Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Äppingen, Eberbach, Mosbach, Buchen, Adelsheim, Boxberg
Tauberbischofsheim und Wertheim.
Bezugspreis: Monatlich einschl. Trägcrlohn Z.so Mk. Anzeigenpreise:
Die einspaltige petitzcile (36 rmn breit) 80 Pfg., Reklame-Anzeigen
(SZ mm breit) 2.20 M. Bei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif.
Geheimmittel-Anzeigen werden nicht ausgenommen.
Geschäftsstunden: «- '/-6 Uhr. Sprechstunden der Redaktion: 11 -12 ilhr.
Postscheckkonto Karlsruhe Nr. 22577. Tel.-Adr^: Volkszeitung Heidelberg.
.Heidelberg, Freitag, ^8. Juni 1SW
Br. ^38 . 2. Jahrgang
Verantwort!.: Für inneren. äußerepolit!k,Volkswirtschafiu. Feuilleton: Dr.
G.Kraus; für Kommunales u. soziale Rundschau: J.Kahn; für Lokale«:
O.Geibel; für die Anzeigen: H. Hoffmann, sämtlich In Heidelberg
Druck und Verlag der llnterbadischen Verlagsanstalt G. m. b. H., Heidelberg
Geschäftsstelle: Schröderstraße ZS.
Fernsprecher: Anzeigen-Annahme 2673, Redaktion 2648.
Die wirtschaftliche Lage
Sowjetrutzlands.
Wir bringen im Folgenden einen von der „Times" ver-
öffentlichten Geheimbericht zum Abdruck, der von einem
Mitglied des bolschewistischen obersten Wirtschaftsrates im
März dieses Jahres verfasst worden ist. Unsere Leser sind ja
durch die Artikelserie über die Zustände in Sowjetrujzland, die
die „Volkszeitung" seit Wochen in ihrem Feuilleton von einem
Augenzeugen veröffentlicht, über die allgemeine Lage in Ruß-
land unterrichtet. Der vorliegende Bericht bietet im einzelnen
interessante Ergänzungen, im ganzen gibt er dasselbe Bild.
Die Redaktion.
In der Einleitung wird ssstgestellt, das; die wirtschaftliche Lage
Sowjervußlands sjch fortwährend verschlechtert. Adder die Ursachen
dieser katastrophalen Lage ist der Verfasser sich vollkommen klar.
Er faßt sie in folgenden Punkten zusammen: vollkommene Aus-
schaltung der Privatinitiative, Unmöglichkeit mit den jetzigen Ar-
beitslöhnen den Lebensunterhalt zu bestreiten. Hunger, Elend und
Seuchen, Fehlen der Persönlichkeit, Sicherheit, Besetzung verant-
wortlicher Posten mit Personen, bei denen außer der Zugehörigkeit
zur kommunistischen Partei keine Voraussetzungen dazu vorhanden
sind, absichtlicher oder unbewußter Widerstand der Bevölkerung,
die überall der Wirkung der Maßnahmen der Sowjetregierung zu
entgehen sucht, militärische Operationen, durch die 346 Millionen
Einwohner von der produktiven Arbeit zurückgehalten werden, die
unaufhörlichen AenderunMn in der Zusammensetzung der Regierung
und schließlich die bolschewistische Dekretwut.
Trotz der zahlreichen Dekrete, die die Flucht der Arbeiter von
ihren Arbeitsstätten unter Androhung harter Strafen verbieten, cäht
sich die Abwanderung der Arbeiter nicht verhindern. Nach fach-
männischer Ansicht ist es jetzt infolge der Ardeiterflucht und der
gesunkenen Leistungsfähigkeit der Arbeiter unmöglich, mehr als
10 v. H. der vorrevolutionären Produktion zu erreichen. Es kommt
häufig vor, daß die Arbeiter, um dem Hunger zu entgehen, Ma-
schinenteile oder sonstiges Fabrikeigemum den Bauern verkaufen,
um dafür Brot oder Salz zu erhalten.
