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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (2) — 1920

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Nr. 171 - Nr. 180 (27. Juli - 6. August)
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Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbifchofsheim und Wertheim.

Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägerlohn S.— Ml. Anzeigenpreise:
Die einspaltige Petitzeile (36 mm breit) SO Pfg., Reklame-Anzeigen
(SZ mm breit) 2.20 Mk. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: S-'/,S Llhr. Sprechstunden der Redaktion: 11-12 uhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22Z77. Tel.-Adr.: Volkszeitung Heidelberg.

Heidelberg, Montag, 2. August 1920
Nr. ^76 2. Jahrgang

Verantwort!.: Fürinnereu. äußere Politik, Dolkswlrtschafiu. Feuilleton: Dr-
E.Kraus; fürKommunales u. soziale Rundschau: Z. Kahn,- für Lokales-
I.A.: Z.Kahm für die Anzeigen :H. Hoffmann, sämtl. in Heidelberg
Druckund Verlag der ttnterbadischen Verlagsanstalt G. m. b.H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße ZS.
Fernsprecher^Anzekgen-Annahme 267Z, Redaktion 2648.

Der 1. Verhandlungstag der 2. Internationale.


Shaws Eröffnungsrede.
Genf, 31. Juli.
Generalsekretär Huysmans «öffnet« 'heute Vormittag 11
Uhr den internationalen Sozialistenkongreß in Genf. An Stelle
des infolge Erkrankung am Erscheinen verhinderten Archur Hen-
derfon und des 'durch dienstliche Geschäfte zurückgehaltenen schwedi-
schen Ministerpräsidenten Branting empfahl 'das Bureau dem Kon-
greß, den englischen Delegierten Shaw als Präsidenten
und den holländischen Delegierten Vliesen als Bi - ePräsi-
denten zu bezeichnen. Einstimmig wurde dieser Vorschlag ange-
nommen. Präsident Shaw nahm hierauf das Wort zu einer län-
geren Ansprache, in der er der Hoffnung Ausdruck gab, daß die
Arbeit des Kongresses zu einem einigermaßen positiven Ergebnis
sühren möchte. Der Präsident schilderte die trostlose Lage der ver-
schiedenen Staaten Europas und erklärte in bezug aus Rußland,
aus welchem Lande er erst vor kurzem als Mitglied der -englischen
Delegation zurückgskehrt sei, daß in dem Gebiet der Sowjetrepublik
die Bevölkerung kaum die Hälfte der ihr normalerweise zukommen-
den Ernährung erhalte. Er kam sodann auf die in der Internatio-
nale eing-etret-enen- Gegensätze zu sprechen -und «klärte, daß die In-
ternationale den Gedanken ausgeden müsse, -rin -einheitliches, für
alle gültiges Ardeitsprvgramm in allen Ländern durchzuführen.
Jedes Volk müsse feine vollkommene Freiheit behalten in der Ver-
wirklichung des sozialen Zieles. Was Rußland anbetreffe, so wolle
er sich jeder Kritik enthalten -und hier nicht -entscheiden, ob für dieses
Land die Diktatur des Proletariats Wirklich dis geeignete Form sei
Zur Verwirklichung der sozial-iftis-chen Ziele. Jedenfalls wolle -er
ftststellen, daß er die russische Methode entschieden ablehnen müsse.
Die Zweite Internationale -dürfe sich aber jedenfalls -nicht als- Feind
Sowjetvußla-nds betrachten. Die Westm-ächte -Haden die Haltung
gegenüber- Sowjetrußtand bereits wesentlich geändert, wobei der
Labour Party ein großes Verdienst zukomme. Der zu -erwartende
Abschluß eines Friedens mit Rußland werde auf jeden Fall den
arbeitenden Klassen aller Länder zugute kommen. Redner kam so-
dann auf den russisch-polnischen Krieg zu sprechen und
gab der Ueberzeugung Ausdruck, daß der -polnische Vorstoß -sine
