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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 181 - Nr. 190 (7. August - 18. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44127#0470
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Lageszeliung für die wsttistige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppirrgen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbischofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn S.— Ml. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) 80 pfg., Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 2.20 Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Taris.
Geheimmittel-Anzsigen werden nicht ausgenommen.
Teschäftsstunden: 8-'/,6 llhr. Sprechstunden der Redaktion: 11-12 tthr.
Postscheckkonto Narl-rube Nr. 22577. Tel-Adr.: VolkszeitungHeldelberg.

Heidelberg, Dienstag, ^0. August ^920
Nr. 183 » 2. Jahrgang

Verantwort!.: Für innere». Sußerepolitik,Dolkswirtschaftu. Feuilleton: Dr.
E.NrauS; für Kommunales u. soziale Rundschau: Z. D.:O.Geibeb für
Lok.:O. Geibel; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtl. in Heidelberg
Druck und Verlag der llnterbadischen Derlagsanstalt G.m.b.H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Gchröderstraße ZS.
Femsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648.

Entente-Blockade gegen Rußland.

Der Krieg im Osten.
Die englische Flotte in der Ostsee.
Kopenhagen, 9. August. (Vrivattelegramm). Aus
Göteborg wird gemeldet: Hier wurden mehrere Geschwader
der englischen Flotte am Kattegatt mit Kurs nach Osten
gesichtet. Das Reiseziel ist angeblich Rewal.
Einer Pariser Nachricht der „B. Z." zufolge will
Frankreich Truppensendungen nach Polen vermeiden, da sie
vwohl in Frankreich wie England die Gefahr von Arbeiter-
ilnruhen heraufbeschwören würden. Es handelt sich also
darum, so schreibt der „Matin", unsere Macht gegen Ruß-
land anzuwenden, ohne einen einzigen Soldaten hinzuschicken.
Die wichtigste Sache ist die Blockade Rußlands, uns zwar
eine restlos durchgeführte Blockade unter Mitwirkung der
Bereinigten Staaten. Admiral Beatty ist bereit. Die eng-
lischen Schiffe werden binnen 48 Stunden auf dem Poften
sein. Rußland wird weder Munition bekommen noch Waren
oder Lebensmittel.
Die zweite Entscheidung in Hythe bezieht sich auf den
Teil Polens, der noch unbesetzt ist. Es wird beachsichtigt,
zunächst eine feste Verteidigungsfront zu errichten, um die
Verbindung durch den Danziger Korridor aufrecht zu er-
halten. Andere Maßnahmen werden den Regierungschefs
zur Genehmigung noch unterbreitet werden. Polen, so
schreibt der „Matm" weiter ist eine unserer Garantien; sie
soll nicht verschwinden. Deutschland und Sowjetrußland
sind sich einig in dem Haß gegen den Friedsnsvertrag. (!)
Kamenews Vorschläge.
Paris, 9. August. (Wolff). Wie die Pariser Ausgabe
der „Daily Mail" aus London meldet, glaubt man dort
zu wissen, das Kamenew folgende Vorschläge macht, die der
Beratung der Konferenz von Hythe unterliegen: 1. Angebot
der Sowjets, die Schulden der zaristischer? Regierung bei
Frankreich anzuerkennen, 2. Annahme der Konferenz von
London zwischen Rußland und den Verbündeten, 3. Rück-
zug der Roten Truppen auf die ethnographischen Kreuzen
Polens, 4. Amnestie für Generäl Wrangel und seine
Truppen unter der Bedingung, daß ste Rußland verlassen.

