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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 151 - Nr. 160 (3. Juli - 14. Juli)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbischofsheim und Wertheim.


Bezugspreis : Monatlich einschl. Trägerlohn 3.50 Ml. Anzeigenpreise:
Die einspaltige VetitzeNe (3ö inm breit) SO pfg., Reklame-Anzeigen
(93 mm breit) 2.20 Mk. Sei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Eefchästsstunden: 8 - >/,s Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11-12 Uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22S7I. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Samstag, 3. Juli 4920
Nr. 454 » 2. Jahrgang

^m^e^r^^zeigenÄn^^WTZ^Redaktion 2618.

Verantworti.: Für innereu. SußerLpolitik-Dolkswirtschastu. Feuilleton: Or.

cr.Kraus; für Kommunales ».soziale Rundschau: Z.Kahm für Lokales:
O.Gelbel; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der Unterbadischen Derlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße 39.

Rückblick.
I. Die innere Politik.
kr. Heidelberg, den 4. Juli.
Die i n e rp o lit is ch« K r is«, die durch das Wahlevgebms
vvm 6. Juck verursacht worden war, ist gelöst; die Regierung der
bürgerlichen Milte ist gebildet, das Kabinett Fehrend ach
hat vor dem Reichstag sein Programm entwickelt, die einzelnen
Parteien haben darüber debattiert und ihre Stelluttgn-ahme zur
neuen Situation bargöl-egt. Die Regierung fußt ja nur aus einer
parlamentarischen Minderheit, unsere Partei hat es in. der Hand
gehabt, die neue Regierung gleich bei ihrem Amtsantritt zu stürzen.
Sic hat es nicht getan, und warum sie es Nicht getan hat, hat Gen.
Scheidemann eingehend begründet. Wir sink» nicht schuld daran,
daß es zu einem rein bürgerlichen Kabinett «kommen mutzte; auch
die bürgerlichen Parteien sind ckcht schuld daran, sondern allein die
Unabhängigen, die durch ihre unfruchtbare OppofttivnspolM die
Bildung einer Linksregierung einschließlich der sozialdemokratischen
Parteien verhindert haben Wir haben keine Bcran-laffunig gehabt,
die bürgerliche Regierungsbildung zu verhindern, nachdem die
U.S.P. die ganze Ang-eisgenheit so auf die leichte Achsel nahm; wir
haben jetzt auch keinen Grund, die neue Negierung an der Arbeit zu
hindern, zumal das Programm des Hcrtn Fehrenbach im wesent-
lichen die Fortsetzung der alten KoaNionspvliK angMM-gt hat.
Wir sichen jetzt Gewehr Lei Fuß, wir beurteilen die neue Regierung
nach ihren Taten, ckcht nach ihren Worten; arbeitet sie -m i t der
Arbeiterschaft, dann arbeiten wir im Interesse der Arbeiterschaft
mit, arbeitet sie aber gegen die Arbeiterschaft, so stößt sie auf un-
seren schärfsten Widerstand, auf keinen Fall aber treiben Wir wahn-
sinnige KatasiwplhenpoliK, wie diejenigen!, die links von uns
stehen.
Awas Eigentümlicher ist es mit dem Programm ber Negie-
rung. Es ist derselbe Boden, auf bem die alte Koalitionsregierung
gestanden>hat; dis tatsächlichen Verhältnisse haben d-iches Programm
erzwungen. Wenn aber Herr Föhrenbach behauptet, batz allv Par-
teien einmütig und geschlossen hinter dem Programm stehen, so
mochten mir um» da vvch ein großes Dragrzsichen r-rktüLeb.. So-
lange Programm Programm -bkekbt und Worte Worte, so lange
wohl, nicht aber, wenn den Worten Taten folgen sollen. Wir können
Ms nicht denken, daß die deutsche VoAspartei etwa bis Arbeiten ber
Sozial isleruirgskom Mission mit Freuden sehen und
unterstütze» werden. Eben erst haben «die chemischen Zechenverbände
unrsr Herrn Hugenbevg auf schärfste gege-n jede Sozialisierung des
Kohleichergbaues Stellung -genommen. (S. „Volkszeitung" vom
Donnerstag, den 1. Juki, 2. Blatt.) Wirb He>-r Fehrenbach hier
Taten wagen? wenn er rs mit den LH erat en zum Bruch kommen
lassen- will, dann ja. Wir haben bereits -anläßlich der Regierungs-
bildung betont, daß in den Wirstchastsfragsn die Hauptaufgaben der
wellen Regierung liegen werden.
