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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 131 - Nr. 140 (10. Juni - 21. Juni)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Sppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbifchofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlos,n 3.50 Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzelle (36 mm breM 80 Pfg., Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 2.20 Ml. Bei Wiederholungen Rachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: 8—'/,b Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11-12 tthr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22S77. Tel.-Lldr.: Volkszeitung HsidelLerg.

HeidetSerg, Mittwoch, ^6. Luni ^S20
Nr. 136 » 2. Jahrgang

Verantwort!.: Für innereu. äußere Politik,Dolkswirtschastu. Feuilleton: Dr.
E. Kraus, für Kommunales u. soziale Rundschau: I.Kahn, für Lokale-:
O. Gelb et, für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich kn Heidelberg
Druck und Verlag der llntrrbadischen Derlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Gchröderstraße 3S.
^^^^ernsprech>e^A^!gen-Annahm^67^Redaktwn2ü48^^^

Die Erklärung der Demokraten zur
Regierungsbildung.
Berlin, 15. Ium. Der Führer der -eutjch-demvkratijchen
Partei, Abgeordneter Senator Dr. Petersen, überreichte heute
nachmittag dem vom Reichspräsidenten mit der Kabinettsbildung
beauftragten Zc-ntrumsabgeordneten Dr. Trimborn eine Erklä-
rung über die Voraussetzungen, unter denen sich die deutsch-demo-
kratische Partei an der Kabinettsbildung beteiligen will. Darin
wird auf Artikel 53 -er deutschen Reichsversajjung yinge-
wiesen, nach dem der Reichspräsident den Reichskanzler und auf
dessen Vorschlag die Reichsminister ernennt. Ein Abweicheu von
diesem Wege wird als verhängnisvoll angesehen, da es ausgeschlossen
erscheüre, -atz die Parteien sich bereiterklären würden, Koalitionen
zu bilden, ohne vorher das sachliche Programm des Kabinetts und
seine Zusammensetzung zu kennen. Die demokratische Partei erkläre
sich bereit, sachlich und positiv in einem Kabinett mitzuarbciten, bas
durch seine Persönlichkeiten und durch sei» Programm die Gewähr
für de» wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbau gebe. Als
unerläßliche Bestandteile dieses Programms werben dann in der
Erklärung u. a. folgende Punkte bezeichnet: Vorbehaltlose und un-
bedingte Anerkennung der Weimarer Verfassung, Ablehnung und
Bekämpfung jeder monarchischen Agitation, Bekämpfung der Klas-
senherrschaft, Ablehnung eines jeden Klassen- und Rassenhasses und
Besetzung der Acmter ohne parteipolitische Rücksichten mit Personen,
die sich aus den Boden der Verfassung stellen, die aber gleichzeitig
ihr Amt auszusüilen geeignet sind.
Berlin, 16. Juni. Ku der Erklärung des Vorsitzenden der
Demokratischen Partei, in der die Bereitschaft erklärt wird, an der
Bildung eines Kabinetts teilzunchmen ohne vorherige Bildung einer
Parteikoalition, sagt der „Vorwärts": Die Erklärung ist nicht ab-
lehnend, aber ausweichend. Die Frage de-r Regierungsbildung
ist durch sie nicht viel weiter gekommen. Die „Voss. Zig." meint,
daß der Erklärung ohne Zweifel die weitesten Kreise zustimmen wür-
den; sie stelle sich auf den einzig richtigen Standpunkt, daß es Sache
des Reichskanzlers sein müsse, auf Grund eines sachlichen Pro-
gramms sich die geeigneten Mitarbeiter zu suchen. Den' „Derl.
Lok.-Anz." zufolge hat sich die Lage etwas geklärt. Zur Erklärung
Dr. Petersens wird in diesem Blatte von feiten der Deutschen Volks-
partei mitgeteilt, daß das, was Petersen ausführt, von der Deut-
schen Bolkspartei schon zu Beginn der Krise ausgesprochen worden
sei. Wenn man die Erklärung lese, habe man die Empfindung, daß
auf die Reichskanzlerschaft Schiffers hingearbeitet werde. Die
Deutsche Volkspartei könne auf keinen Fall dulden, daß die kleinste
Partei im Reichstage den Reichskanzler stelle, lieber die Kanzler-
schaft aus den Reihen des Zentrums eagegen lasse 'sich sprechen;
mit der Fehrenbachs wäre die Deutsche Volkspartsi einverstanden.