Die Konferenz in Hythe.
Ergebnisse und Vorschläge.
Paris, 9. Aug. Nach einer HavasmoL-mtg aus Hythe kon-
seriertön Miilerand und Lloyd George heute vormitag
von 10 bis 2 Uhr. Die Verhandlungen werdet heute nachmittag
fortgesetzt. Die Marschälle Foch und Wilson und der Admiral
Beatty wohnten der Verhandlung bei. Sie war dr Prüfung der
Aufstellung von Maßnahmen gewidmet, die von den Alliierten
»egen Sowjetrußland ergriffen werden könnten. Unter diesen Maß-
nahmen befindet sich auch die Blockade und die Konstituierung einer
Defenstvfront in Verbindung mit den Randstaaten Rußlands, Lett-
land, Estland und Finland usw. Die Frage sei nur, ob ein von
englischer Seite ausgehender Wunsch, die Aktion von der Bedingung
abhängig zu machen, daß Polen die Beidingungen Rußlands nicht
annehmen könne, zur Durchführung gelangt. Ferner wurde die
Frage erörtert, ob die Anwesenheit Kamenews und Krassins rmter
der Haltung 'der Moskauer Regierung noch angängig wäre. In
englischen Kreisen glaubt man, Rußlands Handelsvertreter seien
mst g<mg bestimmten Bedingungen nach London gekommen, und die
wirtschaftliche Mission könne nicht verantwortlich gemacht werden
für die Haltung ihrer Regierung in politischen Fragen. Ihre Aus-
woqung könne nur dann genügend motiviert werden, wenn sie die
persönlich übernommenen Verpflichtungen nicht einhielten, dies sei
aber nicht der Fall. Von französischer Seite wird noch sehr logisch
bemerkt, wenn die Entente die Blockade Rußlands beschlössen, hätten
die Handelsvertreter 'dieses Staates in London nichts mehr zu tun.
Aber man könne nicht zu Zwangsmaßnahmen gegen eine Regierung
schreiten, deren Delegierte gleichzeitig in friedlicher Absicht in Eng-
land als Gäste weilten. Man hofft, daß man diesen Nachmittag
die abweichenden Gesichtspunkte klären kann. Millerand wird heute
abend 8 llhr von Folkestone nach Paris abreisen. Lloyd 'George
will bereits heute abend in London eintreffen. Die in Hythe auf-
getauchten Gerüchte, Kamenew sei in Hylhe angekommen, entbehren
feder Grundlage.
Paris, 9. Aug. Wie der Sonderberichterstatter der „Action
^rancaise" mittelst, machten die Franzosen auf der Konferenz in
Hythe positive Vorschläge, die darauf hinausgingen, die Be-
l atz » n g s r r up p e n von Ob «rschlesien an die polni -
sW" 8 r o n t zu entsenden. Darauf hätten die Engländer erwidert,
oay Deutschland dagegen protestieren werde. Ferner sollten Ver-
st a r I un g e n n a ch Rumänien geschickt werden, um von dort
aus unter französischem Kommando vorzurücken. Diese Verstär-
kungen sollten den französisch-englischen Bösatzungstruppen entnom-
men werden, die sich in der Türkei befinden. Rach einer Radio-
meldung aus Hythe sollen zwischen Lloyd George und Millerand
Meinungsoerschiedeicheiten entstanden sein über die Rolle, die Ru-
mänien spielen soll. L l o y d G c o r q e sei nach Schluß der gestri-
gen Nachmitlagssitzung offensichtlich schlechter Laune gewesen.

Ei« Tagmarsch vor Warschau.
Berlin, 10. Aug. Wie verschiedene Morgenblätter berich-
len, haben die Russe« gestern die Bahnlinie Warschau-Mlawa
überschritten. Die polnischen Truppen, die noch zwischen Ostroienka
und Ostrowo operierten, sind von Warschau so gut wie ganz abge-
schnitten. Die Russen stehen nördlich von Warschau noch ungefähr
einen Tagrmarsch entfernt
Tschitscherin bittet um Englands Vermittlung.
London, 10. Aug. Ein Fnnkfpruch Tschitscherins
an Kamenew beauftragt diesen, ein« Intervention Englands in
einem Konflikt zwischen den Marinebehörden in Odessa und dem
Kommandanten der französischen Flotte herbeizuführen. Tschitscherin
behauptet, daß di« Transpvrtdampfer „Alegretto" und „Batavia",
die von Frankreich gekommen sind, für General Wrangel bestimmte
Kriegskonterbande enthalten. Aus diesem Grunde widersetzt er sich
der Abfahrt dieser Fahrzeuge aus dem Hafen und ersucht, daß Eng-
land seinen Einfluß geltend mache, damit dieser Konflikt in der üb-
lichen Weise erledigt werde.