In dieser Woche ist im Herrenhaus -in Berl'ir ber Reichswird-
schaftsrat zuisammengetreten (vergl. Artikel im 2. Matt dieser Num-
mer). Dis erste und- gegenwärtig wichtigste Aufgabe lst ihm vor-
gestern von unserem Gen. Wissel gestellt worben: Weg« zu fin-
den, mn die drohend« Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Auch wir sinh
der Auffassung, daß hier so rasch wie möglich eine Lösunggefunde»
werden mutz. Hier wird zum erstenmal in grockziigiger Weise das
gemeinwirtschaftlich-volkswWchaflliche Bedarssprmzip über das
privalwirtschastiiche Rentabllitätsprinzip siegen müssen. Es geht
einfach nicht aa, daß zu einer Zett, in der alle Welt nach Arbeit unb
Arbeitsprodukten schreit, die Produktion stillgelsgt unb die Arbeiter-
schaft, die arbeiten will, auf die Straße gesetzt wird!
Die größte Sorge der nächsten Zukunft ist die Finanzlage
des Reichs. Das Bild, das Dr. Wirth in ber Donnerstags-
itzung des Reichstags entrollte, ist -geradezu trostlos. Unsere Reichs-
chulb -beläuft sich jetzt auf etwa W5 Milliarden Mark, darunter
md allein 1200 Millionen Zinsen für die ReichsschM von 209
Milliarden. Mit Recht betonte der Reichsfinanzickm'ster, daß un-
sere schleichende Finanzkrise bis in die Anfänge 'des Krieges zurück-
rsicht. Immer großer ist während des Krieges ldas Mißverhältnis
zwischn- den Ausgaben und Einnahmen des Reichs geworden. Man
hat den Mut -nicht gehabt, dem Volk zu sagen, wie wir eigentlich
wirtschaftlich und finanziell stehen. Hätte man damals, anstatt- auf
den „Siegfrieden" zu hoffen, bei dem der Feind die gange Zeche
zahlen wird, rechtzeitig dem Volk die notwendigen Kriegssteuern
auferlegt, dann müßte es nicht jetzt in einem Jahr mehr an Steuern
aufbringen (25 Milliarden) als während der ganzen Kriegsjahre
zusammen (16 N Milliarden). Wir sehen zur Gesundung unserer
RsichsfinangeN neben der rchtlosM Durchführung der Steuern nur
folgende Wege: Gesundung unserer Volkswirtschaft im Allgemeinen
und besonders unserer Valuta (zum größten Teil ein internationales
Problem!); mmöglichsts Vereinfachung der Staatsverwaltung als si-
cher, kaufmännisch-vationellste Bewirtschaftung aller dem Staat ge-
hörigen Betriebe (Bahn, Post usw.); chenso wird um eine gemischt-
wirtschaftliche Beteiligung des Staates an privaten- Prodüftions-
zweigen nicht herumzukommen sein.
Wir möchten noch einmal mit einigen Worten auf das Ur-
teil von Marburg zurückkommen. Am 19. Juni hat das
Militärgericht in Marburg die Zeitfreiwilligen, die in den Kapp-
Puischtagei» bei Bad Thal (Thüringen) 15 Arbeiter erschoßen haben,
restlos freigesprochen. Wir- haben es hier mit -einem Iustizskan-
bal schlimmster S o rte -zu tun; das Urteil ist ein Schlag ins
Gesicht der neuen -deutschen Republik. Das Zeugenmaterias dafür,
daß diese reaktionären Studenten den gemeinsten Mord begangen,
'-hre politische Rache an den „spartakistischen" Arbeitern genommen
Haden, ist so belastend, daß das Urteil vom deutschen Volk einfach
nicht verstanden wirb. Aber in ihrer beneidenswerten, gottbegnade-
ten Gläubigkeit legten die Marburger Richter anscheinend auf nichts
Wert, als auf das, was die Angeklagten sagten. -Vielleicht
glaubten sie, dazu berechtigt zu sein, weil es sich ja -um Korpsstuden-
ten, Offiziere, Kameraden, Stanbesgenofsen, um .— Satisfaktions-
ghi-'ge handelte. In d s n Kreisen- wird bekanntlich n i e gelogen, da

Die Mittisterkonfeeenz in Berlin.