Folge von Abmachungen Wischen Polen und dem -uprainischen Dik-
tator Petljura war, auf Grund deren Palen -ukrainische GM-ete in
Besitz -nehmen konnte. Der Präsident berührte sodann die soge-
nannte Verantwort! ich k-eitssrage. Er Wb der ent-
schiedenen Meinung Ausdruck, -daß die Schuldfrage nicht -mehr zum
Gegenstand eines Zwistes -auf einem- sozialistischen Kongreß -gemacht
werden dürfe. Er schlage deshalb dem Kongreß -vor, -daß die ver-
schiedenen Parteien, die sich für die VerantwoMchkeitsfrage -inter-
M-erten, je einen Vorschlag -einbringen, daß dann über diesen Vor-
schlag einfach abgestimmt würde, -wenn sich -sine besondere Debatte
entspinn-en sollte. Redner verbreitet sich dann über die Frage
»Diktatur oder Demokratie" und sprach sich mit aller Entschieden-
heit dahin aus, daß der Sozialismus auf dem Wege der Demokratie
seiner Verwirklichung entgegengeführt werden würde. Sodann
machte Generalsekretär Huysmans die Mitteilung, daß der Kon-
greß voraussichtlich bis nächsten Donnerstag dauern werde. Nach
seiner Meinung dürfte der Kongreß nicht auseinand-ergehen, bevor
er den Bericht -der britischen Kommission, die in Rußland war, und
von der zwei Mitglieder, Präsident Shaw und Frau Snowden, an-
wesend seien, angehört word-m sei. Sodann teilte -er mit, Haß -er
als Generalsekretär zurückzutreten -gedenke -und eine Verlegung des
Generalsekretariats -von Brüssel nach London empfehle. Die eng-
lische Partei eigne sich schon darum zur U-ebernahme -des Sekreta-
riats, weil sie -heute eine der stärksten Parteien -darstelle. Die Än-
-gelegenheit könne aber -erst entschieden werden, wenn ein -von Arthur
Henderson sich auf diese Frage beziehender Brief, der soeben ein-
getroffen sei, bekanntgeworden sei. Rozier (Frankreich) erklärte,
daß die französische Delegation -sich Vorbehalten muffe, die Frage
der Verantwortlichkeit mit aller Freiheit zu diskutieren, da gerade
diese Frage im Interesse der Parteieinhsst klar entschieden werden
müsse. Der Präsident -empfahl, die Frage der Verantwortlichkeit
erst dann zu verhandeln, -wenn der Bericht der -dafür eingesetzten
Kommission vorli-eze. A b -g eordneterDr. B r aun (Deutsch-
land) erklärte, daß die Deutschen sehr wohl begriffen, daß dis fran--
zösffchsn und belgischen Delegierten -die Frage der Verantwortlich-
keit -nicht beiseite kaffen -wollten, aber die deutschen seien der Mei-
nung, daß es -sehr schwierig sei, -die Verantwortlichkeit am Weltkrieg
festzustellen, da- dis Deutschen die -einzigen seien, die die Akten bis-
her vollständig veröffentlicht hätten. Notwendig sei die Diskussion
der Schuldfrage, und eine Debatte -über die Angelegenheit -erschiene
den Deutschen für die Gestaltung der Zukunft des Proletariats er-
forderlich.
Generalsekretär Huysmans teilte mit, -daß auf Wunsch -ver-
schiedener französischer -und belgischer Delegierter der Kongreß -eine
'ResolusiM beschließen müsse zu Ehren von Ia-ures. Wenn -er noch
'loben würde, -wäre er sicherlich heute zugegen und würde für die
Verwirklichung des Sozialismus durch die Demokratie -eintreten.
Die Versammelten erhoben sich zu Ehren Iaures. Huysmans -er-
innerte den Kongreß daran, daß morgen die Schweiz -ihren natio-
nalen Feiertag begehe, und sprach dem gastlichen -Lande, das aus
eigener Kraft sich seine Freiheit geschaffen habe, die Sympathie des
Kongresses aus. Die Versammlung wurde heute um 12.30 Uhr
-mittags geschlossen. Tine Plenarsitzung -wird -erst wieder am Mon-
tag stattfinden.