Die Bemühungen des Volkswirtschaftsrates sind hauptsächlich
auf die Verbesserung des Verkehrswesens und Versorgung der Ar-
mee gerichtet gewesen. Die Zahl der Lokomotiven, die gegenwärtig
in Sowjetrußland gebaut werden, beträgt etwa 3 bis 4 im Monat,
d. h. 40 bis 50 im Jahr, während unter dem alten Regime in Ruß-
land 800 dis 1000 Lokomotiven jährlich gebaut wurden. In ganz
Sowjetrußland wird Stahl für Eisenbahnradrdifen nur von einem
einzigen Martinofen der Kulobukiwerke geliefert. Der Zustand
der Eisenbahnen wird infolgedessen immer kritischer.
Der Wassertransport ist in ebenso schlechtem Zustand. Kaum
3 v. H. aller Dampfer sind nicht reparaturbedürftig. Am 31. De-
-ember 1919 waren nm 4 Martinöfen, 3 Konverter, 3 Kuppelöfen
und ein Hochofen im Betrieb und auch diese arbeiteten mit Unter-
brechungen. Nach der Einnahme des Uralgebietes durch die Bol-
schewiki brach die ganze dortige Industrie zusammen, und jetzt ar-
beiten nur noch die Ishewskiwerke, die 2000 Gewehre täglich
Herstellen. Die Petersburger Industrie existiert nicht mehr, und
nicht viel besser ist der Zustand der Moskauer Industrie. Die So»
mowowerke bei Nishni Nowgorod produzieren Panzerzüge
und geringe Mengen von Geschützen und Waffen. Die
Produktion von Torf im Moskauer Rayon liefert jetzt nur 20 o. H.
der erforderlichen Menge, so daß die Moskauer Industrie keinen
elektrischen Strom erhält. Im Herbst 1919 ist es vorgekommen, daß
im Moskauer Elektrizitätswerk 8 Eisenbahnwaggons Wertpapiere
verbrannt wurden.
Verzweifelt ist auch die Lage der Landwirtschaft.
Es werden nur 20 v. H. der anbaufähigen Fläche bebaut. Die
letzte Ernte war schlecht. Infolge des feindseligen Ver-
haltens der Bauern zur Sowjetregierung haben
die Bauern ihre Anbaufläche auf das unbedingt notwendige Mini-
mum eingeschränkt, so daß es keine landwirtschaftlichen Produkte
für die Städte mehr gibt. Die Weizenproduktion ist um oder
mehr zurückgegangcn. Bis 1914 war Rußland imstande, 15 v. H.
der Weizenernte auszuführen nach der Befriedigung des eigenen
Bedarfs, der der niedrigste in Europa war. Gegenwärtig bringt
aber Rußland nur 45 v. H. seiner früheren Weizenmenge hervor,
d. h. 40 v. H. weniger, als es damals selbst verbrauchte.
Die einzige Ware, die ausgeführt werden könnte, ist Holz.
Die Arbei 1 sarmee ist daher damit beauftragt worden, Holz
zu fällen. Dabei hat sich aber herausyestellt, daß ihre Arbeits-
lei st ung eine sehr niedrige ist, nämlich ungefähr ein
Drittel der normalen Durchschnittsleistung. Uebrigens konnte
die Arbeitsarmee zum Holzfällen nach den nördlichen Gouverne-
ments nicht geschickt werden, weil dort keine Nahrungs-
mittel vorhanden sind.
Der Bericht stellt dann fest, daß, selbst wenn die Blockade
Eowjetrußlands aufgehoben und die Handelsbeziehungen mit dem
Ausland wieder aufgenommen werden sollten, die Lage sich in der
nächsten Zukunft kaum bessern kann, weil das Verkehrswesen in
Rußland in einem solchen Maße zerstört ist, daß noch Jahre lang
jeder Daudet und Verkehr außerordentlich schwierig sein muß.
Schließlich wird im Bericht noch mitgeteilt, daß während der
Kämpfe mit Koltschak und Denikin die Sowjetregierung große
Summen für Propagandazwecke im Rücken der feind-
lichen Armeen ausgegeben hat. So wurden in dem von Koltschak
beherrschten Gebiet dafü 8 0 Millionen Rubel ausgegeben,
im Denikinschen Gebiet gegen 7 0 Millionen. Zum selben
Zweck wecken nach P o l e n g r o ß e S u m m e n geschickt.
Bemerkenswert ist das Eingeständnis des Verfassers des Ge-
yeimberichts, daß die Wirtschaftspolitik der Sowjetregierung in der
Bevölkerung als Rückschlag den Instinkt für Besitz und eine deut-
liche Neigung zur Reaktion gezeitigt und gestärkt hat. Diese Stim-
mungen kommen in unverkennbarer Weise zum Ausdruck, so daß,
wen» das gegenwärtige Regime zusammenbrechen sollte, man bannt
Noch keine Klärung!