Ber l-i -n, 3. Juli. Heute Vormittag 11 Uhr trat die Reichs-
regiermrg mit den Ministerpräsidenten ber Länder und den Ver-
tretern der Freien Städte zu einer mehrstündigen Aussprache zu-
sammen. Den Vorsitz führte der Reichskanzler. Der Minister des
Aeußeren Dr. Simons hielt einen Vortrag über die bevorstehenden
Verhandlungen in Spaa. Die Aussprache, in ber insbesondere der
Reichsernährungsmiinister, der Reichsicknister der Finanzen und der
Reichsminifter des Innern das Wort nahmen, -ergab eine vollstän-
dige U-cbereinstimmung. In Uebcreinstim-muMg Mit einer Entschlie-
ßung-der früheren Regierung wunde beschlossen, solche Aussprachen
künftig regelmäßig mehrere Male M Jahre stattfi-ubcn zu lasten.
Der Abbe« der Zwangswirtschaft.
Berlin, 3. IM. Das Anhalten der Besserung unserer Va-
luta gestattet zunächst den berechtigten Wünschen ber Bevölkerung
nach Erleichterungen auf -dem Gebiete der Zwangswirtschaft in bezug
auf eLveishalttge Nahrungsmittel und schmackhaften Zudrok Rech-
nung zu tragen und bas Verbot der Einfuhr von Käse aus dem
Au-sla-nde bis auf weiteres aufzuheden. Sollte sich wider Erwarten
die Valuta erheblich verschlechtern, so wird im Interesse unserer
3alhl-u-ngsbi-lanz die Zurücknahme der EinfNhr-genchmlgung Vorbe-
halten. Mo HändlerkreSfe werben also gut daran tun, keine lang-
fristigen Verträge ab-zuschließen, sondern damit zu rechnen, daß ein-
tretendenfalls die Aufhebung der Einfuhrgenehmigung in kurzer
Frist von etwa einem- Monat- erfolgt. Don der a-llgemrinen Frei-
gabe -der Einftchr bleibt Weichkäse Her Schwierigkeit der Kontrolle
halber und wegen -des Anreizes zur Verarbeltunz von Vollmilch im
InlaNde ausgeschlossen. Dm Anschlich an die Aufhebung des Ein-
fuhrverbots soll auch die Bewirtschaftung des Käses im Inlands
freigegebsn und die Höchstpreisverordnun-g aufgehoben -werden. In
der Erwartung, baß.infolge der -besseren Valuta dis Einfuhr aus-
ländisch«» Käses preismildernd -auf die zur Zeit unerhörten SHlekch-
händilerprsife für einheimischen Käse eimvirkt. Als Einschränkung
bleibt bas allgemeine Verbot der Herstellung von Fettkäse nach wie
vor bestehen, um die Verfora-una der Bevölkerung mit Milch und
Butter -nicht zu k-:la.nu:> umcrlidgt die Rege¬
lung des Verkehrs mit Käse Quark us-w. nach der Verordnung vom
15. IM 1918 den Landeszentrakbchörden, in Preußen den Obcr-
prasibentvn. Auch diese Bestimmung soll fallen und zwar sobald
als möglich. Ein genauer Zeitpunkt kann- hierbei erst festgestcllt
werden, wenn die einzelnen Böwftffchaftun-gsstell-M die zur Auf-
hebung des auf Grund des angeführten Rahmengesetzes getroffenen
Anordnungen in die Wege getestet haben.