Die Erledigung der Schuldfrage.
Genf, 1. Aug. Die Kommission des Internationalen Kon-
gresses für di« Berantwortlichkeitsfrage nahm nach
schwierigen Verhandlungen unter Vorbehalt der Zustimmung seitens
der deutschen Delegation, die noch nicht vollständig erschienen ist,
einstimmig folgende Resolution an:
In Erwägung, daß die deutsche Sozialdemokratie in ihrer
Denkschrift über dir Frage der Verantwortlichkeit anerkannt haken,
nicht frühzeitig und nicht energisch genug das System des Milita-
rismus und des Imperialismus bekämpft zu haben, vor allem in der
Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, die der Kontrolle der
Volksvertretung entzogen war — in weiterer Erwägung, daß die
deutsche Sozialdemokratie selbst sagt, daß die deutsche Revolution
zum Unglück der ganzen Welt und im besonderen des deutschen Vol-
kes selbst um fünf Jahre zu spät gekommen ist und daß darin, ihr
nicht schon früher den Weg gebahnt zu haben, ihre Schuld liegt, und
die deutsche Sozialdemokratie sich nun selbst anklagen muß, — in
weiterer Erwägung daß die Vertreter der deutschen Sozialdemo-
kratie in der Kommission für die Schuldfrage die nachstehende Er-
klärung abgegeben hat:
1. Das Bismarcksche Deutschland hat — wie schon Marx
und Engels erklärt haben — den Weltfrieden auf bas Stärkste
erschüttert, indem es Elsaß-Lothringen 1871 mit Gewalt annek-
tiert hat (für die deutsche Sozialdemokratie gibt es keine elsaß-
lothringische Frage mehr).
2. Das kaiserliche Deutschland hat ein neues Verbrechen
gegen das Völkerrecht begangen, als es im Jahre 1914 die Neu-
tralität und die Unabhängigkeit Belgiens verlrhte.
3. Das republikanische Deutschland hält sich selbst für ver-
pflichtet, zur Wiedergutmachung der Folgen des Angriffes, den
das kaiserliche Deutschland ausgelöst hat, nachdem es das noch
am Vorabend des Konflikts mögliche Schiedsgericht abgelehnt hat.
Der Kongreß nimmt diese Erklärung zur Kenntnis und erneuert
die Erklärung der alliierten Sozialisten vom Jahre 1915, daß das
kapitalistische System durch di« Uebertreibung seiner Interesfenpolitik
und seiner Rachsucht eine der tiefsten Ursachen des Krieges ist, und
erklärt gleichzeitig, daß sein unmittelbarer Anlaß hauptsächlich- wenn
auch nicht ausschließlich bei der mit Kopflosigkeit gepaarten Ge-
wissenlosigkeit der jetzt gestürzten deutschen und österreichischen
Machthaber liegt.
Der Kongreß' gibt die Urheber der abscheulichen Schlächterei,
die Europa und die Welt in Blut gebadet hat, dem Abscheu der
Völker preis und bestätigt seine Festigkeit, alle seine Kräfte der
Wiederherstellung der durch den Krieg zerstörten Welt zu widmen
und von neuem anzukämpfen gegen die kriegerischen Mächte im
Geiste und im Dienste der Internationale.
Eine Resolution der englischen Delegierten.
Genf, 31. Juli. Die -englische Delegation hat zum Kongreß
der Zweiten Internationale -eine Resolution gefaßt, in -der die Re-
gierungen Europas aufgefordert werden, die notwendigen Mitts!
zur Erhaltung und zum Aufbau -der vorhandenen Einrichtung-en zur
Ernährung der Kinder bereitzustellen. Die Resolution verurteilt
jeden Versuch, mit -dieser Frage politische oder kommerzielle Zwecke
zu verbinden. Es wird daher verlangt, daß für die Verwendung
von Mitteln, -die für die Unterstützung von Kindern gegeben wor-
ben sind, Sicherheiten geschaffen werden sotten vor Einflüssen, die
dem ursprünglichen Charakter ihrer Verwendung Nachteil bringen
könnten. Diese Mittel dürfen ausschließlich nur für unterernährte
Kinder verwandt werden, gleichgültig, welcher Gesellschaftsklasse,
welchem Lande und welchem Glauben sie -a-ngehör-en. Die Mitte!
sollten Organisationen -der verschiedenen Länder anvertraut werden.
Die Folgen des KohlerraSkornrnens.
Berlin, 31. Juli. (Wolff). Mehreren Abendblättern
zufolge meldet die „Kölnische Zeitung": Die Hüttenwerke
rm Industriegebiet treffen Anstalten, um ihre Erzeugung
den verminderten Kohlenlieferungen anzupassen. Durch
eine Verfügung kürzte der Reichskohlenkommissar die für
die Hüttenwerke zu liefernde Kohlenmenge um 12'/z Prozent.
Die gegenwärtig zur Verfügung stehende Kohlenmenge hat
bereits bei der Interessengemeinschaft der Gelsenkirchen-
Deutsch-Luremburger Werke die Einstellung der Arbeit von
drei Hochöfen und eines Stahlwerkes zur Folge gehabt.
Allerseits macht man sich nunmehr auf große Arbeitsent-
lassnngcn gefaßt.
Die Ernährrmgsfrage.
B erlitt, 31. Juli. (Wolff.) Im Reichsmnnfterium
für Ernährung und Landwirtschaft haben gestern im Beisein
des Staatssekretärs beim preußischen Staatskommissar Be-
sprechungen mit den Ernährungsministern der süddeutschen
Staaten stattgefunden, welche die gesamte Ernährungrlage
und die für die Zukunft zu ergreifenden Maßnahmen zum
Gegenstand hatten. Die Verhandlungen nahmen einen sehr
befriedigenden Verlauf. Es wurde Übereinstimmung in
allen wichtigen Fragen herbeigeführt. Die Besprechungen
der süddeutschen Minister im Reichministerium für Ernährung
und Landwirtschaft werden heute noch fortgesetzt.

