerkbar
wirb. Die Kapitalüberfrembung besteht darin, baß ausländi-
sche Kapitalisten die Aktien deutscher Unter-
nehmungen a u f k a u f e n. Hierbei scheint <das westliche Ka-
pital ganz bestimmte Richtungen im Auge zu haben, um gewisse
Produktionszweige in feine Hand zu bekommen. Danrit gewinnt es
um billiges Geld «inen maßgebenden Einfluß auf unsere ganze
wirtschaftliche Entwicklung, ber sich nicht nur für !bie beulfchgn Un-
ternehmer, sondern in der Zukunft auch für die deutsche Arbeiter-
schaft je nach ver -Entwicklung der Dinge unangenehm, möglicher-
messe aber auch fördernd geltend machen kann. Eine wesentlich«
'Rolle wird dabei die Frage spicken, ob und wieweit das westlich«
Kapital ein Interesse -daran hat, die deutsche Wirtschaft zu heben
oder lahm zu legen. Daß diese Manipulationen des fremden Ka-
pitals in unseren Kapitalistenikreisen auf Widerstand stoßen, ist s-chr
begreiflich. Das deutsche Kapital hat daher auch Abwohrnwßregckn
eingckeilet, indem es zum Beispiel Vorzugsaktien a-usgibt, wckche
ber Kapitalüberfremdung einen Riegel vorschieben. Der 'deutsche
Kapitalist tut das natürlich i-n seinem Interesse, nicht der Arbeiter-
schaft zuliebe. Aber auf -der anderen Seite ist ber deutsche Arbeiter
politisch daran interessiert, baß das ausländische Kapital nicht
stark in Deutschland wirb; denn je mehr Aktien in den Händen der
Siegerstaaten sich befinden, um so mehr ist bi« Gefahr vorhanden,
daß Sozialisierungen auf einen Widerstand der feindlichen Kapital-
machte stoßen: Widerstande, die wir nicht unterschätzen wollen. Aus
diesem Grunde hat idle deutsche Arbeiterschaft ein Interesse an
einem nationalen Kapitalismus, um so mehr als die Wek-trevokudivn
vorerst noch ein schöner Traum für Kommunisten und ähnliche
- „Realpolitiker" ist. Denn nur durch eine Weltrevolutivn wäre das
Problem einer Voll-Sozialisierung in einem kapitalübersremdeten
Land zu lösen.
Die zweite Form des Ausverkaufs ist der Kauf von Effet-
t e n. Hier handelt es sich nicht um Aktien von Unternehmungen,
deren Ertrag je nach den Marktvechältnissen ein schwankender ist,
sondern um festliegende, fest verzinsliche Wette, also Anleihen von
Staat und Gemeinde oder Hypothekenobkigationen. So hören wir,
baß die amerikanischen Zei-tungen geradezu wimmeln von
Angeboten deutscher Stadlanleihen, darunter z. B.
auch Karlsruher. Es stich besonders Deuffch-Amerikanische
Zeitungen, in denen diese Papiere gehandelt werben. Auch deut-
sche Kriegsanleihe soll (nach ber „Franks. Ztg.") ziemlich angekaust
-werden. Das beweist, daß in Amerika in den weitesten- Kreisen man
offenbar mit einer allmählichen Gesundung der deutschen Verhält-
nisse rechnet. Go erfreulich dieser Glaube cm sich für uns ist: in
seinen finanziellen Auswirkungen bedeutet es eine ungeheuerliche
Tributpflicht an das Ausland. Der Amerikaner ins-
besonder« ist durch den günstigen Stand feines Geldes in der Lage,
z. B. Städte anleih en um einen Spottpreis zu kaufen. Das ist na-
türlich ein gutes Geschäft — auf Kosten der deutschen Städte.
Außerdem ein- sehr sicheres Geschäft, da die GemckndevermSgen
nicht im Generalpf and des Friebensvertrags ein-
begriffen sW>. Damit werben die deutschen Städte, ihre gemein-
nützigen Anlagen insbesondere, Gaswerke, ElMrizitätswerte,
Schlachthöfe usw., in die Hände des Auslands übergespielt: und
damit entstcht eine doppelte Abhängigkeit, auf ber einen Seite eine
Erschwerung des Rückkaufs und auf ber anderen Seit« eine dauernde
MOckbepfticht ans Ausland. Mit anderen Worten: die 0 eutsche
Volkswirtschaft wirb keinen Nutzen haben von dem Mehrwert,
den sie durch ihre Gesundung erarbeitet, sondern dieser Mehrwett
wirb zum größten Teile dem Ausland zugute kommen, und zwar in
demselben Maße, als idie Valuta steigt. Das Steigen der Valuta
bedeutet also in dickem Sinne für uns eine neue finanzielle Bürde,
nämlich Zinsknechtschaftdem A u slanb gegenüber. Dicke
Börscnbewegungeu sind ein deutliche? Beweis für die ungeheure
Unsittlichkeit ber Privatwirtschaft, die hier nicht
mehr als personale, sondern ass nationale Ausbeutung in
Erscheinung tritt,
Unser Unglück wird dadurch nock verschlimmert, daß wir neben
dickem Ausverkauf unserer FinainZwerte noch den direkten
Ausverkauf unserer Produktion haben. Es ist ber sogen.
W a r e n a us ve r k a u f. Es muß allerdings gesagt werden, baß
gerade die Form des deutschen Ausverkaufs in den letzten Monaten
durch Maßnahmen der deutschen Regierung zum Teil hat einge-
 
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