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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 161 - Nr. 170 (15. Juli - 26. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44127#0358
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Tageszeitung für die werltStige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg

Bezugspreis: Monatlich einfihl. Trägerlohn S.— Mt. An,eigenpreifer
Die einspaltige Petitzeile (ZS mm breit) SV pfg., Reklame-Anzcigm
(SZ mm breit) 2.20 Ml. Bel Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: S - tlhr. Sprechstunden der Redaktion: 11 -12 ilhr.
postscheckkonw Karlsruhe Nr. 22SI7. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Tauberbifchofsheim und Wertheim.

Heidelberg, Freitag, 16. Juli 1920
Nr. 162 * 2. Jahrgang

Verantwort!.: Fürinnereu. äußerepolitik,Volkswirtschaftu. Feuilleton: Or.
E. Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: Z.Kahn,' für Lokales:
O.Geibel; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich in Heidelberg
Druck und Verlag der llnterbadischen Derlagsanstalt G. m. V.H., Heldelberg
Geschästsstelle: Schröderstraße ZS.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 267Z, Redaktion 2643.

Die Antwort der Entente.


Die schicksalsschwere« Stunden des Ultimatums
Die Besetzung des Ruhrgebiets.
Paris, 15. Juli. Nach einer Meldung «her „Chicago Tri-
büne" ans 'Spa sind als Bedingungen für di« Besetzung «des Ruhr-
-gebietes vereinbart worben: Die Besetzung begin-n-t zwei Stnnlden
nach Ablauf id-es Wimatums. An der Besetzung dürfen- keim
schwarzen Truppen teilnehmen. Die Besetzung soll so ausgeführt
worden, daß bas Ruhrgebiet mit einem Kvüdvn umgeben Md vom
übrigen Reich so abgesperrt wird. Nur im Notfälle sollen größere
Städte mit Truppen böscht werben. Die Zivilrechte Ider BevÄke-
rung sollen gawährleistet werden; jedoch soll die lokale Polizei uniier
Kontrolle genommen weil den. Für bie Kohlen soll ein höherer Preis
bezahlt werden, damit die Arbeiter ein Interesse an stänker er För-
verung hätten. Die Ernährung des Ruhrgebiets wird durch bie
Alliierten während der Dauer ber Besetzung sjchergestelll.
Hue wieder in Spa.
Spa, 15. IM. Die Alliierten und bie Deutschen sprechen
zwei verschiedene Sprachen und bisweilen brauchen sie einen Dol-
metscher, so äußerte sich Marschall Fach zynisch beim Verlassen Ides
Zuges. Das ist bas Wort, bas die gegenwärtige Lage beleuchtet.
— Die deutsche Delegation ist entschlossen, in allem MöKchen bis
an die äußerste Grenze zu gehen, jedoch ist sie auch entschlossen,
nichts zu unterschreiben, was nicht gehalten werben kann nnd was
den sicheren Ruin des deutschen Wirtschaftslebens vebeuten würbe.
Sie hat jetzt -in ber Kohtenfrage ein letztes Angebot gemacht, bas
fast unausführbar ««scheint. Vorher -hatten in ber Nacht telefonische
Besprechungen mit Hue stattgefubden, ber heute vormittag in Spa
eir.getrofsen ist und eine persönliche Bchprechung mit Sünnes hatte.
-- Die Mliiertsn bereiten sich unterdessen bereits vor, um die ihnen
unbequeme Methode bes Unterhandelns burch -bin Diktat mit mili-
tärischen Drohungen im Hintergründe zu ersetzen. — General D-e-
goutte ist honte nacht -aus Mainz hier eingetroffen unb geistern
abend ist ein Abkommen über bie militärische Besetzung ldes Rrchv-
gebistes von den Alliierten bereits unterzeichnet worben. Die Be-
setzung soll "unverzüglich vorgen-ommen weride-n, wenn die Deutschen
bas Ultimatum in ber Kohlen frage, dessen Fassung von dem Ober-
sten Rat vorgenommen worben ist, nicht annehmen sollten. Nie-
manb weiß, ob bie Alliierten unseren letzten Vorschlag noch an-
nehmen werben uftb ob in ber letzten Minute bie Vernunft über den
Sisgerwahnsinn triumphieren wird.
Der letzte deutsche Vorschlag.
Spa, 15. Juli. Die V o r s chl ä-ge ber 'deutschen Delegation
wegen Regelung ber Kohlens rage haben folgenden Wortlaut:
1. Die deutsche Regierung verpflichtet sich, vom 1. August 1S2Ü ab
aus vorläufig 6 Monate den alliierten Regierungen monatlich 2 Millionen
Tonnen Kohlen zur Verfügung zu stellen.