— Die Aussprache des Zentrums, die gestern vormittag slattfinL,
ist laut „Germania" noch nicht beendet; P soll heute nachmittag
fortgesetzt werden. Das Zentrum mühe sich jedenfalls redlich ab,
eine Regierung zustande zu bringen. Es erfülle damit eine Pflicht,
die in erster Linie der siegreichen Opposition auf der Rechten hätte
auferlegt werden müssen.
Protest Kegen französische Verhaftungen
deutscher Arbeiterführer.
Ludwigshafen a.Rh., 15. Juni. (Priv.-Tel.) Im
Anschluß an die bereits an die Presse gegebenen Meldungen
wird weiter berichtet: Im Verlause der Verhaftungen im
besetzten Gebiet haben sämtliche Arbeiter der Eisenbahn-
betriebswerkstätten der Eisenbahnhauptwerkftätte und ein
großer Teil des Lokomotivpsrsonals Protest gegen die will-
kürlichen Verhaftungen ihrer Führer die Arbeit nieder-
gelegt. Die Stillegung der großen industriellen Betriebe
(Badische Anilin- und Sodafabrik, Sulversche Maschinen-
fabrik usw.) ist nur noch eine Frage von Minuten. Auch
Straßenbahnen, Elekrrizitäts- und Wasserwerk werden in
einen Sympathiestreik eintreten. — Nach einer weiteren
Meldung ist der Schriftführer des Angestelltenausschusses
Scheffer, der von den Franzosen vor einigen Tagen ver-
haftet und nach Mainz transportiert worden war, von den
Franzosen wieder freigelassen worden.
Abänderung des türkischen Friedensvertrags?
Paris, 15. Juni. Nach einer Londoner Meldung des
„Temps" kursiert schon seit einiger Zeit das Gerücht, daß,
um zu verhindern, daß Kleinasien in Anarchie verfällt, der
Oberste Rat bedeutende Abänderungen des türkischen
Friedensvertrages ins Auge faßte. Eine Atmosphäre der
Beunruhigung scheine in Konstantinopel zu herrschen, seit-
dem sich die nationalistischen Streitkräfte von Mustapha
Kemal Pascha nicht nur ganz Kleinasien, sondern auch des
Marrnara-Meeres bemächtigt hätten. Die türkischen Na-
tionalisten hätten sich auch der Insel Marmara bemächtigt,
die die Schiffsroute, die von Gallipoli nach Konstantinopel
ftihrt, beherrscht.
Lebensmrttelabschlüsse mit Loudon.
Berlin, 15. Juui. (Privattelegr. der N. B. L.-Ztg.)
Die „Times" wußte dieser Tage von besonders geheimnis-
vollen Verhandlungen zwischen Deutschland und Eng-
land zu berichten. Wahr ist daran, daß Geheimrat Merz
vom Berliner Reichsernährungsministerium in London über
Ernährungsfragen verhandelt hat. Es wurde das Ab-
kommen geschlossen, daß uns 9500 Zentner Weizenmehl


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ftr. Heidelberg, 16. Ium.
Mit großer Spannung sah man der gestrigen Sitzung -es
Landtags entgegen, wußte man -och. Laß anläßlich -er Beratung
des Voranschlags für das 'Finanzministerium eine sogenannte
„große" Finanzrede des Finanzininisters zu erwarten war. Der
Finanzminister Köhler hat in längeren eingehenden Darlegungen
die gegenwärtigen badischen Finanz- und Steuerprvblsme erörtert.
Nur einige Hauptgedanken sollen hier kurz beleuchtet werden; heute
morgen beraten die einzelnen Fraktionen über die Finanzrede, heute
nachmittag werden sie in einer größeren Finanzdebatte ihre Stellung-
nahme im einzelnen darlegen.
Nicht laut genug kann es ins Land 'hinausgerufen werden, was
der Finanzminister gestern in der Einleitung seiner Rede feststellen
konnte unter -em Beifall Les ganzen Hauses: unser Staatshaushalt
schließt nicht nur mit keiner Schul- ab, sondern mit einem ansehn-
lichen Leberschuß. Damit ist das eingetreten, was unser erster Re-
volutionsfinanzminister Dr. Wirth bereits bei der Beratung des
7. Nachtrags zum letzten Budget vorausgesagt hatte: wir haben i n
Baden keine Mißwirtschaft getrieben, wie es die
Deutschnat-ionalen verantwortungslos ohne jeden Beweis immer
wieder im Landtag und in ihrer Presse beleuchtet haben, sondern
eine musterhaft« Finanzpolitik, so daß trotz der großen
Lohnbewegungen, der notwendig gewordenen Teuerungszulagen an
Beamte und Arbeiter unser allgemeiner Staatshaushalt ohne Schul-
den dasteht! In erster Linie hat dazu, wie der Finanzminister auch
bewnte, die richtige Steuerpolitik Les Landtags beitragen.