Die Zahl der Erwerbsloser».
Berlin, 3. IM. (Priv.-Tel.) Laut „Berl. TagM." beträgt
nach amtlichen Feststellungen- die Zahl ber männlichen Erwerbslosen
im Reiche 221223, die ber weiblichen 67 935. Das bedeutet eine
Zunahme der Erwerbslosen nm 17 000.
Unruhen in Darmstadt.
Darmstadt, 2. IM. Gestern fanden hier schwere
kommunistische Unruhen statt, weil verschiedene kommu-
nistische Führer verhaftet worden waren, die die Kommunisten be-
freien wollten. Ihnen hatten sich zahlreiche aridere Elemente ange-
schlossen. Die -Gefangenen waren ins Polizeigefängnis gebracht
worden, vor dem sich nun tumultartige Szenen a-bspielten. Polizei-
Mannschaften -und Sichecheitswchr schritten ein und mußten von der
Waffe Gebrau chmachsn, wsbei mehrere Personen aus der Menge
getroffen worden sind. Auch ein- Schutzmann wurde verwundet.
Das Ministerium gab einen Erlaß heraus, in dem es sich
an -die Bevölkerung wendet und sie ermahnt, sich nicht den Unruhe-
stiftern anzüschließen und jede Straß en ansa mmlunig zu vermeiden.
In dem Erlaß heißt es -weiter, -aß der demokratische Staat die
Herrschaft der Straße ablehne und dafür -sorgen werde, daß in der
Frage ber Herabsetzung ber LebsnsnMelpveise die nötigen Schritte
getan werden.
Der holländische 200 Mivionenlredtt
genehmigt.
H a ag, 3. IM. Die Zweite Kammer hat die Vorlage über
den 200 Millionen Gulden-Kredit an Deutschland angenommen.

sicht der Mqnn immer zu seiner Tat — so nahmen die Herren
wohl an — und deshalb müsse das, was diese Angeklagten sag-
ten, über d i e b e ei d ig t e n Aussagen der Zeugen gehen. Daß
die Stcmbesgenvsten derer, die da zu Gericht saßen, schwindeln
könnten, kam -den Richtern nicht in den Sinn uüd es ist wirklich be-
wundernswürdig, daß man von Gerichts wegen- anfängt, den An-
geklagten ohne weiteres zu glauben und auf ihre Angaben ein
Urteil aufzubauen. Diese in gewissen Fällen austretende, in anderen
wieder verschwindende Eigenschaft ist ja in letzter Zeit häufiger
in Erscheinung getreten. Wir hoffen, baß die Empörung, die das
ganze deutsche Volk ob dieses Freispruchs ergriffen hat, möglichst
bald zu -einer Revision des Marburger Urteils führt. Ebenso hof-
fen wir, daß der neue Reichstag alsbald -die Militär- -und Kriegs-
gerichte aushebt; es ist höchste Zeit, wenn Recht und Gerechtigkeit
noch eine Heimstätte bei uns haben sollen, wenn das Verfastungs-
wort von ber Unabhängigkeit der Gerichte noch einen Sinn haben
so«.
Fast in ganz Deutschland sind in den letzten Tagen m-ch-r oder
weniger starke Bewegungen gegen die hohen Preise, insbesondere
der Lebensmittel, zu verzeichnen. Nur in einigen größeren Städten
ist es zu wirklichen Unruhen, Plünderungen und Schießereien ge-
kommen; sofort war natürlich ber übliche Janhagel zur Stelle, der
überall -dabei ist, wo es drunter und drüber geht und es etwas im
Trüben zu fischen gibt; -erfreulich ist nur, baß bis jetzt die Unab-
hängigen u-std Kommunisten mit der politischen Ausnützung dieser
Protestbewegungen nirgends auf ihre Rechnung gekommen sind. Bei
A

UNS in Baden, insbesondere auch in Heidelberg, Isst der
Konsumentenstreik, der sich vor allem gegen die unnatürlich hohen
Qbstpreff-e richtete, mit mustergültiger Disziplin verlaufen. Die Ar-
beiter haben sich, nachdem sie auf dem Markt den Händlern an-
nchlnkbare Preise diktiert hatten, rck-t den Bauern an den Verhand-
lungstisch gesetzt; man hat sich geeinigt und damit ist ein wesentlicher
Schritt vorwärts getan in der Versöhnung von Land und Stabt,
die wir heute so dringend brauchen.