2. Die alliierten Regierungen leisten den Gegenwert der Kohle bis
zur Hohe des deutschen Inlandspreises durch Anrechnung aus das Repa-
rationskonio, mit der Differenz zum Weltmarktpreis in bar, soweit nicht
die Art der Zahlung durch das allgemeine Abkommen über die Fnranz-
frage anders bestimmt wird.
3. Während der Dauer der vorgezeichneten Kohlenlieferung bleiben
bie Bestimmungen in der Kohlenjrage, die der deutschen Delegation am
9. Juli mitgeteilt wurden und am 11. Juli abgeändert worden waren,
außer Anwendung. Eine Erhöhung der monatlich abzuliefernden Ton-
ncnzabl durch den Wtedergulmachungsausschuß findet solange nicht statt.
4. Es wird alsbald einAblommenüberdieLageinOber-
schlesien getroffen, burch das entweder die deutsche Regierung die
Verfügung über die oberschlesische Kohle zurückerhäit, oder in dem
doch der monatliche Bezug von mindestens 1,5 Millionen Tonnen gewähr-
leistet wird.
5. Es wird alsbald eine gemischte Kommission in Essen eingerichtet,
deren Zweck es ist, die Mittel zu untersuchen, mit denen man die Lebens-
haltung der Bergarbeiter in Nahrung, Kleidung und Wohnung und da-
mit die Erzeugung der KcchlenMinen des Ruhrgebiets verbessern kann.
6. Die Alliierten erklären sich bereit, Deutschland zur Einführung
ausländischer Lebensmittel für seine Bevölkerung, sowie von Rvh-
stofsen sür die deutsche Industrie und die Landwirtschaft einen ange-
messenen Vorschuß zu gewähren. Die Beratungen über die Finanzlage
werben alsbald unter Hinzuziehung der beiderseitigen Sachverständigen
ausgenommen.
Der deutsche Gewerkjchaftsbund gegen die wirtschaftliche Versklavung
der deutschen Arbeiterschaft.
Berlin, 15. Juli. Der Deutsche 'Gewerkschastsbund, bestehend
a-us 'dem GesamtverbaNd der christlichen Gewerkschaften, dem Gesamt»
verband der Angestellten-Gewerkschaften und dem Ges-amtvesband -der
Beamten- und Staatsangestellden-Gowerkschaften mit insgesamt 2 Millio-
nen Mitgliedern veröffentlicht folgende Erklärung: Der Verlauf Heb Ver-
handlungen in 'Spa -hat in 'den Kreisen der Arbeiter, Angestellten und
Beamten die größte Empörung geschaffen. Der -deutsche Gewerkschafts-
bund sicht sich daher zu folgender Erklärung veranlaßt: l. Der Deutsche
Gc-wcrkjchaftsbunb erhebt schärfsten Protest gegen -den Versuch, die -deut-
schen Arbeiter in dauernde Zwangswirtschaft für ausländische und kapi-
talistische Interessen zu nehmen. 2. Der ^ul-sche Gewerkschaftsbun-d
sieht in -den Forderungen der Entente -auf Einrichtung von Kontroll-
kommissionen für die Koblcnvcrtcil-ung die Absicht einer systematischen
Erdrosselung aller Industrien, die im Wettbewerb mit -den Ententestaaten
arbeiten und dadurch die Brotlosmachuu-g großer Massen -der -deutschen
Arbeiter und Angestellten. 3. Der Deutsche Ge-werkschaftsbun-d hält eine
ausreichende Belieferung, ber deutschen Industrien mit Kohle nach An-
nahme der Entenlesordcrungen für unmöglich nn-d befürchtet die stärkste
Arbeitslosigkeit als Folge. 4. Der Deutsche Gewcrkjchaftsbund erblickt
'n 'den Forderungen der Entente den Versuch, eine gewaltsame Regulie-
"Un-g -der Arbeitszeit über die Köpfe der Internationalen Bergarbeiter»
vrgüni'fationen hinweg burchzusetzen. Er empfindet -diese Bestrebungen
als Hohn auf -die Anerkennung -der Arbeiter und Angestellten aller -Länder
als vvjiwcrligcn Wirtschaflssaitor. Mag -die Konferenz in Spa zu Ebbe
gehen,'wie sie will: -Ihr Resultat wird von -den -deutschen Arbeitern, An-

gestellten und Beamten nur bann anerkannt werden, wenn es den Le-
be nsi-nte ressen -des deutschen Volkes Spielraum und ihm die Möglichkeit
z-u-m Wiederaufstieg gibt. Die Zeit für eine einseitige Bestimmung -der
Geschicke der Völker durch diktatorische Anordnungen ist für immer dahin.