Wir Sozialdemokraten dürfen uns hier das größte Verdienst zu-
rechnen. Wir haben bei den letzten Steuererhöhungen dafür ge-
sorgt, daß bei sozialster Schonung der kleinen und mittleren Ein-
- kommen und Vermögen bei den Großen stärker zugegriffen worden
ist. Die 32 Millionen, die damals dabei mehr heraussprangen,
waren dem Staat sehr wertvoll, ohne daß diejenigen, die zahlen
mußten, darüber zugrunde gegangen wären, wie man es uns da-
mals wcismachen wollte. Das badische Volk hat allen Grund, den
Regierungsparteien und in erster Linie der Sozialdemokratie für
diese gesunde Finanzpolitik dankbar zu sein.
Aus den weiteren Ausführungen des Finanzministers waren
vor allem die Darlegungen über unsere künftigen Steuerquellen von
großem Interesse. Durch das L a n - « ssteu «rg e s e tz sind wir
in unserer ganzen Finanzpolitik in wesentliche Abhängigkeit von der
Roichsfinanzpolitik gekommen. Und dem ist gut, denn erst dadurch
kann wirklich eine wirtschaftliche und politische deutsche Volkseinheit
geschaffen werden. Jetzt wissen wir nicht nur: gehts Baden gut,
dann gehts auch dem Reich gut, sondern jetzt heißts: gehts dem
Reich gut, dann gehts auch Baden gut. Auf die ein-
zelnen Probleme, die der Finanzminister noch berührte, werden wir
noch eingehend zurürkkommen.
Am Schluß seiner Rede verlangte Finanzminister Köhler
größte Sparsamkeit und Einfachheit in -er gesamten Staatsverwal-
tung. Wo irgend gespart werden kann, muß gespart werden. Aber
auch die ganze Privatwirtschaft muß diesem Prinzip folgen. Nur
produktive Arbeit und volkswirtschaftliche Sparsamkeit kann unsere
Wirtschaft retten!
48. öffentliche Sitzung.
Karlsruhe, 15. Juni.
Präsident Kopf eröffnet die Sitzung um 3.50 Uhr.
Auf eine kurze Anfrage des Abg. Glöckner (Dem.) beziigl. der
Siedlungs- und Landbank teilt Arbeitsminister Rückert mit, daß die
Statuten abgeändert werden. — Auf eine kurze Anfrage -es Abg. Leier
(Dem.) bezgl. Fortführung der Nebenbahnen teilt Finanzminister Köh-
ler mit, daß nunmehr die Oberrheinische EisenbahngefeUfchaft einen
Vertrag vorlegen wird, der als Grundlage für weiter« Vereinbarungen
dienen kann. Neben den Verhandlungen usw. auf Erwerb der Bohnen
ist beabsichtigt, einen Vorschuß zu geben, um den Betriebvorerst für
weitere drei Monate zu ermöglichen. Bei einem Entgegenkommen edr
Gesellschaft wird sich «ine Stillegung vermeiden lassen.
Gegenüber einem Schreiben von Angestellten -er Pflegeanstutten
erklärt Abg. Mo rum (Soz.), daß er als Berichterstatter erklärt Hobe,
daß di« Nahrung vielfach nicht den -Zöglingen zugeführt wurde, sondern,
wie der Milchausweis ergeben hat, sondern den Leitern der Anstalt mit
Familie und dem Personal (Hört, hört!). Ich habe also von dem, was
ich ausführte, nichts zurückzunehmen. (Bravo.)
Abg. M ü l l e r - Karlsruhe (Ztr.) begründet seine Interpellation
über die Entlassung vpn 46 Lehrlingen beim Wcrfftättenamt Offen-
bürg. — Arbeitsminister Rückert weist darauf hin, -aß hierfür in erster
Linie das Finanzministerium zuständig sei. Zur Erweiterung ihrer Kennt-
nisse müßen den Bestimmungen zufolge di« Lehrlinge nach vollendeter
Lehrzeit aus den Werkstätten ausfcheiden. Um jedoch deren Arbeitslosttz-
keit zu verhindern, ist veranlaßt worden, daß die Lehrlinge erst dann
entlassen werden, wenn sie durch den Arbeitsnachweis eins andere
Stelle gefunden haben, wenn auch eine formelle Kündigung vorliege.
Voranschlag des Finanzministeriums.