Die Sicherung der deutschen Neutralität.
Berlin, 9. Aug. Der Verband der deutschen Gewerkver-
eine, der Gewerkschaftsbund der Angestellten und der Allgemeine
Eifenbahnerverband erlassen folgenden Aufruf an die deutsche
Arbeiter-, Angestellten- und Beamtens chHft:
Die deutsche Regierung verkündigt im Kriege zwischeRMußland
und Polen dieunbedingleNeulralität. Sie erklärt, daß
diese Neutralität unter allen Umständen zu wahren ist, auch gegen
Uebergrifse der Entente. Alle Parteien haben dieser« Standpunkt
zugestimmt. Ob Transporte geeignet sind, unsere Neutralität
zu verletzen, muß von der Regierung festgestellt werden. Sie ist ver-
pflichtet, im Falle, -ah derartige Transporte von -er Entente
durchgeführt werden sollen, unverzüglich mit den Organisations-
leitungen der Gewerkvereine und Gewerkschaften sich in Verbindung
zu setzen, um über die Maßnahmen zur Verhinderung der Neutra-
litätsverlehung eine Uebereinstimmung herbeizuführen. Es ist des-'
halb nicht angängig, daß von irgendeiner Seite selbständig und für
sie allem über die Zulässigkeit oder Nichtzulässigkeit fraglicher Trans-
porte entschieden wird, well bei Mißgriffen Deutschland und
das deutsche Volk die Zeche bezahlen muß. Es ergeht daher beson-
ders an die Arbeiter, Angestellten und Beamten des Verkehrs-
gewerbes die dringende Aufforderung: Erstens: Haltet die Augen
offen und meldet unverzüglich alle verdächtigen Trans-
porte nach Verständigung mit eurer Organisationsleitung der zu-
ständigen Regierungsstelle, beM>. dem Reichsverkchrsminrsterium
oder dem Auswärtigen Amte. Zweitens: Haltet euch fern von allen
selbständigen Eingriffen gegen laufende Transporte und vermeidet
besonders Zusammenstöhe mit den Angehörigen der früher
feindlichen Staaten. Mehr als je muß Deutschland in dieser Stunde
eine eiicheitliche Front bilden, damit wir nicht in kriegerische Ver-
wicklungen hineingeraten, die diesesmal ans deutschem Boden aus-
gefochten werden würden.
Berlin, 9. Aug. Der Reichsverkehrsminister hat alle
Reichseisenbahnbehvrden nochmals angewiesen, streng nach der Ver-
ordnung der Reichsregierung vom 30. Juli zu verfahren, in der
alle Güter aufgezählt werben, deren Aus- und Durchfuhr nach den
kriegführenden Ländern auf Grund der Neutralität Deutschlands
verboten sind. Er ordnet an, den Inhalt der Verordnung allen
Lissnbahnbediensteten bekanntzugeben und dabei nachdrücklich zu
betonen, daß willkürliche Erweiterungen der Sperrmaßnahmen und
alle eigenmächtigen Eingriffe in den Betrieb durch Bedienstete der
Verwaltung oder durch betriebsfremde Personen unzulässig sind,
und daß, durch sie gerade die Kriegsgefahr herbeigeführt wird, deren
Beseitigung die Reichsregierung sich zum Ziel gesetzt hat.

Berechtigte Forderungen der Bergarbeiter.
Essen, 9. Aug. (Priv.-Tel.) Die Konferenz der sozialde-
mokratischen Bezirksleitungen für das westliche Westfalen und den
Niederrhein, die unter Teilnahme von Vertretern des Bergarbeiter-
Verbandes hier tagte, schloß sich in der Frage der deutschen Neu-
tralität im russisch-polnischen Kriege dem Aufruf des Allgemeinen
Gewerkschastsbundes und dec sozialdemokratischen Partei vom 7.
d. M. an. Die Konferenz nahm schließlich in einer Entschließung
mit Besorgnis Kenntnis von dem Bericht der Beraarbeiterorgam-
sationen über die Lage im Bergbau. Die Auslegung der Richt-
linien für die Betriebsräte durch einzelne Zechenverwaltungen seien
geeignet, Konflikte hervorzurufen und hätte schon zur Verweigerung
von'Ueberschichden geführt. Die Regierung müsse schleunigst für
einen Ausgleich sorgen, der gründlich nm durch die Beschleunigung
der Sozialisierung des Bergbaus erfolgen könne. Die
Folgen des Diktates von Spa machten sich jetzt schon fühlbar durch
die unheimlich steigende Arbeitslosigkeit. Den Steuerabzug
erklärte die Konferenz auch nach den letzt gewährten Erleichterungen
als eine z« schwere Last für die Arbeiter, Angestellten und Beamten.
Sie hält eine schleunige Ueberprüfung darüber notwendig, wie
gegenüber den durch die Arbeitslosigkeit verminderten Einkommen
noch besondere Erleichterungen geschaffen werden können und for-
derten eine schnellere und energischere Einziehung der Steuern vom
Besitz und der nicht aus dem Arbeitsverdienst kommenden großen
Einkommen sowie eine schleunige Nachprüfung der Steuergesetze
bezüglich aller Svndcrvorteile verschiedener Schichten der besitzenden
Bevölkerung.