Der Deutsche Gewerkschaftsbun-d fordert die gleichgesinnten Arbeiter, An-
gestellten und Beamten aller Länder a-u-f, sich diesem Proteste anzu-
schließen.
Annahme der deutschen Bedingungen durch
die Entente.
Spa, 16. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Die Enteiste hat
gestern die deutschen Kohlenvorschläge in den wesentlichsten Punkten
angenommen. Zu erheblichen Differenzen kam es bei der Frage, ob
die Kohlen zum Weltmarktpreis gezahlt werden sollte, was Lloyd
George dringend befürwortete. Schließlich einigte man sich unter
dem Einfluß Gloyd Georges -und Graf Sforzas dahin, daß aus jede
Tonne aus den Inlandspreis ein Ausschlag von 5 Gvld-
m a r k zu berechnen sei und daß aus der Differenz zwischen dem
um diese 5 Goldmark erhöhten Inlandpre-rs und dem Weltmarktpreis
sür Deutschland ein Kredit zum Ankauf von Le-
bensmitteln eröffnet werden soll.
- Berlin, 16. Juli. (Priv.-Tel.) Das „Berl. Tagchl." -meidet
aus S p a, daß -die Antwort der Alliierten 'bei -der deutschen Dele-
ga-tivn eine ernsthafte Überraschung hervvvgeru-son. hat: Die Ein-
marschkla-u sei, die oberschlesische Regelung -und die
komplizierte Falle bei der Vereä> nun q bedürfen einer -ge-
nauen Prüfung. Au diesem Amecke -wird eine -Fin'anzko-mm-Wo-n
und eine Kohle sikommWon die entscheidende Antwort der deutschen
Regierung vvr-bereiten, Me bann -im Saufe des morgigen Vormittags
überreicht werben lvll
Berlin, 16. IM. Einer Meldung der „Deutschen All-g.
At-g." zufolge wind 'die in der alliierten Antwort -gewährte Anleihe
für 'die Beschcrsfmrg von LsbsnsnMeln -und Rohstoffen- von England
mit 22 Prozent übernommen werden. Die übrigen alliierten Mächte
-übernehmen bie restlichen 78 Prozent und verteilen sie -unter sich im
Verhältnis -der von- Deutschland erhaltenen Kohlenlief-erungen.
Die Antwort der Alliierten
hat folgenden Wortlaut:
1. Die deutsche Regierung verpflichtet sich, vom 1. August 1926
ab aus sechs Monate de» Alliierte» nwnatlich zwei Millionen
Tonnen Kohlen, welche Menge von der Wiedergutmachungs-
kommission genehmigt worden ist, zur Verfügung zu stellen.
2. Der Gegenwert dieser aus dem Schienen- oder Wasser-
wege beförderten Kichle wirb von den alliierten Regierungen auf
das Reparationsskonto angerechnet und zwar zum
deutschen Inlandspreise gemäß 8 6 Lft. Anlage 5, Teil 6 des
Vertrags von Versailles. Außerdem wird als Gegenleistung sür
die den Alliierten zuerkannte Befugnis, sich nach Klassen und Qua-
litäten eingeteilte Kohlen liefern zu lassen, eine Prämie von
5 Goldmark, die von den Empfängern in bar zu zahlen ist, zur
Erwerbung von Lebensmitteln sür bie deutschen
Bergarbeiter verwendet.
3. Während der Dauer der obigen Kohlenlieferungen werden
die in 8 2, 3 und 4 des Protokolls vom 14. IM vorgesehenen Kon-
trollmaßregeln in der gemäß dem Wortlaut der beiliegenden
Anlage abgeänderten Form sofort in Kraft gesetzt.
4. Es wird alsbald zwischen den Alliierten ein Abkommen über
die Verteilung deroberschlesischenKohle durch eine Kom-
mission getroffen, kn welcher Deutschland vertreten sein wird. Dieses
Abkommen unterliegt der Genehmigung der Reparationskommission.
5. Es tritt alsbald in Essen eine Kommission zusammen, in
welcher die Deutschen vertreten sein werden. Aufgabe dieser Kom-
mission sott es sein, Mittel und Wege zu sinden, um dieLebens -
bedingungen der Bergarbeiter bezüglich der Ernäh-
rung mck> Kleidung und mt Hit,blick aus eine bessere Ausbeutung der
Berg - - zu heben.