Berlin, 18. Juni. Die Bemühungen Fehrenbach s,
ein Kabinett aus den drei alten Koalitionsparteien zu bilden, hatten
bisher keinen Erfolg. Die Sozialdemokraten erklärten laut „Berk.
Tagebl.", daß sie sich nicht an der Regierungsbildung beteiligten,
sie würden angesichts der Verhandlungen in Spaa dem neuen Ka-
binett keine Schwierigketten bereiten, behielten sich aber alle Schritte
vor. Es könne daher wieder nur eine Regierung der bürgerlichen
Parteien in Belacht kommen, an der sich Zentrum, Demokraten und
Deutsche Volkspartei beteiligten. Unter diesen Umständen sei der
Sitzung der demokratischen Reichstagssraktivn von heute Vormittag
große Bedeutung zuzusprechen. Die Demokraten wünschten ziemlich
wettgehende Zusicherungen, daß die Sozialdemokraten gegenüber
einer Regierung, in der sie vertreten seien, sich nicht unfreundlich
stellten. Nach dieser Entscheidung werbe sich Fehrenbach entschlie-
ßen, ob er seine Bemühungen weiter fortsehe. Sollte der Beschluß
der Demokraten günstig sein, so wären damit die Hauptjchwicrig-
keiten überwunden. Die Ernennung Fehrenbachs zum
Reichskanzler wäre dann in kürzester Frist zu erwarten.
Machtpolitik auch im Rheinland.
Wiesbaden, 18. Juni. Eine neue aufsehenerregende Ver-
haftung ist hier erfolgt: Der erste Vorsitzende des rheinischen
Mieterschutzverbandes, Direktor E. A dicht, wurde von
den Franzosen verhaftet unter der Begründung, einen Brief politi-
schen Inhalts an den preußischen Ministerpräsidenten geschrieben zu
haben. Der Brief ist durch eine grobe Indiskretion aus den Akten
des Regierungspräsidenten verschwunden und den Franzosen in die
Hände gespielt worden. In der Bevölkerung Wiesbadens herrscht
große Erregung über diese Maßnahme der Franzosen. Man er-
wartet, daß die Regierung baldigst Maßnahmen zur Freilas-
sung des Verhafteten einleiten wird.
Die französische Kammer Sher die prodeutsche
Anleihe.
Paris, 17. Juni. In der längeren Debatte, die sich bei der
Aussprache über die Festsetzung der deutschen Ent-
schädigungssumme entspann, verlangte Chenebenoit,
daß die Kommission ihren Standpunkt in dieser Frage zum Aus-
druck bringe. Wenn es zu einer eFstiegung der deutschen Ent-
schädigungssumme kommen sollte, so müsse dies an gewisse Bedin-
gungen geknüpft wecken. Wenn die deutsche schwebende Schuld
festgelegt werden solle, müsse als unbedingte Folge eine interalliierte
oder internationale Anleihe z u st a n d e k o m m e n,
deren erste Raten zum größten Teil dem Spezialfonds für die ver-
wüsteten Gebiete zufließen müsse. Die folgenden Raten könnten
dann unter vorher mit Deutschland zu vereinbarenden Bedingungen
zum wirtschaftlichen Wiederaufbau dieses Landes Verwendung fin-
den. Die Kommission beschloß, ihre Wünsche durch ihren Vorsitzen-
den dem Ministerpräsidenten unterbreiten zu lassen.
Die Autonomiekämpfe in Irland.
London, 18. Juni. Der Morningpost wird aus
Londonderry gemeldet, daß sich am Mittwoch zwischen 200
Sinnfeinern und Anhängern der Regierung eine Schlacht
abspielte, die drei Stunden dauerte. Die Zahl der Opfer
ist noch nicht bekannt.
Amsterdam, 18. Juni. Auf dem Kongreß des
amerikanischen Arbeiterverbandes in Montreal wurde eine
Resolution angenommen, die fordert, daß die militärische
Besatzung aus Irland zurückgezogen und das Selbst-
bestimmüngsrecht des irischen Volkes anerkannt werde.
Die bolschewistische Bewegung in Persien.