Abg. Seubert (Ztr.) berichtet namens des Haushaltsausschusses
und weist darauf hin, -aß die Geschäfte des Finanzministeriums mehr zu-
als abnahmen. Eine Gejchäftsvermehrung bracht« auch der einjährige
Staatsvoranschlag. L» wurde angeregt, wieder zum zweijährigen Staais-
voranschlag zurückzukehren. Allgemeine Zustimmung fand Ler Gedanke,

in einem Jahr die Beratung des Staatsvoranschlags vorzunehmeu unt
im anderen Jahre die Gesetze zu beraten. Bei Langenbrücken ist eine
staatliche Oelschiefevbohrung im Gange. Der Ausschuß beantragt An-
nahme des Voranschlags gemäß seinen Beschlüßen.
Finanzminister Köhler weist darauf hin, daß in 14 Tagen der
erste Nachtrag folgen wird, der die Ziffer Ausgaben für die Besoldungs-
ordnung enthält. Das Budget 1919 schließt, wie das Endergebnis zeigt,
nicht mit einem Fehlbetrag, sondern mit einem Ue bersch aß (Bravo!)
ab. Wir können für dieses Ergebnis dem ersten Finanzminister und -em
Landtag Dank sagen. (Beifall). Für die Zeiten -es Uedergangs ist di«
einjährige B u d g e t p e ri ob e empfehlenswert. Dechalb werden
wir auch im nächsten Jahre ein einjähriges Budget machen. In nor-
malen Zeiten ist dagegen die zweijährige Bu-getperiode vorzuziehen.
Das Landcsjteuergesetz ist zur Bibel unseres finanziellen Seins geworden.
An neuen Steuern stehen dem Land zu die Ertragssteuern und die Ver-
gnügungssteuer. Die Vergnügungssteuer wollen wir in erster Linie den
Gemeinden überlassen. Ein Gesetz wird di« Beteiligung der Gemeinden
an -en Reichssteuern regeln. Sehr wichtig ist, daß das Reich gegenübei
-en Ländern «ine Gewährleistungspflicht für den Gesamtbetrag der bis-
herigen Steuern übernahm. Die Gemeinden können mit den Garantie-
summen, die ihnen überwiesen werden, jedoch nicht damit, daß ihnen
Höhere Summen als die Garantiesummen überwiesen werden. Mit den
uns jetzt zur Verfügung stehenden Beträgen können wir die Besoldungs-
ordnung nicht finanzieren. Wir drängen beim Reichsfinanzministerium
auf eine baldige Entscheidung. Schwierigkeiten bereitet die Vorschuß-
leistung. Denn Länder und Gemeinden sind ohne Gelder. Das Reich
erklärte sich zu dieser Vorschuhleistung bereit. Wir wandten uns an das
Reich, daß es notwendig ist, von diesem Vorschuß Gebrauch zu machen
Die nicht abgelieferten 53 Millionen Mark betrachten wir als Vorschuß
(Heiterkeit.) Wir sind der Ansicht, -aß sich die Gemeinden leichter Kre-
dit verschaffen als die Länder. Der Steuerabzug der Lohnempfänger vo«
10 Prozent ist nur ein vorläufiger, wobei die Resthöhe nachzuzahlen ist
eine Vorausbezahlung -er Lohnempfänger nützt daher nichts, da er ft
diesem Falle die Steuer am Ende des Jahres nachzahlen muß. D«>
Lohnabzug setzt erstmalig am 25. Juni 1920 ein. Alle Nicktloknempfängei
müßen vorerst mindestens das zahlen, was sie bisher an Staats- uns
Gemeindesteuern zahlten. Sowohl für die Lohnempfänger wie für -ft
Nichtlohnempfängsr ist die jetzige Regelung nur ein« vorläufige. Ich
gab heute ein Schreiben hinaus, daß nunmehr die Nichtlohnempsänger
eine Stcuerauffvrderrmg erhalten. (Abg. Mar um (Soz.): Aber die
Nichtlohnempsänger zahlen nicht die Steuern ihres diesjährigen Einkom-
mens.) Es besteht keine Veranlassung zur Unruhe. Wir werden den
Steuerdefraudanten gehörig nachgehen und greisen sie mit der ganzen
Strenge des Gesetzes an. Die „neuen Reichen" geben ungern ab, was
sie schnell errafften. Es werden viele Manipulationen versucht, den neuen
Steuern zu entgehen. Wir werden jedoch strenge dagegen vorgehen. Es
zeigt sich, daß wir mit unserer 'Unanzgebarrmg sehr stark vom Reich«
abhängig sind. Ich glaube seststellen zu müßen, -aß die Länder" und Ge-
meinden stehen und fallen mit der Erfüllung der Verpflichtungen durch
das Reich. Es wird sie jedoch erfüllen. Den Gemeinden können wir kein
unbeschränktes Recht aus dis Gewerbesteuern geben. Durch ein« ratio-
nelle Bewirtschaftung unserer Domänen und Forsten werden wir unsere
Einnahmen erhöhen müssen. Die Eingänge für die Verreichlichung der
Eisenbahnen brauchen wir in erster Linie, um unsere Projekte hinsichtlich
der Nebenbahnen durchführen zu können. Wir kamen bisher ohne all-
gemeine Staatsschuld aus und dies wollen wir auch fernerhin in Uebung
halten. Deshalb muß Sparsamkeit einireten, wie es sich einem armen
Lande geziemt. Dies ist jedoch noch nicht in die Praxis umgesetzt worden.