6. Die alliierten Regierungen erklären sich bereit, Deutschland
während des obenerwähnten sechsmonatlichen Zeitraumes einen
Vorschuß zu gewähren in Höhe des Unterschiedes zwischen dem
gemäß 8 2 bezahlten Preise und dem Ausfuhrpreis der deutschen
Kohle sob deutschem Hafen bzw. dem englischen Ausfuhrpreis sob
englischen Häfen, und zwar jeweils der geringeren dieser Preise nach
Maßgabe des 8 6 Lit. ä Anlage 5 Teil 8 des Vertrags von Ver-
sailles. Die Vorschüsse werden gewährt gemäß Artikel 235 -und 251
des Vertrags von Versailles. Die genannten Vorschüsse erhalten
den unbedingten Vorrang vor allen anderen Forderungen
der Alliierten gegen Deutschland. Die Vorschüsse werden am
Schlüsse eines jeden Monats je nach der Zahl der gelieferten Ton-
nen und dem mittleren fob-Preis der Kohle während dieses Zeit-
raumes gegeben. Bereits am Ende des ersten Monats werden von
den Alliierten Vorschüsse zur späteren Verrechnung gegeben, ohne
daß die genauen Zahlen abge-wartet werden.
7. Falls am 15. November 1920 festgestellt werden sollte, daß
die Gesamtiieferung für August, September und Oktober 1920 bie
6 Millionen Tonnen nicht erreicht hat, würden die Alliierten zur
Besetzung eines neuen deutschen Teilgebietes,
des Ruhrgebiets oder irgend eines anderen, schreiten.
Anlage 1. Es wird in Berlin eine ständige Dele-
gation der Wiedergutmachungskommission ein-
gerichtet. Ihre Aufgabe besteht darin, sich der folgenden Mittel zu
vergewissern, daß die in dem Abkommen vom 16. Juli 1920 vorge-
sehenen Koblenlieferungen ausgeführt werden: Die Pläne über die
allgemeine Verteilung der Förderung unter Angabe drr Einzel¬

heiten, über die Herkunft und Qualität einerseits und die Zusiche-
rurtz der Lieferung an die alliierten Mächte unter bestimmten An-
ordnungen anderseits, die von den deutschen Behörden festgestellt
und von ihnen der Genehmigung der genannten Delegation inner-
halb einer angemessenen Frist, bevor sie den Ausführungsorganen
übermittelt werden, zu unterbreiten.
2. Keine Abänderung des genannten Planes, durch welche eine
Verminderung ber Lieferung an die Alliierten herbeigesiihrt werden
könnte, darf in Kraft treten ohne vorherige Genehmigung der Dele-
gation, der Wi'chcrgutmachungskommission in Berlin.
3. Die Wiedcrgutmachungskommission, welche die deutsche Ne-
gierung in regelmäßigen Zwischenräumen von der Ausführung der
für die Lieferung an die Alliierten gegebenen Anordnungen durch
die zuständigen Behörden Rechnung zu legen hat, hat den beteilig-
te» Mächten jede Verletzung der eben angenommenen Grundsätze
mttzuteilen.
M W MW Mltll'MM.
Von Th. Thomas.
Die Stadtverordnetenversammlung in Frankfurt a. M. hat
grundsätzlich die Errichtung einer Arbeiter-Akademie im Anschluß
an die dortige Universität beschlossen, so daß der Errichtung nichts
mehr im Wege steht, nachdem auch die Universität schon erklärt hat,
daß sie dem Plan zustimmt.
Ihre schlechte Finanzlage war die erste Veranlassurrg zum Ge-
danken der Errichtung der Arbetter-Akabernie, wozu noch kam, daß
im preußischen Finanzministerium durch Minister Lüdemann mit
starkem Nachdruck darauf hingewirkt worden sst. Liidenwnn stellte
sich auf den einzig richtigen Standpunkt, daß die Ausgaben der
Hochschulen jetzt besonders darauf eingestellt werden müssen, solche
Leute zu erziehen und dem öffentlichen Leben zuzusühren, die aus
den Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenkreiseu hervorgegangen
sind, die das Fühlen und Denken mit dem Volke in sich haben und
dadurch in der Lage sind, das gespannte Verhältnis, das heute zwi-
schen Behörden und Publikum besteht, dieses Nichkerstehenwolley
der Wünsche der breiten Masse, günstiger zu gestalte»:.