Rückblick?)
Kr. Heidelberg, 2. August.
k. Aeußere Politik.
Von größtem Interesse waren die Kammerverhandlungen von
Pvns und London über das Ergebnis von Spa. Die Tatsache, daß
le-imr der Partner gang befriedigt nach Haus« gekommen sitz be-
weist, daß es gelungen ist, sich auf einer -mittleren Linie zu einigen.
Den schwersten Stand hatte Mill-erand und die Verhandlungen
M der französischen Kammer und ihren Ausschüssen haben bewiesen-
wie recht Lloyd George hatte, als er in Spa meinte man müßt«
gewisse Mindestforderungen Millerands akzeptieren-, sonst würde
er gestürzt und ein viel radikalerer Chauvinist an seine Stelle ge-
setzt, -was natürlich weder England noch Deutschland wünschen
kann. Der rechte Flügel der Kammer, besonders Tardteu und
Loucheu r, machten dem Ministerpräsidenten die heftigsten- Vor-
würfe, weil er nicht auf -dem Inlandspreis der deu-ffchsn Kohlen»
lreferungen stehengebliebon ist und in den Vorschuß für Lebens-
mittel -eingewilligt hat. Poincare entfaltete eine infame Preffe-
he-tze gegen Millerand, dem -er Verrat am GM des 'Versailler Ver-
trags vorwarf. Von links her opponierten die Sozialisten. Es ist
Millerand gelungen, der -Schwierigkeiten Herr z-u werden und auch
von der Kammer die Bewilligung für 1200 Millionen Francs
Vorschuß zu erhalten. Vor dem -englischen Unterhaus hielt Lloyd
George -eine äußerst versöhnliche Rede; es war von -größter Be-
deutung, daß er immer wieder wiederholte, daß er von der deut-
scheu Delegation den besten- Eindruck -empfangen habe und daß die
deutsche Regierung den ernstesten Willen habe, ihre Verpflichtungen
zu erfüllen. Allerdings ist noch ein- weiter Schritt von solch schö-
nen Reden- bis zu wirklicher Hilfe; dis -letzten Besprechungen in
Boulogne zwischen Millerand und Lloyd George -über die Art der
Vorschubzahlungsn -und die Wiedergutmachungsfrage lassen -noch
keinen wirklich ernsten Willen zu -gemeinschaftlicher Wiederaufbau-
arbeit erkennen.
Im Mittelpunkt der außeupolidischen Probleme -stand der
Krieg im Oste n. Unaufhaltsam find die bolschewistischer» Heere
vorgerückt, eine wichtige Stadt und Festung -um die andere -wurde
genommen, so daß Polen, das noch vor wenigen Monaten sieges-
trunken den Feldzug gegen Rußland begann, kläglich um Fri-ed-en
bitten mußte. Werden- die Bolschewisten -einmarschier-en- oder nicht?
Diese Frage bildete das Tagesgespräch in Deutschland. Und inier-
e-ffant! Während wir bei den Linksparteien -eine außergewöhnliche
Zurückhaltung beobachten konnten, machten gewisse reaktionäre Kreise
kein Hehl daraus, daß sie gar nicht -ungern Seite an Seite mit den
Bolschewisten gegen die Entente kämpfen würden. Die deutsche
Regierung tat das einzig Vernünftige, was sie in- dieser.Situation
tun konnte: sie erklärte strikteste Neutralität. Eng-
land hat den Schwerpunkt der Entscheidungen wieder -nach London
zu legen gesucht und hat -dazu die Verhandlungen benützt, in die
es vor einigen Wochen -mit Krassin- Mgetreten war. Rußland
hat zunächst die englische Vermittlung abgelehnt, worauf Lloyd