Wir kommen um eine Vereinfachung der Staatsverwaltung nicht heruin.
Die Bcamtenkräste müßen voll ausgenützt werden. Ich bin der Meinung,
-aß ganz« und halbe Sinekuren verschwinden müßen. Nur durch inten-
sive Arbeit kommen wir aus dem Niederbruch heraus. Auf dem Gebiete
-es Bauwesens müßen wir zu einer Einschränkung kommen.
Die Besprechung -er Rebe des Finanzministers wurde auf Mittwoch
nachmittag vertagt.
Landzuteilung zur Siedelung.
Abg. Hertle begründete hiernach eine von deutschnationalsr Seit«
eingebrachte sörmliche Anfrage folgenden Wortlauts: Die Unterzeich-
neten fragen hiermit ergebest an, bis zu rvelchem Zeitpunkt die Regie-
rung die in ZI und 12 -es Reichssiedelungsgesetzes vom 11. August 1919
auferleAen Verpflichtungen, insbesondere die Schaffung von Lan-iiesc-
rune-verbänden zu erfüllen gedenkt. In seiner Antwort führte Arbeits-
minister Rückert aus: Eine schematische Landabgabe, wie sie nach dem
Reichssiedelungsgesetz durchgefiihrt werden könne, komme in Baden nicht
in Frage, ebenso nicht bie Landverbände. Die Regierung hat -em Land-
tag das Aussübrungsgesetz zum Reichssiedelungsgesch vorgelegt und wenn
der Landtag dieses Gesetz angenommen haben wird, dann kann die Re-
gierung die Wünsche -er kleinen Landwirte erfüllen. Große Bedenken
bestehen gegen die Zertrümmerung -er großen Güter in Baden.
In der Aussprache unterstrich Abg. Goth «in (Dem.) -en letzten
Satz der Ministerredr unter Hinweis auf bi« Ernährung der Bevölkerung.
Abg. Großhans <Svz.) betonte, daß die Landwirtschaft mit dem Gang
der Entwicklung der ganzen Frage nicht zufrieden sei.
Abg. Martin (Ztr.) legte die Wünsche -er Lanowirtzchast hmstcht-
lich der Landüberlaßung dar. Arbeitsmimsttr Rückert: Ich bin selbst-
verständlich dafür, -aß' der Großgrundbesitz aufgeteilt wird. Er handelt
sich dabei aber weniger um Baden als um Preußen. Gerade -ort ist der
Widerstand gegen -äs Reichssiedelungsgesetz groß. In Baden kann man
die großen Güter nicht nach dem Schema k aufteilen. Man muß die
einzelnen Fälle prüfen. Abg. Spengler (Ztr.) äußerte Wahrnehmun-
gen aus> dem Bezirk Wertheim, wo man den kleinen Landwirten bei Land-
zuteilung bis jetzt wenig entgegengekommen ist.
Nächste Sitzung: Mittwoch, nachmittags ^4 Uhr. Tageoorv»
nung: Voranschlag des Finanzministeriums.

gegen Bezahlung geliefert werdeu sollen. Schriftlich werden
aber zur Zeit zwischen London und Berlin noch Verhandlungen
über ein Angebot weiterer Getreidelieferungen geführt und
zwar unter der Bedingung, daß wir auch australisches
Hammelfleisch und australischen Speck gegen entsprechende
Bezahlung abnehmen.

Deutschlands Kohlen- und Viehabliefernng.
Paris, 14. Ium. Die Wiedergutinachunsskommissio.it teilt
über -en gegenwärtigen Stand -er Kohlen- nn- Viehlieferungen
Deutschlands" laut Versailler Frie-ensvertrag mit, daß erhalten
Haden am 31. Mai an Kohlen: Frankreich 4 686 042 Tonnen,
von denen 406 000 Tonnen an Luxemburg abgetreten wurden, -na-
 
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