Amsterdam, 18. Juni. Die „Times" melden aus
Teheran: Der rote revolutionäre Ausschuß Persiens meldet
in einer Proklamation die Ausrufung der Räterepublik in
Rescht. Die persischen Bolschewisten gaben in Telegrammen
an die amerikanische und französische Gesandtschaft die Er-
richtung eines roten Ausschusses und die Abschaffung der
Monarchie bekannt; sie protestieren gegen die fortdauernde
Anwesenheit der englischen Truppen in Persien.
Erne Wirtschaftskonferenz der Randstaaten.
Kopenhagen, 18. Juni. Nach einem Telegramm
der „Berlingske Tidende" aus Helsingsors winde kürzlich
in Helsingsors eine Konferenz der Randstaaten abgshallen,
wobei über die Gründung einer permanenten Wirtschafts-
konferenz der Randstaaten beraten wurde. Es standen u. a.
zur Verhandluna die Schaffung einer Zollunion, finanz-
einheitliche Eisenbahn-, Post- und Tslegraphengsbühren,
sowie die Errichtung eines Wirtschastsrates für die Rand-
staaten.
rechnen muß, baß in Rußland die stärkste Form der bürgerlich-kapi-
talistischen Gesellschaftsordnung entstehen Wick. Man hört Bauern
und Arbeiter häufig sagen: „Die Zeit wird kommen, in der wir einen
wirklichen Herrn haben wecken."
Es läßt sich kaum eine schärfere Kritik der Folgen des bol-
s ch e w i st i s cy e n Regimes denken als dieser Geheimbericht
eines Mitglieds her leitenden bolschewistischen Wirtschafts'bchörbe.
Politische Ueberficht
Die Niederlage der Unabhängigen in Mecklenburg.
Das endgültige Resultat.
Schwerin, 16. Juni. Die Niederlage der Unab-
hängigen in Mecklenburg stellt sich nach dem Endresultat der
letzten Wahlen als noch größer heraus, als ursprünglich angenom-
men wurde. Die Sozialdemokraten gewinnen gegen-
über der Reichslagswahl 8650 Stimmen, die Unabhängigen
verlieren 11395 Stimmen, die Kommunisten verlieren 1490
Stimmen. Insgesamt wurden abgegeben: Deutschnationaie 71841,
Deutsche Volkspärtei 48 717, Wirtschaftliche Vereinigung 24188,
Demokraten 22 203, Sozialdemokraten 128473, U.S.P.
24 567, Kommunisten 1178 Stimmen. Die Mandatsverteilung ist
folgende: Deutschnationale 14, Volkspärtei 10, Wirtschaftliche Ver-
einigung 5, Demokraten 4, Sozialdemokraten 26, U.S.P.
5 Mandate. Die Wahlbeteiligung beträgt 80 Prozent.
Die Regierungsbildung.
Berlin, 17. Ium. Herr Dr. M a y r r - Kaufbeuren hak,
wie wir hören, die ihm angetragene K a b i n ettsb i l d u n g tele-
graphisch ab gelehnt. Er begründet nach der „B. Z." sein«
Ablehnung mit dem Hinweis auf die Wichtigkeit der Auf-
gabe, die er gegenwärtig in Paris zu erfüllen habe.
Berlin, 17. Juni. Staatssekretär Trimborn berichtete
heute vormittag dem Reichspräsidenten über den Fortgang seiner
Verhandlungen., Der Reichspräsident dankte Trimborn für keine
Bemühungen, die, wie er hoffe, wesentlich zur Ueberwinbung der
bestehe üben Schwierigkeiten beigetragen haben. Zurzeit verhandelt
der Reichspräsident mit dem Präsidenten der Nationalversammlung,
Abgeordneten Fehrenbach, wegen der Uebernahme des Reichs-
kanzleramtes.