Militärische Verschwendung
in bitterster Not.
Unter dieser Ueberschrift schreibt Genosse Schöpfst« im
l'Aoch-S freund" über die angesichts der trostlosen Finanzlage
des Reichs unerhörte Verschwendung von Staatsgeldern für die
Besetzung von Offiziersstellen in der Reichswehr:
„Für das 100 000 Mann-Heer werden nicht weniger als 55
Generale gefordert, darunter allein für die 18 Reiter-Regimenter
neben 3 Divisionsgenerale 9 Inspekteure im Generalsrang. Das
ist grober Unfug. Als Kommandanten für Berlin, Königsberg und
Breslau wird je ein General gefordert, während ein Stabsoffizier
vollauf genügt, die heute wesentlich geringeren Geschäfte zu führen.
Praktisch habe ich das selbst in Berlin gezeigt durch die Besetzung
des Stadtkommandanlenpostens mit einem Major. Generale als
Kommandanten heißen: mehrere Stabsoffiziere als Stabschef,
Generalstabsoffiziere und außerdem entsprechende Adfutantur. Das
verschlingt große Summen. Weiter: im neuen Heer sind 46
Formationen vorhanden, für die Obersten als Kommandeure in
Betracht kommen. Gibt man noch etwa 24 Obersten als Chefs
höherer Stäbe, als Abteilungsleiter im Wehrministerium uiftv. zu,
dann sind etwa 70 Obersten erforderlich. Angefvrdert werden aber
123 Obersten, also 53 mehr als notwendig sind. Allein für das
Reichswehrministermm werden 23 Obersten gefordert, als Kom-
mandanten von „Festungen", Uebungsplätzen 24. Für diese Stel-
len ist nicht ein Oberst notwendig. Noch toller soll mit >den Stabs-
offizieren gehaust werden. Als Führer von Truppenformationen
kommen — hochgerechnet — etwa 200 in Frage; angefordert wer-
den 617. Und für welche Verwendung? Ms Halbbataillvns- und
Ergänzungsbataillonsführer verlangt die Heeresleitung 63 Stabs-
offiziere. Alle die Formationen bestehen aus jeweils nur wenigen
Mann. Die 7 Artillerie-Regimenter sollen neben dem Obersten,
dem Oberstleutnant bei Stabe, noch einen Major in den Stab er-
halten; außerdem jede Artillerie-Abteilung neben einem Major als
Führer noch einen Major in den Abteilungsstab. Genau so soll es
bei allen Spezialtruppen gehen, die 28 Bataillone stark sind und 56
Majore erhalten sollen. Das tollste ist aber, daß bei allen 18 Rei-
ter-Regimsntern je eine Schwadron einen Major als Führer erhal-
ten soll, dem extra neben den Leutnants noch ein Hauptmann bei-
gegeben werden soll. 386 Majore und Oberstleutnants sollen in
Stäben und im Reichswehrministerium Unterschlupf finden, annä-
hernd also die doppelte Zahl Stabsoffiziere für Stäbe als für die
Truppenformativnen. Genau so steht es bei den 1058 angeforderten
Hauptleuten. Ueber 400 Hauptleute werden für die Stäbe ange-
fordert, außerdem etwa 100 als Adjutanten. Jeder Regiments^
kommandeur erhält einen Hauptmann als Adjutanten, früher tats
ein Oberleutnant. In die Stäbe nicht nur der Regimenter, sondern
auch der Bataillone und Abteilungen sollen Hauptleute hineinge-
steckt werden. Wo früher der Leutnant genügte, soll jetzt ein Haupt-
mann hingestellt werden. Den im Notetat zahlenmäßig aufgeführ-
ten 1788 Leutnants stehen nicht weniger als 1853 Offizier« vom