George Polen riet, sich direkt an Rußland- mit der Bitte -um Waffen-
stillstand zu wenden. Polen hat das -getan, worauf Rußland den
Beginn der Waff-enstillsiandsverha-nblungen a-u-f den- 30. Juli, abends
8 Uhr festsetzte; -inzwischen haben die Roten Armeen ihre Anstren-
gungen aufs höchste gesteigert und- Stunde um Stunde Fortschritte
-erzielt. Wir müssen uns darüber klar sein, daß das rüWH-pvl-
nische Frisden-sproblem im Zusammenhang rmt der ganzen Ra-n-d-
staatenfrage ungeheuer komplizierte Probleme in- sich -birgt. Zu-
-nächst bestehen in der -russischen Politik selbst zwei gegensätzliche
Standpunkte. Die einen wollen Polen nicht ganz med-erwerfen.
sondern seine berechtigten nationalen Ansprüche anerkennen; der
Führer dieser Strömung scheint Lenin zu sein, der die antipvlnischen
-nationalistischen Strömungen in Rußland nicht allzu-stark werden
lassen -möchte. Die anderen -wollen Polen- überrennen, es zertrüm-
mern und ein Sowjetpvl-en -errichten, -das -die rote Brücke zwischen
Rußland und Deutschland bilden soll. An der Spitze dieser Kreise
scheint Trotzkizu stehen, der hier sehr stark -von dem rein milita-
ristischen Denken der alten' zaristischen -Generäle geschoben wird.
Starke Gegensätze bestehen in der russisch-polnischen Frage sodan-n
zwischen England und Frankreich. Frankreich war -von vornherein
gegen die englische Vermittlung — schon anläßlich der Wirtschafts-
Verhandlungen mit Krassin —, da -es unter keinen. Umständen eine
Anerkennung der Sowjetregierung -will. Po-lew ist ja -eine Prestige-
frage für die Ostpolitik Frankreichs. Man wird mk allergrößter
Spannung die weitere Entwicklung dieses weltpolitischen- Problems
zu- verfolgen haben.
In Syrien hat die Expansionspolitik Frankreichs- emen
neuem Sieg errungen. Emir Faissa k, der von -der Friedens-
konferenz zum König von Syrien -gemacht worben ist, ist entthront,
der franMsche General -G o u r a n- d hat -eine neue Regierung ein-
gesetzt und -ihr die demütigendsten Bedingungen au-ferlegt. Das
finanziell so schwache Frankreich wirft Millionen und Abermillio-nen
für solche Extratouren hinaus; -und alles sollen wir mit unseren
Wiedergutmachungsiummen bezahlen.
Die -ör i s ch e Frage spitzt sich imnwr mehr zu, die Unruhen
und blutigen Zusammenstöße in -verschiedenen Rich ungen mehren
sich von Tag zu- Tag. Dieser Tage war eine Abordnung -des
Gewerkschaftskongreffes und der Labourpart-ei bei Lloyd George
wegen der irischen Frage. Lloyd -George hat -erklärt, daß die Iren
alles haben sollen, worüber sie sich selber -vsrstäMgen- kön-n-en, -aus-
genommen die völlige Trennung vom Reich. Das deckt sich im
großen Ganzen mit dem Domimonstandpunkt der englischen Ge-
werkschaften.
II. Innere Politik.
Die letzten vierzehn Tage waren a-usgefüllt mit -der V e r-a n t -
wortung der deutschen Regierung bezügl. ihrer
Arbeit in Spa vor der Volksvertretung, zuerst vor dem aus-
wärtigen Ausschuß des Reichstags, dann vor einer Konferenz der
*) Wegen Stosssndrang am Samstag zurückgestellt. Die Md.
 
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