Berlin, 17. Juni. Die Lag« der Regierungsbil-
dung i st noch ungeklärt. Nach den Abendblättern scheint
der Präsident der Nationalversammlung, Fehrenbach, sich
gegenüber der Anregung, die Kabinettsbildung zu übernehme», nicht
mehr unbedingt ablehnend zu verhalten. — Dem „Vorwärts" zu-
folge wendet sich Fehrenbach zunächst an die Demokraten und die
Deutsche Volkspärtei. Der „Vorwärts" verzeichnet noch eine Mel-
dung, wonach die Demokraten nicht abgeneigt wären, zu versuchen,
durch den Abgeordneten Schiffer das Kabinett zustandezubrin-
gen. — Die „Voss. Zt-g." faßt die vorliegenden Nachrichten dahin
zusammen, daß die Bildung eines auf dem Zentrum und den Demo-
kraten gestützten Fa ch m i n i st er i u m s bevorstehe, welches im
Herbst-Hen Anschluß nach links anstreben dürfte, um sich aus der
mehrheitssozialistischen Fraktion zu ergänzen, damit würde die oft«
Koalition wiederhergestellt.
Die französische Machtpolitik in der Pfalz.
München, 17. Juni. Die Lage in der Pfalz droht sich za
einer Katastrophe auszuwachsen. Alle Anzeichen deuten darauf hin,
daß die französische Besatzungsbehörbe die jüngst vollzogene Ver-
haftung sozialistischer Arbeiterführer zu einer Machtprobe ausnützen
will. In Ludwigshafen sind Truppeuverstärkungen eingetrvffen:
starke Patrouillen mit Maschinengewehren durchziehen die Stadl.
Harmlose Passanten wecken auf Ausweise geprüft. Bekanntmachun-
gen verlangen die Ablieferung versteckter Waffen. Die Verhängung
des Belagerungszustandes über die Pfalz wird befürchtet. Am
18. Juni, mittags 12 Uhr, erwartet die Arbeiterschaft der Pfalz die
Antwort auf ihren Protest wegen der Verhaftungen. Dann wird
cs sich zeigen, ob in der Pfalz der französische Militarismus neue
vielleicht blutige Triumphe feiert, wie seinerzeit in dem Ludwigs-
hafener Postamt, oder ob doch noch die Vernunft und Menschlich-
keit den Sieg davontragen.
Der Prozeß gegen die Marburger Totschläger.
Das Gericht der ehemaligen 22. Division begann Dienstag io
Marburg (Lahn) die Verhandlungen wegen der Vorkommnisse
bei Bad Thahl (Thüringen). Angeklagt sind 14 Studenten, zum
großen Teil ehemalige Offiziere. Die Anklage laute auf rechts-
widrigen Waffengebrauch in Verbindung mit Totschlag. Der Haupt-
angeklagte ist der Leutnant a. D. stud. jur. Godel. Dieser erkiärie.
daß die erschossenen Gefangenen auf dem Transport nach Sattel-
stadt Fluchtversuche! (diese „Fluchtversuche" kennt man be-
reits auf der ganzen Welt) unternommen hätten. Das gleiche sagen
die weiteren drei Angeklagten Engelbrecht, Jahn rind Kraus aus.
Um 12 Uhr wurde die Verhandlung geschlossen. Morgen vormittag
8 Uhr findet in Mächterstadt eine Lokalbesichtigung statt.
Flensburg wieder srei!
Flensburg, 17. Juni. Anläßlich der feierlichen Rück»
kehr der deutschen Truppen nach Flensburg prangte die
Stadt im reichsten F l a g g e n s ch m u ck. Um 9)4 Uhr vormittags
begann die eFier mit einein Gottesdienst in allen Kirchen, nachdem
Schulfeiern vorangegangen waren. Die Truppen wurden unter
dem Jubel der festlich gestimmten Menge unter den Klängen des
Schleswig-Holstein-Marsches nach dem Südernrarft begleitet, auf
dem sich Vertreter der Staats- und städtischen Behörden, Vereine,
Innungen, studentische Abordnungen aus Kiel usw. eingesunden
hatten. Nachdem das Niederländische Dankgebet gesungen war,
hielt Oberbürgermeister Todsen eine Ansprache, m der er an die
Schlußworts des soeben gesungenen Lieber anknüpfte: „O Herr,
mach uns frei!" Darauf hieß er die anwesenden Vertreter des
Reiches, Köster und Severins, herzlich willkommen. Darauf
ergriff Reichsminister Köster das Wort, der namens der Reichs-
regierung und des ganzen deutschen Volkes Flensburg und sein«
Bewohner sowie diejenigen der zweiten Zone begrüßte. Durch den
Machtspruch der Gegner war die zweite Zone eine Zeitlang von dem
alten Vaterlands abgeschnitten, jetzt, da sie freiwillig zu uns zurück-