Hauptmann auswärts gegenüber. Damit aber nicht genug. Für
das 100 000 Mann-Heer werden — 42 500 Pferde angefordert,
also auf rund zwei Mann em Pferd. Natürlich wird jeder Offi-
zier, auch der jüngste Leutnant, sein Pferd erhalten. Die Unter-
haltungskosten eines Pferdes sind mit 10- bis 11 000 Mk. jährlich
nicht zu hoch veranschlagt. Die Offiziere brauchen in Zukunft
eigene Pferde nicht mehr zu halten, sie haben Anspruch aus
Dienstpferde. Diesen Anspruch worden sie erfahrungsgemäß gründ-
lich ausnützen. Daß Stabsoffiziere und die höheren Chargen zwei
Dienstpferde bekommen sollen, versteht sich für die Heeresleitung
von selbst, die Generale natürlich noch Autos usw.
Aus meine an den Wehrminister gerichtete Frage, ob die Zahl
der Militärmusiker tatsächlich mehrere tausend Mann betrage, er-
hielt ich diesmal keine Antwort. Sie wird aber gegeben werden
müssen. Die Heeresleitung fordert 12 Geistliche — Kostenpunkt
etwa 500 000 Mk. Aus meinen Einspruch meinte Herr Geßler, es
müsse doch auch für das Seelenheil des Berufs soldaten gesorgt
werden, besonders im Hinblick auf die lange Dienstdauer. Mit
dem gleichen Recht kann man dann auch für dis Schutzmannschast
oder die Berufsfeuerwehr besondere Seelsorger fordern. Recht in-
teressant ist es auch, daß die in eine Staatssekretärstelle umgewan-
delte Stelle des Generalquarticrmeisters mit einem General (von
Feldmann) besetzt worden ist. Der Staatssekretär hat Vermal-
tungs aufgaben zu erfüllen, also gehört ein erfahrener Verwal-
tungsbeamter, nicht aber ein Berufsoffizier an diese Stelle. Eben-
so ist beabsichtigt, für die paar Tausend Mann Marine und für di«
paar Kähne, die wir noch schwimmen haben, einen Chef der Admi-
ralität anzustellen. Ich habe der Regierung keinen Zweifel darüber
gelassen, daß sie sich auf den schärfsten Kamps einzurichten hat. wenn
sie diese famosen, das Geld einfach verschleudernde Pläne durchfüh-
ren will. ,. ,
Wie Neichswehrminister und Heeresleitung scyon beim Not-
ctai zu operieren gedachten, geht aus dem Wortlaut des Dispositivs
hervor, wodurch der Reichstag mit der Annahme des Notetats end-
gültig auf die Offiziersstellen festgelegt werden sollte. Als ich im
Plenum am Montag mich entschieden gegen diesen geradezu hinter-
listigen Versuch wendete, mußte sich Herr Geßler dazu bequemen,
zuzugestehen, daß bei der Beratung des Reichswehrgesetzes und des
Lrauptetats über die Stellendesrtzung noch gesprochen werden kann,
der Reichstag nicht an die Notbewilligung gebunden ist.
Es muß aber auch, wie ich es bereits am Montag getan habe,
an den Reichsfinanzmmister die Frage gestellt werden: wie verhält
er sich gegenüber den Absichten der Heeresleitung? Was sind alle
Mahnungen des Reichsfinanzministers zur Sparsamkeit, wenn er
den Militärs eine solche Verschwendung durchgehen lassen will? Es
sei nämlich bemerkt, daß uns nach den Forderungen der Heereslei-
tung das 100 OVO-Mann-Heer mehrere hundert Millionen mehr
kosten würde, als früher Heer und Marine zusammen. Die Bera-
tung des Reichswehrgesetzes wie des Hariptetats im Herbst wird
 
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