Zwei Punkte aus den Verhandlung en des badischen
Landtags verdienen hier festg-ehalten z-u werden. Einmal die
Aussprache über unsere Heil- unbPflegeanstalten anläß-
lich der Besichtigung durch eine Kommission des Landtags. Es ist
von allen Seiten festgestellt worden, baß di« Verhältnisse in unseren
Irrenanstalten mustergültig sind und sich -durchaus mit den übrigen
Kr-aNkenainstalten messen können. In- jeder Beziehung (Anlage und
Bau der Anstalten, Umgebung, ärztliche Behandlung üsw.) sind die
Errungenschaften der psychiatrischen Wissenschaft ausgenützt. Na-
türlich ist die neue Zeit auch an -diesen Anstalten nicht spurlos vor»
übergegang-en; Auch in diesen Anstalten -haben die sozialpolitischen
Errungenschaften manches gewandelt. Wenn dabei, wie z. B. in
W i e s k o ch, starre -Spannungen zwischen Direktion und Angestell-
tcckchast eingetr-eten sind) so siegt die Schuld- nicht nur beim Per-
sonal, sondern auch ost au der Direktion, die eben den Geist der
neuen Zeit nicht begreifen -will.
Gestern tarn im Landtag das Gesuch ber Arbeiter- und Attge-
stelfter-schast der M.ajo lila manusa kt« r- Karlsruhe udn
Sozialisierung ihres Betriebes zur. Verhandlung.
Di: bürgerlichen Parteien lehnten- den sozi-albembkratffchen Antrag
ab und stimmten für Verpachtung an eine privatkapitalistische Ge- b
sellschaft. Dis A-u-sführunarn, die z.' B. von einem Vertreter des
Zentrums im Versastungsauchchuß zu dieser Materie gemacht wur¬
den, zeigten, daß diese Herrschaften- nicht das zeringst« Verständnis
für die -Sozialisteruna Haden und auch keinen Willen dazu. Menn
sie schon dis Eememwirkschafi ablehnen bei einem Betrieb, der be-
reits dem Staat gehört, wir vielmehr dann bei Prrvatindusttchn, die
erst für di« Gesellschaft enteignet werben müssens
i---
Deutscher Reichstag.
V. Sitzung. ,
Berlin, 2. Juki.
Nach einigen kurzen Anfragen sprach zunächst
RsichsernährungsminPer Dr. Hermes über unsere Ernährungslage
im Z-ufammenhan-g mit den -letzten Lebensmittelunrüyen. Line einsei-
tige Preispolitik zugunsten der Landwirtschaft lehnt die Regie-
rung ab, aber die Preise für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse müssen
den Probukl'ionskvsten. entsprechen. Die Indexkvin-mWvn des Lrnäh-
rungsminsiteriums hat für dieses Jahr den Zuschlag der Produktions-
verteuerung mit 55 Prozent festgesetzt. Die Hauptsache ist, daß die Ernte
sofort ganz erfaßt wird. Die Aussichten der Getreide- und Kartoffel-
ernte sind gut, die Schlachtviehbestänbe haben sich gehoben, die Preis«
dürften sich hier um ein Drittel ermäßigen. Auch ost MilchprvdMion
bessert sich. Schlecht steht es noch mit Osten, Fetten und Zucker; bereits
in diesem Jahr hat eine Steigerung der Fuckerrübenan-baüfläche mn IS
bis 11 Prozent stattge-funben. -Für die Auslanbsanfuhr P gesorgt.