Die sozialdemokratische Stadtvervrdnetenfraktion hatte, schor
"ehe der Gedanke der Arbeiterakademie aufgetaucht war, eine Stu-
dienkommission eingesetzt, die die Frage prüfen sollte, wi» die Uni-
versität an Haupt und Gliedern reformiert werden kann. Wenn
auch die Frankfurter Anstalt lange nicht so reaktionär sst, wie z. B.
Marburg, Götingen oder Greifswald, so gibt es doch auch hier so
viel des Verbesserungsbedürftigen, daß schon in» ersten Stadium der
Beratung die Fraktion sich darüber klar geworden war, -aß di«
notwendige Bewilligung von Mitteln nur unter grundsätzliche»
Aenderung des heutigen Zustandes geschehe,» könnte. Nachdem alber
der Gedanke der Akademie erst festere Gestalt angenommen hatte,
steckte sich die gewählte Kommission ihre Tätigkeit weiter; sie stellte
sich die Aufgabe, für die neuen Einrichtungen gleich die nötige»»
Richtlinie», zu schäften. Wie gut es gewesen ist, daß die Kommission
so rasch handelte, zeigt sich darin, daß unsere Genossen als erste auf
den Plan treten, um der Akademie Form und Inhalt zu geben. Zu
den Vorberatungen wurden die parteigenvssischen Professoren der
Universität mit herangezogen, ebenso die Gruppe der geistigen Ar-
bester des Sozialdemokratischen Vereins und andere Interessenten.
Die Denkschrift, die dieser Tage nun von der Fraktion erschienen
ist (sie kann für eine Mark durch die Buchhandlung „Volksstimme"
in Frankfurt «. M. bezöge»» werden), bietet eine vollkommene Ueber-
sicht über bie Idee der Akademie. Jin ersten Teil kommt der Grund-
gedanke zuin Ausdruck, dessen wesentlichen Inhalt wir an die Spitze
dieses Artikels gestellt haben.
Ueber die eigentlichen Aufgaben sagt die Denkschrift:
Die Aufgabe einer Arbeiter-Akademie soll darin bestehen,
ihren Teilnehmern die nötige Berufsausbildung zu geben, ihnen
aber auch darüber hinaus eine allgemeine Bildung zu vermitteln.
Der Gedanke einer Akademie bringt es mit sich, daß eine n u r
berufsmäßige Ausbildung des Teilnehmers nicht becchsichtigt jein
kann. Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß eine Berufsausbildung
vollendet sei, wenn der Auszubildende das für die Praxis Nötig«
weiß. Es kommt bei der Ausübung eines Berufes nicht nu»
daraus an, daß man etwas kann, sondern auch, daß man etwas
glaubt.
Es kommt noch hinzu, daß auch er» neues rein wssseisschafttiches
Arbeitsrecht erforscht »verden soll.
Der Gedanke wird in der Denkschrift noch näher ausgeführi
und gesagt, daß die Akademie
ihren Teilnehmern eine Arbeiterblldung im höchste» Sinne ver-
mittelt, die das Denken und Schassen mit allgemeinen Ideen ver-
bindet und auf die allgemeine Lebensanschaum« einwirkt. Des-
halb »nässe x
s) für alle Teilnehmer gerneinsam eine allgemeine Grund-
lage geliesert werden,
d) -j» Akademie muß für die besonderen Berufsaufgaben be-
sondere Lchreinrichtungen treffen.
Einen sehr wichtigen Teil der Denkschrift nimmt die Frage der
Finanzierung ein. Die Kosten für den Lehrbetrieb sollen
Staat, Reich und Gemeinden tragen. "Dagegen sollen die
Kosten für den Lebensunterhalt derjenigen Teilnehmer, die die
Aufweichungen »sicht aus privaten Mitteln bestreite» können, die
Arbeiter-, Angestellten- und Beamtenbewegung
bestreiten. Es kommen cttva 15 Millionen Arbeiter, Angestellte und
Beamten in Betracht, die für die Idee zu gewinnen sind. Wenn
diese, so rechnet die Denkschrift, jedes Jahr nur eine Mark für diele»»
Zweck opfern, so schaffen sie die Mittel, um dauernd etwa 800 bis
1000 Hörern die Bildung zu geben, die nötig ist, um sie in wirt-
schaftlichen und politischen Orgamjaü-nen, in Verwaltung und be-
ben Behörden zu beschäftigen. Man sicht aus diesem Voranschlag,
daß es sich um rin gewaltiges Unternehmen handelt. Wer weiß,
wie groß -er Bedarf heute »»ach solchen gründlich praktisch usid
 
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