Nachdem noch Minister Dr. Simons einige Anfragen roegen
widerrechtlicher Verhaftungen in Polen beantwortet hatte, wurde die
pM-ische Aussprache sortgesetzt. Zunächst sprach
Abg. Dr- Helfferich:
Er -wird von den Unabhängigen mit Lärm und höhnischen Zurufen
empfangen und kann sich kaum verständlich machen. Die Kraft des deut-
schon Volkes ist durch den Krieg -und die Revolution geschwunden. Jetzt
wirb dieses geschwächte Volk unter einem Druck gehalten. (Zuruf der Un-
abhängigen: Durch Sie! -Großer Lärm. — Präsident Lode bittet, dem
Redner nicht sein Recht auf Redefreiheit zu nehmen.) Das deutsche
Volk hat sich durch das Wahlergebnis gegen jedes foziäiistische Experiment
ausgesprochen. (Erneueter Lärm.) Die Gedanken, die mit uns die deutsche
Volkspartei vertreten hat, marschieren. (Stürmischer Lärm.) Wir haben
uns bereit erklärt, uns an der Regierung zu beteiligen. Bchauc-lich ist,
baß die -anderen Parteien sich nicht zu einem gleichen Entschluß durch-
ringen konnten. Zur alten Koalition habe seine Partei in einer gewissen
Opposition gestanden. Jetzt sei es anders. Wir werden uns nicht von
pavteipot-itifcyen Empfindlichkeiten -leiten lasten. Die Sicherstellung von
Recht und Ordnung bleibt die Hauptsache, damit aber auch die -Sicher-
stellung der Machtmittel. (Laute Unterbrechung.) Hierzu gehört auch die
Militäriustiz. Redner wendet sich "dann gegen die Ausführungen des -
ReichWnanMNtisters und betont, daß er stets im Eickl-ang mit vielen
Mitgliedern des Hauses während seiner Amtrp-erivde wieder und wieder
auf Erhebung von Kriegsfteuern gedrängt habe, wie aber stets dagegen
protestiert worden fei, namentlich von feiten eines Ze-ntrumsmitglied
namens Erzderger. ^Schallende Heiterkeit. Hört, hört!) Auch Herr Schif-
fer habe -sich gegen Kriegsst-euern gewchrt und alles auf Anleihen nehmen
wollen. (Erneute Unruhe.) Bei der Verreichlichung der Eisenbahnen sei
nicht mit der gehörigen -Sorgfalt verfahren worden. Vor der Vericich-
lichung hätten -die Landesbchörben noch rasch die Gehälter erhöht unb
sGt müsse dar Reich Milliarden daiaufbezahlsn. Die folgenden Aus-
fHrimgen HsMferichs, in denen er sich gegen die Sozialdemokratie und
den Achtstundentag wendet, werden bauernd durch Lär-m und Zwischen-
rufe unterbrochen. Gegenüber der neuen Regierung werde sich seine
Partei -a-b-wartemd verhalten. . ...
KeichMncmMindster Wirth: Der Abg. Helfterich habe einen hi-
storischen Beweis dafür liefern wollen, daß wir einen anderen Frieden
hätten haben können. Die Rechte hätte ja in Weimar Gelegenheit ge¬
habt, den schweren -Gang mitzu-gehen, aber so -wenig wie heute fei damals
der Mut aüs Seiten der Rechten gewesen. Wir alle wollen dem Vater-
lande dienen, aber die Art, 24 Stunden vor -Spaa, die Brandfackel ins
Haus zu schleudern, sei -unechört. Wir -wollen aufrecht und -nüchtern und
nicht -schweifwedelnd -nach Spaa gehen. Wir werden nach unserer Rück-
kehr an unsere großen Aufgaben hcrantret-en, dann wollen wir unsere
Knauzen prüfen." Setzt vor Spaa ist -das einfach unmöglich. Das deut-
sch« BvA mag aber das Vertrauen haben, daß dis Regierung es würdig
vertrete» wird.
Nachdem Abg. Becker (Bolksp.) gesprochen hatte: «Mach
Abg. Frau Zetkin (Komm.): Das erste Wort der Kommunisten
in diesem Reichstag ist als Gruß an alle Kommunisten der Welt -gerichtet,
das GelWn-is' ensichiebenen Kampfeswillens für das Proletariat. 8«
Spaa wird der Ententeimperialismus die Verbrechen des brutschen Im-
 
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